Seite 2

Donnerstag, 22. Dezember 1932

Nr. 301

und wo

ausgestoßen, feine Abrechnung für den durch unsere Partei werden laut. Das wagen Leute,[ teit sagen lassen, schüchtert uns in keiner Weise auf, von der Polizei die Akten über den Weindieb­nichts gerechtfertigten Lohnraub in Aussicht die unserer Partei noch nie ihre Stimmen ein, es zeugt nur von Unveife in politischer stahl bei Pley anzufordern und bei der Kranken­gestellt. Die bürgerliche Presse ging über den gaben, die nie unsere Presse lasen und unter Beziehung und noch mehr von gehässigem versicherungsanstalt festzustellen, ununterbrochenen Lohnabbau an deutschen stützten, Leute, die immer unsere Gegner Geist fleinlicher Spießer! Besäßen sie Ein- Baierle angestellt war. Der Verteidiger Dr. Rašin Arbeitern zur Tagesordnung über und feiner waren und draußen in Stadt und besonders sicht, sie würden anders denken und bandeln beantragt, daß mit dem Zeugen Baierle ein Proto­toll aufgenommen und ihm zur Unterschrift ge­der bürgerlichen Staatsangestellten hat dafür auf dem Lande, unsern Arbeitern in Gemeinde und den Schuldigen, an dem, worüber sie jetzt geben werde, da der Verdacht einer falschen Zeugen­die Presse der bürgerlichen Parteien zur Ver- und im politischen Leben überhaupt, die größ- flagen, dort suchen, wo er zu finden ist: bei schaft ant Plave ist. Ferner beantragt Dr. Rašin antwortung gezogen. Damit wurde der Stand- ten Schwierigkeiten bereiten, die überall als der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und gegen die Aussage Baierles sieben neue Zeugen. punkt dieser Presse zur Herabseßung des Loh- Funtionäre der Hafenkreuzler und der christ- nicht zuletzt bei sich selbst, da sie immer dabei Der Vorsitzende hält es vorläufig nicht für not­nes armer deutscher Arbeiter und Arbeiterin lichsozialen Partei zu finden sind. Ihr Urteil, geholfen haben, durch ihre Anhängerschaft bei wendig, daß mit Baierle ein Protokoll aufgenommen nen schweigend zur Kenntnis genommen. das mögen sie sich einmal mit aller Deutlich- bürgerlichen Parteien diese Ordnung zu stüßen! werde und entläßt ihn,

wortlich.

-

-

War Baierle betrunken?

Hierauf wurden die eingelangten Aften der Polizeidirektion in Prag betreffend den Diebstahl bei Ingenieur Fischer am 5. Jänner 1921 verlesen. In den Akten heißt es, daß die Anzeige gegen unbe­fannte Täter erstattet wurde.

bont

Schließlich übermittelte die 3glauer Filiale der Anglobant ein Schreiben über das Konto Sichrob­stýs vom 11. Feber 1922 bei Bankier Fuchs, wo Lustig an Sichrovský Baluten 332.332 K überwies. Die Hälfte hievon sollte Sichrovský als Vadium beim Kauf der bekannten Häuſer benügen.

