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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 536.

14. Jahrgang

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Zusammenkunft

HERAUSGEBER  : SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Mussolini  - Barthou?

Paris  , S. Mai. Der Sonderberichterstatter des Matin" in Romt schreibt, daß sich dort dau­ernd das Gerücht erhält, daß es wahrscheinlich zu einer 3 usa mt men funft zwischen Mussolini   und Barthou   kommen

werde.

Vielfach wird behauptet, daß die Zusammen­funft vielleicht bei der Rüdlehr Barthous aus Bel­ grad   erfolgen werde, doch glaubt man allgemein nach den in Paris   eingetroffenen Informationen, daß, wenn diese Zusammenkunft überhaupt statt­findet, sie erst nach dem Besuche Barthous in Marokko   erfolgen dürfte, wohin der französische  Außenminister in nächster Zeit zu reisen beabsich tigt.

Das Projekt einer solchen Zusammenfunft allein und die sympathische Aufnahme, welche die Möglichkeit einer solchen Zusammenkunft in Frankreich   gefunden hat, haven in Italien   an­geblich den besten Eindrud hervorgerufen. Knapper Sieg Herriots

in der Pariser   radikalen Parteigruppe. Paris  , 8. Mai. Der gestern abends vor Auf­nahme der Kongreßarbeiten in Clermont Fer­ rand   zusammengetretene Ausschuß der Kreisver­einigung der radikalen Partei für Paris   und Umgebung nahm zuerst eine Reſolution an, in welcher die Anwesenheit Herriots und der radi­lalen Minister in der Regierung Doumergue  berurteilt wird. Nach stürmischer Debatte gewannen aber schließlich die Vertreter der Poli­tif des Waffenstillstandes zwischen den politischen Parteien mit knapper Mehrheit( 71 gegen 66 Stimmen) die Oberhand. Die aus den übrigen Kreisen einlaufenden Resolutionen sprechen sich überwiegend für Herriot aus.

Der Parteivorstand, der vor dem Partei­longreß in Clermont Ferrand   zu demissionieren beabsichtigte, beschloß gestern, von diesem Plane Abstand zu nehmen. Der Kongreß wird von Frei­tag bis Sonntag dauern. Neben der Debatte über die politischen und wirtschaftlichen Fragen bildet den Hauptpunkt des Programmes die Reinis gung der Partei von den letzten Finanzstandalen.

Ibn Sauds Armee geschlagen?

Kairo  , S. Mai. Nachrichten aus dem Haupt­quartier der Yemen- Armee zufolge haben die Truppen des Imam   über jene Ibn Sauds in einer Schlacht zwischen Sada und Samta den Sieg da= bongetragen. Sie hätten 400 Soldaten gefangen­genommen und sieben Panzerautos sowie zwei Geschüße erbeutet. 20 Panzerautos seien vernich tet worden. Prinz Ahmed eif el Islam, der älteste Sohn des Imam Jamja   halte den Angriffen der Truppen Sauds an der Küste des Roten Meeres  stand. Sauds Vertreter in Kairo   erklärte aber dem Berichterstatter des Reuterbüros, daß ihm von den erwähnten Kämpfen nichts bekannt sei.

Verständigung zwischen Belgrad   und Sofia

Belgrad  , S. Mai. Der feierliche Verlauf des Bejuches des Ministers des Aeußeren Jevtič in Sofia   wird in jugoslawischen Kreisen als eine wertvolle Bürgschaft dafür angesehen, daß die Aftion, welche die Herstellung eines engeren Nach­barverhältnisses zwischen Jugoslawien   und Bul­ garien   zum Ziel hat, sich nicht auf den Abschluß cines mehr formellen Nichtangriffspattes zwischen den beiden Staaten beschränken wird. In Belgrad  überwiegt die Anschauung, dan durch die Sofister Begegnung endgültig die Bahn für die vom jugo­slawischen Bolt schon seit Kriegsende aufrichtig er= wünschte völlige Aussöhnung der beiden verbrü­derten Völker freigelegt worden sei. Nachdem jetzt der direkte Meinungsaustausch zwischen Belgrad  und Sofia   mit Villigung der beiden Völker ein­geleitet wurde, sei das Zustandekommen einer vol­len Verständigung nurmehr eine Frage der Zeit, welche zur technischen Bewältigung des Verhand­lungsmaterials erforderlich ist.

Mittwoch, 9. Mai 1934

Einzelpreis 70 Helfer

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 107

Nationalfozialistischer handftreich Hinter den Kulissen

im Saargebiet?

der Balkanpolitik

Sofia  , 8. Mai. Der bulgarische Minister präsident Musch a now erfläric am Montag abends bei einem Essen zu Ehren des jugosla wischen Außenministers Jevtič, die bulgarische Regierung hoffe, daß es in einer Atmosphäre gemeinsamen Vertrauens möglich sein müsse, ein vollständiges Einvernehmen zivi schen Bulgarien   und Jugoslawien   herzustellen.

