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Donnerstag, 5. Jänner 1933.

Fernostkonflikt die großen See mächte und also skandinavische, baltische, Donau  - und Bal-| Diplomatie hergeben und amerikanische   Grenz­Rußland in die Gefahrenzone einzubezie- fanstaaten usw. über europäische Fra   streitigkeiten durch Gesundbeten heilen zu müj­hen, so sind in Südamerika   zunächst die grö- gen verständigen, ohne sich von Amerikanern sen. Man würde auf das verzichten, was man ßeren Nachbarn: Brasilien  , Argenti- und Asiaten hineinreden zu lassen. Dafür ohnehin nicht kann, und dafür eine Möglich­nien, Chile  , in weiterer Folge ebenfalls würde solch europäischer Bund nicht erst in feit haben, in bescheidenevem Rahmen das die USA   und England an dem Krach die lächerliche Lage kommen, einen ausgewach- Nötigste zu leisten. Man könnte sich gegen das beteiligt. Der Völkerbund   ist da so machtlos senen Krieg in Asien   als Expedition" behan- Feuer in den Nachbarhäusern nicht wehren. wie dort. deln, sich zum Hanswurst der japanischen aber wenigstens das eigene Haus schützen. F.

Wenn man die Einheitsfront vorschlägt

Was kann das bankrotte Europa  , inzwischen selbst durch die neuen Aben­teuer Italiens   an der Adria, durch Kommunistische Lodik: die Welle des Nationalismus, die in Südsla­ wien   hochschlägt, in seinem ureigenen Haus­frieden bedroht, gegen die Gefahren unterneh­men, die in Ost und West aufsteigen und europäische Staaten in Mitleidenschaft zu zie­hen drohen? Das denkbar Dümmste und Ge­fährlichste ist es jedenfalls, den Brandherden wie seit Jahren wieder mit dem Sieb des Völkerbundes als Löscheimer zu nahen. Diese

dann zerschlägt man sic!

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Nr. 4

Der Bunderglaube an den Führer.

In der Frankfurter Zeitung  " finden wir die nachfolgende treffende Betrachtung über den durch die Nationalsozialisten gezüc teten Führerkultus:

Die Vorstellung, es fönne aus Notzeite. nur ein starter Mann den Weg finden, minder die eigene Verantwortung. Weshalb wahrschein lich die Jdee des Führers" im umgekehrter Verhältnis zum Kraftgefühl einer Nation steht. Der Gedanke, alle Sorgen und alle Sehnsüchte des Volkes einer Hand anzubertrauen und die zage Hoffnung, diese Hand sei dann die aus­erwählte, hat im Jahre 1932 in Deutschland  eine beispiellose Anziehungskraft ausgeübt. Wenn auch der Führer der NSDAP  . es über sich er­gehen lassen mußte, daß einige Strahlen seines Ihnen( das heißt den Sozialdemokraten, Red.) Bildes mit fortschreitendem Winter zu verlöschen gh es darum, die Arbeiter und in erster Reihe beginnen, so bleibt die Gefahr eines blinden die ihrer eigenen Partei- zu verwirren und Führerglaubens als des einzigen Antriebs für die Politik der Massen leider bestehen, und die den Prozeß der Bildung der Kampfeinheitsfront Grundvoraussetzung für gesündere politische Zu­der Arbeiterschaft zu erschweren." stände in Deutschland   wird auf diese Weise ver­fannt: Die Selbsterziehung der Nation, das heißt die Ausbildung einer echten Führerschicht.

