Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Der Außenhandel
im April 1934
Prag , 16. Mai. Das Statistische Staatsamt veröffentlicht die Ergebnisse des tschechoslowakischen Außenhandels für April 1934. Demnach beträgt im reinen Warenverkehr die Einfuhr 578,0( im April 1933 430,2) Millionen, die Ausfuhr 551,8( 410,8) Millionen. Die Bilanz des reinen Warenverkehrs weist also für April 1934 cin Passivum von 26,3 Millionen( im Vorjahr cin Paffivum von 19,9 Millionen) anf.
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Die Steigerung sowohl des Exportes wie des Importes gegenüber dem April des Vorjahres ist sehr beträchtlich je 34.3 Prozent; gegenüber dem März des heurigen Jahres, dem Monat, in dem sich die Devalvation der Krone zum erstenmal voll auswirkte, ist jedoch die Ausfuhr um rund 80 Millionen Kč z ürüd gegangen, während die Einfuhr um 7 Millionen Kč gestiegen ist. Die Anfangserfolge der Devalvation konnten also im April nicht ganz gehalten werden.
Die Steigerung der Einfuhr im April ist vor allem auf die Rohstoffe zurückzuführen, von denen für 320,4 Millionen( im Vorjahr für 200,9) Millionen eingeführt wurden. Die Einfuhr von Fertigwaren stieg von 129,1 auf 176,1 Millionen. Die Ausfuhr von Fertigwaren ist von 286,8 auf 392,6 Millionen, die Ausfuhr von Rohstoffen von 80,1 auf 128,7 Millionen gestiegen.
Dagegen ist sowohl die Einfuhr wie die Ausfuhr von lebenden Tieren, Lebens- und Genußmitteln 3 u ridgegangen: Einfuhr 78,2 ( 96,9), Ausfuhr 29,5( 43,4) Millionen.
Für die ersten vier Monate 1934 ergibt sich folgendes Bild:
Einfuhr 2.030,9( 1.636,6) Millionen, Ausfuhr 2.029,9( 1714,4) Millionen. Ein- und
Ausf beträgt die Waage: Das
Donnerstag, 17. Mai 1934
Einzelpreis 70 Netter
( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 114
Staatsstreich in Lettland Europäisches Ringen
Standrecht, Partelenverbot, Parlamentsauflösung Sozialdemokraten und Rechtsradikale verhaftet
Riga , 16. Mai. Heute ist in Lettland von der Regierung Im a nis ein Staatsstreich in Szene gesetzt worden. Es wurde über das ganze Land auf die Dauer von sechs Monaten der Ausnahme zustand verhängt.
Die Verfügung ist gezeichnet vom Ministerpräsidenten und vom Kriegsminister General Valodis, und wird mit der Gefahr begründet,„ daß innere Unruhen im Staate entstehen tönnten, welche die Sicherheit der Einwohner bedrohen". Die Regierung sah sich angeblich zu dem Staatsstreich gezwungen", da sie von Vorbereitungen zu einem bewaffneten Staatsstreich Kenntnis erhalten hatte, ferner ,, wegen der Unfähigkeit des Parlaments und der Unmöglichkeit, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftlichen Gefahren zu zerstören".
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Zahlreiche Personen wurden verhaftet, darunter auch eine Gruppe von Rechts. extremisten, die sogenannten„ Legionäre", die beschuldigt werden, einen bewaffneten Umsturz vorbereitet zu haben.
Wohin die Regierung mit ihrem Staatsstreich aber zielt, geht daraus hervor, daß auch die sozialdemokratischen Führer Lettlands , darunter Genosse Kalnin, der Vorsitzende des Barlaments, verhaftet wurden, wobei als Begründung angegeben wird, daß die Regierung dadurch der Drohung eines Generalstreikes begegnen und einen bewaffneten Widerstand gegen die Staatsgewalt verhindern wolle. Amtlich wurde sofort in die Welt hinauspofaunt, daß in der Villa" Dr. Kalnins zahlreiche Waffen gefunden worden seien und daß auch sämtliche verhafteten Personen Waffen bei sich gehabt hätten. Das sozialistische Viertel Rigas wurde von der Bürgergarde besetzt.
