Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077." ADMINISTRATION- TELEFON 53076. w HERAUSGEBER : SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Dienstag, 10. April 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 83

Britische Anfrage Tschechische Patrioten

in Berlin

wegen des Rüstungsbudgets

London , 9. April. Im englischen Unter­haus erklärte heute Außenminister Sir Simon auf eine Anfrage, ob er irgendwelche augenblick­lichen Maßnahmen ergreifen wolle, um sicher­heit über den Zweck der großen Erhöhung der Müstungsausgaben Deutsch lands und Klarheit darüber zu erlangen, ob diese Erhöhung nicht eine tatsächliche Ber­lehung der Versailler Verträg ge beinhalte, daß die ganze Frage foeben sorgfäl­tig und strenge von der britischen Regierung stn­diert werde.

" Ich habe," fügte der Minister hinzu, ,, unseren Botschafter in Berlin aufgefordert, in dieser Sache bei der deutschen Re­gierung anzufragen, und ich hoffe, daß ich noch diese Woche Antwort erhalten werde."

Was macht Poncet in Paris ?

Paris , 9. April. Heute mittags ist der fran­ zösische Botschafter in Berlin Francois Poncet in Paris eingetroffen, nach der offiziellen Lesart zu einem achttägigen Urlaub. Ein Teil der fran­ zöſiſchen Preſſe bringt dieſen Beſuch jedoch mit Gerüchten in Zusammenhang, daß Poncet das Terrain für einen Besuch des französischen Außen­ministers Barthou in Berlin vorbereiten soll, der nach einzelnen Meldungen anläßlich der Durchreise Barthous nach Warschau gegen Ende April verwirklicht werden sollte. Das offizielle Savasbüro dementiert jedoch ausdrücklich das Ge­rücht von dem Berliner Besuch Barthous, das jeder Grundlage entbehre.

im

in Dienste von Schenker- Hitler

Der Nachrichtenstelle des deutschen Generalstabs machen führende National­demokraten, die Stříbrný- Presse und der ,, Prager Börsen- Courier" die Mauer

Ein Presse- Korruptionssumpf ärgster Art

anordnet.

Prag , 9. April. Ueber den ungeheneren Skandal, der sich hinter den von der ge- Strafen durchgehends Freiheitsstrafen samten deutsch tschechischen bürgerlichen Presse verheimlichten, bezw. bagatellijierten Verhaf­tungen der beiden Schenker- Direktoren Beck und Anthony verbirgt, teilt das morgige " Právo Lidn" weitere Einzelheiten mit, deren Bedentung durch die Reproduktion eines Briefes noch außerordentlich erhöht wird.

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Dieser Brief, den der Direktor Kommerzialrat Bed an seine vorgesetzte Stelle im Dritten Reich richtete wir zitieren das aufschlußreiche Dokument weiter unten unter Weg­lassung minder wichtiger Details ist ein glattes Eingeständnis der Schuld der Firma ( siehe die Erwähnung des Schutzgesches), aber auch ein Schandmal für gewisse nationa­listische Kreise, die alle ihre Verbindungen spielen lassen, um die Firma Schenker vor jedem Ungemach zu bewahren und vor allem für eine Presse à la Střibrny- Presse und Prager Börsen Conrier", die sich Tausende für das Erscheinen oder Nichterscheinen gewisser Artikel bezahlen lassen.

Wir stizzierten bereits furz die Entstehung} der Affäre, die durch die Verhaftung der Herren Kommerzialrat Beck und Anthony Aueles auf geflogen ist. Einige bodenständige Speditionsfir men erwirften durch

... Der Börsen Courier hat von der Firma Kostka un. Co. eine Unterstützung von 4000 erhalten, von der Intercontinentale" ebenfalls 4000. Die Čechoflavin hat 4000 in Aussicht gestellt,

aber bis heute nicht bezahlt. Bei sonstigen Firmen erhielt der Börsen- Courier vorläufig eine Abfuhr, obzivar er noch eine Reihe Angriffsartikel auf uns in Aussicht ſtellte und dabei nach Spezialverträge mit den Eisenbahnen und statistische Formulare, welche wir für Berlin verwenden, in Faffimile zu veröffentlichen versprach..."

