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Nr. 265.

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin  : Bierteljährlich 3,30 Mart, monat­lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. feet in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit bem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband  : Für Deutschland   u. Defterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 8 Mart pro Monat. Eingetragen in der Bost- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inserate für die nächste Mummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fern spred- Anschluß: Amt VI, Nr. 4106.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Blos ein Schneidergesell.

In München   hat am 3. November eine Gerichts­berhandlung stattgefunden, welche für unsere gesellschaft­

Donnerstag, den 12. November 1891.

lichen Zustände von nicht gering zu veranschlagender Be­deutung ist. Wir berichten darüber nach einer so unver-| fänglichen Quelle, wie die Bossische Zeitung" ist, dieses fattelfeste Blatt des gesättigten Bürgerthums. Die Vossische| Zeitung" berichtet wie folgt:

zu

Expedition: Beuth- Straße 3.

arzt Dr. Mayer, daß Steiner sehr schäzenswerthe medi- legt, den er gesetzlich nicht führen darf, weil er dank den zinische Renntnisse besige, seine Rezepte feien Umständen nicht in der Lage, der Prüfung sich zu unter­von denen eines wirklichen Arztes nicht zu ziehen, welche er unzweifelhaft seinen Kenntnissen nach be unterscheiden gewefen. Die Strafkammer hob das standen haben würde, so wollen wir das durchaus nicht Urtheil des Schöffengerichts auf und erkannte auf 2 Monate billigen. Aber sein Verhalten ist sicher zu entschuldigen, Gefängniß, getilgt durch die Untersuchungshaft. In den Urtheilsgründen wurde hervorgehoben, daß zwar nachgewiesen er befand sich in einer Zwangslage, und die Münchener erscheine, daß Steiner sich den Doftortitel beigelegt, ärztliche Straffammer wußte, warum sie das harte Urtheil der ersten Praxis ausgeübt und hierbei mehrere Betrügereien begangen Instanz herabsetzte. Hat Steiner gefehlt, so als bedauerns habe, die vom Schöffengerichte ausgesprochene Strafe jedoch zu werthes Opfer unserer gesellschaftlichen hoch erscheine, da die Geldbeträge, um die es sich handle, ganz Verhältnisse. Nicht weil das, was er that, die Aus­minimale und die von ihm gemachten Verordnungen den medi- übung der ärztlichen Praxis, dem Publikum schädlich war zinischen Vorschriften entsprächen." - das Gegentheil gerade ist der Fall, sondern weil er Am 3. November wurde vor der Straffammer des Land­gerichts München   in zweiter Instanz gegen den Hand­Die Thatsachen, welche in dieser Verhandlung festgestellt nicht amtlich dazu approbirt war, deshalb wird er bestraft. lungsgehilfen Steiner wegen unbefugter worden sind, erscheinen nach zwei Seiten vor allem lehr­Warum der Schneidergeselle Steiner diese amtliche Ausübung ärztlicher Praxis und Führung des reich. Zufördert wurde durch die Aussagen der sachverständigen Approbation nicht erwerben konnte, das liegt klar auf der Dottortitels verhandelt. Der praktische Arzt Dr. Gier! in Zeugen, durch die Angaben von Männern, an deren Kompe­Moosburg lernte im vorigen Jahre durch Vermittelung seiner teng nicht gezweifelt werden tann, der Beweis für et- Hand. Wenn er im Stande gewesen, Gymnasium und München   Medizin ſtudirenden Söhne einen angeblichen bracht, daß ein fimpler Schneidergesell, ein Mann aus dem Universität zu besuchen, hätte er die üblichen Brüfungen nach durch ihn wiederholt in seiner Pragis vertreten. Steiner Bolte, sich solche Renntniſſe angeeignet hat, daß er befähigt Vorschrift abgelegt, so wäre ihm kein Stein des Anstoßes in machte war, als Arzt zu wirken, daß er von approbirten Aerzten den Weg gekommen. Aber er war ein Arbeiter, in den Gierl feinen Anstand nahm, Steiner seinem als ihr Stellvertreter mit Erfolg verwendet und dazu an- jammervollen Verhältnissen aufgewachsen, die der Arbeiter­kollegen, dem praktischen Arzte Dr. Echerer geregt wurde, sich als Badearzt niederzulassen. Dieses jugend den Erwerb wissenschaftlicher Bildung unmöglich machen, in Wartenberg, welcher auf einige Tage auf einige Tage ver- hervorragende Wissen hat der arme Teufel von Proletarier er war zu arm, um studiren zu können, er mußte von