Nr. 52
Donnerstag, 2. März 1935
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Elsenbahnerstreik in Oesterreich lüdienlos durchgeführt.
Ein Gewaltstück der Regierung Dollius: Die Zentralstreikleitung verhaftet! Arbeiter- Zei ung beschlagnahmt.
Wien , 1. März.( Eigenbericht.) Der Eisen- 19 Uhr eröffnet. Auf allen Wiener Bahnhöfen verbahnerstreit ist in ganz Desterreich in voller Ruhe licßen die Eisenbahnangestellten die Züge und und lückenlos durchgeführt worden. Die Regie- Amtsräume, schlossen die Kassen und begaben sich rung Dollfuß hat sich allerdings ein unerhör in die Räume für die Angestellten. In den Zügen, tes Gewaltstüd geleistet und hat es gewagt, die um diese Zeit auf den Bahnhöfen standen, die Zentralleitung der Eisenbahner zu befanden sich nur wenige Reisende. Die Bahnberhaften. Die Eisenbahner werden heute höfe, die sonst vom Publikum gefüllt sind, waren noch darüber wichtige Beschlüsse faffen, wie sie heute fast leer. Einige Minuten nach 9 Uhr liefen auf die unerhörten Provokationen antworten einige Züge ein, die sich um 9 Uhr noch auf der werden. Die österreichische Regierung macht den Strecke befanden. Diese Züge wurden mit GeBersuch, in Desterreich Hitler zu spielen. Sie hat nehmigung der Streifenden in den Bahnhof einheute früh die„ Arbeiter- Zeitung " fonjisziert, und gelaffen. var wegen folgender Stelle, die sich auf den Eisenbahnerstreit bezieht. Die Arbeiter- Zeitung " Schreibt:
„ Die Regierung beruft sich auf die gefeßlichen Vorschriften, die auf eine taiserliche Verordnung bom Juli 1914 zurückgehen. Als der Habsburger trieg ausbrach und die Regierung mit dem Kriegsgesetz alle Grundrechte der Staatsbürger aufhob, als die Eisenbahner militarisiert wurden, hat man schwere Strafdrohungen gegen einen Eisenbahnerstreit durchgeführt. Mit diesem Kriegsgesetz will die Regierung Dollfuß jeßt die Eisenbahner einschüchtern. Viele Eisenbahnstreiks hat es schon in der Republik gegeben, aber kein Seipel hat es gewagt jemals an dieses schändliche Kriegsgefeß zu erinnern. Wenn Herr Dollfuß die Gegensäge in Desterreich bis zum Zerreißen verschärfen will, dann versuche er auf Grund des Kriegsgefeßes die Eisenbahner zu maßregeln. Er würde eine Antwort bekommen, die er nicht sobald vergessen würde.“
Wegen dieser Stelle hat die Regierung heute die„ Arbeiter- Zeitung " beschlagnahmt und furz darauf wurde die Streikleitung verhaftet. Welche Antwort die Regierung darauf bekommen wird, werden die Sozialdemokraten noch im Laufe des heutigen Tages beschließen.
Vollständige Durchführung des Streiks.
Nur die höheren Beamten arbeiten.
Mit Hilfe von höheren Beamten wurden vom Nordbahnhof nach 9 Uhr ein Zug abgefertigt, blieb aber in einer der nächsten Stationen in der Proving steden. Ein ähnlicher Versuch höherer Beamter, auf dem Ostbahnhof einen Bersonenzug abzufertigen, scheiterte an dem Widerstand der niederen Angestelltenkategorien. Die Ruhe wurde nirgends gestört. Die Bahnhöfe wurden von starken Polizei- und Militärabteilun gen bewacht. In der Generaldirektion der Bun besbahnen arbeitete der größte Teil der höheren Beamten.
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Am Nachmittag trat der sozialdemokratische Parteivorstand zusammen. Er beschloß, die Ein. berufung der Nationalversammlung für Samstag zu erzwingen, um die Zurüdnahme aller Maßregelungen der Streikenden durchzuseßen.
Später bekam die Regierung anscheinend selbst Angst vor ihrer eigenen Stärke; sie hat das her im Laufe des Tages alle Verhafteten wieder auf freien Fuß sehen lassen.
