Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

BRSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XN., BOCHOWA 2. TELEFON 53677. ADMINISTRATION TESEPORT 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM MIESSER. VERA CHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Mittwoch, 4. Juli 1934

der

Nr. 154

Das Triumphirat mordet weiter Bartholomäusnacht

beispiellofe Geschehen der letzten Tage?

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Mit kameradschaftlichen" Grüßen hat Hin­ denburg , der 1932 bei dem hochberräterischen

Durch die ganze Welt geht nach wie vor so hilft also der Bapen mit, den Schleier, der festum genehmigt hat und daß ganz Deutschland Anschlag Papens gegen die preußische Verfaſſung das große Fragezeichen Deutschland . Wer alles über die politischen Hintergründe des Geschehens in Ruhe und Ordnung hinter dem Führer" steht, ift unter den Ermordeten? Was ist neuerdings in Deutschland liegt, noch zu verbichten; dann bebrohen fie neuerdings mit bratonischen Strafen noch nicht so weit war, mit hochentwickeltem Sinn dort passiert? Wie reagiert die Nation auf das hat er sich dazu breitschlagen laffen, an der Fit- ieben, der den Mund aufzumachen wagen sollte. für die braune Verfassung an Hitler und Goe tion mitzuarbeiten, daß Hitler , Goering und Alles ist begeistert earing tiefempfundenste" Dankschreiben für ihre Keine dieser Fragen läßt sich auch nur an- Goebbels nicht nur nach unten, sondern auch ge- nicht ist, wird erfchoffen! Energie bei der Niederschlagung des Hochver­nähernd beantworten. Die wenigen offiziellen gen rechts diftieren wollen. Aber es besteht kein Run benn, fein Mensch glaubt, daß sie mit ratsversuches" gerichtet. In allen amtlichen Meldungen, die das Blutregime durchläßt, werden, Zweifel darüber, daß den deutschen Despoten je dem Revolver in der zitternden Hand ein ganz Kommuniqués wird versichert, Hitler sei voll. wie in Deutschland so überall, mit jeder Stunde länger desto mehr um ihre Gotlähnlichkeit bange ses Bolt auf die Dauer werden in Schach kommen Herr der Lage und bei der ganzen deut­als immer unzulänglicher empfunden. Mit einer zu werden beginnt. Im selben Atem, da fic ver- halten können. Die Stunde der Abrech= schen Bevölkerung, deren Sympathie für das Konfequenz, die der ersten Ankündigung ins Ge- fichern, daß das Kabinett ihre Muttaten poft nung rückt unanfhaltfam näher! braune System offenbar mit der Zahl der erschos­ficht schlägt und bei der alles mögliche Furchtbare als denkbar erscheint, läßt das Hakenkreuz- Trium­virat Hitler- Goering- Goebbels auch jetzt noch kein Wort über den Umfang des Mordens verlauten, bestätigt keine einzige der Hinrichtungs"-Mel­dungen, die fich inoffiziell an die amtliche Nach­richt von den Füfilierungen am Samstag reih­ten, geschweige denn, daß der leiseste Bersuch ge= macht würde, die Ermordung Schleichers, feiner Frau, und all der anderen zu begründen, beren Namen in den letzten Tagen in den von der Auslandspreffe veröffentlichten Totenliften au finden waren. Nur der Mord an Killinger wirb dementiert. Aber wie soll man diesem Dementi glauben? Und was besagt es neben den neuen Breffemeldungen von der Juftifizierung" des

Von Papen Vizekanzler Deutschlands demissioniert

bayrischen

Gesetzliche Rechtfertigung

des Gemetzels

Massenmord ein Akt

der Staatsnetwehr

fenen Naziführer steigt, sei die Zufriedenheit mit Siller seit der Nacht auf Samstag noch gewach fen. Wer sein Weltbild zurechtfrisiert aus der Goebbelschen Propagandazentrale bezicht, wird danach alles in Ordnung und auf dem besten Wege befinden.

Daß Hitler eine ganze Serie feiner lang­jährigen Freunde und Mitarbeiter ohne auch nur den Schein eines gerichtlichen Verfahrens ab.

SA - Stabschef nicht mehr Mitglied der Regierungen ließ, wird dennoch jene, die sich das

Berlin , 3. Juli. ( DNA) In der heutigen Sigung des Reichskabinetts gab Reichs. tanzler Adolf Hitler zunächst eine ausführliche Darstellung über die Entstehung des hoch. verräterischen Anschlages und seine Rieberwerfung. Er betonte, daß ein blitschnelles Han­deln notwendig war, weil andernfalls die Gefahr bestand, daß viele Tausende von Menschen­leben vernichtet worben wären. Reichswehrminister Generaloberst von Blomberg, bankte" bem Führer im Namen des Reichsfabinets and her Wehrmacht für sein entschloffenes und mutiges Handeln, durch das er das deutsche Bell ver dem Bürgerkrieg bewahrt habe. Der Führer habe sich als Staatsmann nab Solbat von einer Größe gezeigt, die bei den Kabi­nettsmitgliedern und im ganzen deutschen Bolt das Gelöbnis für Leistung, Hingabe und Trene in dieser schweren Stunde in allen Herzen wachgerufen habe.

