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Sozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik.

13. Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Freitag, 31. März 1933

Wir klagen an!

Die Sozialistische Arbeiter- Internationale über den deutschen   Fascismus. Die Erefutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale ist am 18. und 19. März im Vereinshaus ,, Eintracht" in Zürich   zusammengetreten. Die Exekutive beschloß außer einer Kundgebung ,, Kampf dem Fascismus! Hoch die internationale sozialistische Solidarität" zwei Resolutionen, deren eine das Problem der Einheit der Arbeiter­bewegung behandelt, deren andere den Aufgabenkreis der für Juni 1933 in Aussicht genommenen Konferenz der S. A. J. feststellt.

Die Erefutive beauftragte das Bureau der S. A. J., die durch die Tagung des deutschen   Reichstags nothwendig werdenden Ergänzungen in die Kundgebung einzufügen und sämtliche Beschlüsse sodann gemeinsam zu veröffentlichen. In Durchführung dieses Auftrages ist das Bureau der S. A. J. am 27. März im Parteihaus in Paris  zusammengetreten. Das Bureau der S. A. J. sah sich veranlaßt, gegenüber der Ansprache, die der deutsche   Minister und Reichstagspräsident Goering   an die Vertreter der Auslandspresse in Berlin   am 25. März gerichtet hat, eine Erklärung des Protestes zu veröffentlichen.

An der Sitzung der Exekutive in Zürich   waren 17 Länder durch 35 Delegierte vertreten. An der Sitzung des Bureaus in Paris   nahmen 9 Mitglieder des Bureaus teil. An feiner der beiden Tagungen waren Ver­treter Deutschlands   anwesend.

Wir geben im folgenden die Beschlüsse der beiden Tagungen wieder.

Kampf dem Fascismus!

Hoch die internationale sozialistische Solidarität!

Im Zeichen des Terrors hat das Ministerium Hitler   seine Herrschaft in Deutschland  angetreten. Dußende von Toten, Hunderte von Verwundeten, Gefolterten und Mißhandelten sind das erste Ergebnis der Erneuerung der Nation". Ueberfälle auf Wehriose, ja auch auf politisch ganz unbeteiligte finden immer wieder statt, der Antis semitismus lebt in seinen abscheulichsten Formen wieder auf.

"

Die Gefängnisse sind überfüllt, Ronzentrationslager für Gefangene wie in Kriegszeiten werden errichtet, man bekennt sich offen zum Grundsatz des zweierlei Rechts. Die neuen Machthaber haben zunächst hunderte von kommunistischen   Führern gefangen genommen unter der offenkun dig falschen Beschuldigung der Anstis­tung des Reichstagsbrandes. Gegen die Gewerkschaftshäuser, gegen die Arbeiterpresse, gegen alle Institutionen, die sich Arbeiterorganisationen geschaffen, wird in vandalischer Weise gewütet. Das Eigentum der Arbeiterorganisationen ist vogelfrei, systematisch werden nacheinander alle Organisationen verboten.

Ueber hundert kommunistische und sozial demokratische Abgeordnete hat die Regierung Hitler   vom Reichstag ferngehalten, indem sie sie ins Gefängnis sekte oder durch Drohungen ferrorisierte. Die ganze tommunistische Wählerschaft, nahezu fünf Millionen Wähler, wurden ihrer Mandate beraubt. Schon durch diese Tatsache sind die Rechts­grundlagen des demokratischen Parlamentaris mus vergewaltigt. Der Reichstag   hat durch das Ermächtigungsgeset den Terroristen am Staatsruder freie Hand gegeben. Alle Möglichkeiten der Vertretung der Interessen der Arbeitersch aft, alle Freiheit des Volkes sollen dauernd zertreten bleiben.

Wir flagen an! Wir werden unermüdlich die Gewissen der zivilisierten Welt aufrufen gegen die unsäglichen Schandtaten, die die Gewalthaber Deutschlands Tag für Tag berüben.

Gruß an die deutsche  Arbeiterklasse.

ten, auf die er sich stüßt, zu verteidigen, wer­den alle der S. A. J. angeschlossenen Parteien der Arbeiterklasse in Deutschland   am meisten helfen, indem sie sich, jede in ihrem nationalen Wirkungstreis auf. den Boden der interna­tionalen Solidarität stellen.

Die S. A. J. erinnert daher an ihr Pro­gramm allgemeiner, fortschreitender, gleichzeiti­ger und kontrollierter Abrüstung und an ihren Kampf gegen jede Form der Anfrüstung.

Die Lehre der deutschen  Ereignisse

Nr. 77.

Zwei zu eins.

