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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOKA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Samstag, 26. Mai 1934

Falschmeldungen über die ungarische Sozialdemokratie

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Auch in Rumänien Putschgelüste?

Einzelpreis 70 Woller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 121

Chriftlichfoziale, wohin?

Die Deutsche Christlichsoziale Volkspartei Bukarest, 25. Mai. In hiesigen politischen hat in der allerjüngsten Zeit, zwar nicht durc Streifen ist heute eine gewisse Unruhe zu bemer irgendwelche gesamtparteiliche offizielle Kund­fen, die mit den jüngsten Audienzen des Mar­gebung, aber wohl durch den Mund etlicher ihrer Audienz des Ministerpräsidenten Tatarescu und der christlichsozialen Preise, sich bemüßigt ge schalls Averescu und mit der heutigen führenden Männer und durch Aeußerungen in des Unterrichtsministers Angelescu beim Könige fühlt, auf das Festhalten der judetendeutschen im Zusammenhang stehen dürfte.

Einige führende rumänische Politiker, die Christlichsozialen an der Demokratie deutlich außerhalb der Hauptstadt weilten, sind nach Bu hinzuweisen. Das verdient, besonders verzeichnet farest zurückgefehrt, während andere Politiker die zu werden. Denn bis vor kurzem konnte man un­vorbereitete Abreise aus Bukarest verschoben feren Christlichsozialen wahrhaftig alles andere haben. In den Kreisen der rumänischen Liberal - eher nachsagen, als eine einwandfreie demokra. partei wird vollkommene Rube bewahrt. tische Saltung. Und eben deswegen gebietet die Das Blatt des Marschalls Averescu Infichtbare Wendung, die zunächst von außen her dreptarea" lehnt entschieden die Anschauung ab, bei den Christlichsozialen festzustellen ist, it f als würde der Empfang des Marschalls beim Kö­nig einen politischen Hintergrund haben, und be- merksamkeit und vorsichtige Unter­font, daß es sich lediglich um Fragen der ſuchung. Ausrüstung derrumänischen Armee handle.

Das neue Arbeitsprogramm, das das Prager Trotzdem entging es der politischen Def Tagblatt" zitiert, liegt gar nicht vor. jenilichkeit nicht, daß der Warschall vor und nach Die Parteivertretung der ungarischen Sozial- der Audienz beim stönig Beratungen mit demokratie hat schon voreinigen Mona- politischen Führern hatte. naten beschlossen, ein neues Aktions­