Diese Feststellungen zu machen, ist in Diesen Tagen notwendig. Seit Wochen und gende Personen befinden: Frau Junger, Neužil, besonders in den letzten Tagen, zum Teil in Junger, Hausner und ein unbekannter Herr. Jun Flugblättern durch die Staatsangestellten, Neue. Zeugenaussagen im Stříbrny- Prozeß. ger erklärt, Střibvný jei nicht auf dem Lichtbild, zum Teil in der deutschbürgerlichen Presse er- Iglau, 21. Dezember. Die heutige Verhand- und seine Mutter habe erklärt, daß Stříbrný nie­scheinen Schmähartikel gegen die deutschen lung begann erst um 11 Uhr, da mit dem Pra- mals mit ihnen gewesen sei. Sozialdemokraten, weil die Staatsbeamten ger Schnellzug vier Zeugen eintrafen. Gustav Dr. Rašin fragte sodann den Zeugen nach jener einen Gehaltsabbau erdulden müssen, für den Bley, welcher abermals als Zeuge vernommen unbekannten Person auf dem Bilde, doch kann man unglaublicher Weise die Sozialdemokra- wird, erinnert sich an seinem Chauffeur Baierle, Junger nicht einmal mit dem Vergrößerungsglas ten verantwortlich macht. Einen Gehaltsabbau, von dem er erklärt, er sei im Verdachte gewesen, diese Berson erkennen und meint, es fönnte dies ten verantwortlich macht. Einen Gehaltsabbau, mit dem Heizer Capet zwei Kisten Wein im Be- Herr Ostrovský oder Herr Vašek oder Herr Vojtě. bei dem dank einer zähe und schneidig durchtrage von 3000 K gestohlen zu haben. Der Wein chovský ſein. geführten Aktion der Sozialdemokraten das wurde in seiner Garage eingelagert. Pley habe Bei der Konfrontierung verharrt Baierle anf Der Landesausschuß für Böhmen verhandelte Der Lambesa Schlimmste von den Staatsangestellten abge- den Chauffeur deshalb auf die Stunde entlassen, seiner bisherigen Aussage und erklärt, daß die vor in seiner Sigung vom 21. Dezember eine Reihe halten wurde. Ein Blick in die Vorlage genügt, zu Gericht sei die Sache jedoch nicht gekommen, gelegte Photographie tatsächlich von ihm hergestellt laufender Angelegenheiten, 246 Gemeindevor­um festzustellen, daß der Erfolg, der dem Ein- da sich der Chauffeur verpflichtete, den Schaden wurde. Ueber die Person neben Frau Junger erklärt schläge und bewilligte 46 Gemeinden die Ein­greifen unserer Genossen besonders für die zu bezahlen. Ueber die Behauptung, daß Stří- er, daß dies Stříbrný sei. Demgegenüber stellt Jun. hebung verschiedener Steuern und Abgaben. unteren Schichten der Angestellten zu ver- brny und Sichrovsky im Wagen Pleys gefahren ger fest, daß dies Herr Neužil sei. Ueber die Richtig Außerdem bewilligte der Landesausschuß Landes­danken ist, kein geringer ist. Anstatt nun aber wären, erklärt Zeuge, dies sei ausgeschlossen, da feit des Datums fomnte feine Einigung erzielt wer beiträge für Regulierungs- und Meliorations­der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion Stříbrný nur in seinem Wagen fuhr. Auf die den. Nun betrachtet auch Baverle mit dem Vergröße- arbeiten in der Höhe von 146.000 K, zum Bau den Dank zu übermitteln, schimpfen diese Bemerkung des Vorsitzenden, Stříbrny habe zu- rungsglas das Bild, erkennt das Ehepaar Junger von Volksschulen 1,960.000 K, zum Bau von gegeben, er könnte mit Pleys Wagen gefahren und Hausner, jedoch nicht die unbekannte Person. Fortbildungs- Gewerbeschulen 200.000 K, für wis­bürgerlich orientierten Leute und machen die fein, antwortet Zeuge, er erachte dies als ausge- Weiters erklärt Baierle, daß er vorher in Marien- senschaftliche, kulturelle und künstlerische Zwede Sozialdemokraten für den