13. Jahrgang. Donnerstag, 16 Feber 1933 Nr. 40.Enger Zusammenschlußder Kleinen Entente.Unbefristeter Freundschaftspakt/ Vereinheitlichungder Außenpolitik«Eitra-AusgaDcmit den Ergebnissen derBcidistagswablgeben wir amNontai den S Närrmit dem Kopf„Sozialdemokrat“zum Preise von 50 Heller heraus.Das B att wird in den ersten NOT*genstunden in den orten sein.Bestellungen sind rechtzeitig' an dieVerwaltung unseres Blattes zu richten.Eia Kamal aal Leben aal TollWarnung Lelparts an die Jetzigennaduhaöer.Berlin, 15. Feber. Mit den Gefahren desfetzigen Reaievungsknrses beschäftigt« sich gestern>n einem Vortrag an der Hochschule für Politikher Vorsitzende des Allgemeinen- Deutschen Ge-WertschaflSbundcs Lei Part, der kl. a. aussühne:Es.liegt die Gefahr sehr neche, daß di« Eingliederung der Arbeiter in den Staat wieder vA-lig zerstört wird. Die jüngsten offiziellen Redenim Rundfunk, die mit starken Worten gespicktwaren, lassen kaum noch einen Zweifel daran,daß di« Kräfte, denen heute die Macht im Staateausgeliefert ist, diese Absicht verfolgen. Die Redenkönnen nur als eine Kampf«nsage an dieorganisierte Arbeiterschaft aufgefaßtwerden. Es zwingt mich di« Verantwortung vorder Zukunftzu sagen, daß dieser angedroht« Kampf, wenner mit Gewaltmaßnahmen eingeleitet und vomBerfaflungSbruch begleitet sein sollte,, nichtohne' allerschwersten Schaden vom deutschenVolke wird ertrage» werden können. ES würdebei dem freiheitlichen Willen und der Entschlossenheit der deutschen Arbeiterschaft ei« Kampfauf Leben und Tod werden, dessen furchtbareFolge« die fetzigen Machthaber im voran-abschrecken müßten!MM MM 1« WesMenWanil.Naziircund ersah dlePolizelgewoltRecklinghausen, 15. Feber. Der höhere Polizeiführer teilt mit: Dor preußische Minister desInnern hat mit sofortiger Wirkung über dieWahlzeit hinaus den höheren Polizeiführer inWestfalen Polizeikonrmandant Stieler vonHeidekamps zum Sonderkommissar mit besonderen Vollmachten für die Provinzen Westfalen und Rheinland(ohne Sigmaringen)bestellt. Als Chef des Stabes tritt zu ihmPolizeimajor von Oven, der höhere, Polizei-sührer im Westen, der dem preußischen Innenminister unmittelbar unterstellt ist, übernimmtdie einheitliche Leitung der gesamten staatlichenUnd kommunalen Polizei sowie die der Landjägerei im Rheinland und Westfalen. Seine Anordnungen erg:hen im Auftrag« des preußischenMinisters des Innern.Ein unerhörtes Möjestats-verbredienlRundfunkrede Hitler- abgeschnitten.Gestern abends hielt Hitler in dtzr Stadthalle in Stuttgart eine Rede, die auf Befehlder Reichsregierung durch Rundfunk übertragenwerden mußte. Die Rede brach aber um viertel 10Uhr plötzlich ab. Der Rundfunksprecher mußtenach einiger Zeit bekanntgeben, daß alle Leitungen zwischen der Stadthalle und dem Funkhausunterbrochen seien.Offenbar wurde Hitler von politischen Gegnern auf diese Weise der Redefaden wenigstens imRundfunk abgeschnitten.Genf, 15. Feber, liehet die Tagung de-Rate- der Kleine« Entente wurde heut« ei« langes Kommunique veröffentlicht, in dem zunächstdie absolute Einhelligkeit i« den Ansichten überdie allgemein« politische Lage im Zusammenhangmit den Ereignisse« der letzte« Monate«ndWochen konstatiert wird. Die endgültig« Entscheidung über die Hirtenbergcr Affäre soll vonder österreichischen Antwort abhängig gemachtwerden.De« Hauptgegenstand der Sitzung bildet«jedoch die Ansarbettung des Organisation-Paktesder Kleine« Entente.