Die Kommunisten führen die tollsten Sprünge auf, um den Lesein der fommunistischen Presse also ihrer eigenen Gefolgschaft die Ab­Institution ist wohl jenseits der Grenze ange- Nid tangriffspaft abzuschließen, begreiflich zu lehnung des sozialdemokratischen Angebotes, einen langt, wo sie es noch nötig hätte, lächerlich machen. Der Eifer, mit dem sich die Kommu gemacht zu werden. Das Aeußerite auf diesem nisten bemühen dies zu tun, zeugt davon, daß die Gebiet ist geleistet. Die völlige Preisgabe des kommunistischen   Arbeiter stubig Was soll also die Sozialdemokratie tun? Bölkerbundes aber wäre ohne Zweifel ein geworden sind. Jahrelang hat man sie mit hnt sie die Einheitsfront ab, dann ist es, nach Rückschritt. Der Entschluß, den Europa   fassen der Einheitsparole gefüttert und hat auf die Meinung der Kommunisten, offener Verrat an müßte und den es über furz oder lang fassen Sozialdemokraten hingewiefen, welde die Ver- den Interessen des Proletariats. Fordert sie die Schulbildung verzichten! ,, Freie Bahn dem Tüch­wird, wenn anders es noch einen Funten wirklichung der Einheitsfront des Proletariats Einheitsfront, dann ist es den Kommunisten auch igen!" Einsicht in seine eigene bedrohte Lage hat, kann verhindern. Nun ist zum größten Schrecken der nicht recht. Die Arbeiter werden dieses schnöde Das ist an einer Schule. Und so wird's an nur heißen: Beschränkung des Völ- Kommunisten von der Sozialdemokratie ein An- Spiel, das man mit ihnen treibt, wenigstens einer zweiten, an einer dritten und vierten sein.. kerbundes auf Europa  , Trennung gebot, die Einheitsfront zu verwirklichen, erfolgt rafcher durchschauen, als es sonst der Fall wäre. wer im Elend fißt, dessen Schicksal ist's, drinnen Das eine wissen jedenfalls die Arbeiter erstiden. Die Kinder der Großbauern werden nichts anderes übrig, als festzustellen, daß das der Tschechoslowakei   jezt, daß die Kommu etter die Bürgerschule besuchen- die Prole­Angebot seitens der Sozialdemokratie auf Bilisten die Einheitsfront nicht wol tarierkinder werden ihre Schulpflicht draußen in dung einer proletarischen Einheitsfront in Wirken. Mögen sie nur in Versammlungen mit Ser fleinen Dorfschule abdienen, beladen mit dem lichkeit nichts anderes ist, als die Verhin der Phrase von der Einheitsfront tommen, man Juche   der Arbeitslosigkeit und der Not. derung der Einheitsfront. So schreibt der Osaf wird ihnen überall die Antwort in einer Form

von den außereuropäischen Staaten, Bildung einer europäischen Union. War es an sich schon lächerlich, daß man eine Organisation der Weltpolitik geschaffen hat, der zwei Weltmächte von größtem Ge­

und den Kommunisten bleibt in ihrer Verlegenheit

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wicht, Rußland   und die Vereinigten Staaten  , der Kommunisten, Herr Klemens Gottwald, neben, daß sie sich merken werden, die Arbeiter thebe ich die Forderung nach sofortiger Auf­nicht so wurde

Menschen.

noch grotesker durch die positive Tatsache, daß folgendes: jeder südamerikanische Kleinstaat im Völker­ bund   Sitz und Stimme hat. Die wirklich aus­schlaggebenden Faktoren fehlen, die Gernegroß­mächte aber spielen die erste Geige. Und dann will man mit diesem Instrument den Welt­frieden wahren! Damit opfert man nur die Autorität des Völkerbundes( was heute bereits bollzogene Tatsache ist), man nimmt ihm auch Hälfte der Mädchen und Knaben, die hier Unter in die Schule der Stadt. Und fleißig waren sie; undsovielen Kindern nur ihrer Armut wegen ein

Eine Bürgerschule in einer mittleren Pro­vinzstadt des sudetendeutschen   Randgebietes. Die richt genießen, tommen aus der Umgebung. Es find fast durchwegs Kinder aus proletarischem Lebensmilieu; seltener von Kleinbauern oder größeren Wirtschaftsbesitzern.

fleißig und brav.

