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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Barthou unbedingter Revisionsgegner

Bukarest , 20. Juni. Der französische Außens minister Barthou gab den Sonderkorrespons denten der rumänischen Zeitungen, die ihm an die Grenze entgegengefahren waren, u. a. folgende Erklärung ab:

Wir haben das gleiche Ideal: Sie und wit wollten unseren Ländern die Provinzen wieder­geben, die uns gehört haben. Das war das Grundgesetz der Verträge, die wir unterzeich net haben. Sie und wir haben erhalten, was uns gehört hat, die Gerechtigkeit hat gefiegt. Die von dieser Gerechtigkeit errungenen Siege find von jener Art, auf die man nicht verzichtet. Eine Revision aber ist ein Berzicht. Die Unverletzbarkeit und die Ach­tung der Verträge stellt für Rumänien und für Frankreich ein gemeinsames Gesetz dar. Haben Sic Bertrauen zu uns!

Was er Dollfuß

eingeschärft hat:

Uebergehend auf seine gestrige Begegnung mit dem österreichischen Bundeskanzler Dr. Dollfuß, jagte Barthou :

Wenn ich gestern die Gelegenheit hatte, den österreichischen Bundeskanzler zu treffen, so ge­schah das, um ihm Frankreichs treues Festhalten an der Unabhängigkeit Desterreichs nach drüd­lich zum Ausdrude zu bringen. Ich habe ihm wie derholt, daß die von England, Italien und Frank­ reich garantierte Unabhängigkeit Desterreichs eine der wesentlichsten Bedingungen der europäischen Ordnung ist.

Fingiertes Attentat

Donnerstag, 21. Juni 1934

Kommuniquee über die Bukarester Verhandlungen:

Hoffnung auf Bewahrung des

Gegen jedwede Habsburger - Restauration

Friedens

Bukarest , 20. Juni. Der Ständige Rat der Kleinen Entente hat heute seine Arbeit beendet. Die Minister Dr. Beneš, Dr. Jevtič und Titulescu empfingen die Presse­vertreter, denen Minister Titulescu als Sprecher des Ständigen Rates folgendes Kommu niquee über das Ergebnis der Beratungen verlas:

,, Die drei Minister für auswärtige Angelegen-| heiten der Staaten der Kleinen Entente haben die allgemeine politische Lage sehr gründlich geprüft. Sic haben sich nicht verheimlicht, daß diefe Lage ge wisse beunruhigende Anzeichen enthält, die allen Regierungen, denen an der Wah. rung des Friedens gelegen ist, Wachsamkeit und Vor­ficht auferlegen. Sie haben auch konstatiert, daß ge wiffe beruhigende Elemente vorhanden sind, die, wenn sie gepflegt und gestärkt

werden, Europa eine gemeinsame und ausdauernde Arbeit ermöglichen werden, daß es aus der politi­schen Krise herauskomme, die heute auf ihm lastet.

Die dauernden Schwierigkeiten, denen bisher bie Bestrebungen um den Abschluß eines allgemeinen Abkommens betreffend Herabsetzung und Beschrän­tung der Rüstungen begegnen, die von einigen Staa­ten ausgehenden Bestrebungen nach Revision der Friedensverträge, die Gefahr, daß sich Europa in konkurrierende Blocks aufteilen wird, die Unabwend. barkeit der Finanz- und Wirtschaftskrise und die Unbeständigkeit der politischen Verhältnisse sowohl in Europa als auch außerhalb desselben we de n die Befürchtung, daß der Friebe bedroht i ft.