Wien , 1. März. Die Polizei und die Gendarmerie nahmen nicht nur sozialdemokratische Funktionäre, sondern auch die Mitglieder der nationalsozialistischen und anderer bürgers Lichen Organisationen fest. So befindet sich Oberinspektor Huna, der Führer der christ. li sozialen Eisenbahnerorganisation, in Saft, weiters der Obmann der deutschen Ver. fehrsgewerkschaft Roß, der hauptsächlich die großdeutschen Eisenbahner repräsentiert. In den Nachmittagsstunden wurde die Zahl der Verhafteten auf fünfhundert ge schäßt. Auch eine größere Bahl höherer Beam
Der angekündigte zweißstündige Demonstraten zahl der Suspendierten vierzig. ein beträgt tionsstreit wurde programmäßig pünktlich um die
Kobsinck und Geid! berels in Brünn beim Verhör.
Brinn, 1. März. Die Urheber des fafcitischen Angriffes auf eine hiesige Kaserne, Robzinel und Geidl, die bekanntlich nach ihrer miglungenen Tat nach Jugoslawien geflüchtet sind und jezi von der jugoslawischen Regierung den tschechoslowakischen Behörden ausgeliefert wurden, wurden heute wurden heute nachts nach Brünn transportiert.
Die beiden Flüchtigen verließen den Zug in Nennowiß, von wo sie in Eskorte der Polizeiwache mit dem Automobil auf die Polizeidirek
in erhöhtem Maße."
Der deutsche Naziminister Göring bedroht in einem Erlaß die Polizisten mit Dienst strafen, wenn sie gegenüber Angehörigen linksgerichteter Organisationen nicht mit be Schußwaffe vorgehen.
er Strenge vorangehen
and, wenn nötig, von der Waffe Ges
brauch zu machen.
Wer hingegen in falscher Rück Achtnahme verlagt, hat dienftstrafrecht. fiche Folgen au gewärtigen. Der Reichskommiffär: Göring m. p.
„ Herr Wachtmeesta, den Bengel müssn wa voch noch abknalln Göring morgen uff de Straße!"
sonst schmeißt uns
Die Auch- Demokraten.
Zu den Vorgängen in Deutschland .
Schwammig das ist noch das sanfteste] Demokratismus, wie ihn der Anzeiger" zu
Wort, mit dem man die Haltung der jogenannten repräsentieren aufgehört hat, nie recht ge
gängen im Reich charakterisieren fönnte. Pläne, die in Polizeiwerkstätten hergestellt werShivamm ist vor allem das Prager Tag immerhin anerkannt in sudetendeutschen Lan Dennoch ist dieser Liberalismus das sei Den. Aber es genügt zur Einleitung des Terrors blatt", das hie und da ein sanftes Wörtlein den noch nicht völlig vor die Hunde gegangen. gegen den Hitlerismus hinabiräufeln läßt, im Beweis find die Stimmen der Ostrauer übrigen aber um eine Hare Stellungnahme im morgenzeitung" und des Brünner großen wie im einzelnen nach Kräften brudt. Tagesbote", die beide durch ihre Saltung Noch ärger treibt's die Bohemia", die zu das Schweigen und Halb- sich- Neigen der Brager beobachten seit geraumer Zeit für jeden demokra- großen Bourgeoisieblätter noch deutlicher machen. tisch gesinnten Menschen und wir dachten So schreibt die Morgenzeitung": und wir dachten immer, die„ Bohemia" werde von solchen gelesen
Du sollit nicht lügen!" In einer christlichsozialen Versammlung in Troppau erzählte Herr Dr. Luschka:
„ Es ist ein besonderes Kunststück der sozia listischen Führung in der Regierung, die Arbeitslosigkeit auf das zwanzig bis dreißigface der sogenannten Bürgerregierung gesteigert zu
haben."
Herr Dr. Luschka ist gescheit und religiös ein schwerer Verstoß gegen die Gefeße seiner
immer peinlicher, ärgerlicher und empörender Deutschland wird von den Schriftleitern dieses wird. Das Wort gegen die Ereignisse in Blattes gar nicht ergriffen gestern leitartikelte
die Bohemia" nicht etwa über Deutschland , sondern über tschechoslowakische Politit. Unbe dem Hitlerlager, versieht die haarsträubendsten wenn irgend etwas wirklich gegen die SoziaWer hat, Herr Dr. Luschka, die Arbeitslosig i sten zu sprechen scheint flugs sind diese
tion nach Brünn gebracht und sofort einem Ver- genug, um zu wiffen, daß diese Stelle seiner Rede sehen bringt sie alle Meldungen und Reben aus bormittags andauern wird. Nach Beendi Religion ist, die Lüge und Niedertracht nicht Dinge mit farblosen, neutralen" Titeln; aber
hör unterzogen wurden, das bis morgen
gung desselben werden sie in Haft des KreisStrafgerichtes in Brünn eingeliefert werden. Das
Berhör führt der Polizeidirektor von Brünn Dr. leit in Amerika auf das Vierzigfache gegen Demofraten in der Zeit fürchterlichster BerfolVladimir Kráčmar und Oberpolizeirat Dr. iene Zeit gesteigert, da sich hierzulande der gung alles Republikanischen in Deutschland bei
Bysloužil durch.