Nach der letzten deutschen   Berufsstatistik find von 32 Millionen Erwerbstätigen   nicht weniger als 20 Millionen Arbeiter und An­gestellte, also Proletarier. Daraus ergibt sich, ebenso wie aus den Ziffern der Einkommen­steuerstatistik, die selbst in den besten Jahren der Konjunktur über 90 Prozent der Bevöl­ferung mit einem Einkommen von unter 200 Mart feststellte, daß Deutschland   ein Proletarierland ist. Wer also an die deutsche Nation denkt, muß vor allem an ihren über­wiegenden Teil, an das deutsche Proletariat denken. Für eine Bewegung, die sich national und obendrein sozialistisch nennt, könnte es also nach der Machtergreifung kein anderes Programm geben, als für das Wohl und Wehe dieser zwei Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung sich nachdrücklichst einzusetzen. Wird das die gegenwärtige Reichsregierung tun, deren verantwortlicher Minister für alle Entscheidungen in wirtschaftlichen Fragen der ausdrückliche Exponent der Schwerindustriellen und Großagrarier- Interessen, Herr Sugen berg ist?

Die Regierung der Herren Hitler   und Sugenberg fann sich nicht auf ungenügende Machtvollkommenheiten herausreden. Das durch den Ausschluß der Kommunisten und der verhafteten sozialdemokratischen Abgeordneten fünstlich verminderte Parlament hat formell mit dem Stimmenverhältnis von zwei zu eins der Regierung nahezu unbeschränkte Voll­machten auf lange Zeit hinaus erteilt. Jetzt

ist also der Augenblid gekommen, in dem Herr Hitler   an die Einlösung der program­matischen Versprechungen der nationalsozia­listischen Arbeiterpartei" herangehen muß. Wir nehmen das Parteiprogramm zur Hand, muſtern die 25 Punkte durch und stellen folgende Frage:

Wann werden die Friedensverträge von Versailles   und St. Germain aufgekündigt?

für die Arbeiter in den Ländern der Demokratie ist die Notwendigkeit, die Freiheitsrechte mit allen Mitteln zu verteidigen, für die Arbeiter aller Länder, dem Nationalis mus und dem Fascismus keinerlei Konzessionen zu machen, gegen sie und die durch sie hervorge­rufenen Kriegsgefahren, selbst um den(§ 2.) Preis der schwersten Opfer, den Geist des Internationalismus, des Friedens und der Freiheit zu mobilisieren und die Interessen des internationalen sozialistischen   Befreiungskamp ses, die sich mit den wahren Interessen der Völ­ker decken, zu ihrem obersten Ziel zu machen.

Indem die Sozialistische Arbeiter= Inter­nationale der deutschen Arbeiterklasse ihre heiße sten Sympathien bezeugt, gedenkt sie auch des

Wann erfolgt die Verstaatlichung aller Trusts?(§ 13.)

Wann wird die Gewinnbeteiligung an den Großbetrieben verordnet?(§ 14.)

Wann und wonrit ist der großzügige Ausbau der Altersversorgung geplant?(§ 15.) Wann erfolgt die Kommunalisierung der Großwarenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an fleine Gewerbetreibende? (§ 16.)

Proletarier aller Länder berspekulation?(§ 17.)

cines neuen Krieges rüdt immer näher. Gegenüber den Orgien nationalsozialistischer Ver- entschlossenen Widerstandes, den die österrei hegung, die in Deutschland   gefeiert werden, chischen Genossen dem Ansturm der Konter­Wann beginnt die nationalen Bedürf­ersteht der deutschen   Sozialdemokratie die schwere revolution in ihrem Lande entgegenstellen, nissen angepaßte Bodenreform, die unentgelt­Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter- und opferreiche Aufgabe, in den Massen des Internationale, an deren Beratungen die Ver- Proletariats tiefer als je das Bewußtsein zu fühlt sie sich solidarisch mit ihnen in der Verteiliche Enteignung des Bodens für gemein­treter der deutschen   Arbeiterklasse infolge der verankern, daß nur in der internationalen digung des Roten Wien, und sie ruft den nüßige Zwecke, die Abschaffung des Boden­Lage in Deutschland   diesmal nicht teilnehmen lassensolidarität die Voraussetzung proletarischer Arbeitern der ganzen Welt immer wieder zu: zinses und die Verhinderung jeder Boden­fonnten, sendet der deutschen   Arbei. Abwehr und proletarischen Sieges gelegen ist. terklasse ihre heißesten Wünsche, In diesem schweren opferreichen Rampje, vor allem allen Opfern der Verfolgungen, die in dem es darum geht, zugleich den Sozialis in den Gefängnissen schmachten und in den mus und die demokratischen Freiheis Spitälern darniederliegen. Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale ist mit Bewunderung erfüllt für die Millionen Prole. tarier, die trotz aller Verfolgungen und Ver. Ieumdungen ihrer Ueberzeugung treu geblieben, vor allem für die sozialdemokratischen Arbeiter,

dem

einigt Euch! denn nur in Eurer Einigkeit Wann wird die Bildung eines Volks­liegt Eure Rettung und der Sieg des Sozia- heeves und die Abschaffung der Söldnertruppe lismus. beschlossen?(§ 22.)

