Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
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14. Jahrgang
Samstag, 23. Juni 1934
Einzelpreis 70 numer
( einschließlich 5 Metter Porto)
Nr. 145
Der Kampf um die See- Der Bankrotteur wird abgekanzelt zum Prozeß Klühs
aufrüstung beginnt
England will eine neue Schlachtflotte und 30 neue Kreuzer
London , 22. Juni. Der diplomatische Korrespondent des Daily Herald" will wissen, daß der britische Marineminister Sir Bolton Eyres Monsell am Donnerstag im Aus= wärtigen Amt den amerikanischen Marinesachver ständigen eine Dentschrift über die technischen Bedürfnisse der britischen Kriegsmarine überreicht habe, deren Inhalt aufschenerregend sei. Norman Davis habe das Schriftstück nach Washington weitergegeben.
In der Denkschrift würden die technischen Bedürfnisse der Admiralität folgendermaßen darge ſtellt: Die Verteidigung des britischen Reiches und der britischen Handelsschiffahrtswege erfordern: 1. den Bau einer neuen Schlachtflotte sofort nach ungültigwerden der Einschränkungen des Washingtoner Vertrages;
2. den Bau von 30 neuen Kreuzern, um die Kreuzerflotte auf insgesamt 70 Fahrzeuge, bisher 50, von denen aber 10 Kreuzer veraltet sind;
Scharfe englische Note an Deutschland
London , 22. Juni. Auf die deutsche Transfernote vom 14. Juni 1934 hat die eng lische Regierung dem deutschen Botschafter in London , am 21. Juni cine Antwortnote überreicht, die nunmehr veröffentlicht wird. In der Note betont dic britische Regierung eingangs, daß sie zu ihrem Bedauern die Wahrnehmung machen müsse, daß die Note keinen praktischen Gedanken darüber enthalte, wie der weitere Anleihedienst für die Dawes und die Younganleihe vorsichgehen solle. Die britische Regierung würdige die Schwierigkeiten der deutschen Regierung in der Devisenfrage, sei aber nicht der Ansicht, daß diese eine vollständige Aufhebung des gesamten Transfers für die Schulden Deutschlands im Gefolge haben müßten.
Die Vertreter der Gläubiger hätten Gründe für die Annahme gefunden, daß das augenblick liche scharfe Fallen der Reichsbankreserven wenig wöhnlichen Belangen( Beschaffung von stens zum Teil die Folge von außerge= Kriegsmaterial!!) sei, die später Berichtigung finden würden, und daß gewiffe( ruffische!) De viseneingänge zu erwarten seien, die überhaupt nicht in Rechnung gestellt wären. Die britische Note betont dann, daß die Gläubiger bereit gewesen wären, die gesamte Nicht Reichsschuld zu fundieren, vorausgesetzt, daß die Zinsen für die Dawes- und die Younganleihe voll gezahlt würden. Die finanziellen Folgen hiervon wären gewesen, daß man Im..Daily Telegraph " wird über die bevor- inbar hättetransferieren müssen. lediglich 90 Millionen Mart jährlich ſtehende Bildung einer besonderen Abteilung inner Der Vorschlag bedinge also teine große Beanhalb der britischenLuftstreitmacht zum Studium des Luftkampfes und der damit zusammenhängenden bestehe auch keinerlei Begründung für die Bespruchung der verfügbaren Deviſenbestände. Es Probleme berichtet. Dieser neuen Abteilung würden ein Stab von Sachverständigen und die besten hauptung, daß eine völlige Aussetzung des Transfers auf sechs Monate unbedingt notwen dig wäre.
3. den Bau einer großen Anzahl neuer Zertörer und 4. den Ban neuer Flugzeugmutterschiffe.
Flugzeugführer der Luftwaffe angehören. Man rechne mit einer Verstärkung der britischen Luftstreitmacht in den nächsten Jahren. Zwar werde es noch drei Jahre dauern, bis die neuen Kampfgeſawader in Dienſt geſtellt werden, aber es jei dringend wünschenswert, rechtzeitig die besten Klassen und die besten Typen auszuwählen.