früh eisen mußte, als Stellvertreter vorzuschlagen. nicht auf dem wohlgeebneten, regelmäßigen Wege sich uns auf den Kampf ums tägliche Brot führen. Daß er dabei Jun 25. Juni traf Steiner in Wartenberg ein, stellte sich der geeignet, den die große Masse der Gebildeten zu gehen pflegt. Gr geftrauchelt sein mag, ist zuzugeben. Aber wir fragen: Frau des bereits abgereiften Dr. Echerer als Stellvertreter ihres hat keine höhere Schule, keine Universität vorschriftsmäßig lismus, welch edler Ehrgeiz sind nöthig, um den Insassen Welche Thatkraft, welcher sittliche Schwung, welcher Idea­Mannes vor und begann sofort, die Patienten zu besuchen und Bartenberg und stellte dort Rezepte aus, an denen Dr. Scherer geschriebenen Kurse, nicht die Prüfungen durchgemacht. Bon des Arbeitshauses, den bestraften Bagabunden", den so 8 und sorgsam vorbereitet besucht, er hat nicht die vor lismus, welch ebler Ehrgeiz find nöthig, um den insaſſen Jelbst nichts auszufeßen hat. Als dieser zurüdfehrta heißem, geradezu bewundernswerthem Wissensorange getrieben mancher aq lungsfähige Spießer mit Spott und Sohn von ab er ſeinem Vertreter 30 m. und lud ihn noch für einige hat er als Hospitant, als Gast medizinische Kollegien be ſeiner Schwelle gejagt hat, durch die unsäglichen Schwierigkeiten, Lage bei sich zu Gaste. Steiner machte während dieser Zeit fucht, hat bei einem Arzt, der offenbar sich für ihn inter  - über die steinige und steile Straße des Selbststudiums zu habe den abessynischen Feldzug mitgemacht, sei in Kairo  , dann Verhandlung schlagend erwies, die medizinische Praxis gut neubestraften" Verbrecher" wird. Mittellos, obdachlos auf Unsere Quelle meldet uns nicht, was nun aus dem bem Dr. Echerer alles. Mögliche vor; er fei Offizier gewesen, eisirte, Unterricht erhalten und war im Stambe, wie eie dieser Höhe zu führen! in Bologna   gewesen zc., so daß Dr. Echerer, der gefunden hatte, und mit Erfolg auszuüben. daß Steiner in Botanit, Mineralogie, besonders die Straße gesetzt, ist er allen Fährlichkeiten des Daseins­in Physiologie und der inneren Medizin Wir enthalten uns hier jeder kritischen Randbemerkung tampfes preisgegeben, bematelt durch eine Strafe, welche in schäzenswerthe Kenntnisse besige, ihm über die Wirkung des akademischen Studiums, dessen Reform Wirklichkeit nicht ihn trifft, sondern die bürgerliche Gesell­mpfahl, sich in der Nähe als Badearzt nieder- bedürftigkeit ja von vielen Seiten anerkannt wird. Daß schaft, welche derartige Vorkommnisse verschuldet. Möglich, zulassen. Als der Bezirksarzt Dr. Mayer in Erding   der vacirende Schneidergeselle auf solch irreguläre Weise ja aufs lebhafteste zu wünschen ist es, daß sich ein humanistisch die Rechnungen des Krankenhauses Wartenberg prüste, das erreichte, was nach zehn bis zwölf Studiensemestern so gesinuter Mann des Steiner fannimmt, und ihm die nal ihm der Name des Dr. Steiner unter den sonst richtig viele Sprößlinge der besitzenden Klassen, denen von Kindes- gefeßliche" Erreichung seines Zieles sichert. Wahrscheinlich, heraus, daß der angebliche Dr. Steiner der 24 Jahre alte beinen an alle Hilfsmittel zur Verfügung gestanden haben, daß er in den mitleidlosen Strudel unseres Lebens wieder ausgefertigten Rezepten auf. Er recherchirte und es stellte sich frühere Schneidergeselle und nunmehrige Handlungs- nicht oder nur mangelhaft leisten gehilfe Anton Steiner von München  , ein wegen Unter- die nicht geringe Ziffer der Durchfallkandidaten dies Wen trifft dieSchuld? Die bürgerliche Gesellschaftsordnung, lagung und Bettelus vorbestrafter, bereits einfache Geschehniß spricht freilich ganze Bände. Aber in welcher solche Talente, die dem gemeinen Wohl nutzbar ge­Arbeitshause untergebrachter Mensch sei zugegeben auch, daß dieser Autodidakt, dieser Selbst- macht werden können, traurig Schiffbruch leiden. In einer Steiner wurde, wegen Betrugs und Uebertretung gelehrte", der ohne schulgerechten Unterricht sich eine beden- sozialen Organisation, welche die gemeine Noth des Daseins, Ger   Gewerbe Drdnung von dem Schöffengerichte tende wissenschaftliche Bildung erworben hat, ein sehr be- bie Misere beseitigt hat, ist die Möglichkeit zur reichsten, Erding   zu 6 Monaten Gefängniß verurtheiit, gegen welches an der Wichtigkeit vielseitigsten Ausbildung und Bethätigung aller Intelli­