Das Reichskabinett genehmigte fobann ein Gefek über Maßnahmen der Staatsnotwehr, def­fen einziger Artikel lautet:

"

Die zur Niederschlagung hoch- und landes­verräterischer Angriffe am 30. Juni unb em 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen find als Staatsnotwehr rechtens." d

Der Reichsjustizminister Dr. Gürtner er flärte hiezu, daß die vor dem unmittelbaren Aus­bruch einer landesverräterischen Aktion ergriffe­nen Notwehrmaßnahmen nicht nur als Recht, son­dern auch als staatsmännische Pflicht au gelten haben.

Das Reichskabinett beschloß ferner ein Hen­derungsgefeß zum Gesch zur Sicherung der Ein­heit von Partei und Staat, wonach der Stabs­chef der SA nicht mehr Mitglied der Reichsregic­rung sein muß.

Auch der 72jährige Kahr ermordet

Aus Berlin wird gemeldet, daß fich unter

Tage umgebracht.

Das

nicht völlig abgewöhnt haben, nachdenk­lich stimmen. Ganz allgemein wird berichtet, die hingerichteten Führer, denen jetzt auf einmal schändlichster Mißbrauch ihrer Machtstellung und schmierigste Verkommenheit vorgeworfen wird, hätten eine Verschwörung angezettelt und Schlei­cher wäre dabei mit ihnen im Bunde gestanden. Die Vorgänge, die der von Hitler persönlich ge­leiteten Bartholomäusnacht vorangingen, werden reichlich in Dunkelheit gehalten, über den Grad der persönlichen Verschuldung der Hingerichteten so gut wie nichts gesagt. Nur nach und nach wird die Zahl der Opfer der blutigen Nacht verraten, zuerst wurde die Erschießung von sieben SA­Führern zugegeben, jest spricht man von 17 und von 200 Verhaftungen.

So groß die Untlarheit ist, in der die Def­fentlichkeit gehalten wird, kann man doch un­schwer, sieht man die Nöte, in denen das Hitler­Regime stedt, gewisse Hintergründe dieser letten Geschehnisse erkennen. Es liegt im Wesen der Diftatur, daß sie in der Richtung immer drako­rischerer Maßnahmen gegen die von ihr Be­herrschten verläuft. Dabei kann sie, will sie sich behaupten, einer Massenbasis in der Bevölkerung nicht entbehren. Ungleich rascher als in Italien ,. dessen fascistische Machthaber insoferne im Vor. teil waren, als der Zeitpunkt ihres Machtantrit­tes in eine Periode der aufsteigenden Konjunk. fur fiel, hat der Ernüchterungsprozeß großer Teile der Bevölferung in Deutschland eingesetzt. Selbst aus den geschminkten Berichten der Ar­beitslosen- Anstalt ist zu ersehen, daß Sitlers ,, Ar­beitsschlacht" verloren ist. Das vielverheißende

"