Die Weigerung der Reichsregierung, auf dic Bedingungen der Gläubigervertreter einzugehen, könne die britische Regierung nicht als gerechtfer tigt anerkennen, denn die britische Regierung fehe in diesen Bedingungen eine für Deutschland äußerst günstige Lösung.
Die Darlegungen der deutschen Note über Auch Macdonald gegen den Sandel hindernde Maßnahmen, die gewiffe Deutschland Gläubigerländer gegen deutsche Waren angewen det hätten, treffen auf Großbritannien nicht zu.
Für den Aufschub der Abrüstung verantwortlich!
London , 22. Juni. Macdonald sandie an den Nationalen Friedensfongreß in Birmingham heute ein Manifest, in dem er u. a. schreibt, daß eine weitere Verschiebung in den Verhandlungen betreffend eine Abrüstungskonvention die Schuld Deutschlands wäre. Jedwede Verantwortung für weitere Verzögerungen würden zu Lasten Deutschlands gehen, dessen Ausscheiden aus der Abrüstungskonferenz im Vorjahre nach allgemeiner Ansicht unbegründet und unbe rechtigt war und für dessen Rückkehr in die Abrüstungskonferenz die Türen immer noch ofen
ſcien.
Zum Glück scheint es aber, daß statt des Zusammenbruches der Konferenz und der allgemei nen Verwirrung in den internationalen Beziehun gen in den Konferenzarbeiten wird fortgefahren werden können und es besteht die Hoffnung, daß endlich doch noch eine Konvention vereinbart wer den wird.
Papen heute
Die Note weist dann darauf hin, daß England an der Wiederherstellung des deutschen Wohl standes und des deutschen Kredits gelegen sei und bracht habe. Diese Bemühungen wären jedoch hierfür Opfer, z. B. in der Reparationsfrage, gevergeblich, wenn Deutschland auch weiterhin so handelte, daß sein Kredit zerstört werde.
Der Prozeß gegen den früheren zweiten Chefredakteur des„ Vorwärts", Genossen Franz Seliths, und gegen den früheren Landtags. abgeordneten, Genossen Wilhelm Krüger. vor dem Reichsgericht in Leipzig , hat mit der Verurteilung der Angeklagten zu je zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis geendet. Man fann in einer Zeit, in der Recht und Menschlichfeit in einem großen Teil Europas täglich mit Füßen getreten werden, von der Welt nicht mehr erwarten, daß sie sich über Einzelfälle empört. Sie weiß, daß in den Kerkern, den Konzentra tionslagern der diktatorisch regierten Länder einziges Verbrechen es ist, eine Ueberzeugung Zehntausende Männer und Frauen liegen, deren
zu vertreten, die den augenblicklichen Gewalt habern mißfällt. Die Welt weiß auch, daß die Richter dieser Länder längst nicht mehr Recht Die britische Regierung behalte sich vor, sprechen, sondern nur die Befehle ausführen, die Maßnahmen zu treffen, um die materielle Distriminierung der britischen Gläubiger zu verhin ihnen eine verbrecherische Regierung zum Zweck dern. Die britische Regierung sei jedoch bereit, ihrer Selbsterhaltung in Form angeblicher Ge Erörterungen über die Möglichkeit aufzunehmen, sete erteilt. Durch solche Befehle sind die höchſten um eine Einigung über die Behandlung der bri- Richter Deutschlands gehalten, Gefängnis, Zuchttischen Gläubiger zu erzielen, damit die Notwen- haus, ja jogar Todesstrafe zu verhängen, über oder auch darüber zu verhandeln, auf welche über das Regime verbreiten oder die eine ver. digkeit eines Devisenclearings überhaupt fortficle; diejenigen, die im Ausland gedruckte Wahrheiten Weise ein derartiges Clearing mit einem Min- botene Partei weiter fortzuführen versuchen. der gehandhabt werden fönnte. Sie schlägt daher destmaß von Störung für den Handel beider Länvor, bevollmächtigte Vertreter zu solchen Verhandlungen nach London zu entsenden.