Genf  , S. Mai.( DNB.) Der General rungskommission, die nicht dulden fann, daß Boli­sekretär des Bölferbundes hat am Montag den zeibeamte sich zu solchen Verfehlungen gegen die Mitgliedern des Völkerbundes zum Zwecke der In Disziplin hinreißen lassen, hat die notwendigen formation einen Brief des Präsidenten der Regic- Strafmaßnahmen ergriffen. Dieser bezeichnende, rungskommission des Saargebietes Knog vom Zwischenfall kann die Bedenken nur verstärken, 30. April 1934 zugeleitet, in dem es u. a. heißt: welche die Regierungskommission schon mehrmals Der jugoslawische Außenminister Jevtič In einer Versammlung am 29. April 1934 ansgedrückt hat. Seine möglichen Folgen scheinen antwortete, daß die jugoflatvische Regierung der Polizeibeamtenvereinigung von Saarbrücken   ihr um so mehr einer aufmerksamen Beachtung einer günstigen Entwicklung der Beziehungen hat der Vorsitzende dieser Vereinigung ohne Wider durch den Bölkerbundsrat wert zu sein, als icit zu Bulgarien   große Bedeutung beilege. spruch der 60 Beamten eine Entschließung von einiger Zeit im Saargebiet Gerüchte umlaufen, die ausgesprochen politischem Charakter abfaffen las, von der Möglichkeit eines Sandstreiches gegen das Am 10. Feber dieses Jahres haben die sen, die er am nächsten Morgen der Kommission gegenwärtige Saarregime sprechen. Die Regie: Außenminister der Balfanstaaten Jugoslawien, übermittelt hat. Darin wendet sich die Vereini- rungskommiffion, die, ohne bisher viel Gewicht Rumänien  , Griechenland   und die Türkei  , die gung grundlos gegen die fürzlich erfolgte Einſtel auf Gerüchte zu legen, sich darauf beschränkt hat, Minister Jeſtič, Titulescu  , Marimos und lung von Polizeibeamten deutscher   Nationalität ihren Ursprung festzustellen, sieht sich veranlaßt, und wendet sich zugleich gegen die etwaige Herbei ihnen eine größere Beachtung zu schenken. Ruschdi Bey einen Vertrag unterzeichnet, der als Im rufung ausländischer Hilfskräfte, um die Aufrecht- übrigen muß die ununterbrochene Agitation, die der sogenannte Ba Ifanpaft bezeichnet wird. erhaltung der Ruhe im Saargebiet zu garantieren. sich die Zurücksetzung gewiffer Elemente der Boli- In diesem Paft garantieren sich die Signatar Es muß festgestellt werden, daß der Berliner   Sensei zum Ziel setzt, diese Besorgnis noch verstärken. mächte in erster Linie ihre gegenwärtigen Gren­der in der Lage war, schon am 21. April 1934 die Wie dem aber auch sei und wenn derartige Pläne zen. Für die Lage am Balfan, zwar gewiß erste Nachricht diefer Entschließung zu verbreiten jemals gefaßt sein sollten, ist sie der Neberzeugung. nicht mehr so verworren wie in der Vorkriegs. und daß der Annahme diefer Entschlickung eine daß es eines der wirkſamſten Mittel ist, um ihre zeit, aber immer noch verworren genug, it cs ununterbrochene Bearbeitung durch den Funk und Verwirklichung zu verhindern oder diese Gerüchte vor allem fennzeichnend, daß sich Bulgarien  gewisse Zeitungen vorangegangen ist, die sich gegen zum Schweigen zu bringen, die eine schon erregte die neuen Polizeibeamten richtete. Dieſe außer öffentliche Meinung noch weiter erregen, den Böl vom Balkanpatt ausgeschloſſen hat. Die Gründe gewöhnlichen Tatsachen genügen allein, um die ge- ferbund öffentlich darüber zu unterrichten, den die hiefüir liegen vor allem in der mazedonischen Frage, die seit Jahren der 3anfapfel zwischen nannte Rundgebung zu beleuchten. Die Regie- Saarregierung im Saargebiet vertritt. Jugoslawien   und Bulgarien   ist. Bulgarien   ist die einzige Macht auf dem Balfan, die revisio. nistisch eingestellt ist, oder besser gesagt, den Re­vifionismus offiziell pflegt, ohne tatsächlich an die Möglichkeit einer Aenderung der gegenwär. tigen Grenzen in seinem Sinn glauben zu fön nen. Aber wie ein Pfahl sitzen jeder bulgarischen Regierung die mazedonischen Terroristengruppen im Fleisch, die zu beseitigen noch feiner Regie.