Was das, Prager Tagblatt" erzählt und wie die Wahrheit aussieht! und wie die Wahrheit aussieht Budapest , 25. Mai. ( Eigenbericht.) Dassfolut sozialistischen, von marxisti Prager Tagblatt" veröffentlichte am fcher Auffaffung getragenen Rede, daß die 24. und 25. Mai Telegramme oder Informatio- ungarische Sozialdemokratie stets die Vertretung nen aus Budapest , die auf ganz falschen Grund der nationalen ungarischen Intereffen einzig und lagen beruhen, die Tatsachen verkehrt darstellen allein durch die richtige Vertretung der Ar und geeignet sind, ein völlig unzutreffendes Bild beiterinteressen als gewahrt anfah und von den politischen Vorgängen in Ungarn und nach wie vor der Meinung ist, daß die sozin insbesondere von der Haltung der ungarischen 1istische Weltanschauung und das fo Sozialdemokratie zu liefern. Vor allem ist es völ- sialdemokratische Programm am lig falsch, daß die ungarische sozialdemokratische sichersten das Gedeihen Ungarns ver­Partei der Aufforderung des Ministerpräsidenten bürgen. Gömbös, ihr Programm zu revidieren und sich Von einer Programmänderung im Sinne der nationalen Front des Bürgertums anzuschlie des Prager Tagblatt" ist keine Rede innerhalb Ben", in gewissem Sinne Folge geleistet und ein der ungarischen Sozialdemokratic. neues Arbeitsprogramm ausgearbeitet" habe, das eine bemerkenswerte Annäherung an die bürgerliche Auffassung über das Privateigentum darstellt". Die ungarische sozialdemokratische Partei und die Redaktion ihres Organs, der Nepszava ", legen Wert auf die Feststellung, daß hier das bürgerliche Blatt die Dinge verdreht. Ministerpräsident Gömbös hat fürzlich in sei­ner Budgetrede die Arbeiterfragen ignoriert und ist deswegen von der " Nepszava " angegriffen worden. Dar­aufhin nun hat der Ministerpräsi dent in jener zweiten Rede, über die das Ueberflüssig zu sagen, daß von einer An Prager Tagblatt" am 24. Mai berichtete, er näherung an die bürgerliche Auffaffung vom Bri­tlärt, daß er mit der Sozialdemokratie aufrichtig vateigentum keine Rede ist. Alle sozialistischen sprechen wolle und von ihr fordere, in die natio- Agrarprogramme unterscheiden sehr wohl das nale Front einzutreten und dort die Interessen Ausbeutungseigentum des Groß der Arbeiter zu vertreten, worauf dann Gömbös grundbesitzers vom Arbeitseigentum des und das Bürgertum den Arbeiterforderungen| schaffenden Bauern und nur Unkenntnis der For­Genüge leisten würden. derungen der Sozialdemokratie auf dem Gebiete Der sozialdemokratische Abgeordnete Payer der Landwirtschaft kann das Prager Tagblatt" antwortete dem Ministerpräsidenten in einer a b zu seinen Schlußfolgerungen gelangen lassen.

Weitere Anzeichen einer Besserung Der Monatsbericht des Bankrates

Prag , 25. Mai. Der Bankrat der National­bank hielt heute seine ordentliche Monatssitzung ab. Dem vorgebrachten Geschäftsberichte entneh men wir folgendes:

Die Weltwirtschaftsentwicklung wies im ver­flossenen Beitabschnitt eine ruhige Tendenz in der fortschreitenden Besserung auf. Die weiteren Voraussetzungen für diese Belebung sind jedoch in einem bedeutenden Maße von der Kristalliſie rung großer wirtschaftlicher und politischer Fra gen internationaler Bedeutung abhängig; haupt­sächlich sind dies Fragen der zwischenstaatlichen Verschuldung und der Formulierung des Trans­ferbroblemes.

Auch die Wirtschaftsentwicklung in der Tschechoslowakei spiegelte im verflossenen Mo­nate weitere Anzeichen einer sich verbreitenden Besserung wider, sowohl auf dem innerstaatlichen Gebiete als auch besonders im Waren- Exportabsatz auf den freien Märkten, während auf den gesperrten Märkten die bisherigen Schwierigkeiten in der Warenausfuhr fortdauerten, und stellenweise noch durch das erhöhte Valutenrisiko verstärkt wurden.

Die Entwicklung der Großhandelspreise widerspiegelte die Tendenz der internationalen Märkte und die inländischen frühjährlichen An­läffe. Die Preisverschiebungen waren gering. Der Inder der Großhandelspreise ist zum 1. Mai und der Jnder der Kleinhandelspreise zur mittleren

Aprilwoche mäßig gesunken.

programm auszuarbeiten, das aber no Fey fühlt sich nicht sicher Mehr Polizei, mehr Gendarmerie, mehr Tanks

nicht einmal begonnen wurde, so daß also alles, was in bürgerlichen Blättern über nene Richtlinien oder gar über fonkrete Ein­zelheiten berichtet wird, aus den Fingern gesogen ist.

Die Belebung der Industrieerzeugung hat sich im letzten Monat in einer Reihe von Bran chen weiter erhöht. Der Beginn der früh jährlichen Bausaison ist bisher schwach. Die Ar­beitslosigkeit befindet sich weiter im Sinfen.