„Um den freundschaftliche««nd gemeinsame« Beziehungen der drei Staateneine organische«nd feste Grundlage zu geben,"sind die notwendigen Maßnahmen zur Umbildung d«r Kleine« Entente in eine internationale einheitlich« Organisationgetroffen Word«, di« eventuell den übrige«Staate« unter de« für jede« Fall sestzusetzendenBedingungen zugänglich ist. Als leitende- Organder gemeinsame« Politik wird ein aus denAußenministern der drei Staaten zusammen,gesetzter ständiger Rat der Kleine« Ententegeschaffen.Prag, 15. F^ber. Im Außenausfchutz d«SAbgeordnetenhauses gab der bevollmächtigteMinister Dr. Krofta eine längere Erklärungüber die Hirtenberger Waffeickchmuggelaffäre■ ob,in der er eine Uebersicht über die. bisher in dieserAngelegenheit erfolgten Schritte gab.Aus die ersten Pressemeldungen vom 8. Jännererhielt der Wiener Gesandte den Auftrag, von derösterreichischen Regierung eingehende Informationeneinznholen. Gleich darauf wurde mit der KleinenEnteilte und Frankreich ein gemeinsames Vorgehen verabredet. Dieser Schritt erfolgte am11', Jänner. Unser Gesandte erklärte dem österreichischen Bundeskanzler, daß Oesterreich durch seinVerhalten die Artikel 132 und 134 des Friedensvertrages verletz«.■ Am 18. Jänner gab der österreichische Gesandtein Prag unserer Regierung eine genauere Antwort,in der behauptet wurde, daß die Einfuhr zu Reparaturzwecken mit Bewilligung de- Finanzministeriums erfolgt sei; es handle sich nur Um eineDurchfuhr und die Sendung sei ordnungsmäßigdeklariert gvvesen. Eine solche Reparatur sei durchden Friedensvertrag nicht verboten.Die österreichische Regierung verheimlich«nicht, daß es sich vielleicht um Ungar« als Bestimmungsland handeln könne. Wen«' man dieBestimmungen des Friedensvertrages ander- auslegen sollt«, daun käme es soweit, daß Oesterreichauch keine Waffenseudungeu au- der Tschechosko-wakei nach Jugoslawien durchlaffen dürfe!(DieseAuffassung wurde später vom Bundeskanzler selbstkorrigiert!)Inzwischen war bekannt geworden, daß es. sichum eine sehr beträchtliche Waffenmenge handelte(80.000 Gewehre und 200 Maschinengewehre). Am17. Jänner versprach Dollfuß bei einer neuen Intervention den Gesandten, er werde sich dafür einsetzen,daß die Waffen, soweit sie nicht schon nach Ungarntransportiert wurden, möglichst wieder nach Italienzurücktransportiert werden. Für die österreichischeArmee oder für die Heimwehren seien sie jedoch aufkeinen Fall bestimmt.Daraufhin erklärte die Tschechoslowakei in Wien,daß ihr an einer friedlichen Erledigung dieser Sachesehr viel liege, daß st« aber nach Genf gehenwürde, wenn die Sache nicht in einer für alle würdigen und gehörigen Form gelöst würde.In Genf habe Dr. Beneö erkannt, daß dort dieAffäre einen viel größeren Widerhall gefunden habeal- man annehmen konnte. Man warf dort auch dieFrage auf, ob diese Waffen nicht dazu bestimmt gewesen seien, lokale Unruhen in Jügosla-w i e n zu entfachen.Die Kleine Entente wollte zunächst eine Investigation durch dqn Völferbund fordern, schobdiese Absicht aber vorläufig auf, als sich Englandund Frankreich zu einem Einschreiten bei der öster-'* reichischen Regierung anbote».Dem Rate der Kleinen Entente wird einständiges Sekretariat, dessen eine Abteilung ständig in Genf amtieren wird, und einW i r t s chaftLrat für. die sukzessive Kordi-nierung der Wirtfchaftsinteressen der drei Staaten.sowohl in den gegenseitigen Beziehungen alsauch in den Beziehungen zu den übrigen Ländernangegliedert. Der ständige Rat tritt obligatorischmindestens dreimal im