Willkommener Anlaß.
Právo Lidu" über die Ereignisse
Blatt schreibt:
Bürgerblod feiner fetten Jahre freute? In der Send, um der Linfen eins auszuwischen! Amerika gab es nie Sozialisten in der Regie- ichtige Dinge werden einfach unrung. Du sollst nicht lügen!" Kennen Sie dies terfchlagen! So beispielsweise die Tatsache. Gebot nicht, Herr Dr. Luschka? daß die kommunistische Partei Hollands den Brandleger des Reichstags schon vor zwei
"
,, Alles und jedes ist auf die Bedrüdung und Herabsetzung des politischen Gegners eingestellt. In dieser Regierungskunst gibt es überhaupt nichts anderes als Schlagworte bom Margismus, der Schuld des Marxismus, oem Kampf gegen den Margismus, der Korruption des Marxismus u. a. m. Diese Schlagworte in allerlei Varianten und Kraftausdrücken, die nicht mehr zu überbieten sind. Dazu Taten, Regierungshandlungen, deren terrori stischer Charakter gerade durch den amılichen Charakter ihrer Verüber ins Unerträgliche gesteigert ist. Außer ein paar ruinösen Zollerhöhungen fann buchstäblich nicht eine einzige Maßnahme des neuen Regimes angeführt werden, die nicht gegen die politischen Gegner geschleudert wäre."
Bei Merch in der Prager Herrengasse wir Oder wo wäre in der Bohemia" ein ähn
finden?:
Der Senat nahm Mittwoch früh die Vorfahren als Spiel aus ihren Reihen stieß den solche Töne? aum auf die Straße gelaffen! lage über die Verlängerung der Exportkredite in Das brauchen die Bohemia"-Lefer nicht zu Eine ähnliche Auffassung wie bei uns beiden Lesungen an; zur Debatte batte sich ledig wiffen! Und daß führende Köpfe Deutschlands Tommi über die Ereignisfe in Deutschland lich ein Kommunist gemeldet, der für die Aner- eingefackt werden, dazu findet dieſes famose demo- liches wie das folgende aus dem„ Tagesbote" zu tom právo Libu" zum Ausdruck. Das fennung Sowjetru i sprach angenommen ratische Blatt nicht ein Wort der Kritik! wurde hiezu eine Resolution, die verlangt, daß In Deutschland selbst. wo es jetzt den demokranoch vorbereitet, die Drohungen mit den schwer- berücksichtigt werde, die vor dem Krieg expor ist Kritik zu üben, haben Bossische Zeitung", ,, Alles, was bisher geschehen ist und was sich bei Exportkrediten auch die Heimindustrie tischen Blättern wahrhaftig nicht leicht gemacht sten Maßnahmen der Nache, ohne daß die Tat tierte, namentlich die Korbindustrie in Mähren . Frankfurter Zeitung " und nach der kriminalistischen Seite hin untersucht Dem Budgetausschuß und dem Gewerbeaus blatt" immerhin auf den Wahnsinn hingewiesen, Hitler die Möglichkeit gibt, vor die ganze politie die 3insfußregelung mit 24stündiger Attentat auf den Reichstag in Zusammenhang Kommunisten der Vorbereitungen terroristischer Vorlage unverändert an. Der Gewerbeausschuß man dagegen so wenig ein Wort wie gegen die sche Deffentlichkeit zu treten und Sozialisten und Frist zugewiesen. Beide Ausschüsse nahmen die bringen zu wollen. In der Bohemia" findet Sandlungen in allen Teilen des Reiches zu be- beschloß eine Resolution, in der die Regierung ungeheuerlichen Verfekutionen, die gegen alles schuldigen. Es ist dies die Taktik aus der ersten aufgefordert wird, systematisch auf die Herab- Linke in Deutschland eingesetzt hat!