Abbau berant- fchloffen. Darüber, daß sichrovsky mit Stribrny bad gewesen sei unt dort Stříbrný gesehen habe, 1,000.000 K und für verschiedene landwirtschaft­gefahren und der Pförtner Rozum gegrüßt hätte: Demgegenüber erklärt Stříbrný, daß er zweimal auf Ziehen wir einmal den Vergleich zwi- Boklona, pane Sichrovsky( ergebener Diener, dem Keilberg war, und zwar einmal mit dem Ghe- liche Zwede 428.000 K. Neuer Abgeordneter. An Stelle des kommu­schen dem Lohnabbau bei den Arbeitern und Herr Sichrovsky) erklärt Pley, fein Pföriner paar Sagl und des anderen mit Svebla. In Marien­der infolge Angestellten in der Privatindustrie und seinen grüße nur mit den Worten rufu libám, miloft- bab war er gleichfalls, jedoch nicht in dieser Gesell- nistischen Abgeordneten Barša, einer gerichtlichen Verurteilung vom Wahlgericht Begleiterscheinungen und dem Abbau der pane"( Küß die Hand, gnädiger Herr). Zeuge schaft. Begleiterscheinungen und dem Abbau der weiß ebenfalls nicht, daß Stříbrný jemals mit Auf die Frage des Staatsanwaltes Dr. Marianto des Mandates für verlustig erklärt wurde, hat Staatsangestelltengehälter und seinen Aus- dem Zuge gefahren wäre. Die Aussagen Baierles erklärt Baierle, daß im Jahre 1930, als er mit sei- das Innenminifterium als seinen Nachfolger den wirkungen. Dieser Vergleich endet mit einem erklärt Bley als Märchen und fügt hinzu, r habe nem Wagen Brag besuchte, ihn Pley zur Besichtigung Kleinlandwirt Anton Stourač aus Pivonice nicht gerade schmeichelhaften Urteil für die ihn wegen Trunkenheit entlassen wollen. Dazu seiner neuen Villa in Jiloviste eingeladen habe, wo­deutschbürgerlichen Staatsangestellten. Er konstatiert der Vorsitzende Stibinger, Baterle bin er auch gefahren und mit Pley zwei Stunden zeigt: Die Arbeiter, auf sich allein und auf habe erklärt, er trinte überhaupt keinen Alkohol. verbracht habe. Pley gibt dies zu, worauf Baierle ihre Organisationen angewiesen, haben sich Weiter sagt Pley, der Chauffeur hätte in das meint, eine so geachtete Familie wie die Pleys mit allen Kräften gegen den Lobnabbau ge- Staffeehaus des Hotels de Sage durch das Küchen- würde ihn, falls er tatsächlich so des Diebstahles ver­wehrt. Trotzdem mußten sie schwere wirt fenster nicht hineinsehen können, denn vor diesem dächtig gewesen wäre, wie dies heute vormittags be­hauptet wurde, niemals in die Wohnung geladen schaftliche Opfer bringen. Sie haben deshalb Fenster stand immer eine spanische Wand. Bei der Konfrontierung Pleys mit Baierle haben. weder die Gewerkschaften noch die Partei beharrte letzterer auf seine ursprüngliche Aussage. schuldig werden lassen. Mit unerschüttertem Baierle erklärte wiederholt, er habe den Diebstahl Glauben an die Idee und den Sieg der Ar- nicht begangen, Wein nicht getrunken und sei nie­beiterklasse haben sie auch nach einer wirt- mals betrunken gewesen. In den übrigen Bunt schaftlichen Niederlage für die Sozialdemo- ten beharrt er auf seiner gestrigen Aussage. fratie, ihre Presse und die Gewerkschaften wei- Zeuge Rozum erklärt, Sichrovský im Varieté ter gewirkt und agitiert. Das zeugt von Ein- niemals gesehen zu haben; Stříbrný sei im Auto sicht und politischer Reife. Piens nicht gefahren und von einer gemeinsamen Fahrt der beiden zum Wilsonbahnhof wisse er nichts. Den Ausspruch poklona, pane Sichrovsty" habe er niemals getan, den Gästen pflege er zu jagen vutu libám, milostpane". Bei der Konfron­tation" mit Baierle beharren beide auf ihren Be­hauptungen.