Antwort der Sozialistischen Arbeiter­

bie es ermöglicht haben, daß ihre Partei ben Internationale an Herrn Goering.

Anfturm im Wahlkampf vollständig standgehalten hat. Sie ist der festen Ueberzeugung, daß die Arbeitermassen Deutschlands   auch in der Zukunft der fascistischen Gewaltherrschaft Zroz bieten und sie schließlich über­winden werden.

Die neuen Herren Deutschlands   unterdrücken jede Aeußerung demokratischer, pazifistischer und internationaler Gesinnung und erklären der Sozialistischen Arbeiter- Internationale den Strieg, der Organisation von Millionen Proletariern, die seit jcher mit der größten Energie für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht affer Nationen, ohne Unterschied, ob sie im Weltkrieg Sieger oder Besiegte waren, gefämpft hat; fie wollen alle Verbindungen der deutschen   Arbeiter: Klasse mit ihren Bruderparteien in anderen Ländern als Landesverrat stempeln. Der Sieg neue Aera dieser Kräfte eröffnet eine imperialistischer Politif Dentid= lands, die neuen Herren bekennen sich offen zu den Methoden der Gewalt. Die Gefahr

Sein Erpressungsversuch an unserer Presse wird vergeblich sein. Der Reichstagspräsident und preußische Innenminister Goering   hat anläßlich seiner An­sprache an die Vertreter der Auslandspresse am 25. März erklärt, daß die sozialdemo= fratische Presse in Deutschland   nicht wieder erscheinen wird, solange ,, die Heze in den sozialistischen   Blättern des Auslandes nicht aufhört.

Das Bureau der Sozialistischen Arbeiter Internationale, das in Abwesenheit der Vertreter Deutschlands   in Paris   am 2. März tagte, protestiertempört gegen diese Erpressung. Es stellt vor der Oeffentlichkeit fest, daß die heutigen Herr­scher Deutschlands  , die deutschen   Sozialdemokraten zu Geifeln machen wollen, um den Ausdruck des Weltgewissens zu verhindern.

Dieses Manöver wird vergeblich sein. Die Sozialistische Arbeiter- Inter­nationale lehnt es ab, ihre Presse der Zenjur der Herren Hitler   und Goering   zu unterwerfen. Sie wird weiterhin Taten der Gewalt und der Willkür brandmarken, die den Grundlagen jedes zivilierten Regierungssystems widersprechen.

Die Herren Hitler   und Goering   haben ein einfaches und verfäßliches Mittel zur Verfügung, die sozialistische Preise zu veranlaffen, nicht mehr von Exzessen der Gewalt zu sprechen: sie bloß nicht mehr zu begehen, noch zu ihnen aufzumuntern.

Vor allen Dingen aber, wann erfolgt die Abschaffung des Arbeits- und mühelosen Ein­kommens durch die famose Brechung der Zins­

Gerade dieser Punkt wird von dem Kommentar des Programms Herrn Feder, als entscheidend betrachtet und in einem wohl aus Sitters   Buch stammenden Zitat geradezu als ,, die Lösung der sozialen Frage" bezeichnet. Ist der neue Reichsbankpräsident, Herr Dr. Schacht, derselben Meinung? Das wäre eben so glaubwürdig, wie etwa die Nachricht, Herr Hugenberg oder vielleicht gar Herr von Olden­ burg  - Janujchau, der Gutsnachbar des Reichs­ präsidenten  , wären zu Siedlungskommissaren berufen worden.

Ach nein, auf alle diese schönen Dinge wird das arbeitende Volt warten dürfen, sicherlich eben so lange, wie auf den Kampf gegen eine Stellenbesetzung, die nur nach Parteigesichtspunkten ohne Rücksicht auf Cha­rafter und Fähigkeiten erfolgt.(§ 6.) Oder haben der Fememörder Heines, der zwölfmal der Lüge geziehene Rheinlandfämpfer Goeb­ bels  , der Erzberger  - Attentäter von Killinger,