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genzen gegeben. Mit grausamer Härte läßt der Kapita­behauptete Steiner, er habe in München   als Hospitant medi des Falles, sozialpolitisch betrachtet. zinische Kollegien besucht, sei außerdem von einem alten Arzte, In was für eine Lage geräth der talentirte Mensch, lismus tausende und abertausende edler, hoffnungsfroher vollständig befähigt gehalten habe, medizinische Praxis auszuüben. nicht nennen wolle, unterrichtet worden, so daß er sich welcher den Beruf in sich verspürt und Kraft seines Reime untergehen, vernichtet er unzählige Existenzen, die im Wissens auch dazu befugt und befähigt ist, als Arzt zu nen Beugen bekundeten, daß Steiner als Arzt einen wirken und ein Helfer und Wohlthäter seiner Mitmenschen zu Ruren vorgenommen habe. Ebenso bekundete Bezirks- als Betrüger bestraft. Juten Ruf genossen und auch einige sehr gute werden? Nach dem Buchstaben des Strafgesetzes wird er Wenn Steiner sich einen Titel bei­

Nachbruc

Feuilleton.

verboten.]

Er kehrt zurück!

Originalroman von Jean Meroz.

Ich habe mich im

warum

Sie mich

[ 65

Februar geschlagen, Bürger

gebeten haben,

Elend verkümmern und geistig und ſittlich verſumpfen. Der Kapitalismus treibt empörenden Raubbau mit den Musfeln und den Gehirnen des Proletariats, er drückt es in Armuth und Unwissenheit herab, und er macht die Wiſſenſchaft zu einem

-

Ja, konnte Marche Seul nicht umhin, zu ant­und die aufeinander folgenden Fragen des Lehrlings waren für ihn ebenso viele Keulenschläge, welche ihn vernichteten, worten, indem er sich frug, wo hinaus Larirette damit wollte. ihn vollständig zerschmetterten.

-

Nun wohl, Herr Deshommes, warum wollen Sie Was konnte er sagen? Er konnte nicht sprechen, sich nicht erklären, ohne Charlotten das Geheimniß zu verrathen, Robert Guidal und Charlotte verhindern, sich zu lieben? welches er um jeden Preis vor ihr verbergen wollte. Nie- Und wenn Sie sich lieben, warum wollen Sie sie hindern, mals in seinem gemarterten Leben hatte sich der alte Re- sich zu sehen? Wenn es schlecht ist, sich zu lieben und sich zu sehen, warum nehmen Sie uns bei sich auf, Mijoulet volutionär in einer solchen Verlegenheit befunden.