Diesem Befehl folgend, der u. a. auch die Unterschrift eines deutschnationalen Reichsjuſtizminiſters trägt, haben die Reichsrichter Klühs und Krüger verurteilt.
London , 22. Juni. ( AR.) Gestern vorIst also das Urteil an heutigen deutschen mittags wurde der Text des Gesetzes über die Ein- Buständen gemessen, nichts Ungewöhnliches führung des Clearingverfahrens Depts clearing mehr, so fällt der Prozeß doch in doppelter Be offices and import restrictions reprisals act 1934" ziehung aus dem Rahmen des Ueblichen heraus. veröffentlicht, das im Zusammenhang mit der Zunächst sind die beiden Angeklagten keine Undeutschen Erklärung über das Zahlungsmorato bekannten. Franz Selühs zumal war einer der rium betreffend die Dawes und Younganleihe hervorragendsten Vertreter der sozialdemokrati angewandt werden foll. Der„ Act" tritt auto - ichen Journaliſtik und genoß in der ganzen deut matisch in Gültigkeit, wenn die Verhandlun gen mit Deutschland nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen sollten.
Die Einfuhr aus Deutschland in das Vereinigte Königreich fei stets größer geweFrankreich konfisziert sen, als die Einfuhr von britischen Produkten deutsche Bargeldbestände nach Deutschland . Der Ueberschuß genüge, um die Zinsen sämtlicher in Lon= Paris , 22. Juni. Die französische Regiedon aufgelegten deutschen Anrung hat heute Maßnahmen getroffen, welche erleihen mehr als dreifach, und die möglichen, daß, falls Deutschland den Transfer Zinsen des Londoner Anteiles des Zinsendienstes der Dawes und der Young der Dawes und der Youngan- Anleihe nicht zahlen wird, die deutschen Bargeld leihe mehr als zehnfach zu deden. bestände in Frankreich fonfisziert werden.
Das Standgericht an der Arbeit Wien , 22. Juni. In Ried ( Oberösterreich ) Graz, 22. Juni. Im Standgerichtsverfahren wurde heute nachts von unbekannten Tätern eine wurden heute die wegen Verbrechens gegen das Bombe gegen das Haus des Bürgermeisters ge- Sprengmittelgescß angeklagten Komworfen. Das Haus wurde start beschädigt. munisten Gottfried Wrezko und Franz Peyerl zu In Kematen explodierten mehrere Explosivförper. 15, bzw. 18 Jahren schweren Sterfers verurteilt. Siebei wurden am meisten die Schule und das Pfarrhaus beschädigt.
