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Sosialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

12. Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Gamstag, 12. November 1932.

Der Arbeitermord in Genf  .

Ein Racheakt der korrupten Bourgeoisie.

penaufgebote waren nirgends notwendig. Dage

Nr. 267.

gen haben die Behörden für verschiedene Plätze Auf Kosten der Arbeiter?

Versammlungen und Umzüge unter

freiem Himmel verboten und Maßnahmen Einige Bemerkungen zu den getroffen, um eventuelle Truppenaufgebote zu forderungen der Staatsangestellten beschleunigen. In der bürgerlichen Presse wird der scharfe Aufruf der sozialistischen   Partei fritisiert.

Solidarisch mit Nicole.

Ueber das Blutbad in Genf   und seine tiefe- war völlig überrascht und glaubte zuerst, es ren Ursachen wird dem SPD  - Dienst in Berlin   handle sich um Feuer mit Platzpatronen. Als unter anderem geschrieben: aber die Schreckenskunde sich verbreitete, daß Tote Um die Ursachen zu verstehen, muß man und Verwundete das Pflaster bedeckten, zogen die die Erregung der Genfer Arbeiterschaft Massen in alle Richtungen ab. Zwei Tote blie­und der Kleinbürger kennen, die durch eine ben sofort auf dem Plaz. Die Verwundeten wur- Genf  , 11. November. Der Zentralvorstand ungeheure Korruption in der von Familien- den in benachbarte Cafés transportiert und bald der Genfer   sozialistischen   Partei erklärte sich in liquen geführten Genfer   Verwaltung schwer darauf in das nahe Kantonshospital, wo im einer Resolution mit Léon Nicole   foli­geschädigt worden sind. Im Verlauf der Laufe der Nacht und des Mittwoch- Vormittag letzten beiden Jahre waren zahlreiche große zehn Opfer ihren schweren Verlegungen erlagen. Darisch, spricht ihm sein volles Vertrauen aus Unterschleifen aufgedeckt worden, bei denen Die Erklärungen Mottas, der am Mittwoch und verlangt seine sofortige Freilassung.

sich die Günstlinge der Banfiers und reichen Bürgersfamilien auf Kosten des Kantons und der Stadt die Taschen gefüllt hatten. Dann brach die Banque de Genève zusammen, wo bei sich herausstellte, daß

fast sämtliche Aufsichtsräte große Kredite berspekuliert

in Genf   weilte und als Bundespräsident das Vor­gehen des Militärs deckte, sowie die kraftstrogen­den Proklamationen der Genfer   Regierung, neh men jeden Zweifel darüber, daß man in Genf   ein Erempel gegen die Arbeiter statuieren wollte. Generalstreik

hatten, an ihrer Spitze der damalige Präsident Gewerkschaften beschließen 24stündigen Streit. der Kantonalverwaltung, Moriaud. Die Sozia­listenführer Dicer und Nicolo, beide Natio Genf  , 10. November. In seiner Sigung am nalräte, führten einen heftigen Agitationstampf Donnerstag hat der Vorstand der Genfer   Soziali gegen die forrupte Verwaltung, was der Sostischen Partei beschlossen, den Samstag als zialdemokratie bei den letzten National- rauertag zu begehen, Der unter dem Vor­ratswahlen ein Mandat mehr einbrachte. ib von Nationalrat   Rossepet versammelte Aus Indessen war ihre meist persönliche Kampfes schuß des Gewerkschaftsverbandes des weise nicht immer sehr glücklich. Nicole, als Chef Kantons Genf   hat am Freitag abends mit 87 redakteur des Genfer Sozialistenblattes Le Tra- gegen 58 Stimmen, bei einigen Enthaltungen, vail", wurde in verschiedenen. Verleumdungs- beschlossen, für Samstag den General prozessen von der Genser Klassenjustiz zu hohen treit zu erklären. Die Dauer des Streits Geldstrafen verurteilt, während die Hauptschul ist auf 24 Stunden beschränkt worden. digen an den Storruptionsskandalen nach Mo­tiauds Tod ohne Strafe ausgingen. Eine unge­heure Hetze gegen Nicole und Dicker wurde von

Ausnahmszustand.

Die Haftentlassung ist von der Unter­fuchungskammer wegen des kriminellen Charat ters der Angelegenheit abgelehnt worden.

Der Aufruf

der Schweizer   Partei.