Da Larirette sah, daß er schwieg, ergriff sie, nachdem und mich, der sie hundert Mal gesagt haben, wir dürften

Deshommes, und wie die Kameraden, habe ich nicht gezuckt sie einen Blick der Genugthuung auf Mijoulet geworfen, uns nicht heiratheit, weil dies heißt, sich fürs Leben zu vor den Flinten der Linie. Ich habe das Recht zu fragen, um ihm für seine entscheidende Dazwischenkunft zu binden, was nicht recht sei. Also thun wir Unrecht,

24.

Februar

Brust?

diejen Spion danken, das Wort. Charlotte begriff nichts mehr von dem, Mijoulet und ich?

Entschieden zertrümmerten diese beiden jungen Verliebten

nicht füfiliren zu lassen, der soeben mit Ihnen zu- was geschah, aber sie hatte das Vorgefühl, daß diese Szene fammen war, der zu Ihnen mit so viel Autorität gesprochen eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen würde; ängstlich mit ihren Fragen, ihrer unbarmherzigen Logit von vorn welcher so viele Republikaner feig denunzirt und der Sie hörte sie daher zu, indem sie ihren Vater beobachtete, dessen herein alle Gründe Marche- Seul's. endlich in den schönen Zustand versetzt hat, in dem wir Sie Stillschweigen und Erschöpfung sie über alle Begriffe be­gefunden haben, faft tot, auf dem Quai am Abend des stürzt machten.

-

Bie,

-

Aber auch meinerseits habe ich einige Fragen zu mit der Aufschrift Verräther!" auf der stellen, Herr Deshommes, begann Larirette, sie werden aber vernichtet in seinen Lehnstuhl zurückfiel. Verräther? rief Marche- Seul aus, indem er nicht so schwer sein, als die, welche Ihnen Mijoulet gestellt hat. Sie tadeln uns, daß wir Charlotten und Herrn Robert Bapier, auf dem mit dicken Buchstaben das Wort Ver­ Ja  , Bürger, auf Ihrer Brust war ein großes Blatt als Vermittler gedient haben. täther!" geschrieben war. Wir haben es Ihnen nicht

fagen wollen, um Sie nicht zu betrüben, aber es muß ge- nach der Reihe und beginnen mit dem Anfang. schehen in dem Augenblick, wo Sie uns dazu zwingen.

alle

freimüthige Kühnheit Larirette's.

-

Sie antworten nicht?

Charlotte dankte Larirette mit einem beredten Blick. Die Blumenhändlerin fuhr fort: Herr Robert ist ein schöner und anständiger junger Mann. Herr Michel Fer­rand liebt ihn wie einen Bruder und Herr Michel wählt seine Freunde nicht nach dem Zufall, er ist ferner ein tapferer Soldat, ein braver Offizier.

Marche- Seul erhob den Kopf, die Worte Offizier, Ich habe Ihnen schon gesagt, daß dies Alles falsch, absolut falsch ist, weil es unmöglich wäre. Doch wir gehen Soldat gaben ihm das klare Bewußtsein wieder und erwedten seinen ganzen Haß, sie sollten ihm ein Argument liefern, Sie sagen stets den Arbeitern, Ihren Freunden, man das er für unwiderstehlich hielt. Ein Soldat, ein tapferer Offizier! sagte er in

-

Borte, die ihm im Halse zu brennen schienen, hatte danken, Sie nennen Verräther gewisse Politifer, weil sie, ironischem Tone, wirklich Fräulein Larirette, Sie haben Durch diese wenigen mit Zungenfertigkeit gesprochenen müsse sein Betragen in Einklang bringen mit seinen Ge­Mijoulet mehr erzielt, als alle Lieblosungen Charlottens, wenn sie zur Macht gelangen, es anders machen, als sie es Recht! Diese Soldaten und die Offiziere, welche sie be

Marche- Seul antwortete nicht.

zu thun versprochen haben. Ist dies wahr oder nicht? Ich erinnere mich Ihrer bekommen.

Er war in einem Zustande unbeschreiblicher Ermattung| Worte, Sie haben sie oft genug wiederholt.

fehligen, sind tapfer. Sie selbst haben dabei etwas ab­Sie haben ihnen eine Kugel in die Schultern gejagt und eine alte harmlose Frau getödtet, und