Den Staatsangestellten ist trok den energischen Anstrengungen unserer Barla­mentsfraktion, trotz dem Widerstand der sozial­demokratischen Presse ein sozial abgestufter Gehaltsabbau zuteil geworden. Niemand wird ernsthaft behaupten können, daß die Sozial­demokraten nicht alles getan hätten, um die Angestellten zu schützen. Nach vielen Wochen aufregender Arbeit der Sozialdemokraten, zu siebzig Prozent für Angestellte, die im gegne­rischen Lager stehen, wird ihnen statt der wohlverdienten Anerkennung Schimpf, Hohn, Verdrehung, Verleumdung, noch bevor der Abbau Gesetz geworden ist, in einer Zeit, da 600.000 hungern. Drohung über kommende Abrechnung, politische Vergeltung" gegen

1

Hotelier Franz Junger aus Prag erinnert sich an Baierle unb fönne nicht sagen, daß sich dieser betrunken hätte. Im Café habe nur schwarzen Kaffee bestellt. Die Mutter des Zeugen babe sich jedoch gestern erinnert, daß sich Baierle einmal auf der Jagd betrunken habe. Als die Eltern Jungers einmal in Karlsbad weißten, unter­nahmen sie einen Ausflug nach dem Keilberg , wo Baierle photographierte und ein Bild dem Zeugen schenkte. Dieses Bild legt Zeuge dem Gericht vor. Unter Erregung prüft das Gericht das Bild, auf dem sich neben Junger, sehr schwer erkenntlich fol­

Ministerialrat Dr. J. Kratky vom Verpflegs. ministerium, sagt aus, in den Jahren 1924-25 ins Café Hotel de Sage gegangen zu sein, wo er mit Stribrný an einem reservierten Tisch zu sisen pflegte An den Chauffeur Baierle konnte er sich erinnern und zavar, daß dieser ihn mit der Jagdgesellschaft Stříbrnýs zum Bahnhof und auf die Jagden geführ: habe. Sichrovský habe er im Café des Hotels niemals gefehen und er glaubt, diesen heute beim Gericht zum erstenmal zu sehen.

Bei der Konfrontation des Ministerialrates Dr. Kratky mit Baierle beharrt Zepterer auf feinen ursprünglichen Behauptungen und erinnert sich, daß er einmal vor Jahren Dr. Kratty zeitlich früh zum Bahnhof geführt habe, was Dr. Kratkh bestätigt.

Aus dem Protokoll Dr. Oberthors wurde fest­gestellt, daß Dr. Oberthor Stříbrný niemals in der Umgebung Sichrovskýs gesehen hat. Der Vorsitzende konstatiert, daß Dr. Oberthor nicht neuerlich zur Zeugenschaft nach Iglau kommen könne und ein ärztliches Zeugnis über eine Operation einge schickt hat.

Zeuge Baierle sagt aus, daß er Dr. Oberthor gut gekannt hat und ihn im Kaffeehaus des Hotels de Saxe etwa fünf- bis sechsmal gesehen habe. Staatsanwalt Dr. Marjanko beantragte hier

berufen.

Die Autotransportunternehmer aus Nord­oft mähren und Schlesien veranstalteten heute nachmittags im Saal der Rathausrestaura tion in Mähr.- Ostrau eine Protestversammlung gegen den Gesebentwurf über die Regelung des Automobilverkehrs, gegen die Verteuerung der Betriebsstoffe und für eine entsprechende Rege lung des Automobilgesetzes. Gegen 300 Autos ver schiedener Art blockierten auf dem Marktplay und vor dem Rathaus und in den anliegenden Straßen die Fahrbahn. Nach den Referaten wurde eine Resolution angenommen.

Revolutionärer Klassenkampf im Prager Tagblatt". Die Moskauer Parteipäpste der kom­munistischen Internationale lassen sich die Re flame etwas fosten. Da geben sie in vier Sprachen eine Zeitschrift heraus, die einmal im Monat er­scheint und jährlich 5 Dollar, d. s. etwa 170 Stronen, foftet. Eine einzelne Nummer kommt somit auf 14 Kronen zu stehen und dürfte daher zweifellos von allen Bommunistischen Parteimits gliebern abonniert werden. Es scheint aber, daß diese Zeitschrift weniger für Arbeiter, als viel mehr für andere Kreise bestimmt ist. Zumindest läßt ein im Auftrage der russischen Handelsver­tretung im Prager Tagblatt" vom 15. d. M. erschienenes Inserat darauf schließen. Aus­gerechnet durch das Organ der Bank- und In­dustriekapitalisten sucht die russische Handelsver­tretung Abnehmer dieser kostspieligen Zeitung und übergeht dabei bemerkenswerterweise die ganze fommunistische Presse. Was fagen dazu die kommunistischen Arbeiter?

Die Kellnerin Molly. traße. Ehe bas Haus aus der Verschlafenheit er- meister die hemmungslosen Tränen der aufge- trage zurückzutreten, denn er hätte dadurch sich

Roman von Hans Otto Henel .

