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Ir. 101. 16. Jahrgang. 1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonntag, 30. April 1899.

An die Gewerkschaften und Arbeiter Berlins !

Genossen! Der 1. Mai, der Weltfeiertag der klassenbewußten arbeitenden Bevölkerung aller Kulturländer, steht bevor und wird von den Arbeitern, welche die Aufgaben der Arbeiterklasse begriffen haben, allerorts in imposanter Weise gefeiert werden. Die Zahl derer, die den Gedanken der Verbrüderung des arbeitenden und leidenden Proletariats, sowie der Anbahnung des allgemeinen Weltfriedens durch Arbeitsruhe zum Ausdruck bringen werden, hat sich auch in diesem Jahre allgemein bedeutend vermehrt, und auch die Berliner Gewerkschaften haben durch Versammlungsbeschlüsse bekundet, daß sie am 1. Mai zum großen Teil Arbeitsruhe eintreten lassen werden, um so mehr, da der, wenn auch vielleicht mur vorübergehend sich fühlbar machende wirtschaftliche Aufschwung diese Absicht begünstigt. Trotz des denunziatorischen Verhaltens der Unternehmerpresse und des Unternehmertums in größerem Umfange denn je wird sich die Berliner Arbeiterschaft in ihrem Bestreben, den 1. Mai in gewohnter würdiger Weise festlich zu begehen, nicht beirren lassen, und zwar wird sie ihn, wo irgend möglich, durch Arbeitsruhe feiern! Wir bringen noch die Resolution in Erinnerung, die hierüber in der öffentlichen Versammlung der Berliner Gewerkschafts- Kommission einstimmig von sämtlichen Gewerkschafts- Delegierten angenommen wurde. Dieselbe lautet: Gemäß den Beschlüssen der internationalen Arbeiterkongresse in Paris , Brüssel, Zürich , London und des Parteitages in Stuttgart vom Jahre 1898 empfiehlt die Gewerkschafts­Kommission den Berliner Gewerkschaften, den 1. Mai insgesamt als Demonstration für die Klassenforderungen des Proletariats zu feiern. Als würdigste Form der Feier betrachtet die Versammlung die Arbeitsruhe; sie empfiehtt daher denjenigen Gewerkschaften, die neben anderen Kundgebungen den 1. Mai durch Arbeitsruhe feiern können, an diesem Tage die Arbeit ruhen zu lassen."

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Genossen: Seht dielen Belthluk in die That um!

Es ist wohl kaum erforderlich, noch besonders zu betonen, daß die Berliner Arbeiter die von den Gewerkschaften einberufenen Vormittags- Versammlungen besuchen. Das Unternehmertum hat, ohne sich zu schädigen, seine Betriebe bei verschiedenen Gelegenheiten ein, auch zwei Tage stillstehen lassen, außerdem dabei größtenteils den Arbeitern diese ihnen aufgezwungenen Feiertage nicht entschädigt. Es fällt also der Einwand der Unternehmer, daß durch ein eintägiges Ruhenlassen der Arbeit ohne Bezahlung sie geschädigt würden; es ist daher Sache des Proletariats und der Arbeit, aus eigenem Herzenstriebe den 1. Mai durch Arbeitsruhe zu feiern. Die Berliner Gewerkschafts- Kommiffion.

Der Ausschuß der Berliner Gewerkschaftskommission empfiehlt den am 1. Mai vormittags tagenden Versammlungen folgende Resolution vorzuschlagen: Die heute versammelten Arbeiter und Arbeiterinnen erklären, daß sie gewillt sind,| Organisationen zusammenschließt. Das Rundschreiben des Grafen Posadowsky, die angekündigte mit aller Energie für die in der Maifeier zum Ausdruck kommenden Forderungen, für den Buchthausvorlage und das Löbtauer Urteil fennzeichnen den heutigen socialpolitischen Kurs. Achtstundentag, die internationale Solidarität und den Völkerfrieden, einzutreten. Die Arbeiterklasse wird, unbeirrt durch die Maßnahmen ihrer Feinde, unermüdlich vertrauend

" Daraus, daß auch die Gegner der Socialdemokratie ihren Beifall laut und in geräuschvoller Weise kundgegeben haben, folgt nicht Straflosigkeit der Angeklagten, sondern nur, daß unter Ume ständen vielleicht eine Strafverfolgung der Gegenpartei hätte in Frage gelangen können."