In dem bereits gestern erwähnten Aufruf der sozialdemokratischen Partei in der Schweiz  heißt es:

In seinen Ausführungen vom 4. Novem­ber, die sich mit dem Abbau der Staatsange­stelltenbezüge beschäftigten, hat der Sozial­demokrat" bedauernd festgestellt, daß

,, die Staatsangestellten noch im Kampfe gegen den drohenden Gehaltsabbau die Erkenntnis vermissen ließen, daß ihre Interessen nur im gemeinsamen Kampfe aller auf Lohn oder Gehalt angewiesenen Schichten vertreten wer­den können."

Richtigkeit dieser Behauptung geben, als das Es kann feinen besseren Beweis für die neue Memorandum, das die Exekutive der Staatsangestellten dem Ministerpräsidenten vorgelegt hat. Dieses Memorandum würde in seiner Gesamtheit eine eingehende Analyse verdienen, die dann ergeben würde, daß sich die Exekutive, von der man doch mit Recht genaue Sachkenntnis verlangen dürfte, ihre Ein Massaker voll Bestialität hat sich Mittwoch Sache verdammt leicht genracht hat. Was soll in Genf   ereignet. Eine von der Reaktion kom man etwa dazu sagen, daß das Memorandum mandierte Soldateska schoß mit Maschinengeweh- allen Ernstes vermeint, es fönnte minde ren in friedlich demonstrierende Boltsmassen. itens eine Milliarde jährlich an Steuerrüd­Gegen diesen brutalen Arbeiter mord, ständen eingebracht werden. Wir haben selbst gegen diese Abschlachtung im Stile fascistischer wiederholt auf diesen wunden Punkt in unse­Banden erheben wir im Namen des schweizeri- rer Steuerverwaltung hingewiesen, aber so ichen Proletariats flammenden Protest leichthin mit Milliardensummen zu spielen, Ter für ihre Rechte gegen eine durch und durch sieht am wenigsten der Vertretung eines Stan torrupte Bourgeoisie lämpfenden Genfer   Arbei­

terschaft befunden wir unsere unverbrüch- des an, dem eine gewissenhafte Budgetierung liche Solidarität und halten ihr die Trene. am allermeiſten am Herzen liegen sollte. Wir Unsere Parteiinstanzen treten sofort zusammen; wollen uns indessen auf die Punkte des Me­fie werden den Organisationen Weisungen für morandums beschränken, die vor allem den die Solidaritäts- und Abwehraktio- Widerspruch der Arbeiterklasse herausfordern nen erteilen. Die Sache der Genser Arbeiter ist müssen. strafgefeßes aufgezählten Delikte schuldig machen, die Sache der Schweizer   Arbeiter. Hoch die Soli­dem Militärstrafrecht zu unterstellen. darität! Nieder mit dem Fascismus! Dieser Beschluß tritt heute in Kraft.

Bern  , 11. November. Der Bundesrat hat der fascistenfreundlichen und der Bantierspreffe heute mit Rücksicht auf die Genfer   und Lausan­betrieben. Auf Mittwoch abends hatte die bener Vorfälle beschlossen, sämtliche Zivilper­rüchtigte fascistische Union nationale" zu einer fonen, die sich der in Artikel 3 des Militär­Versammlung aufgerufen, in der sie durch öffent liche Anklage aus der Heze gegen die radikalen Sozialistenführer Dider und Nicole für ihre bis herige politisch einflußlose Klique politische Ge­Auf Grund eines Beschlusses des Stadt­schäfte machen wollte. Die Vertreter der Sozial rates werden heute um 16 Uhr in Morges   fol­demokratie im Stadtparlament verlangten eingende Truppen mobilisiert: Stab des Verbot dieser Versammlung, das von der Regie- Stavallerieregimentes Nr. 1 und die Dragoner rung mit dem Hinweis auf das Versammlungs schwadronen 1, 3 und 4. recht abgelehnt wurde. Darauf organisierte Ni­cole eine Gegendemonstration auf der großen

Straße nach Carouge  , in der das Versammlungs. lokal liegt. Schon am Dienstag hatte sich die Rantonalregierung in Genf   von der Bundes­regierung in Bern   Truppen ausgebeten.

in

Die Nacht auf Freitag verlief in Genf   und der übrigen Schweiz   in boller Rube. Trup

Papen für Verständigung mit Frankreich  .