Jahre zusammen.Alle Politischen Vertrag« der drei Staatender Kleinen Entente, ferner jeder einseitige Akt,der die bisherige politische Situation eines derStaate« der Kleinen Entente Agenüber einemdritte« Staate ändert, ebenso wie jedes wirtschaftliche Abkommen mit wichtigen politischen Folgen,werden fürderhin di« einstimmig« Genehmigungdes Rates der Kleine» Entente erfordern. Weiterwurde beschlossen, die gegenwärtigen politischenVerträge eines jeden Staates der Kleine« Ententemit dritten Staaten allmählich in den Grenzender Möglichkeft zu vereinheitlichen.Die gegenseitige« Freundschaftsabkommenwerden auf unbeschränkte Zeit-erneuert werden.Ein diesbezügliches Abkommen soll morgenvo« den drei Außenminister« vorbehaltlich derGenehmigung der Regierungen und der erforderliche« Ratifizierung unterzeichnet werde«.Die Kleine Entente gab dabei nachdrücklich ihrerForderung Ausdruck, daß die Waffen nach Italien zurückgeschickt' oder vernichtetwerden müßten. Am 28. Jänner legten der französische und englische Gesandte dem BundeskanzlerDollfuß sechs präzise Fragen über denTransport, die Menge, den Adressaten und den Absender sowie darnach vor, wo sich die Waffen derzeitbefinden.Am 1. Feber antwortete die österreichische Regierung, daß der Transport mit Einwilligung der Finonzbehörde«, aber ohneWisse« der Bundesregierung erfolgt sei. ES handlesich um 80.000 Gewehre und 200 automatischePistole« auS der italienischen Kriegsbeute. DieSendung war auS Brescia nach Steyr adressiert.Ob die Waffen nach Ungar« weitergehe« sollten,war der Regierung nicht bekannt. ES handeltesich um die Entfernung des RosteS und die Reinigung der Ladekammeru. Die Waffe» lager« derzeit i« Hirtenberg und Steyr.Die ungarische Regierung erklärte, keine direkten Nachrichten über diese Angelegenheit zu haben.Die italienische Regierung erklärte ihr Desinteressement an diesen Waffen; eS handle sich um alteKriegsbeute auS privatem Besitz; sie habe die Ausfuhrbewilligung zu Reparaturzwecken erteilt, glaubeaber n i cht(!), daß diese Waffen für Ungarn bestimmt seien.Die Kleine Entente beschloß daraufhin, nochmal- schriftlich England und Frankreich um einneue- Einschreiten zu ersuchen und von Oesterreichnamentlich die Vernichtung oder Rücksendung der Waffeu sowie die Feststellung zufordern, wieviel Wafse« bereits nachUngarn gegangen seien.I« Erfüllung diese- Wunsche- habe« Frankreich und England am 11. d. neuerding- eineDemarche in Wien unternommen und im Sinneder Forderungen der Kleinen Entente neueFragen gestellt, auf die sie sich eine klare Antwort in kürzester Frist erbaten. Diese Antwortmüsse man erst abwarte«.Der Kleinen Entente gehe es darum, daß derVorfall gründlich klargestellt und öffentlichanerkannt werde, daß das, was geschah, nichthätte geschehen sollen. Weiters sollen dieWaffen weder nach Ungarn gehen noch in Oesterreich bleiben. Wird das erreicht, so könnte: die KleineEntente von ihrer Absicht, die Angelegenheit vor denVölkerbund zu bringen, Abstand nehmen. Siebedauere freilich, daß durch solche Vorfälle Unruhezwischen die mitteleuropäische« Staaten getragenund da- Mißtrauen vermehrt werde, was einwesentliches Hindernis für den Erfolg der Abrüstungskonferenz darstelle.(Schluß auf Seit« 2)Die HirlenHeroer Wallen dürfen Ml nadi Ungarn!Der letzte Schritt vor Anrufung des Völkerbundes.Hirtenberg, Hitler,Wiener-Neustadtund die Politik derRegierung Dollfuß.Vor einigen Tagen erschienen starke Gendarmeriedetachements vor dem Arheiterheimin Wiener-Neustadt, umstellten das Gebäude,als ob sie es mit einem Verbrechexnest zu tunhätten und wiesen dann den erstaunten Genossen ein amtliches Schriftstück vor.