Es folgt nun eine ausführliche Schilderung dieser Verschwörung" gegen die Firma Schenker

Brave Helfer

Ich habe wegen der Beratung in diesen Angelegenheiten an Herrn Dr. Fouset, Rechts­anwalt, gewendet, welcher zugleich auch volfs. wirtschaftlicher Redakteur der Národni Listy", des bekannten Hauptblattes der Nationaldemo­Fraten, ist.

und welcher heute diejenige Stelle bekleidet, die der Vizepräsident der Živnostenska banka, Dr. Preiß, seinerzeit innegehabt hat. Herr Dr. Fouset gilt hier allgemein als derjenige Mann, der in Interventionen zufolge seiner Beziehungen die größten Erfolge aufzuweisen hat und genießi an gemein großes Ansehen. Herr Dr. Fousek hat selb ständig auch Nachforschungen darüber angestellt, von wem die Hezze gegen Schenker inauguriert wird und brachte mir die Bestätigung des Resul tats, daß es sich um jene Berson handelt, welche mein ersterwähnter Vertrauensmann bereits fest­gestellt hatte.

Es war nun meine Hauptfrage, zu verhüten, daß erstens unser Präsident, Minister Dr. Paz­derta, demissioniert, zweitens, daß die tschechi schen Vanten aus dem Beirat abspringen.

Ich habe deshalb mit dem Vizepräsiden

Bezahlung großer Geldbeträge an den ,, Prager Börsen-Courier" die Veröffentlichung von Auffäßen, in denen der Firma Schenker, die auf dem hiesigen Plas allen Branchenangehörigen ein gefährlicher Stonturrent ist, einiges nachgesagt wurde, was bei dem Staatsanwalt besonderes Interesse zu erweden Nach einer Berliner Meldung des ETS. geeignet war. Die Mitteilungen dieses Blattes widmet die deutsche Presse dem Besuch Poncets in waren, wie sich jetzt zeigt, nicht daneben gegrif Paris größte Aufmerksamkeit und registriert sorg fen; nur fiel es auf, daß die Enthüllungsfam und die beteiligten einzelnen Personen; der Zweckten der Živnostenska banka, Dr. Preiß, und dem fältig alle diesbezüglichen Pressestimmen. Deutsch - pagne plößlich ohne sichtbaren Grund einge sollte angeblich der sein, die Regierung zu veran land lege auf eine Verständigung mit Paris den stellt wurde und daß auch Blätter wie die größten Wert und es sei ein offenes Geheimnis, fascistischen Boulevardzeitungen des Stribrny und laſſen, die Firma unter Staatsaufsicht zu stellen daß sich in letzter Zeit vor aller diplomatische andere stumm blieben. Das Geheimnis dieser oder ihre Arbeit still zulegen. Die Konturrenzfirma Amateure", Großindustrielle und Vantmagnaten rätselhaften Zurückhaltung lüftet jest der Brief bersprach sich davon angeblich die Monopolisierung in privaten Unterredungen in Paris um eine solche des Herrn Bed an seine vorgesetzte Nazistelle, der gesamten Binnenschiffahrt. Verständigung bemühten. den Herrn Dr. Erich Katter in Berlin , Prä­sident der Hauptzentrale der gleichgeschalteten Firma Schenker& Comp.

Ein allgemeines Garantiesystem?