Berlin  , 11. November. Der Reichstanzler empfing heute nachmittag die deutschen   und fran­ zösischen   Weitglieder des vierten Ausschusses der deutsch  - französischen Wirtschaftskommission.

Das zwölfte Opfer.

opfer der Zusammenstöße vom Mittwoch abends Genf  , 11. November. Die Zahl der Todes bat sich auf zwölf erhöht. Heute nachmittags starb der bei den Zusammenstößen schwer ber­wundete Alfons Kolly, ein 41jähriger verhei­rateter Mann aus Freiburg  .

Die Erefutive will beim Landwirt= schaftsministerium 4. Millionen K ersparen, beim Handel sministerium sage und schreibe 50.000 K, dafür aber an der Schule rund sundheitswesen, aber auch über 18 Mil­70 Millionen, an die 9 Millionen beim e- lionen an der sozialen Fürsorge. Bo sollen diese Ersparungen erzielt werden? An der Jugendfürsorge? An den Kriegs­invaliden? Diese Pläne ergänzen würdig die von uns bereits wiedergegebenen Forde Reise nach Süd- Deutschland antritt. Aus der rungen, daß die Arbeitslosenunterstützungen Vertagung der weiteren Aussprache scheint je- streng kontrolliert und die Unterstützun doch hervorzugehen, daß die strittige Frage der gen nach dem Genter System einge­offiziellen Wiedereinsetzung der preußischen it ellt werden sollen. Glauben die Staats­Staatsminister in ihr Amt auch bei der Unter- angestellten, die sich von der Unzuverlässigkeit redung mit dem Reichskanzler bisher nicht ihrer bürgerlichen Freunde" wohl zur Ge bereinigt werden konnte.

Die demokratische Flut.

Am Mittwoch- Nachmittag rückten 650 Mann der seit sechs Wochen in   Lausanne eingezogenen Refrutenschule in die   Genfer Kasernen, die nahe dem Versammlungslokal liegen. Am Abend fan­den die Demonstranten jämtliche Zugangsstraßen zu dem Versammlungslokal von Polizisten be­jetzt und mit Ketten abgesperrt. Nicole hielt Der Reichskanzler wies in einer Ansprache eine Rede von den Schultern mehrerer Bartet darauf hin, daß zwischen   Deutschland und Frank­freunde, in der er nochmals die Korruption Re- reich die privatwirtschaftliche Verständigung und bue passieren ließ und zum Halten der Straße zusammenarbeit in vielen Industrien wahlen in den Vereinigten   Staaten hatten, so New   York, 11. November. Die Gouverneur­gegen die nationalistischen Hezer aufforderte. Ein schon mehr Fortschritte gemacht und weit bisher bekannt, folgendes Ergebnis: Ge­Kommun i st forderte zur öffentlichen Rebolu praktische Erfolge erzielt habe als wählt wurden 26 demokratische und 4 republika­tion auf. Aber außer einigen Versuchen, die Poli- zwischen anderen Ländern. Dies beweise schon, nische Gouverneure. zisten hinter den Absperrketten zurückzudrängen, daß die   französische und   deutsche Wirtschaft zu geschah nichts Gewalttätiges. Die Arbei einer Zusammenarbeit und Verständigung beson- Die letzten bekanntgewordenen Zahlen für ter machten ihrer Erregung lediglich in Ausrufen ders geeignet seien. Er hoffe, daß die jeßige die Stongreßwahlen lauten: 314 Demokraten, 111 Luft. Die Demonstranten zogen im Gegenteil Tagung zu praktischen und schnellen Ergebnissen Republikaner, 4 Landarbeiter. weiter vom Saal weg, während eine ungeheure führe, denn die Krise und Arbeitslosigkeit ver­Menge Neugieriger in die schmale Zugangsstraße langten schnelle Arbeit. zum größten Platz Genfs von der Carouge- Straße

nüge überzeugt haben dürften, daß es ihnen die Unterstützung der   sozialistischen Parteien gewinnen wird, wenn sie ihre Bezüge auf tigen Jugend, der Kriegsverletzten retten Kosten der Arbeitslosen, der fürsorgebedürf wollen?