Die Regierung hat ein Manifest erlassen, in dem sie ganz im Jargon der Mussolinis, Bilsudski und Hitler die politischen Parteien und die Parlamentsmehrheit als unfähig hinstellt, den wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten zu begegnen. Scheinheilig wird versichert, daß der Schritt der Regierung nicht(!) gegen die Demokratie gerichtet sei, sondern daß sie nur eine neue Atmosphäre" schaffen wolfe, in der der gesunde Geist der Nation" nicht durch die Kämpfe der politischen Parteien gelähmt" werde.
Es handelt sich offenbar um eine Kopierung der Dollfuß- Komödie in dem kleinen, nur 1.8 Millionen Einwohner zählenden Lettland . Die gutorganisierte lettische Arbeiterbewegung ciner ihrer Führer, Genosse Kalnin jun., ist unseren Arbeitern aus internationalen Kundgebungen bekannt wird den Verfassungsbrechern das Dasein ebenso sauer machen, wie den Wiener Hängechristen.
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Fascismus und Demokratie
Krieg oder Friede?
Mit Ueberraschung werden unsere Leser von
dem Staatsstreich Kenntnis nehmen, der in
Lettland erfolgt ist. Wohl ist das Land nicht großes ist dem Umfang nach etwas größer als Böhmen , hat aber nicht einmal zwei Millionen Einwohner aber immerhin zeigt es sich, daß die fascistische Welle, welche über Europa flutet, einen Ausläufer nach Osteuropa geworfen hat. Denn um einen fascistischen Staatsstreich scheint es sich troß aller Ableug nungsversuche der lettischen Regierung zu handeln. Wohl ist die bewaffnete fascistische Orga nisation in Lettland aufgelöst worden, wohl sagi die Regierung, daß der Ausnahmszustand nur auf sechs Monate verkündet ist, wohl behauptet sie, daß der Staatsstreich nicht gegen die Demo. Tratie gerichtet ist, dennoch scheint aber die ganze Art, in der die Regierung vorgegangen ist, die Verhaftung der Sozialisten, die Behauptung, man hätte bei den Sozialisten Waffen gefunden, die Einstellung der Tätigkeit der politischen Parteien überhaupt, dafür zu sprechen, daß es sich vor allem um einen Schlag gegen die Linke handelt, insbesondere gegen die Sozialdemokratic. Freilich wird es sich auch in Lettland zeigen, daß dieses Land nur für furze Zeit diktatorisch regiert werden kann. Die lettische Sozialdemofratic ist in der Arbeiterschaft des Landes tief verwurzelt, sie ist eine große Partei, welche fid) nicht nur auf ſtarke Gewerkschaften und Kultur organisationen stützt, sondern die auch in den letzten Jahren eine intensive Aufflärungsarbeit geleistet und die lettischen Arbeiter ebenso 31 flassenbewußten Sozialisten wie zu nüchtern denEin Genosse, der die Verhältnisse in Ost- mit der Annahme, daß dies nur die Tatsache vereuropa aus eigener Anschauung fennt, äußert hüllen soll, daß ein Vorstoß gegen das Parlament fenden Realpolitikern erzogen hat. So ist dem sich über den Umstura in Lettland wie folgt: und die lintsgerichteten Parteien unternommen Umsturz in Lettland keine größere Bedeutung Die europäische Deffentlichkeit ist durch die worden ist. Außerordentlich bezeichnend ist, daß beizumessen, als daß die fascistische Welle auch Paffivum beträgt nicht ganz eine Million Kronen; Meldung über den Staatsstreich überrascht wor- die Hauptenergie der Staatsstreidregierung sich diesen kleinen Staat erreicht hat, ohne daß sich im Vorjahr war ein Aftivum von 77,8 Millionen den. Für den Kenner der dortigen Verhältnisse gegen die Sozialdemokratie richtet, deren bedeu- das Gesamtbild der Kräfteverteilung in Europa fommt allerdings die Nachricht nicht ganz über tendste Führer verhaftet sind. Weiters ist bemer- viel verändern würde. Durch den Umsturz Die Steigerung des Exporraschend, denn schon mehrere