Was sich Henderson erhofft

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Aus dem Inhalt geht vor allem hervor, daß das in der ganzen Welt vertretene Spe­ditionsunternehmen eine Spitzelstelle des Drit­ ten Reiches , genauer: des deutschen General­stabes ist, daß die Prager Vertretung und ihre Filialen zweifellos auch die anderer außerdeutschen Länder verpflichtet sind, der Berliner Zentrale Rapporte militäri­schen Inhalte zu liefern und daß die, mit Respekt zu sagen, kommerzielle" Tätigkeit des Prager Schenter ständig und systematisch von deutschen Staatsangehöri gen", nämlich von den Offizieren des deutschen Nachrichtendienstes beim Berliner Generalstab ,, revidiert" wurde.

,, Unangenehm," heißt es dann weiter ,,, ist allerdings, daß die Metallsektion des Industriellen­verbandes in einem Zirkular vor der Firma Schen= fer u. Co. gewarnt hat und führe ich dies auf den Einfluß des Fura( ein früher erwähnter Sefre tär. des Industriellenverbandes D. Red.) zurück, der zwar seit einem Monat angeblich frank ist, der aber scheinbar einen Freund bei der Metallsektion gefunden hat, der die Warnung gegen die Firma Schenker u. Co. veranlaßte.

Genf , 9. April. Nach mehrwöchiger Pause werden morgen die Abrüstungsberatungen wieder aufgenommen werden. Es sind bereits einige Mit­glieder des Büros der Konferenz eingetroffen; der Abrüstungs- Referent Dr. Ben es wird morgen eintreffen. Henderson ist bereits seit Samstag in Genf . Heute abends veröffentlichte er eine um= fangreiche Uebersicht über die bisherigen Ergebnisse der Konferenzarbeiten. Er erklärte u. a., daß ihm politische Rücksichten nicht gestatten anzuführen, wie weit insbesondere die Verhandlungen über die Garantien gediehen seien. Trotzdem hebt er aus dem langen Rapport, den der Agent Bcd wird erst am 2. Jänner wieder in Prag sein.

hervor, daß der Unterschied in den Ansichten hin­sichtlich des Problems der Garantien heute viel geringer sei, als bisher..

Henderson ist der Ansicht, daß ein allge= meines Garantiesystem ausgearbei­tet werden muß, das abgestufte Maßnahmen, je nach der Schwere der Verlegung der Konvention festsetzen würde.

Kommunistische Symbole

Das alles erfährt man klar und deutlich

an seinen Nazichef Patter in Berlin richtete. Wenn man sich diese Tatsachen vor Augen bält, so steht man vor der Frage: Dieser deutschen Be­spigelung der Tschechoslowakei und ihrer staat­lichen Einrichtungen haben die Führer" der Re­präsentanten der nationaldemokratischen Partei, die Stříbrny- Ligisten, kurz die Edelſten unserer ,, vlastenci " im Verein mit einem deutschen Er presserblatt die Mauer gemacht, gegen faftige Vestechungen Vorschub geleistet? So ist cs; das sagt der Finanzmann und Kompagnon dieser Herren Chauvenisten, der Herr Beck aus, dessen Brief vom 31. Dezember 1933, an Herrn Dr. jur. Erich Katter,

bei der Nazi- Maifeier Berlin , S. April. Die kommunistischen Sym­Berlin- Zehlendorf- West, bole, Sichel und Hammer, werden auf der offi­Winterfeldstraße 23. ziellen Plakette, die zur Feier des 1. Mai in Deutschland herausgegeben wird und die für die adressiert ist. Einleitend berichtet Beck über die Millionen Arbeiter sowie auch für ihre Arbeit erwähnten Angriffe im Prager Börsen- Cou­geber bestimmt ist, Aufnahme finden. Außerdem rier" auf die Firma Schenker und über seine Be­enthält die Plakette den Kopf Goethes und unter mühungen, die Urheber dieser Angriffe, die er ihm den Reichsadler, der in seinen Fängen das mit Namen anführt, zu ermitteln. Wörtlich heißt Hafentreuz trägt.

es dann:

Ich bin sofort bei dem Verband der Indu striellen scharf eingeschritten und hat der General­sekretär dieses Verbandes- dem wir übrigens auch angehören gar nichts von dem Zirkular gewußt, weil die Sektionen eine gewisse Autonomie haben. Jedenfalls ist aber das Zirkular an verschiedene Handelskammern und auch an Ministerien ver­sandt worden. Der Initiator, ein Dr. Holub, ist aber am selben Tage nach Paris abgefahren und

Jedenfalls wurde mir vom Generalsekretär des Verbandes, H. Ing. Miya, fest versprochen, so­fort eine Berichtigung an alle Firmen und Stellen, welche diese Warnung erhalten haben, zu veran lassen, ich weiß aber nicht, ob ich mich damit zu­friedengeben werde, weil ich gegen diesen Unfug eventuell einzuschreiten gewillt bin.

Die Angst vor dem Schutzgesetz

Um Ihnen nun meine weitere Taftit klar­zulegen, muß ich Ihnen zuerst sagen, daß durch die Zeitungsnachrichten, bei dem hier herrschen= den Chauvinismus von tschechischer Seite und der Einstellung der jüdischen Geschäftswelt etne mächtige Erregung entstanden ist, welche noch dadurch eine gefährliche Form annahm, weil wir ein besonderes Schutzgesetz wegen des Be­standes der Republik haben, welches dem Staatsgerichtshof ganz freie Hand läßt zu ent scheiden, ob gegen die Interessen der Republik gehandelt wird oder nicht, und die strengsten

Direktor derselben Bank, Ing. Dvořáček, Mi­nister a. D. eine mehr als zweistündige Kon= ferenz gehabt, bei welcher es mir gelang, die Herren nicht nur vollständig zu beruhigen, son­dern auch auf unsere Seite so zu bringen, so daß Dr. Preiß mir versprach, erstens persönlich beim Handelsminister Dr. Matoušek wegen feines Ministerialrats Dr. Hanáček zu intervenieren, zweitens auf Herrn Dr. Pazderka einzuwirken, da mit er von vornherein jede Zumutung einer De mission ablehnt und drittens,

daß Herr Dr. Preis, resp. seine Bant, auf even­tuelle Anfragen oder über unseren Wunsch die betreffenden taufmännischen und industriellen Kreise derartig beruhigt, daß die in Umlauf ge= setzten Gerüchte als unwahr und als ein Kon­kurrenzmanöver dargestellt werden.

Auch Minister Dr. Dvořáčel war so liebens­würdig, eine nachdrückliche Intervention beim In­dustriellenverband zu versprechen.

Alle diese Versprechungen wurden auch eingehalten, nur fann ich Ihnen in diesem Augenblick noch nicht über das endgültige Resultat berichten...

... Ich habe selbstverständlich nicht alles so darstellen können, wie es ist, aber ich habe den Herren von der Živnostenská Vanfa meine Unter­redung schriftlich bestätigt und gebe Ihnen in der Beilage das deutsche Stonzept zur geft. Kenntnis nahme bekannt und hoffe Sie mit meinem Vor­gehen und meinen Ausführungen einverstanden.

An die tschechoslowakischen Filialen von Schenker und Comp. habe ich ein Zirkular, von dem im Ihnen ebenfalls eine Stopi: beilege, erlay= sen, damit die Filialleiter der Kundschaft überra schend einheitlich zu antworten vermögen, weil ich ſonſt befürchten müßte, daß die divergierendſten Nachrichten in die Welt gesetzt werden, umsomehr, als ich nicht aller Herren sicher bi... Sie werden vorsichtiger...

Auf jeden Fall habe ich sofort verfügt, das keine statistischen Daten mehr direkt nach Berlin gegeben werden dürfen,( schon des Schutzgesetzes wegen) und müssen wir uns nuch hüten, weitere Revisionen durch deutsche