Aber noch interessanter sind die Vor­schläge, die von der Exekutive zur Erhö hun g der staatlichen Einnahmen gemacht werden. An erster Stelle dieser Vorschläge steht die Erwerbssteuer für bisher begün stigte Konsum- und Kreditgenossenschaften" bei Der Reichskanzler schloß daran den Wunsch Staaten   Roosevelt erklärte am Donnerstag ein Erträgnis von 100 Millionen Kronen er­Der neugewählte Präsident der Vereinigten Erreichung eines gewissen Reinertrags, wovon abgedrängt wurde. Trotzdem ließ der Chef der und die Hoffnung, daß die Zusammenarbeit auf offiziell, daß es zumindest binnen zwei Monaten wartet wird. Das ist mehr, als die be­Genfer Bolizei und Vorsitzende der Kantonal wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet günstige zu feiner Entscheidung betreffend die Besetzung sondere Erwerbsteuer im Ganzen regierung, Martin, die Truppen alarmieren. Auswirkungen auch auf andere Gebiete haben der Aemter und Funktionen im künftigen Stabi- a u s m a cht, womit neben dem unsozialen Deren erste Abteilung wurde von der Menge an werde, insbesondere auf die Lösung der schweben- nett kommen werde. Vom heutigen Tage bis zum Charakter dieser Forderung auch ihr Unernst gegriffen. Es wurden den Soldaten teilweise die den politischen Probleme. 1. Jänner werde er den größten Teil seiner Stahlhelme und Waffen entriffen. Die Gewehre wurden zum Teil zerbrochen. Die jungen Staates New   York widmen. freien Zeit den Pflichten eines Gouverneurs des erwiesen ist. Die Genossenschaften sollen also wohl wie Aktiengesellschaften be­Milizrefruten fympathisierten zum steuert werden? Oder noch viel höher, da ja Teil mit der Bevölkerung, da sie offenbar sonst die 100 Millionen Kronen unmöglich gar nicht wußten, wie sie fich zu verhalten hatten. hereingebracht werden könnten. Aber wissen

Unterredung Papen- Braun

ergebnislos verlaufen.  

Berlin, 11. November. Wie das VD3 mel­

Die Schadenfrohen.

Der zweite Silferuf brachte dann eine stärdet, hat bereits heute vormittags eine Unter­fere Truppenmasse vor die große Ausstellungs redung zwischen dem Reichskanzler von Pa- Salt Lake City, 11. November. Der Sena- die Herren in der Exekutive nicht, daß Kon­halle, von der die Zugangsstraßen zum Route pen und dem preußischen Ministerpräsidenten tor für Salt Lake City, Reed Smooth, der bei sumgenossenschaften keine auf Gewinn berech de Carouge geht, deren Räumung das erste Otto   Braun stattgefunden, in der die Ver- den Wahlen von Dienstag nicht wiedergewählt neten Unternehmungen sind? Daß alle ihre Truppenkontingent vergeblich versucht hatte. Etwa juche fortgesetzt wurden, zu einer Einigung über wurde, erhielt am Mittwoch aus der Stadt Ha- Erträgnisse wiederum den Mitgliedern, also 50 von den 80 Soldaten, die in der Menge sted die Auslegung des   Leipziger Urteils zu kommen. vana auf   Kuba nachfolgendes Telegramm: Die den Konsumenten zugeführt werden? Haber ten, konnten sich zu ihren Kameraden vor der Die Unterredung dauerte über eine Stunde. große   amerikanische Nation hat Ihnen den Lohn nicht die Staatsangestellten selbst Konsumge Ausstellungshalle zurückziehen. Von dort wurde Ueber den Inhalt der Besprechung wird offiziell ausgezahlt, den Sie verdienen." Das Telegramm fofort mit einem leichten tragbaren Maschinen- nichts bekannt gegeben. Man hört nur, daß auf war unterzeichnet: Die fubanischen Zuckerpro- nossenschaften gegründet, deren schärfere Be steuerung ihre oberste Standesvertretung nur Wunsch des Reichskanzlers die Aussprache in der duzenten. eine Salve quer über die Menge nächsten Woche fortgesetzt werden soll. Diel Senator Smooth hatte nämlich im Senate verlangt? Es ist dies noch bei weitem nich: abgegeben ohne jede Ankündigung, sowie etwa Baufe in diesen Verhandlungen ist bedingt da feinen Antrag auf Einführung eines hohen Zoll- die gehässigste der Forderungen, die in dem Memorandum der Exekutive erhoben werden, 100 Schuß aus Infanteriegewehren. Die Menge durch, daß Reichskanzler von Papen jetzt seine tarifs für den Export von Zuder durchgesetzt,

gewehr