Wochen haben sich lenswert, daß gerade die Arbeiterviertel von in Lettland erfahren die fascisti. te beträgt gegenüber dem Vorjahr 18,4, die die politischen Spannungen in Lettland verschärft Militär eingeschlossen sind, daß das Volkshaus fchen Sträfte teine besondere Stär des Importes 24,1 Prozent. und besonders in den letzten Tagen kam es zu besetzt und die rote Fahne heruntergeholt worden tung, dagegen fann man daraus stürmischen Auseinandersetzungen im lettischen ist. Alle diese Maßnahmen werden damit begrün- hinweisen, daß anderwärtsdie Barlament. Die Regierung, die aus Vertretern det, daß man die Sozialdemokratie hindern wollte, rechtsbürgerlicher und agrarischer Gruppen be- die Drohung eines Generalstreites wahr zu steht, hat schon seit einiger Zeit einen heftigen machen. Aber der Generalstreit war nur angeKampf gegen die Selbstschuh- und Sportorgani- droht für den Fall eines verfassungswidrigen VorSehr beachtenswert ist für die Demokratic fationen der Arbeiterschaft geführt und offenbar gehens der Regierung, war aber durchaus nicht find diese Kämpfe Anlaß gelesen, um jetzt einen gegen die Sicherheit der Republik gerichtet. Im vor allem die Entwicklung in England. Alle Borstoß gegen die Verfassung und die demokra Gegenteil: feine andere Partei als die Sozial- Gemeindewahlen sowie die Nadnwahlen ins Par tische Republif überhaupt zu unternehmen. Der demokratie war so auf den Schutz der Verfassung lament, die in den letzten Monaten in England Staatsstreich, den die Regierung Ulmanis jebt und Republik gegen den Fascismus eingestellt und stattgefunden haben, sind durchwegs zu Gunverübt hat, wird offiziell dadurch motiviert, daß ihre zahlreichen Anhänger in Stadt und Land. ten der Arbeiterpartei ausgefallen. Man erinein angeblich bewaffneter Staatsstreich vorbereitet Man geht also mit der Annahme nicht fehl, daß worden war. Es sind auch Angehörige der fascisti - der Staatsstreich sich nicht gegen den Fascismus, nert sich noch an den großen Wahlsieg in London schen Gruppen, die sogenannten Legionäre, ver- sondern gegen die demofratische Republik und ihre wodurch die Verwaltung der größten Stadt der Welt in sozialistische Hände übergegangen ist. haftet worden. Aber man geht wohl nicht fehl treuesten Schüßer richtet. Daß diese Entwicklung, die in den Londoner Gemeindewahlen zum Ausdruck gekommen ist, weiter anhält, lehrt die parlamentarische Nachwahl in einem Londoner Bezirk, die wir gestern gemeldet haben und wobei die Arbeiterpartei abermals den Konservativen ein Mandat abgenommen hat. Wie kräftig sich die Arbeiterpartei fühlt, dafür zeugen die Verhandlungen, welche die Gewerkschaften gemeinsam mit der London , 16. Mai. Premierminister M a c-| daß dadurch die Grundlagen, auf denen der Arbeiterpartei gegenwärtig mit der Regierung donald und Außenminister Sir John Frieden beruhe, gestärkt würden. führen und in denen die Sozialisten Englands Simon empfingen gestern eine vereinigte Premierminister Macdonal d betonte Deputation des Gewertschaftskongresses und der in seiner Antwort an die Delegierten, die britische ihr außenpolitisches Programm entwickelt haben. Arbeiter- Parteien, die den Ministern eine Re- Regierung habe in den letzten Jahren alle Bemü- Die außenpolitische Stonzeption des englischen solution betreffend die Ab- hungen auf die Verwirklichung der Abrüstungs- Sozialismus besteht darin, das englische Weltrüstung und die Arbeiten des tonvention verwendet, aber es sei troßdem in der reich in eine nähere Verbindung mit den VerVölker bundes unterbreitete, die die An- Abrüstungsfrage bisher keine Einigung er einigten Staaten von Nordamerika einerseits
vorhanden.
