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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  :. WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Freitag, 27. April 1934

Barthou in Prag Prag  

, 26. April. Der französische   Außenminister Louis Barthon ist Donnerstag um 9 1hr vormittags auf dem Wilson- Bahnhof in Begleitung seines Kabinettschefs Rochat in Prag   eingetroffen. Auf dem Bahnhof wurde er vom Außenminister Dr. Be­ nes   begrüßt, ferner von den Ministern Dr. Hodža nnd Dr. Krčmař und dem Primator Dr. Bara. Auch die Gesandten der Kleinen Entente  , hohe Beamte des Außenministeriums, der Chef der französischen   Militärmission nnd die Mitglieder der französischen   Gesandt­schaft und der französischen   Kolonic waren anwesend, ferner Vertreter der verschiedenen Behörden. Französische   und italienische Legionäre, Sokoln und Prager   Nationalgarde bildeten die Ehrenwache. Vor dem Bahnhof hatten Legionäre mit Fahne und Musik und cin zahlreiches Publikum Aufstellung genommen. Ein dichtes Spalier umfäumte die Stra sen, durch die die Autos ihren Weg nahmen Als Barthon das Bahnhofsgebände ver­lich, wurde er von der Menge mit Nazdar- Rufen begrüßt. Der Minister begab sich in die französiche Gesandtschaft, wo er während seines Aufenthaltes wohnen wird.

Zwei Stunden vorher traf mit dem Warschauer   Schnellzug eine Gruppe von franzö sischen und polnischen Journalisten ein, die den Minister auf seiner Reise begleiteten. Um 12 Uhr empfing Präsident Masaryk   den Gast im Audienzjaal der Burg. Nach der Andienz fand ein Mittagessen beim Präsidenten statt. Unsere Ideale:

Begeisterter

Empfang

Einzelpreis 70 Homer

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 98

Fascismus Rettung?

Ausweglose Wirtschaftslage im fascistischen Italien  

Das psychologische Erfolgsmoment des Fascismus ist der ökonomische Wunderglaube, die phantastische Vorstellung, daß heldische Ge­sten, energievolle Brutalität und vorgebliche starke Männer den immanenten Gesetzen der fapitalistischen Entwicklung und der, unter dem Schlagwort Rationalisierung zusammengefaßten, zeitgenössischen technischen Revolution zuwider Wohlstand und Eristenzmöglichkeit hervorzuzau. bern in der Lage sei.

möglicht hat, daß ernste, internationale Konflikte rasch und gerecht gelöst werden! Die große Ideenbewegung, die die Menschheit besser gemacht hat, hat niemals die entscheidenden Entwicklungs stadien in einigen Jahren zurückgelegt. Die gegen wärtige Situation, möge sie noch so ernst sein, darf uns die Entschlossenheit nicht nehmen. Die Zusammenarbeit unserer Länder ist immer eine schöpferische. Ihre Bestrebungen sind insbesondere auf die wirtschaftliche Reorganisie rung Mitteleuropas   gerichtet. In diesem Gebiet, too infolge der scharfen Rivalität nicht an die Interessen einzelner Staaten vergessen werden darf, kann man nicht so leicht zu einer Lösung gelangen, die alle Rechte wahren und dabei die War es in Deutschland   die geschickt poli­Zukunft aller Zweige der staatlichen Tätigkeit tisch gemünzte Verzweiflungsstimmung verelen­sichern würde. Die Mannigfaltigkeit dieses Pro- deter Kleinbürger und asozial gewordener Er­blems erfordert, an sein Studium ohne irgend werbsloser, die dem Fascismus ſtimmungsmäßig welche politische Seitengedanken, nur mit der Ab- den Boden bereiteten, so standen hinter dem ur jicht  , eine rasche Erleichterung dem schwergeprüfsprünglichen, dem italienischen Fascismus ten Volle zu bringen, heranzugehen. Die Stel in seinen Entwicklungs- und Kampfjahren die lung, welche die französische   Regierung eingenom Greisler des Dorfes und der Großstadt, welche men hat, wurde in den letzten Jahren mit Festig glaubten, durch Brandschaßung und Vernichtung Freiheit, Frieden und Demokratie feit und Uneigennüßigkeit durchgefeßst, an welcher der Arbeiter Genoſſenſchaften werde ihre Eri. nicht einmal Differenzen Zweifel hervorrufen Bei dem heute um 20 Uhr zu Ehren des Wir haben das gleiche Ideal. Friedliebende fonnten. Sie waren ein aufmerksamer Zeuge die ſtenz gewährleistet, die Großgrundbesitzer, welche französischen   Ministers des Aeußeren Barthou in Arbeit hat zwischen unseren beiden Nationen die ser Angelegenheit. Unsere Herzlichen Unterredun ihre wirtschaftliche Beschwernis ausschließlich auf der Rudolfsgalerie der Prager Burg   vom Mini- Freundschaft geheiligt, die feine versteckten Ab- gen haben die vollkommene Nebereinstimmung die weitgehende Machtstellung der organisierten ster des Aeußeren Dr. Benes gegebenen Diner sichten hat und niemals durch irgendwelche Wol- unserer Ansichten nicht nur in den Mitteleuropa  - Landarbeiter zurückführten, die Induſtriellen hielt Dr. Beneš an Minister Barthou   eine An- fen getrübt ist. Wir stellen uns gegen jeglichen betreffenden Fragen betont, sondern auch in allen und Reeder, denen die Arbeiterbetriebe des Con­sprache, wobei er u. a. sagte: Die Begeisterung, Gedanken einer Hegemonie, unsere Nationen an Problemen, welche die Regierung heute studieren sorzio Metallurgico Italiano und die Schiff­mit der die gesamte tschechoslowakische Deffent erkennen fein anderes Gesetz als das Gesetz des muß. Wie hätte ich bei diesen Gesprächen ver- fahrtsgenossenschaft Garibaldi" als Beginn der lichkeit sie empfangen hat, ist eine spontane und Rechtes und der Vernunft. Wir sehen alle Ergessen fönnen, daß ich vor mir den Führer der Sozialisierung und damit ihres Ruins erschie­aufrichtige Kundgebung der tiefen und unverän- folge als unsicher und vorübergehend an, die nicht tschechoslowakischen Außenpolitik habe, der zugleich derlichen Gefühle, die unsere Nation und unser den Erfolg einer gerechten Sache bedenten wür einer der Vertreter der Kleinen Entente   ist? Die nen. Internationaler Glaubensartikel aller Un Staat zu der großen Schwesterrepublik, den. Ueber den veränderlichen Ereigniffen des Regierung der Französischen   Republit hat mit ternehmer ist ja, daß nur die prir nitiative, Frankreich  , hegt. internationalen Lebens stehen die ewigen Prinzi Begeisterung die Aftion dieser politischen Gruppe nur das private Eigentum an den Produktions­bien und nur die haben Bedeutung und Gewicht. begrüßt, deren einziges Ziel die Festigung des mitteln die Entwicklungsmöglichkeit der Wirt­Mit diesen unseren identischen politischen Anschau Friedens ist. schaft verbürge. ungen ist unsere gemeinsame Tätigkeit und deren