Herrn von Kahr, des bekannten Boltsparteiführers, oder des ehemaligen Mini fters Treviranus? Es ist charakteristisch für das Deutschland der Mörder, daß teine Mel­Gregor Strasser dung unwahrscheinlich genug wäre, um nicht ge- den Opfern des dreitägigen grausamen Schlachtens glaubt zu werden, maratteristisch, daß gestern in auch der frühere bayrische Generalstaatskommiffär ehemaliger Sekretär der Nationalsozialistischen Hitler - Regime hat als Ergebnis eine noch größere Bras( und sicher auch anderorts) Meldungen und Gustav von Kahr befindet. Rahr hat 1923 den Partei und seinerzeitiger engster Mitarbeiter Gerüchte über b I ut ige Unruhen in Bres- Hitlerputsch zum Scheitern gebracht und war auch Hitlers , wurde so wie Dutzende anderer dieser Berelendung der geknechteten Massen, eine ge­Regierung Hitler­steigerte Not der Bauern und eine wachsende Un­lau, über turbulente Ereignisse in nach der Etablierung der Berlin , ja selbst über ein Attentat gelen Reichsgewalt. Dies war den Bluthunden um find. Berstärkte Polizeiwachen find an wichtigen Massen vorschwebt, ist ein noch düstereres. Hat ficherheit der Lage des städtischen Mittelstandes. Goering einer der grimmigften Gegner der zentra- Das nächste Zukunftsbild, das den verelendeten gen Sitler zirkulierten. Weil so, wie gestern dic ,, Times" schrieben, eines der größen Blät. Hitler nicht unbekannt und sie scheuten sich nicht, an dem Greise tödlich Rache zu nehmen. Auch der Drten der Stadt verteilt. Zum Schutze der Re­doch Goebbels den noch in Arbeit stehenden vier ter der ganzen Welt,.. ,, Deutschland auf­gierungspersönlichkeiten find nußerordentliche frühere Reichsminister Treviranus foll Millionen angekündigt, es sei durchaus sozial gehört hat, cin modernes curs Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. päisches Land zu fein", da es zu mittel- von den Meuchelmördern umgebracht worden fein, Berbot der Diskussion der Ereignisse der lekten richtig", daß sie sich in Sinkunft mit noch niedri­alterlichen Formen" zurückgekehrt ift", sibt es ebenso wie der Oberst M üldner, der Adjutant des Ex- Kronprinzen. In der Lichterfelder Kabet: Tage dauert an; es find zahlreiche Fälle bekannt, geren Löhnen werden begnügen müssen. Begreif­eigentlich feine Meldung, kein Gerücht mehr, das in denen Berfonen, die in Restaurants die Silich, daß Arbeiter, Bauern und städtischer Mit­als unglaublich zurückgewiesen werden könnte. tenanstalt wurde Montag nachts ununterbrochen Mund sech zig von denen gemordet, die gefchoffen und in den umliegenden Gebäuden. tuation miteinander beſprachen, verhaftet wurden. telstand, die ihre schwere Bedrängnis mit dem Schlemmerleben der Nazi- Emporkömmlinge ver­Amtliches Schweigen bor wenigen Tagen noch als die Blüte der Na- deren Bewohner durch die Schüffe wach gehalten gleichen, von Erbitterung befallen, zumindest im Gemetel stattfand. Hitler und Goering , bak jeder Mensch diese Zahl Weiters wurde Oberft von Bredow, ein gerichteten ist bisher noch nicht veröffentlicht wor- listischer Beglückung schwer erschüttert werden als noch zu niedrig gegriffen ansehen wird! Und damit der Spott zum Entfehen nicht fehle, melbet Freund und Mitarbeiter Schleichers, nieber den. Die amtlichen Stellen bewahren auch weiter müffen. Die Staatsfinanzen sind zerrüttet, das Berlin , daß Herr Goering nun auch zum gemacht und mit ihm der Bertrauensmann hin vollständiges Stillschweigen darüber, wann Gespenst einer Inflation droht nicht mehr, es die Veröffentlichung erfolgen wird und lehnen so- streckt bereits seine gierigen Krallen nad) den folche Veröffentlichung überhaupt erfolgen werde. maſſen aus, indeſſen frißt sich die Korruption tief hält anar die Beantwortung der Frage ab, ob eine ohnehin unter schwerster Not leidenden Volks. Jagd aut neue Opler Berlin , 3. Juli. Der Polizeibericht meldet,

tion hingestellt wurden? Es ist bezeichnend für wurben, war man überzeugt, daß ein graufames Berlin , 3. Juli. Das Verzeichnis der Hin- Glauben an das versprochene Heil nationalfozia­

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Reisiägermeister ernannt worden ist. Der Reichsmenschenjägermeister darf fich also zum Lohn für das Gemekel eine neue Uniform zulegen.

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Bapens, Edgar Jung .

Säuberungsaktion

in den staatlichen Apparat hinein. Es scheint höchst an der Zeit gewesen zu sein, daß irgend etwas geschehe, um die Ent.

Berlin , 3. Juli. Die verschärften Maß­nahmen, welche in Berbindung mit der Säu­Derfelbe Goering wird aber vielleicht berungsaktion" durchgeführt wurden, dauern bis­fchon heute, wenn den diesbezüglichen Meldungen her an. Die Berliner Gaffen durchfahren auch in an trauen ist, Biz etansler des Deutschen den Nachtstunden Lastautomobile, die mit Mit- daß nach dem Adjutanten des erschossenen Stäuschten und Unzufriedenen zu beruhigen, die Reiches sein. Herr von Baben wird angeblich gliedern der Schusstaffeln( SS .) in schwarzer Führers Heines Schmidt, der aus Breslau ge­demiffionieren. Wenn das wahr ist. Uniform und mit Karabinern ausgerüfttet, befeht flohen ist, gefahndet wird.

Bühlmäuse", von denen Goebbels sprach abzu­hin und freie Hand bei den Maßnahmen zu schaf­