Copyright by Fackelreiter- Verlag, Berlin . Nachdruck verboten.

tafie?"

Gespräch als Motto:

Gin Roman, Spiel der erfindungsreichen Phan­Nein, Zustände der erfindungsreicheren Wirt lichkeit, gewürfelt zu einem Schicksal." Jezt weiß ich, warum mir das alles fo be: fannt vorkommt. Das und das und das stand ja schon in den Morgenzeitungen." Aber am Abend hatten Sie es schon ver­

geffen."

Punkt sechs Uhr läutete der Wachtmeister an einem zweistödigen Hause in der Hindenburg­wachte, hatten die Polizisten genügend Zeit, es genau zu beachten. Da stand über die ganze Frontbreite hinweg in großen Buchstaben:

Zum Sedanbad" und darunter kleiner: Frische und römische Schwitzbäder, Wannen- und Brausebäder. Als Besizer gab sich Wilhelm Brodecker an. Ein klei­nes Porzellanschild neben der Haustüre besagte, daß auch die Agentur für Düngemittel von Botthilf Ballert" im Hause ansässig ist.

Auf das Läuten des Polizisten erschien im zweiten Stockwerf ein rötlicher Germanenbart im Fenster, viel zu wild für die kleine Stumpf­nafe und die noch verschlafenen, sonst aber sicht lich freundlichen Augen. Der Bärtige verharrte eine ganze Weile in wortlosem Schrecken, als er den Befehl des Wachtmeisters vernahm: Deffnen Sie der Polizei!"

Mehr als die in Verzweiflung geschwun­genen Fäuste des Mannes rührten den Wacht regten Frau. Er überlegte. Eine Auskunftsertei lung war im Haussuchungsbefehle zwar nicht vorgeschrieben, sie war aber auch nicht ausdrück­lich verboten. Sein Auftrag, schon durchgeführt, konnte keinen Schaden mehr erleiden, wenn er nun ein erklärendes Wort verlauten ließ. Zu­dem kannte er den Badeanstaltsbefizer gut, denn bei ihm pflegte er seine drei oder vier Báder im Jahre zu nehmen.

größerung des eigenen Kontors gern zurückge­habt. Brodecker weigerte sich, von dem Mietver selbst geschädigt. Die daraufhin ausgesprochene Kündigung blieb wirkungslos, denn die Miet­3wangsgefeße der Notzeit waren noch gültig.

Brodecker versuchte den Beamten zu über­zeugen, daß Ballerts Anzeige nichts als ein Racheakt fet, eine Denunziation, unternommen mit dem Ziele, wieder das unbeschränkte Verfü­gungsrecht über die an Brodecker vermieteten Räume zu erlangen.

Natürlich spreche ich jetzt nicht dienstlich, Der Beamte zuckte mit den Achseln und und darum dürfen Sie nichts gehört haben! Also meinte, er würde das Herrn Brodeder zuliebe da ist Ihr Hauswirt, der Herr Agenturbesizer gern glauben, wenn die Haussuchung nicht leider Ballert. Der hat Sie bei der Staatsanwaltschaft einen so bedenklichen Erfolg gehabt hätte. Er angezeigt. Wegen gewerbsmäßiger Unfittlichkeit! wies auf den beschlagnahmten Baden. Dagegen Das habe ich aus dem Munde des Herrn Staats- fei nichts zu machen, und man müsse die Auf anwalts Schneise selbst gehört. Weil ich Sie flärung der gerichtlichen Boruntersuchung über­tenne, hätte ichs gern nicht geglaubt, aber lassen, die zweifellos beschleunigt durchgeführt Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst. Da werde. gibts keine zivilen Ansichten. Und das ist gut so, denn nach dem beschlagnahmten Zeug hierna, Sie sollten sich schämen, unter uns gesagt, denn Sie sind ein alter Mann. Zuchthausstrafe steht drauf, das sage ich Ihnen. Zuchthausstrafe!"