Als Lehrer, im Namen dieser armen Kinder hebung der Fahrpreiserhöhung für Schulkinder; wenigstens für jene, deren Eltern infolge Ar­beitslosigkeit oder anders begründeter Mittellosig­Der Fluch der neuen Schüler- sechs bis sieben Stunden Unterricht, abend erst keit nicht in der Lage sind, die Erhöhung zu be um 6, manchmal gar um 8 daheim. Aufgaben zahlen! Im Namen der Menschlichkeit: lahrpreise. arbeiten, lernen, im Haushalt helfen. Es war es darf doch nicht sein, daß der Aermste immer nicht leicht; auf viel Kinderfreude mußte verzich- wieder und immer wieder bestraft wird dafür, tet werden; ach- Freude ist so selten im Leben daß er arm ist!! dieser Kinder! Aber trotz alledem: fie tamen gern Wer trägt die Verantwortung dafür, daß 10: die Funktion, die er für Europa   haben könnte, Recht genommen wird, das gefeßlich allen zu­Run stehen sie vor dem Lehrer. Sie können steht? Sind Kinder nicht schon tausendfach hart und liefert den alten Kontinent den über­nicht mehr kommen. genug gestraft, wenn sie tagtäglich den ganzen seeischen Mächten aus. Japan   führt einen Gibt's feine Silfe? Die Schülerlade der An- ammer ihres häuslichen Elends erleben müssen: Krieg und läßt sich vom Völkerbund nicht das Erster Schultag im neuen Jahr. Man freut stalt ist leer. Weihnachten hat sie ausgeräumt. wenn sie nicht mehr satt zu essen haben; wenn sie geringste dreinreden aber in europäischen sich des Wiedersehens nach elf Ferientagen. Es hier paar Strümpfe, dort paar Schuhe, einigen in ihrer mangelhaften Kleidung frierend der Un­Minderheitsfragen, in europäischen   Wirt gibt zu erzählen von den Weihnachtserlebnissen; Troft für die bitterste Not. Nun ist kein Heller bill des Wetters preisgegeben find; wenn sie auf mehr da und wer weiß, wann ein gutherziger alles verzichten müssen, das bißchen Freude in ihre schaftsfragen spricht der japanische Delegierte man spricht sich Mut zu für die neue Arbeit. Sechs Kinder stehen vor ihrem Lehrer. Sie Spender sein Scherflein bringt. ,, Rann eure Orts Kinderjahre bringen könnte?? Muß man sie nun beim Völkerbund ein entscheidendes Wort. Europa   steht einem amerikanischen   Betro- haben ihr letztes Zeugnis in der Hand und bitten gemeinde nicht den Mehrertrag beisteuern?" Dort noch damit strafen, daß man ihnen die primitiv­um Abmeldung. Sie wollen ihren Abschied par man schon vergeblich bitten. Die einen tön sten Bildungsmittel raubt? leumkonflikt hilflos gegenüber, über europäische von der Bürgerschule und draußen im Dorfe wie- nen nicht; die andern wollen's wohl nicht. 20 Wo Wer hat den Mut, das Schicksal dieser Kin­Zollprobleme jedoch entscheiden im Völkerbund der in die Volksschule eintreten. Die Eltern hat der Arme schon einen verständnisvollen Hel- der zu verantworten? alle möglichen südamerikanischen Staatsmän- tönnen den um hundert Prozent er fer? Einige wurden auch abgefertigt mit dem Hin­Derven Groth. ner, die meist in ihrer eigenen Heimat bereits höhten Fahrpreis nicht bezahlen; der weis, daß die Volksschule im Orte gut genug sei; gestürzt sind, wenn sie in Europa   noch große Vater ist arbeitslos, die Mutter kann nichts ver- daß man keine Bürgerschule der Stadt brauche. Bolitit machen. dienen, es sind kleine Geschwister daheim und Das ist die alte Melodie: wozu wollt ihr lernen, Neuernennungen des Wirtschaftsbeirates. Was wir brauchen und was Lebens- und wenn sie es auch versuchte: niemand hat Arbeit ihr Proletarierkinder! Zum Dienen, Hungern Die Regierung hat den Wirtschaftsbeirat neu Bestandsmöglichkeit hätte, wäre ein euro- für sie. 22 K hatte man sich noch abgedarbt; das und Betteln genügt der Katechismus und die ernannt. Unter den Ernannten befinden sich fol­päischer Staatenbund, eine Union   Rind lernt gut, ist begabt das Möglichste haben Fibel! gende Angehörige der deutschen   Sozialdemokratie, die Eltern versucht eine Bürgerschule sollte das Dem Lehrer tut das Herz weh. Er hat sie die als Mitglieder, bezw. Ersatzmänner ernannt oder Liga, eine europäische Konferenz Kind doch wenigstens besuchen. Aber nun das gern, die Kleinen; er hat seine Freude an ihnen wurden: Paul Kollin, Anton Roscher, ist ganz gleich, welchen Namen das Kind hat doppelte? Wo sollen 44 K abgespart werden, wo's gehabt. Er möchte gern in die eigene Tasche grei- H. Mayer, Adolf Pohl, Johann Uhl, Franz in der sich neben Deutschland  , faum noch auf Brot langt? fent aber die ist ja leer, bis auf den letzten Saufmann, Josef Pretsch, Julius John, Frankreich  , Italien   und England Seller leer! Sechs Kinder; sechsmal 20 Kim J. Neumann, Florian Bergmann, ( ohne die Dominions) die kleinen euro Monat; bis zum Schulschluß sind das 720 K. Um G. Grünzner, Wilhelm Weigel, Dr. Otto päischen Staaten, möglichst nach Wirt­diefer 720 K willen müssen sechs fleißige, begabte Sahn, Fr. Kirchhof, Siegfried Taub, schaftsgruppen in engeren Verbänden vereint, tinder arbeitloser Eltern auf die etwas bessere Rudolf Streisty und Dr. Emil Strauß  .