Andererseits gewähren die aufrichtigen und fruchtbaren, von Frankreich , Großbritannien und ben Vereinigten Staaten in der letzten Zeit in Genf unternommenen Bemühungen, das Mißlingen der Abrüstungskonferenz zu verhüten, der energische Kampf, daß an die erste Stelle des politischen Stre

pierung von Staaten zur Wahrung des Friedens, dic bereits geschaffen oder soeben in Bildung begriffen ist, und schließlich die unseligen sozialen Folgen, die ganz bestimmt in den Staaten eintreten würden, die die Verantwortung für einen Angriff auf sich nehmen würden, die Hoffnung, daß die Be. mühungen um die Wahrung des Friedens schließlich obficgen

auf Hitler? bens die Sicherheit gestellt werde, die Grup. Eine englische Sensationsmeldung. Der diplomatische Korrespondent des Daily Herald" meldet seinem Blatte aus Berlin , daß in diesen Tagen eine zuverlässige und nüchterne Persönlichkeit" bei ihm erschienen sei und ihm mitgeteilt habe, dic SS plane ein Schein= attentat auf Adolf Hitler . Der Plan sei bereits in allen Einzelheiten ausgearbeitet: auch werden. der angebliche Täter, ein Jude, der nachher auf Die Kleine Entente , ihrer traditionellen Politik der Flucht erschossen werden solle, sei schon und den Grundsätzen treu, die die Grundlage ihres bestimmt. Der Korrespondent des ,, Daily Herald" Organisationsstatuts bilden, setzte die Richtlinien ( der den Bericht auf der ersten Seite veröffent- ihres Vorgehens im Einklang mit den Interessen der licht), sieht voraus, daß viele Leser die Meldung Staaten, die ihre Mitglieder sind, und mit den all. für phantastisch halten werden. Aber in Deutsch gemeinen Interessen feft. Infolgedessen traf der land, erklärte er, sei jest alles phantastisch. Ständige Rat der kleinen Entente alle notwendigen Schon vor einem Jahre habe der Oberste SS- Entscheidungen, um der Lage begegnen zu können. Führer Himmler in einer Rede prophezeit, wenn In den vom 18. bis 20. Juni in Bukarest stattge­ein Anschlag auf Hitler erfolge, werde unter den fandenen vier Sihungen beschloß der Ständige Rat deutschen Juden ein Blutbad angerichtet werden. ber Kleinen Entente n. a.:

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Der Zeitpunkt für ein solches Ablenkungsmanöver der enttäuschten Massen erscheine den Nazi- Füh= rern nun gekommen. Der englische Korrespondent gibt aber der Hoffnung Ausdrud, daß der aben­teuerliche und abscheuliche Plan( der große Achn= lichkeit mit der Brandstiftung im Reichstag hat) durch die vorzeitige Enthüllung( die lebhaft an die Oberfohren- Denkschrift erinnert), durchkreuzt werden könne.

Clearing- Vorlage

1. Alle Anstrengungen zu machen, damit die Abrüstungskonferenz mit einem Abkommen ende, das allfeits befriedigt:

2. Mit allen feinen Kräften die Organisie rung der Sicherheit zu unterstüßen und sich an den Regionalabkommen über gegenseitige Hilfe­leistung, über die jetzt verhandelt wird, zu betei­ligen;

3. an der wirtschaftlichen Gefundung Euro­ pas im Einvernehmen mit allen interessierten Staaten mitzuarbeiten.

4. Seine Entschließung neuerlich zu wie­derholen und zu bekräftigen, daß er sich durch geeignete Maßnahmen der Rückkehr der Habs=

burger widersehen wird, in welcher Form im­mer sie durchgeführt werden würde;

Einzelpreis 70 woner

( einschließlich 5 Hotlar Porto )

Nr. 143

Um das tägliche Brot!

Die kommende Mißernte wirft bereits ihre Schatten voraus. Das Brotgetreide steigt im Preise. Die Gefahr einer Brotteuerung ist in unmittelbare Nähe gerückt. Mit Unruhe und Be sorgnis verfolgt die konsumierende Bevölkerung diese Entwicklung. Die Staatsverwaltung ist vor eine neue und sehr ernste Aufgabe gestellt.