Vor allem wird die Arbeiterschaft bereit sein, ihre ganze Straft für Reformen auf auf ihre eigene Straft, am Aufbau besserer Zustände für die Arbeiterschaft thätig sein, und sie wirtschaftlichem Gebiet, besonders für die Einführung eines ausreichenden wirksamen Arbeiter- wird sich ferner mit Entschiedenheit dagegen wenden, daß man sie in ihren Rechten gegen schutzes einzusetzen. Die Versammlung erhebt Protest gegenüber den Bestrebungen jener die besigende Klasse herabsetzt. reaktionären Elemente, die das Vereins- und Versammlungsrecht der Arbeiterklasse beschränken Diese Ziele zu erreichen, zur Abwehr gerüstet zu sein, hierfür mit aller Energie und das Koalitionsrecht entreißen wollen. Die Unterdrückungsmaßregeln und Organisations - einzutreten, verpflichten sich alle Anwesenden. bestrebungen des Unternehmertums gegen die Arbeiter führen uns zur Genüge zum Bewußtsein, Die Versammelten richten brüderliche Grüße an die zur Bekundung der Solidarität wie notwendig es ist, daß die Arbeiterklasse sich ebenfalls zu festen, alle Arbeiter umfassenden heute am 1. Mai versammelten Arbeiter der ganzen Welt. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Ich habe folgenden Beweis: Socialdemokraten wegen Unfugs verurteilt, weil sie in einer Ver­Am Dienstag früh erscheint des Maifestes antrag zu stellen: Die inkriminierte Stelle jagt von dem tgl. fammlung laut ihr Mißfallen geäußert hatten. Es heißt da: sächsischen Ober- Landesgericht, daß es oft ohne Umschweife die An­wegen keine Nummer. Die nächste Nummer des gehörigen der Arbeiterpartei als minderen Rechtes erklärt hat, Im folgenden soll der Beweis ,, Vorwärts" wird Dienstagnachmittag benn andere Staatsbürger. geführt werden, daß diese Behauptung nicht zu viel ausgegeben und den Abonnenten durch die fagt. Die Auffassung des D.-L.-G. in Dresden tritt in einer Spediteure zugestellt werden. ganzen Reihe von Urteilen hervor. Zunächst wird man alle die Die allgemeine Auffassung geht dahin, daß an Orten, wo über­Fälle dahin rechnen müssen, wo eine Handlung, die an sich und von haupt Bezeugungen der Kritik über das Gesprochene, Aeußerungen des Angehörigen anderer Parteien begangen, nicht als strafbar oder ver- Robes oder des Tadels üblich sind, man nicht bloß Beifall geben, werflich angesehen wird, vom Ober- Landesgericht lediglich deshalb fondern auch sein Mißfallen zu erkennen geben darf. Diese Auffassung gemißbilligt wird, weil sie von Socialdemokraten oder im Interesse entspricht schon dem natürlichen Wahrheits- und der Socialdemokratie begangen worden ist. Zunächst gilt dies von Gerechtigkeitsgefühl, weil ohne sie jede Kritik wertlos einigen Urteilen, welche Sammlungen zu socialdemo- wäre. Das fönigliche Ober- Landesgericht dagegen hält die Mißfallens­fratischen Zweden betreffen. Die Stadthauptmannschaft zu bezeugungen, die von Socialdemokraten ausgingen, ohne weiteres für Rochliz hatte die Veranstaltung öffentlicher Geldsammlungen ohne strafbar, wogegen es bei den ebenso lärmenden und geräuschvollen polizeiliche Genehmigung unter Strafandrohung verboten und es Beifalls bezeugungen der Gegner nur die Möglichkeit zugesteht, daß wurde daraufhin eine Strafverfolgung gegen einen Mann vervielleicht, unter besonderen Umständen, eine strafbare Handlung fügt, der zu socialdemokratischen Zwecken eine Sammlung ver- darin läge. anstaltet hatte. In dem Urteil des Ober- Landesgerichts vom In ähnlicher Weise wendet sich das königliche Ober- Landesgericht 18. Januar 1892, Annalen Band 13 S. 115, wird hervorgehoben, daß noch in einigen Urteilen, welche die Verbreitung von Wahlflug­es an sich nicht gelingen dürfte, die Unzulässigkeit von polizeilich nicht blättern betreffen, gegen die Socialdemokratie. Be genehmigten öffentlichen Sammlungen aus der bestehenden Gesez kanntlich darf während der Wahlzeit die Verbreitung von die Wahl gebung herzuleiten. Demnach wird der Amtshauptmannschaft das betreffenden Druckschriften nicht von einer Genehmigung abhängig Recht zugesprochen, im Interesse der öffentlichen Ordnung solche gemacht werden. Das königl. Ober- Landesgericht erklärte trotzdem in Sammlungen von einer Genehmigung abhängig zu machen und das einigen Entscheidungen die Verbreitung socialdemokratischer Flug­Vorliegen eines Interesses der öffentlichen Ordnung wird folgender- blätter, auch solcher, deren Inhalt gegen kein einziges Strafgese maßen begründet: verstößt, für strafbar, als groben Unfug, indem es dabei auf die Umstände der Verbreitung zurüdgreift. Es heißt in den Annalen, Band 15, S. 119:

Who

Der Arbeitsmann.

Wir haben ein Bett, wir haben ein Kind, mein Weib,

Wir haben auch Arbeit, und gar zu ziveit, und haben die Sonne und Regen und Wind und uns fehlt nur eine Kleinigkeit, um so frei zu sein, wie die Vögel find: nur Zeit.

Wenn wir Sonntags durch die Felder geh'n. mein Kind,

Und über den Achren weit und breit das blaue Schwalbenvolk blizen feh'n, o dann fehlt uns nicht das bißchen Kleid. um so schön zu sein, wie die Vögel sind: nur Zeit.

Nur Zeit! wir wittern Gewitterwind, wir Volk.

Nur eine fleine Ewigkeit;

uns fehlt ja nichts, mein Weib, mein Kind, als all das, was durch uns gedeiht, um froh zu sein, wie die Vögel sind. Nur Zeit!

Richard Dehmel .

Nachspiel zum Löbtauer Prozeß.

Die polizeiliche Gewalt umfaßt sowohl die Wohlfahrt als die Sicherheit der Bürger, ihre Aufgabe beruht nach beiden Richtungen hauptsächlich in einer vorbeugenden Thätigkeit, welche darauf aus geht, unerlaubte und ungefeßliche Handlungen zu verhüten. Der Begriff der öffentlichen Ordnung kann daher nicht auf die Abwehr äußerlicher Ungebührnisse beschränkt werden. Jedenfalls umfaßt derselbe den Bestand der im§ 3 der Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen gewährleisteten monarchischen Regierungsform, auf deren Untergrabung notorisch die Bestrebungen der Social­demokratie gerichtet sind. Auch im vorliegenden Falle handelt es fich, wie ausdrücklich festgestellt wurde, um eine Geldsammlung, welche zur Verfolgung von socialdemokratischen Parteizweden ver anstaltet wurde. Es ist daher auf den unbefugten Veranstalter derselben die eingangs erwähnte Polizeiverordnung mit Recht angewandt worden."