„Wir habenden Auftrag nach Waffen zu suchen!" erklärteder Kommandant und dann schritt wart mitSpaten und Haue an die Arbeit. Jeder Winkel wurde durchsucht, alles wurde rücksichtsloszerwühlt, aber man fand nichts, was einerWaffe nur ähnlich sah. In einem städtischenMagazin förderten allerdings dann die amtlichen„Schatzgräber" einige Waffen zu Tage,die aus jener Zeit stammten, als die MeuteHorthys über das österreichische Burgenlandherfiel und das Land nrit blutigem Terrordrangsalierte, es handelte sich um Waffen, diedie damalige österreichische Regierung zurVerfügung stellte für die Abwehr der betjari-schen Bestien, die wider Gesetz und Recht aufösterreichischem Boden eingefallen-sind. Eswar nie ein Geheimnis, daß in Wiener-Neu-stads, das so nahe an der Grenze Ungarnsliegt, Waffen lagen, Waffen, die von Amtsstellen zum Schutze der Republik ausgegebenworden sind. And nun wagt das fascistischgesinnte Bürgertum von Waffen der Sozialdemokratie zu reden und den Fund in demagogischer Weise gegen die Arbeiterschaft auszuwerten.Es ist kein Zufall, daß der Major Fetz,einer der Fascisten, die auf dem Rücken derbürgerlichen Parteien in den Ätinisterstuhlgeklettert sind, daß dieser Putschist gerade indem Augenblick nach Waffen der Arbeiterschaftsuchen läßt, wo es der Wachsamkeit der Sozialdemokraten gelungen ist, die WaffentransporteMussolinis nach Ungarn zu verhindern, wo esgelungen ist, das verbrecherische Doppelspieleiner Regierung zu entlarven, die Oesterreichzu einem Bindeglied des Fascismus in Mitteleuropa machen will. Die HirtenbergerAffäre hat gezeigt, mit welchem Leichtsinn,mit welcher Skrupellosigkeit diefe RegierungDollfuß außenpolitischen Zündstoff anaehänfthat, in dem Augenblick, in dem sie allen Anlaß hätte, auch den geringstes Anschein einerParteinahme aus Rücksichten der Wirtschaftslage zu vermeiden-' Diese Regierung, derenTun an Operettenhaftigkeit gemahnt, siewollte den Fascisten jenseits der Bundesgrenzen einen Liebesdienst erweisen und setzte allesaufs Spiel. Die Herren Fascisten, di« so gernemit den Phrasen von der Heimatliebe hausieren gehen, sie haben mit den BedrängernSüdtirols, sie haben mit Horthyungarn, dessenAugen noch immer verlangend auf das Burgenland gerichtet sind, üble Geschäfte gemacht.Die Enthüllungen der Sozialdemokraten überdie Waffenschiebung haben der Regierunggroße Verlegenheiten bereitet und so harMinister Fetz, einer der hervorragendstenAkteure im Putsch vom September 1931, dieHäuser der^Arbeiterschaft absuchen lassen, umRache zu, üben und die Oeffentlichkeit vondem Hirtenberger Skandal abzulenken.Schon längst haben die Exponenten desfascistischen Bürgertums in Oesterreich zarteFäden mit Italien angeknüpft und der Landeshauptmann der Steiermark und llnter-richtsminister Dr. R i n t e l e n hat diese Beziehungen noch vertieft. Ebenso hat man sichbemüht, ein« rege Beziehung mit Angarn hexzustellen, zuletzt durch einen Handelsvertrag,der auf Initiative des HeimwehrministersI a k o n c i g abgeschlossen wurde, ein Vertrag, der einer schweren wirtschaftlichen Schädigung Oesterreichs gleichkommt. Die völligePleite des Heimwehrfascismus, die Ablehnungfascistischer Methoden durch die Bevölkerung,hat zur Folge gehabt, daß man diesen Mißerfolg durch eine außenpolitische Anlehnung