Wir haben einige sehr gute Ernten hinter uns. Die Situation auf den Weltmärften war bis in die letzte Zeit hinein charakterisiert durch ein gewaltiges Ueberangebot an Lebensmitteln und pflanzlichen Rohstoffen. Ausweitung der Anbauflächen, die verschwenderische Gunst der Einige offizielle ungarische Erflärungen Natur und der Siegeszug rationellerer Metho­crwecken zum großen Bedauern des Ständigen den der Bodenbearbeitung häuften in den land. Rates der Kleinen Entente den Eindruck, daß wirtschaftlichen Ueberschußländern derartige sich Ungarn von einer solchen Mitarbeit selbst Ueberschüsse auf, die der Markt nicht aufzuneh ausschließen will: men vermochte. Die letzten Jahre standen im Zeichen sinkender Agrarpreise. Aber die Masse der Konsumenten konnte dieses Segens nicht teilhaftig werden, denn durch die induſtrielle Rationalisierung und durch die Einkommensver­nichtung infolge der andauernden Weltkrise wor In den Ueberseestaaten wurden gigantische Men­ihre Kauffraft fatastrophal geschwächt worden. gen an Weizen, Kaffee, Baumwolle vernichtet, um dem Preisdruck der Ueberproduktion zu be gegnen. Die europäischen Bauern gingen dazu über, einen Teil ihrer Getreideernten zu verfüit. fern, was wiederum das Ueberangebot an fieri. schen Produkten vergrößerte. Eine Krise des Ueberflusses entstand. Die Massen hungerten bei vollen Scheunen. Der durch den kapitalistischen Wahnwis gestörte Zirkulationsprozeß verhin derte den Abstrom der Güter zu den Konsu menten.

5. die besten Beziehungen zu allen Staaten, insbesondere zu den Nachbarstaaten und zu Polen , zu erhalten und zu entfalten;

6. mit Befriedigung zur Kenntnis zu nch­men, daß in Uebereinstimmung mit den Agra­mer Entschließungen und mit Rücksicht auf die Mitarbeit an der Wahrung des Friedens die normalen diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion , Rumänien und der Tschecho­ slowakei wieder aufgenommen wurden;

7. die Versicherung über die vorbehaltlose Durchführung des Ballan- Pattes seitens aller Vertragsstaaten und die

am 16. Juni 1934 von Rumänien und Jugoslawien durchgeführte Ratifizierung dieses Pattes mit Befriedigung zur Kenntnis zu neb

men;

8. die vom Wirtschaftsrat der Kleinen En­ tente in seiner Bufarejter Tagung getroffenen Entschließungen zu ratifizieren und sie den be­treffenden Regierungen zur Genehmigung zu unterbreiten;

9. seine Sympathie mit dem auf Anregung der argentinischen Regierung abgeschlossenen Vertrag, dem am 10. Oftober 1933 in Rio de Janeiro unterzeichneten südamerikanischen Ver­trag, bezüglich dessen der Ständige Rat befchlof sen hat, ihn einer gründlichen Prüfung zu un­terziehen, auszusprechen;

10. im Monat September d. J. in Genf wieder zusammenzutreten.

Triumphaler Empfang Barthous

Nach einer triumphalen Fahrt von der rumã nischen Grenze durch ganz Transsylvanien traf Barthou heute um 7 Uhr abends in Bukarest ein. Er wurde von den Ministern Titulescu , Dr. Beneš und Dr. Jevtič, den Mitgliedern der rumänischen Regierung, dem diplomatischen Korps und zahlreiz chen Würdenträgern erwartet. Der französische Gast wurde auf seinem Wege zum Königspalais von einer ungeheueren Menschenmenge mit einer Begeisterung, die sich zum Jubel steigerte, begrüßt.

Nur eine Empfehlung zur Frage

im Unterhaus der 40- Stunden- Woche?