Vor der vierten Straffammer des Landgerichts I hatte sich gestern der verantwortliche Redacteur unseres Blattes, August Jacobey, wegen Beleidigung des fönigl. Ober­Landesgerichts Dresden zu verantworten. Inkriminiert war die Stelle eines Leitartikels des Vorwärts" vom 5. Februar dieses Jahres, der sich unter der Ueberschrift: 53 Jahre Zucht- Hier ist deutlich hervorgehoben, daß das Gericht jede social­haus" mit dem Löbtauer Landfriedensbruch beschäftigte. In diesem demokratische Bestrebung, auch wenn sie sich nicht in Form äußerer Artikel wurde ausgeführt, daß Sachsen der klassische Boden des Klaffen- Ungebührnisse, d. h. also Gesezwidrigkeiten, vollzieht, als gegen die kampfes zwischen dem Proletariat und der Reaktion ist und daß öffentliche Ordnung verstoßend ansteht. Der letzte Satz des citierten dort die herrschende Klasse ein Regiment führt, in dem Brutalität Urteils läßt den Schluß zu, daß das Urteil anders ausgefallen wäre, und Tüde gekleidet in Formen der Verbindlichkeit und Höflichkeit, wenn es sich um die Anhänger einer anderen Partei gehandelt mit einander wetteiferten. Besonders inkriminiert ist eine Stelle des hätte. Wenigstens ist absolut nicht zu erkennen, welche Bedeutung Artikels, in der gesagt ist: Und wohlbekannt ist die Spruchpragis des die Argumentation aus der besonderen Ordnungswidrigkeit der höchsten sächsischen Gerichtshofes, der oft ohne Umschweise die An- Socialdemokratie haben sollte, wenn das D.-L.-G. allgemein das gehörigen der Arbeiterpartei als minderen Rechtes erklärt hat Verbot ungenehmigter Sammlungen für zulässig angesehen hatte. Denn andere Staatsbürger." In einem ähnlichen Falle( Urteil vom 15. Oktober 1891 Annalen Band 13 S. 17 ff.) heißt es folgendermaßen:

Den Vorsiz in der Verhandlung führte Landgerichtsdirektor Denso. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Blaschke, die Ver­teidigung führte Rechtsanwalt Wolfgang Heine .

Der Angeklagte giebt zu, die infriminierte Nummer des Vor­wärts verantwortlich gezeichnet zu haben, lehnt indessen ab, auf die Frage des Vorsitzenden, wer den Artikel geschrieben oder ob er ihn selbst verfaßt habe, Auskunft zu erteilen. Der Angeklagte bestreitet ferner, daß die Richter des Oberlandesgerichts Dresden beleidigt sein, in dem Artikel werde den Richtern nicht der Vorwurf gemacht, daß sie das Recht gebeugt hätten. Aber es sei notorische Thatsache, daß in Sachsen die Angehörigen der Arbeiterklasse in einer Weise von den dortigen Gerichten abgeurteilt werden, wie es so hart nirgend anders der Fall ist. Die Tendenz des Artikels richte sich fast ausschließlich gegen die politischen Zustände in Sachsen , und was die auf das fönigliche Oberlandesgericht in Dresden angewendete Bemerkung in dem fraglichen Artikel anfange, so berufe er sich auf die in einem Schriftfaze seines Verteidigers erwähnten Urteile, wodurch er den Beweis zu erbringen hoffe, daß speciell in dieser inkriminierten Stelle nichts gesagt werde, was über den Rahmen einer berechtigten Kritik hinausgehe.

Der Vorsitzende läßt nun zunächst den inkriminierten Leiartikel sowie auch einen zweiten Artikel derselben Nummer des Vorwärts", der eine Darstellung des Thatbestandes über den Löbtauer Land­friedensbruch- Prozeß giebt, zur Verlesung bringen.

Der Staatsanwalt legt Verwahrung dagegen ein, daß das Löbe tauer Urteil mit in die Beweisaufnahme hineingezogen werde, es handle sich hier nur um Urteile des Ober- Landesgerichts, während das Löbtauer Urteil ja ein solches des Schwurgerichts ist.