worden wäre, zeigt, daß der Brand im Reichstag
,, Berliner Tageschuß wurde sodann die Regierungsvorlage über der darin liegt, die Sozialdemokratie mit dem
der
Zeit des Sozialismus, eine Taktik, die enttäuscht Geldinstitute hinzuarbeiten und so die Regie Die Vorlage tommt hat, zu der aber Hitler zurückkehrt. Die Sozial- Banken herabzusehen. demokratie hat stets öffentlich erklärt, daß sie jede beute nachmittags um 4 Uhr ins Plenum. direkte Aktion verurteilt, fie tar fters gegen den Terrorismus, fie hat alle diese Mittel als der| fozialistischen Idee unwürdig bezeichnet. Ihren Standpunkt bat fie auch jest nicht geändert und
Vormarsch der Japaner.
Tokio , 1. März.( Reuter.) Die Japaner es ist also eine Nieberträchtigkeit im eigentlichen fetten ihren Angriff auf den Uebergang bei Sinne des Wortes, wenn Sillers Regierung die Tschifu und Linjuan fort, um ihren Vormarsch Sozialdemokratie verantwortlich macht für die auf die Stadt Dschehol fortsetzen zu können. Im Tat eines Ausländers mit einer dunklen Vergan Sektor der Stadt Tschipen hat die vom Komgenheit und einer noch dunkleren Sendung. mandanten Nome befehligte Kavallerie 10.000 Schuld an dem Brand ist die ganze marxistische Chinesen zurückgeschlagen und sie in öftlicher Linke!" Diese Parole wurde absichtlich unter das Richtung gegen die Berge gedrängt. Auf der Volk geworfen, dem man mit der entsprechenden Binjuan- Front stößt die Brigade des Generals lebertreibung alles schildert, was geplant war. Sattori auf heftigen Widerstand. Diese Abteilung Es gibt dafür keinen anderen Beweis, als was nähert fich nunmehr Beitschan Jenfu, wo sich der Und Generalstab der 19. Brigade des Generals bei den Kommunisten tonfisziert wurde. diefes Material fann genau so echt sein wie andere Tschangfueliang befindet.
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Schäbige Refte des deutschen Liberalismus fizzen angeblich auch noch im„ Teplitz- Schö nauer Anzeiger", der sich ihrer allerdings immer mehr zugunsten einer balbhafentreu lerifchen Anschauung entledigt. Wie radikal dieser Brozek iett dort vor sich geht. aeht daraus hervor, daß das Blatt über das Attentat auf das Reichstagsgebäude , folgendes zu schreiben lich nicht entblödet:
„ Ob auch die sozialdemokratische Bartei mitschuldig ist, wird zu erweisen fein; vorläufig ist sie nur durch die Aussage eines der Brandstifter belastet. Aber es spricht viel
... unter den Verhafteten befinden sich Män ner, die kein bernünftig Urteilender in irgend einen Zusammenhang mit der Brandlegung oder ben angeblich beabsichtigten Terrorakten bringen wird. Was hat ein Ossietti, ein Renn, ein Kisch. ein Mar Hodann mit solchen Dingen zu tun? Was haben die Sozialdemokraten mit solchen Brandstiftern zu icha f- fen? Weil der Brandleger der Polizei eingestanden hat, daß er mit der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland Verbindung gehalten hätte, berbietet Göring für 14 Tage sämtliche Zeitungen, Druckschriften und Flugblätter der Sozialdemo fratischen Partei?! Sofft er wirklich, auf solche Weise den Margisten bei den Wahlen zu schaden? Müssen nicht ihre Anhänger durch so durchsichtige Verallgemeinerungen und durch die neue Notver ordnung, die sie unter Ausnahmsrecht stellt, nur noch mehr erbittert und radikalisiert werden?"
Wir fürchten, daß es in der nächsten Ren für die fortschrittliche" deutsche Bürgerpresse in noch reichlichere und dringlichere Gelegenheiten der Tschechoslowakei geben wird, ihren Republikanismus, ihre demokratische Gesinnung und ihre Berufung als Asyle für verfolgte Geistigfeif und Weltanschauung unter Beweis zu stellen. Leider muß man, nach dem Bild von heute, auch fürch Ja, was denn? Vermutlich vor allem der ten, daß alle, die mit diesem Hort rechnen. big Umstand, daß fie, die Sozialdemokratie, an der auf einige Ausnahmen, sich verloren geben Verläßlichkeit des bürgerlichen müßten!
gegen fie:"
Echtheit und