Nun hat die anhaltende Dürre das Prob­lem mit einem Schlage anders gestellt. Der Ueberflußdrohtin Mangelumzu. schlagen. Bei den Futtermitteln ist er schon da. Soweit die wichtigsten Nahrungsmittel in Betracht kommen, ist vorläufig- rein volls. wirtschaftlich betrachtet eine tiefere Sorge un­begründet. Ansehnliche Reserven sind vorhanden, bei uns im Staate und in den Ueberschußlän­dern der Welt. Die Spefulation hat freilich ein Interesse daran, eine Psychose des Mangels her­vorzurufen und damit umso leichter spe fula. tive Preissteigerungen durchzusetzen. Die Bevölkerung beginnt das bereits unliebsam zu spüren. Hier muß volle Klarheit geschaffen werden. Jede Mißernte hat eine Preisbewegung. nach oben im Gefolge. Das ist eine unzertrenn­liche Begleiterscheinung der kapitalistischen Ord. nung. Soweit die Regierung in diesen Prozeß eingreifen kann, wird sie aber an dem außer­ordentlich bedeutsamen Kauffraftprob. Iem nicht vorbeigehen dürfen. Man muß in die­ser Stunde mit allem Ernst und Nachdruck auch den Vertretern der landwirtschaftlichen Inter­essen die entscheidenden sozialen Tatsachen der Inlandssituation in Erinnerung rufen. Die Ar. beiterschaft geht- soweit sie noch beschäftigt ist

mit ausgesprochenen ungerlöhnen mehrfach gekürzt. Die große Gruppe der Kurz­heim. Den Angestellten wurden die Gehälter

arbeiter ist schon längst auf einem untermensch lichen Lebensniveau angelangt. Alle diese Schich­ten wird eine Brotteuerung sehr hart treffen. Wie aber würde sich erst eine größere Teuerung bei den Arbeitslosen auswirken, in den hunderttausenden Familien, die seit Jahr und London , 20. Juni. Minister für Finanzen Tag im vollsten Sinne des Wortes dahinvege­Neville Chamberlain hat heute im Unter­Die Arbeiter sind angeblich schuld... tieren? Wie sollen Menschen, die bisher 10 oder hause einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Vollmacht zur Errichtung von Clearinganstalten Genf, 20. Juni. Die gemeinsame Entschlie- lischen Arbeiter hätten darauf beharrt, daß der 20 Kronen wöchentlich aus der Ernährungs. enthielt, welche Abzahlungen auf bestimmte Schul- Bung über das Abkommen betreffend die Verfür Schlußtert des Abkommens viel mehr enthalte, als aktion bekamen, wie sollen Familienerhalter mit bereits empfindlich gefürzter Gewerkschafts­den entgegennehmen, diese Schulden verwalten zung der Arbeitszeit wurde heute wieder auf der ursprüngliche Entwurf. Es wird zwar weiter verhandelt, aber die unterstützung, wie sollen Sturzarbeiter mit 50 und berechtigt sein werden, Einschränkungsmaß- Donnerstag vertagt, damit man durch Beratun nahmen gegen die Einfuhr aus bestimmten aus- gen der einzelnen Gruppen eine weitere Klärung Hoffnung auf eine Rettung des Abkommens soll bis 60 Kronen Wochenlohn erhöhte Brot- und ländischen Staaten durchzuführen. Der offenbar der Situation herbeiführe. Heute wurde behaup heute wieder geringer sein. Man rechnet damit, Mehlpreise bezahlen können? Hier ist ein Prob­gegen Deutschland gerichtete Gesezentwurf, der die tet, daß der Mißerfolg bei der Abstimmung über daß nur eine Empfehlung auf Serabſet lem aufgerollt, vor dem kein verantwortungsbe. Möglichkeit bieten soll, eventuelle deutsche Export- das Abkommen, betreffend die Verkürzung der zung der Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich wußter Politiker die Augen verschließen kann. überschüsse für die Gläubiger der deutschen An- Arbeitszeit in der Industric, hauptsächlich durch angenommen oder die ganze Angelegenheit Icihen zu verwenden, wurde in erster Lejung an die Forderungen der Arbeitergruppe verschuldet den Regierungen der Mitgliedstaaten zur detail­(?!) wurde. Insbesondere die Vertreter der eng- lierteren Prüfung zurückgestellt werden wird.

genommen.

Es muß ein Ausweg geschaffen werden. Die vielangefochtene Syndifatsbe.