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Während der ganzen 15 Jahre unserer ge= meinsamen Arbeit gab es zwischen uns niemals

Kontinuität zu erklären, die Neberraschung her Die Pariser Presse vorruft, auf die wir aber stolz sein müssen.

Paris  , 26. April. Die Pariser   Blätter ver­öffentlichen ausführliche Meldungen des Havas büros und seiner Sonderkorrespondenten über die herzliche Aufnahme, die der französische   Minister für auswärtige Angelegenheiten Barthon bei sei­ner Antunft in Prag   gefunden hat.

In Italien   schien dieser Glaubensjah nach der fascistischen Machtergreifung auch durch die Wirklichkeit bestätigt, entwickelte sich doch das

die geringste Differenz, niemals das geringste Wöltchen. Ihre Mitarbeit und Unterſtüßung, Ihre Sympathie und Freundschaft hat uns eben­so wenig gefehlt, wie Ihnen meine aufrichtige den gleichen Idealen. Wir verlangen für die kom­Frankreich und die Tschechoslowatei dienen Zum Empfang Barthouswirtschaftliche Leben des Landes gerade in den und freundschaftliche Mitarbeit mit Ihnen. Die mende Generation nur den Schutz ihrer Freiheiten in Prag  lebereinstimmung gegenseitiger Gefühle und In- und die Bewahrung ihrer nationalen Eigenart teressen unserer beiden Länder war vollkommen. Wir verlangen nach nichts anderem, außer, daß Es wurde manchmal bei den Interpretationen die übrigen Nationen im Frieden die Wohltaten dieſer muſtergültigen politiſchen Freundſchaft, die ihres nationalen Levens genießen, und wenn sich vielleicht nicht ihresgleichen hat, von Hegemonic gegen unsere Ansichten die Ansichten anderer stel auf der einen und von Vasallentum auf der an- len, werden wir niemals die Hoffnung aufgeben, deren Seite gesprochen. Ich kann darüber die beste das zu erreichen, daß die Stimme der brüderlichen Zeugenschaft geben, denn ich habe die Laſt der Selbständigkeit gehört werde. Der Völferbund Der Prager   Sonderforrespondent des In­Verantwortung für unsere Beziehungen durch so bleibt für uns, die wir ihn weder verlassen noch transignant", Jean Thouvenin, schreibt, der Emp viel Jahre getragen und fenne jie also beſſer denn schwächen wollen, eines der besten Werkzeuge der fang des französischen   Außenministers in Prag   sei sonst jemand. Ich habe immer gelacht, wenn Bivilisation. In dem Patte sind allerdings Be- ein einzigartiges und unvergeßliches Schauspiel ge­diese Erklärungen hörte und lache dazu aud; ftimmungen, die, wie es sich gezeigt hat, im Laufe wesen, bei welchem die intime Bundesbrüderschaft heute. Wahrlich, während dieser ganzen 15 Jahr: der harten Wirklichkeit allzu sehr der heute er der beiden Nationen fühlbar gewesen sei. Ueber habe ich in keinem einzigen Augenblick Ihre He- reichten geistigen Entwicklung vorauseilen, aber den politischen Unterredungen dominieren in Prag  gemonie noch unser Vasallentum gefühlt. wieviel Fälle fönnen angeführt werden, bei denen die Kundgebungen aufrichtiger Freundschaft der es die Geltendmachung der Genfer Prinzipien er-| Tschechoslowakei zu Frankreich  .