Der Außenhandel war im April 1. J. etwas günstiger als im April des Vorjahres; im Ver­gleich mit dem März 1. J. ist sein Umfang, was die Ausfuhr anbelangt, mäßig gesunken. Die erhöhte Rohstoffeinfuhr dauert an. Auch die Fertigwarenausfuhr gestaltet sich günstiger als im Vorjahre. Auf den durch Kontigente resp. Devisen und andere Hindernisse gebundenen Er­portmärkten lassen die bisherigen Absatzschwierig feiten nicht nach. Der Kurs der auf den Aus­landsmärkten war in diesem Zeitabschnitt ruhig und ihre technische Position fest.

Werfen wir einen raschen Blick in die letzte Vergangenheit der Christlichsozialen über deren bürgerlich- fapitalistische Einstellung, über deren sozialreaktionäres Wirken in der Bürger­regierung und über deren rückschrittliche Gefin­nung in Stulturfragen hier nicht erst gesprochen werden muß so ist als auffallendstes Kenn­

seichen ihrer politischen Haltung seit dem Aus. brud der großen politischen Strife in Mittel­ europa die Tatsache festzustellen, daß die sudeten. deutschen Christlichsozialen zunächst je der reaf. Wien , 25. Mai. In einer gestern abge- tionären Erscheinung, die wir in den letzten Jah. haltenen Versammlung der Wiener Polizeiren rings um uns erlebten, mehr oder weniger beamten teilte Sicherheitsminister Jen die Sympathie zollten. Die Christlichsozialen waren Sauptumriffe der geplanten Polizeireformen mit lange genug, fast bis zur Selbstauflöſung oder Der Stand der Polizeimannschaft, die in den let bis zum Verbot der sudetendeutschen Hakenkreuz­ten Jahren von 8000 auf 6000 Mann herab­gefeßt wurde, wird allmählich wiederum auf 8000 parteien, auf erträgliche Nachbarschaft mit diesen Mann erhöht werden, desgleichen wird der Stand Erzfeinden der Demokratic, der Freiheit, der der Gendarmerie, der eine Herabsessung von Menschlichkeit bedacht; die Christlichsozialen zeig 12.000 auf 5000 erfahren hat, auf 10.000 er ten, als der Fascismus in Deutschland seine gänzt werden. Die Polizei, die in Schobers Sei- Herrschaft antrat, mehr als wohlwollendes Ver ten teilweise mit Panzerantomobilen, automa ständnis für diesen Umsturz, in dem sie vor tischen Pistolen und Sturmhelmen ausgerüstet allem wieder einmal den Anfang zur totalen war, wird einige neue Tanks modernsten Typs Niederwerfung des Marrismus in aller Welt erhalten und sämtliche Beamten der sogenannten erblickten; die Christlichsozialen waren begeistert Ueberfallkommanden werden mit automatischen über die blutige Unterdrückung der sozialistischen Pistolen ausgerüstet werden. Auch mit Stahl­helmen wird das gesamte Sicherheitsforps nach Arbeiterschaft in Oesterreich und über die Dikta tur des Dollfuß, den sie als den ihren betrach ten. Und unsere Christlichsozialen waren es, die bis vor kurzem dem Herrn Konrad Henlein hal­fen, unter seiner, in ihren Farben jetzt noch nicht deutlichen Stappe sein deutschnational­hafenkreuzlerisches Wesen zu tarnen.

und nach ausgestattet werden.

Eugen bei Dollfuß

Nun beginnt die Packelel erst richtig

Wien , 25. Mai. Der gestern in Wien ein­getroffene ehemalige Erzherzog Eugen stattete Vormittag dem Bundeskanzler Dollfus einen Be­such ab und Brach ihm den Dank für die Ent­schließung der Bundesregierung aus, die ihm die Nückkehr nach Desterreich gestattete.

Was sonst noch ausgehandelt wurde, steht in dem offiziellen Bericht natürlich nicht darin!