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Die Kinder haben Tränen in den Augen. Es hat ihnen gefallen in der Bürgerschule. Und sie hatten's gewiß nicht leicht. Früh um drei viertel fünf aufstehen, eine Stunde mit der Bahn,

Die Kellnerin Molly. Eachlage wurde kein Verfahren gegen Habenicht, den Umijasbüchern der Anstalt genauer zu ersehen feherin in den Saal hinein, dann herrschte sofort

Roman von Hans Otto Henel  . Copyright by Backelreiter- Verlag. Berlin  . Nachdruck verboten

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Ohne Gottes Willen gerät kein Schaf unter die Hände der Schlächter.

Male blieb der Schmerz um den unrühm­lichen Tod ihrer Familienangehörigen noch lange erspart, denn vorläufig erfuhr sie noch nichts

davon.

Mittags, nach dem Essen, war em Er­holungspause vorgeschrieben. Bei schlechtem Wetter durften die Mädchen zu zweien im Kreise spazierengehen, bei schönem Wetter hatten sie laut Tagesbefehl zu fröhlichem Spiele anzu­treten. Natürlich unter dem Kommando der Er­zieherinnen. Zöglinge die sich an den Spielen nicht beteiligen wollten, wurden mit Entziehung des Abendbrotes bestraft.

Essen   gab es nicht mehr als dreimal täglich. Herrn Pastor war es gut bekannt, wie sehr ein reichliches Essen das Blut erhißt und zum innenfißel verführt.

tiefe Ruhe, höchstens von markiertem Schnarchen gestört. Hielt Pastor Zickmann manchmal einen nächtlichen Inspektionsgang, wobei er das elet­trische Licht anknipste, dann stellte er in jedem Bett ein schlafendes Mädchen fest. Seine knarren­den Stiefel konnten schon auf der Treppe gehört werden, jo daß es jeder Nachtbummlerin möglich war, rechtzeitig in das eigene Bett zu schlüpfen.

kommission, der Herr Kriminalwachtmeister Pu-| Konfektionsgeschäfte, Plantagen- und Feldarbeit wenn ein Paar unvorschriftsmäßig stehender bille angehörte, fest. Trotz dieser klar ersichtlichen bestand, gedieh. Gott   segnete es sichtlich, wie aus Pantoffeln stolpern machte. Lauschte eine Auf­den amtlicherseits angenommenen Mörder, ein- ist. Abends um sieben Uhr wurde die Arbeit be­geleitet. Man begrub ihn mit Frau und Kind. endet und schon um neun Uhr gingen die Mäd­Natürlich ohne die kirchlichen Ehren. Denn moch chen zu Bett. ten die einen recht haben, die von einem Aus­Habenichts hätten sich bei einiger Einsicht bruche der Verzweiflung, oder die anderen, die sagen müssen, daß es den pädagogischen Absichten von einem Anfalle geistiger Uinnachtung sprachen des States widerspricht, zwischen sittlich gefähr die wenig erfreuliche Tat mußte als sinnlos deten Kindern und ihren nicht pflichtbewußt angesehen werden, sowohl von feiten des Ge­genug befundenen Eltern eine Verbindung auf- richtes als auch von seiten des Pfarramtes, den rechtzuerhalten, die der Verweichlichung des in solchen Fällen zuständigen Instanzen. Herzens nur Vorschub leisten kann. Nach den Erziehungsgrundsätzen preußischer Unteroffiziers­schulen, zum Beispiel, zeigt wahre Liebe für die heranwachsende Jugend sich erst in der Härte, der man ihr gegenüber fähig ist. Soll der Staal als Jugenderzieher sich vorwerfen lassen, daß er solche Liebe nicht besäze? Dieser Einsicht waren Males Eltern nicht Jm Garten Gethsemane  ", der idyllisch zugänglich. Sie besaßen nicht Geduld genug, gelegenen Fürsorge Erziehungsanstalt für gefäbi günstige Erziehungsresultate der staatlichen Für- dete Zöglinge weiblichen Geschlechts, führte sie forge an ihrem Stinde abzuwarten und waren das Leben, das vom Magdalenenbund, den die andererseits zu gute Bürger, um öffentlich oder Anstalt mit staatlicher Unterstügung gehört, vor privat gegen den Staat zu rebellieren. Ob mut geschrieben ist. Ihre Tage glichen einer dem Ios oder feige sie wählten die Flucht. andern, eine Gleichförmigkeit, auf die der Vor­Eines Morgens, als man den Bürovorsteher steher der Anstalt, Herr Bastor Zidmann, beson­Sabenicht schon den zweiten Tag an seinem deren Wert legte da feiner Meinung nach solche Arbeitspult vermißte, ohne daß die gebührende Gleichförmigkeit eine wobltuende Beruhigung Entschuldigung vorlag, forschte man nach ihm. der gärenden jugendlichen Seele bewirkt. Die verschlossene Wohnung wurde geöffnet Man Früh um fünf Uhr wurde geweckt. Die fand Habenicht, seine Frau und die jüngste Toch Arbeit begann erst um sieben Uhr, damit die ter Grete tot in den Betten vor. Aus dem Zöglinge zum Waschen und Frühstücken, vor Echlauche des fleinen Süchenherdes strömte noch allem aber zum ausgiebigen Morgengottesdienste Gas aus. Auf dem Wohnzimmertische lagen 137 reichlich Zeit batten. Denn ein Tag, mit Singen Mark und 65 Pfennige und eine schriftliche Auf- und Sagen zu Gott   begonnen, erhebet das Herz zeichnung, welche Rechnungen von dem Gelde und machet geschickt zu jeglichem Werke, wie bezahlt werden müßten. Habenichts blieben selbst Bastor Zidmann oft zu fagen pflegte. Und das im Tode niemand etwas schuldig. Werk der Zöglinge, das in Lohnwäscherei für die Mord und Selbstmord, stellte die Gerichts- Umgegend, in Weißwarenschneiderei für Berliner  