In einem Schrebergarten am Laaer- Berg wurden vier Kisten mit Dynamon, Dynamit und Paris , 22. Juni. Der Berliner Storre- Efrasit und Zündschüren ausgegraben. Im Laufe spondent des Journal" bestätigt, daß es sich bei der Freitag- Nacht sind in Graz vor einem Möbelder Zusammenkunft des Reichskanzlers Hitler mit geschäft, in Linz vor einem Kaufhaus und in dem Reichspräsidenten von Hindenburg in Neu- Lustenau in Vorarlberg vor einem Bauernhof beck um einen Meinungsaustausch im Zusammen- Sprengförper zur Erplosion gebracht worden. Es hang mit der sonntägigen Rede Papens gehandelt wurde überall beträchtlicher Schaden angerichtet. habe. Flucht in den Strom
Gerichtsverfahren
ohne Untersuchung
Wien , 22. Juni. ( AN.) Der Ministerrat hat heute ein Geſetz beſchloſſen, das für alle Verbrechen gegen das Sprengstoffgeſetz ein beschleunigtes Verfahren einrichtet. Eine gerichtliche Voruntersuchung wird nur durchgeführt, wenn die po= lizeiliche Untersuchung nicht binnen vier Wochen eine zur Anklageerhebung ausreichende Klärung des Tatbestandes herbeiführen kann. Erpreẞte Staatstreue Bregenz , 22. Juni. Nach einer Meldung Bon Bapen habe eine sehr scharfe Unterre- verhaftet. Bei seiner Eskortierung auf das Polizei- der Politischen Korrespondenz" wendet sich der dung mit Hitler gehabt, die Gerüchte über eine fommissariat riß er sich von den Detektiven los Landesleiter des Heimatdienstes gegen jene RichBeseitigung Papens aus der Regierung feien aber und sprang in den Inn , der Hochwasser führte. ter, die bis heute kein positives Bekenntnis zum verfrüht. Nichsdestoweniger erwägt man Aen- Die Detektive sprangen ihm nach und es gelang Staate abgelegt haben. Vereine, die sich nicht derungen in der Regierung, die einen ihnen, ihn aus dem Wasser herauszuziehen und in vorbehaltslos zum Vaterlande bekennen, sind aufzulösen. die Untersuchungshaft zu befördern. Tonservativen Charakter erhalten foll.
Papen, der von der Industrie unterstützt wurde und das volle Vertrauen des Junsbrud, 22. Juni. Der Assistenzarzt Dr. Reichspräsidenten genießt, werde von Sindenburg am Samstag empfangen J. Sprenger wurde vorgestern abends in Innswerden. brud wegen nationalsozialistischer Propaganda.
schen Presse verdientes Ansehen. Seit vielen Jahren war er in der Gewerkschaft der deutschen Journalisten, dem Reichsverband der deutschen Presse , führend tätig. Das geistige Deutschland . hat wahrlich alle Ursache, wehmütige Betrach tungen darüber anzustellen, was die deutsche Presse bedeutete, als sie Franz Klühs noch an hervorragender Stelle vertrat, und was sie jetzt bedeutet, wo er im Gefängnis ſitzt. Bei den ver. dienten Sympathien, die er wegen der Lauterkeit seines Wesens und der Echtheit seines Gemeinsinns weit über die Kreise der Partei hinaus genießt, kann eine starke politische Wirkung diejes reichsgerichtlichen Urteils nicht ausbleiben.
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Aber wirft dieser Prozeß in nüßlicher Weise über die Arbeiterbewegung hinaus, so wirkt er nicht weniger nüßlich in sie hinein. lühs hatte sich aus Treue zur Partei, aus kameradschaftlicher Gesinnung vielleicht weiter herausgewagt, als unbedingt notwendig war - Fehler dieser Art sind in der ersten Zeit mehr gemacht worden aber sein Mut hat vorbild. lich gewirkt. Hier bot sich der Anblick eines echten sozialdemokratischen Kämpfers, der nie etwas für fich) gewollt, aber alles für seine Sache geopfert hat. Als junger Parteisefretär in der Kaiserzeit hatte Franz Klühs die deutschen Gefängnisse schon gründlich kennengelernt. Nun ſicht er sie als bald 60jähriger wieder. Er hat sie in dem selben Geist heroischer Pflichterfüllung betreten, wie in seinen jungen Tagen, in derselben ungebrochenen Gesinnung, derselben Treue zu der großen heiligen Sache, der er sein ganzes Leben gewidmet hat.
So wird er zum Fahnenträger der vielen Zehntausende, die gesinnt sind wie er und die jetzt was er getan hat, die vielen Zehntausende, die wieder jeden Tag bereit sind dasselbe zu tun, alle aufzuspüren feine geheime Staatspolizei findig genug und die alle aufzunehmen kein Konzentrationslager groß genug ist!
Es kann heute offen ausgesprochen werden: Der Prozeß fiel in eine Zeit, in der die