Denn wie kann man so sprechen, wenn es sich um zwei Länder und um zwei Völker handelt möge schon das eine groß, das andere klein sein welche die politische Tradition durch Jahrhunderte einander genähert hat, welche ge= meinſame, politische, kulturelle und sittliche Ideale, gemeinsame Ideale der Freiheit, des Friedens, der Demokratic und der internationalen Zusam­menarbeit und schließlich auch übereinstimmende politische Interessen haben. Ebenso wie Sie grei­fen auch wir nach niemandes Lebensinteressen, wir respektieren das Eigentum, die Kultur, das Gewissen, die nationale Ehre und Würde aller unserer Nachbarn; ebenso wie Sie bleiben auch wir unerschütterlich dem Frieden in dem Völker­bund ergeben.

Louis Barthou   antwortete:

Der warme Empfang, der mir bei meiner Ankunft auf Ihrem Gebiet zuteil wurde, die Sundgebungen der Sympathie, die mich auf mei­nem Wege begeiteten und die mir hier zuteil wer­den, ergreifen mich tief. Ich erblicke darin gleich­zeitig die Kundgebung der festen Freundschaft, welche die tschechoslowakische Nation und die fran­ zösische   Nation verbindet und die Garantie einer glücklichen Entwicklung unserer Beziehungen. Gestatten Sie mir, die Ehrung dieser seltenen Manifestation, deren Sinn niemanden entgehen

Der Empfang Barthous in Prag  

fonjunkturell günstigen Jahren nach Beendigung des Bürgerkrieges und der Niederwerfung der Arbeiterbewegung in besonderem Umfang. Dann jedoch kam die Krise; jene Krise, die sich natur gemäß in nichts von den strijen anderer Länder kapitalistischer Wirtschaftsstruktur entscheidet. Eine Krise, aus der die ſieghaft- selbstbewußte Phrajendrescherei des Regimes ebenso wenig einen Ausweg zu zeigen wußte, denn ander. wärts unter bürgerlicher Herrschaft. Acuſzerlich wurde lange Jahre wenig oder nicht Stellung hierzu genommen. Der Optimismus ist Staats religion im Fascismus, und für geraume Zeit half man sich mit unentwegten Lohnherabjegun­gen. Von der Arbeiterschaft notgedrungen hinge­nommen aber nicht afzeptiert, hat auch dies aber eine Grenze. Diefe Grenze scheint jetzt, wirft man einen Blick in italienische Zeitungen und Zeit­schriften, erreicht zu sein. Der befehlsgemäße Optimismus beginnt zu schwinden, der Fascis­mus zeigt Alterserscheinungen, und versucht die gärende Stimmung im Lande auf außenpoli­tische Objekte, höchst gefährlicher Natur, abzu. schieben.

Welchen Grad diese auswegslose Ver­zweiflungsstimmung, in scharfem Gegensatz zu den römischen Patt- Kommentaren, schon ange­nommen hat, zeigt blitzlichtartig ein dieser Tage erschienener Aufsatz des bekannten Industriellen und Senators Agnelli in der Riforma So­ciale", einer Beitschrift, die inhaltsmäßig nichts mit der im Titel verkündeten Soziaireform zu tun hat, sondern vorzugsweise offiziöse Wirt. schaftspolitik zu machen pflegte. Agnelli   befaßte sich da mit der Stonkurrenzfähigkeit Italiens   auf dem internationalen Markt und kommt zu dem nicht mehr neuen Ergebnis, daß man billiger sein, also die Selbstfosten vermindern müsse. Ja, aber wie? Es wäre ein leichtes", bemerkte er be­zeichnenderweise, die Löhne und Gehälter noch). mals zu fürzen. Doch dies ist weder nützlich

wird, auf die Regierung der Französischen   Repu- Im Vordergrund von links nach rechts: Dr. Beneš, Barthou, Léon No ë 1( fran- noch) tragbar, da ja zur Herstellung der Kon­

blik und auf mein ganzes Land zu übertragen.

zösischer Gesandter) und Dr. Hodža

furrenzfähigkeit unser Verkaufspreise auf den