Die Polizei bleibt nicht untätig, wenn ein Bademeister sich Gedanken darüber macht, ob die Frauen dumm sind. Kriminalwachtmeister Pubilfe legte seinen Spazierstod wie einen gezogenen Offiziersdegen Die Haussuchung der drei Polizisten bei dem mit der Spize an die rechte Schulter und führte Badeanstaltsbesizer Wilhelm Brodecker dauerte zwei uniformierte Polizisten durch den Stadt- ungefähr eine Stunde. Frau Brodecker, ohnehin park. Er sprach wenig und nur flüsternd, wie fassungslos, mußte in Nachtjacke und mit auf der Jäger beim Anschleichen des Wildes. Es gelöstem Zopf zusehen, wie man selbst vor den hätte aber nicht das mindeste Aufsehen erregt, noch warmen Betten des Ehepaares nicht zurück­wenn die Beamten den fürzeren Weg durch die schreckte. Beschlagnahmt wurden ein Viertelzent­Gaffen und Straßen benutzt hätten, denn um diese frühe Morgenstunde ließ sich noch kein Mensch blicken. Es war schon dämmerungshell, Diese Beschimpfung eines angesehenen Bür­so daß man den eingefriedigten Weg, die nadten Brodecker, in Babuschen und mit herunter- gers und Stadtverordneten machte auf die Polis Büsche und Bäumte, die nassen Bänke und ver- hängenden Hosenträgern, fragte den Kriminal - zisten feinen günstigen Eindrud. Brodeder be­löschten Laternen sehr gut unterscheiden konnte. machtmeister nach dem Grund der Haussuchung. merkte das und beeilte sich, sein Urteil zu be­gründen, Troßdem beachteten die drei nicht die trockenen Die Tränen standen ihm in den Augen. Stellen des Weges, sondern schritten unbeküm- Hält man mich für einen politischen Ver- Während des Strieges var Ballert, der mert durch die füßen und Reste des Märzen- brecher? Für einen Kommunisten? Wie kann Hauswirt des Badeanstaltsbesizers, froh gewe­schnees. Eine Geradheit, die sie als Rekruten ge- man so gegen einen Bürger vorgehen, der sett sen, als ihm sein Mieter noch zwei Räume ab­lernt, als Unteroffiziere den neuen Rekruten ein- zwanzig Jahren in Schneidewald ansässig ist? geschliffen und später im Beamtenstonde als Mollen die Herren vom Finanzamt behaupten, wertvolle Errungenschaft militärischer Erziehung daß die Steuereinschäzung nicht richtig ist, die ich beibehalten hatten. ihnen gestern vorgelegt habe?"

Die Nennung des Namen Ballert gab dem Denken des Bademeisters endlich eine Richtung. ner Papier und Photographien, ausschließlich Schlicht sagte er:" Aha, der Ballert der dem Schreibtisch entnommen, sämtlich in be- Lump!" schrifteten Mappen sorgfältig geordnet.

Brodeckers blieben ohne Trost allein. Der Wachtmeister ließ die beschlagnahmten Handschriften und Photographien von den Poli­zisten zum Landgericht tragen. Hier besichtigten die Justizschreiber das Zeug mit nicht alltäg­lichem Vergnügen. Brodecker ahnte nicht, wie mühelos seine Papiere zu saftigen Späßen und starken Boten anregten.

Am Abend des gleichen Tages waren die 23.000 Einwohner der Kreisstadt Schneidewald überzeugt, Wilhelm Brodeder, der so höfliche alte Herr mit dem ernsten Bollbart und dem freund­lichen Gesicht sei ein Sittlichkeitsverbrecher, der sich mit Abtreiben und Engelmachen ein Vermö gen erworben habe. Manche hielten ihn sogar für den dreifachen Luftmörder, der seit einigen Wo­chen von Breslau aus vergebens gesucht wurde. nahm, die der Vergrößerung des Bades dienen Sicherlich war an diesem Tage seine Frau der follten. Aber nach Kriegsende und mehr noch in einzige Mensch in Schneidewald, der Brodeckers der Inflationszeit, als Ballerts Agentur uner- Schuldlosigkeit nicht anzweifelte. wartet aufblühte, hätte er diese Räume zur Ver­

( Fortsetzung folgt.)