Die Rohstoffeinfuhr steigt von 778,5 auf 1125,9 Millionen, der Export von Fertigwaren von 1188,4 auf 1425,5 Millionen. Andererseits wurden Roh ſtoffe für 490,8( 371,5) Millionen ausgeführt und Fertigivaren für 614,1( 506,2) Millionen eingeführt. Bei lebenden Tieren, Lebensmitteln und Geiränken ist die Einfuhr von 346,5 auf 278,8, die Ausfuhr von 151,0 auf 108,6 Millionen gefunken.
Ein Gruß aus dem Dollfuß - Kerker Genosse Dr. Karl Renner an die Arbeiter in Nordbohmen
Die Konferenz der Bezirksorganisation Bo denbach, die am 6. Mai in Eulau stattfand, übermittelte dem von den Dollfuß - Schergen eingeferferten Genoffen Dr. Karl Renner ein Telegramm, mit welchem dem Führer der österreichischen Sozialdemokraten die Verbundenheit der Arbeiter Nordböhmens im Kampfe gegen die Reaktion ausgedrückt wurde.
Daraufhin langte bei der Bezirksorganisation in Bodenbach folgende Zuſchrift ein: An die
fozialdemokratische Bezirksorganisation
11. Mai 1934.
Liebe Freunde!
Englands Arbeiter
für Abwehr des Fascismus
demokratische Entwicklung an
Intenſität zu ni mm f.
Gabe Euer Telegramm erhalten, mit Freude ficht des Vereinigten Nationalrates der britischen zielt worden. Nichtsdestoweniger werde die bri- und mit Rußland andererseits zu bringen. Diese
entgegengenommen, dabei an die herrlichen Tage der Bodenbacher Parteischule 1910 gedacht und danke Euch vom Herzen für Euere guten Wünsche!
Mit freundschaftlichen Grüßen
Dr. Karl Renner Landesgericht Wien I Abt. 26, Zelle E 121.
Euer
Dr. Karl Renner.
tische Regierung ihre Bemühungen um die Siche- engere Verbindung soll durch den Völferbund Die Resolution fordert u. a., daß die rung des Friedens fortseßen. britische Regierung mit allen Kräften bestrebt Sir John Simon fonstatierte in seinen hergestellt werden, in den Sowjetrußland ein. fein möge, Sowjetruhland und die Ausführungen eine enge britisch- amerikanische treten wird. Dadurch würden, so glauben die Vereinigten Staaten von Zusammenarbeit und erwähnte im weiteren Ver- englischen Sozialisten mit Recht, die Kräfte des Nordamerika in eine engere Verbin- lauf auch Sowjetrußland. Er erklärte, die sow- Friedens gestärkt und die drohende Kriegsgefahr dung mit dem Bölkerbund auf Grund des Pa- jetrussische Regierung habe bisher noch nicht gemildert werden. riser Baktes zu bringen. Der Vereinigte Na-| um die Aufnahme in den Völkerbund nachgesucht. tionalrat begrüßt den Willen Nußlands, Mit- Sollte sie dies tun, so werde sie von der britischen glied des Völkerbundes zu werden und glaubt, Regierung begrüßt werden.
Der Kampf gegen die Kriegsgefahr aber list einer der wichtigsten Aufgaben des Sozialis.