Neues Sprengstoffattentat in Wien  

Ein junger Mann, der in Begleitung eines

Habicht wird gerupft

Beträchtlicher Sachschaden in einem Kaffeehaus- Ein Nazi als Täter verhaftet Wien  , 8. Mai. Wie die offizielle Hitler| Mädchens bis in die späten Nachtstunden im Café agentur DNB meldet, explodierte am Montag geweilt hatte, hinterlegte beim Verlassen des Lo­gegen 22 Uhr 30 in einem großen Kaffeehaus fals in der Loge, die in einer Hülle befindliche des Wiener   Stadtzentrums, im Café City" im Bombe, die gleich darauf explodierte. Durch den rung gelungen ist. Es ist recht bemerkenswert, IX. Bezirk, wenige Schritte vom Gebäude der Luftdrud wurden elf große Spiegelscheiben zer­Polizeidirektion entfernt, ein Sprengförper. Die trümmert und auch sonst beträchtlicher Schaden daß auch in Griechenland   der Balkanpakt mit Wirkung war außerordentlich stark. Alle Spiegel angerichtet, der auf 10.000 Schilling geschäßt gemischten Gefühlen aufgenommen wurde, ob scheiben wurden zertrümmert, zahlreiche Möbel wird. Der Portier, ein pensionierter Kriminal wohl gerade Griechenland   für den Schutz seiner stücke beschädigt. Berlekt wurde niemand. Der beamter, eilte dem Täter nach und konnte ihn Grenzen sehr dankbar sein könnte. Im griechi Besitzer des Lokals hielt einen ihm verdächtig stellig machen, während das Mädchen flüchtete. schen Parlament wurde ausdrücklich der Balkan  scheinenden Mann fest, bis die Wache fam. Der Täter ist mit dem nationalsozialistischen pakt dahin kommentiert, daß Griechenland   lei Parteigänger Anton Ge& I identisch. nesfalls in einen Krieg mit einer Großmadit verwickelt werden dürfe. Wer hier gemeint ist, iit deutlich genug: Italien  . Gewiß, Italien   hat heute am Balkan   weitaus weniger zu reden als noch vor wenigen Jahren, ja es ist deutlich die Tendenz zu bemerfen, daß sich) Mussolini   ans der Balkanpolitik zurückzuziehen sucht, läßt er doch sogar das Staatsgebilde ureigenster Schöp fung, Albanien  , finanziell im Stich. Dabei soll nicht entschieden werden, ob der Grund hiefür die chronische Krankheit fascistischer Länder Geld­mangel, die Hauptschuld trägt oder aber das starke Engagement, das Mussolini   im Donan raum eingegangen ist. Im selben Maße nun, in­dem sich Italien   aus dem Balfan zurückzieht. im selben Maß dringt nun eine neue Macht auf dem Balkan   vor, von der man eigentlich anneh men müßte, daß sie dort weder etwas verloren hat noch etwas gewinnen kann: Deutsch­I and. Obwohl vielleicht nicht auf den ersten Blid mit aller Deutlichfeit erkennbar, hängt cines mit dem anderen innig zusammen. Die italienische Politit im Donauraum hat Italien  in der gegenwärtigen Phase der Entwicklung sowohl in Gegensatz zu Deutschland   wie auc in ein günstiges Verhältnis zu Frankreich   ge bracht. Es ist dieser Umstand, der vor allem heute Italien   seine Agressivität gegen die Bal­fanverbündeten Frankreichs  , insbesondere den Erbfeind Jugoslavien, mildern läßt. Es liegt in der Natur des Kampsobjektes, des Mare nostro", wie die Italiener die Adria mit Vor­liebe nennen, da Italien   immer der Angreifer, Jugoslawien   der Verteidiger war. Jest bat Italien   den Griff um Jugoslawien   gelockert, vielleicht wirklich nur deswegen, weil nach einem Sieg im Donauraum der Balfan sowieso der italienischen Herrschaft ausgeliefert wäre. Jugo­ slawien   benützte diese Gelegenheit, um auf dem

Z.

,, Lavoro Fascista" bemerkte zur letzten Rundfunkrede Habichts u. a.: ,, Dr. Habicht wiederholt immer wieder dieselben Argumente. Er sollte seinen Reden cin ftir allemal den Titel geben: Thema ohne Variationen. Dann würde er vielleicht einmal die Zeit finden, über einige einfache Wahrheiten nachzudenken, B., daß Oesterreich unabhängig ist und unabhängig bleiben will. 2. Daß die Erhal­tung der territorialen Integrität und der Unabhängigkeit Oesterreichs   von grundlegender Bedeutung für die Erhaltung des Friedens Europas   ist. 3. Daß Italien  , Frankreich  und Großbritannien   einig sind darüber, daß die Unabhängigkeit Oesterreichs   zu respektieren ist und daß die drei Mächte die energischsten Mittel ergreifen werden, um diese Unabhängigkeit zu erhalten.