Die Rache der Dollfußchristen

wütet weiter

Hundert Parteien des Sandleiten- Hofes sollen auf die Strasse gesetzt werden

Diese Christlichsozialen dürfen sich also nicht wundern, wenn wir den demokratischen Bekennt nissen, die sie seit ein paar Wochen mit über. raschender Lautstärke ablegen, etwas ſteptijd) gegenüberstehen. Aber wir wollen dennoch nicht ausschließen, daß ihre Wendung mehr als Tu­gend, aus Not ist, daß sie aus den Ereignissen gelernt haben, und daß die Tatsachen, aus denen sie nach außen Konsequenzen zogen, imstande sein könnten, die Christlichsozialen bei uns auch nach innen zu wandeln. Sie mußten erleben, wie es den Populari in Italien ging; sie sahen den Untergang des Zentrums im Reich; sie sehen die Ueberwältigung der Kirche in Hitlerdeutschland. Und so müssen sie zu der Erkenntnis kommen, daß auch ihnen die fascistische Dittatur nur neh­men und nichts geben kann, und daß insbeson­dere in der Tschechoslowakei ( an deren wenn sie wollten), auch der christlichsozialen

Die Entlassung einer Anzahl von Sozial- cingekerferten Schutzbündlern und Arbeitslose, die Demokratie sie nichts ändern können, auch demokraten aus den österreichischen Gefängnissen mit den Mietzinsen im Rückstand sind. ist offenbar eine zur Täuschung des Auslandes Die rote Gemeindeverwaltung hatte in sol- Weltanschauung und ihrer Werbearbeit die berechnete Aktion, welche die absolut falsche Vor- chen Fällen tros aller finanziellen Notwendigkei- freieste Entwicklung eben nur erhalten bleibt. ſtellung erwecken foll, daß das Regime der Heimten ein weitherziges Verständnis. Die neuen wenn hier auch von deutscher bürgerlicher Seite wehrchristen eine Schwenkung zur Mäßigung vor- christlichen Machthaber in Wien kennen tein eine demokratische Politik verfolgt wird. Nimmt genommen hat. Der Rachefeldzug gegen Erbarmen. Wenn es tatsächlich zu Maffen man hinzu, daß jene Arbeiter, die im Die günstigen Witterungsverhältnisse und die Angehörigen der sozialdemokratischen Bewe- belogierungen in den Gemeindehäusern kommt, deutschklerikalen Lager stehen, natürlich die Be. so wird dieser Brutalitätsakt zur Orientierung deutung der Demokratie heute mehr denn je er­der rasche glatte Verlauf der frühjährlichen Feld­Gerade kommt uns aus Wien die ver- des Auslandes über den Hitler Charat­arbeiten beschleunigten den außerordentlichen daft mit 1. Juli umfang terb er des Dollfußregimes mehr beitragen, als alle fassen müssen da sie ja in Italien . Deutsch­ land und Desterreich unter den Diftaturen die Wuchs der Vegetation. Deren Entwicklung ist im bürgte ganzen versprechend. Die Regenfälle, die sich an- reiche in den Gemeinde rein theoretischen Vergleiche. bauten geplant sind. Allein in der Wohnbau­Rechte aller Arbeiter verloren gehen ſehen­so versteht man schon, daß die christlichsoziale Partei jetzt einschwenkt.

gung geht weiter.

Jedenfalls haben jene Schmarvher, welche fangs der zweiten Maihälfte stellenweise einstell­ten, fonnten nicht alle durch die Hiße und Trokanlage Sandleiten in Wien - Ottakring follen die Wohnungen nach den vertriebenen Sozial demokraten besetzen werden, die unbedingte Ge­währ, daß die Dauer der Heimwehrherrschaft dic werden und zwar vornehmlich Angehörige von Uebersiedlungskosten bestimmt nicht verlohnt.

fenheit verursachten Schäden wettmachen, brachten jedoch der gesamten Vegetation wesentlichen Nut­

gen.

100 Familien aufs Pflaster gefekt

Freilich ist dabei der Unistand nicht gleich. gültig, daß entscheidender als die genannten Ge­