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Aber trotz der sorgsam abgewogenen Kost, trop der vielen Gebete und trotz der häufigen Er mahnungen des Herrn Pastors ließ sich die Trieb baftigkeit des Blutes aud, im Garten Gethse­nane" nicht gänzlich unterdrücken. Male, die nach den eingehenden Vernehmungen im Brodecker­Prozeß nach ihrem Erlebnis mit dem Polizer wachtmeister und dem Justizamtmann, nach ihrer Beugenschaft gegen diese beiden Herren genügend aufgeklärt zu sein glaubte, erstaunte hier über Dinge, die ihr noch gänzlich unbekannt waren. Es dauerte Wochen, ehe sie ihr Entsezen über­wand und sich daran gewöhnte. Ehe ihr alles so felbstverständlich wurde wie den Mädchen, die chon länger in der Anstalt gezöglingt wurden.

In den ersten Nachtstunden hätte ein fum­mervoller Mensch auf dem Schlafsaale schwerlich Ruhe finden können. Es flüsterte, fnisterte, wisperte, feufzte an allen Ecken und Enden. Weiße Gestalten huschten durch die Gänge, kro­chen und schlichen an den Betten hin, verschwan den plötzlich. Gelegentlich ein halblauter Fluch,

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Male verhielt sich anfänglich gegen dieses Treiben ablehnend. Sie wurde darum von den andern Zöglingen verhöhnt, beschimpft, mußte Schließlich Gehässigkeiten und gar Drohungen ein­steden. Eine ältere Kameradin, die sich ihr stets freundlich erwiesen hatte, nahm sie in Schutz. Als sich die allmählich mürbe gewordene Male δ von ihr öffentlich Du süßer Liebling" und Meine kleine Frau" nennen ließ, gaben sich die anderen zufrieden. Sie unterschied sich nicht mehr von ihnen. Nun raschelte es nachts auch vor ihrem Bette. Na ja, endlich is se ood verheirat", hieß es. Der Garten Gethsemane  " schloß die Lücke, die in Males Kenntnissen von Polizei und ericht noch offen gelassen worden waren. Male wußte noch nichts von dem Tode der Eltern und der Schwester. Sie schrieb ibnen Briefe, so oft es erlaubt war, alle vierzehn Tage, und übergab die Briefe vorschriftsmäßig der vor­gesetzten Erzieherin zur Weiterbeförderung. Male ahnte nicht, daß diese Briefe keinen andern Zweck erfüllten, als nach sorgfältiger Lektüre durch Pastor Zickmann den Bersonalakten des Mädchens beigeheftet zu werden. Sie wunderte sich allerdings und war bekümmert, weil sie nie eine Antwort bekam, hielt das aber für eine Regel der Hausordnung, die ebenso unabänderlich ser wie die Fürsorgeerziehung selbst.

( Forriegung folgt.)

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