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" Indem die Angeklagten, eine größere Anzahl von Flugblättern frei und sichtlich auf den Armen tragend, so daß die Thätigkeit des Verbreitens auch auf öffentlicher Straße wahrnehmbar wurde, zum Zweck der Verteilung unberufen in die Häuser und die Wohnungen der Bewohner Oberfrohnas ohne Rücksicht auf die politische Gesinnung des einzelnen eindrangen und die Flugblätter, unbekümmert, ob der einzelne danach Verlangen trug oder nicht in die Wohnungen einlegten, störten sie den öffent lichen und häuslichen Frieden und belästigten die Bewohner einer ganzen Ortschaft in auf= dringlicher Darlegung des Parteistandpunties der Socialdemokratie und ihrer politischen, auf Umfturg bestehenden Gesellschaftsordnung gerichteten Ziele und gefährdeten zugleich die Freiheit der politischen Ueberzeugung Andersdenkender."

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Es ist notorisch, daß das, was hier den Angeklagten zur Last gelegt wird, von den Angehörigen aller Parteien au politischen und von Geschäftsleuten zu Erwerbszweden regel­mäßig und täglich geschieht. Es lag in der Handlungsweise der Angeklagten kein Hausfriedensbruch, in dem Inhalt der Flug­blätter nicht der Thatbestand irgend einer strafbaren Handlung, lediglich der Umstand, daß die Angeklagten den Parteistandpunkt der Socialdemokratie zu verbreiten bemüht waren, wird als Grund ihrer Strafbarkeit angesehen.

Ebenso wird in einem Urteil vom 15. Mai 1893 Band 14 S. 416 Es kann auch nicht behauptet werden, daß nach Ablauf der der Annalen nicht der Inhalt des fraglichen Flugblattes als gegen Gültigkeitsdauer des Gesezes gegen die gemeingefährlichen Bes§ 360 des Strafgesetzbuches verstoßend bezeichnet, sondern es wird strebungen der Socialdemokratie vom 31. Oktober 1878 sogenannte zur Begründung der Strafbarkeit darauf Wert gelegt, daß die An Tellersammlungen oder in anderer Form veranstaltete öffentliche geklagten, um ihre Flugblätter an den Mann zu bringen, mit Geldsammlungen zu Gunsten der socialdemokratischen Partei nun- Kenntnis von deren Inhalt und Zweck, als zur Vertretung focial­mehr erlaubt seien. Durch den Ablauf des genannten Gesetzes ist demokratischer Lehren und Anschauungen bestimmt, unberufen mur jene bindende Anweisung weggefallen. Dagegen ist die in die Häuser eindrangen. Dieses Urteil geht sogar noch Polizeibehörde auch jetzt noch berechtigt, aus eigener Entweiter als das vorhin citierte, insofern es selbst in der Ver schließung Geldsammlungen zu socialdemokratischen Zwecken breitung solcher Blätter auf der Straße, wo doch zu verhindern, zu diesem Ende das Erfordernis polizeilicher von einem Eingreifen in irgend welche Privatrechte gar nicht die Genehmigung zur Veranstaltung öffentlicher Geldsammlungen Rede sein kann, eine Rechtswidrigkeit erblickt. Diese beiden Entscheidungen sind die Grundlage einer hinzustellen und unter Umständen, welche darauf hinweisen, daß die Sammlung nur zur Förderung socialdemokratischer Zwecke ganzen Reihe anderer Urteile gewesen, die mit ihnen wörtlich über­dienen soll, die Genehmigung zur Vornahme der Sammlung zu einstimmen und haben es im Königreich Sachsen dahin gebracht, daß bersagen. Deshalb kann auch ein durch die Tagespresse ver- die Bestimmung des§ 43 der Gewerbe- Ordnung über breiteter öffentlicher, wenn auch nur an die Genossen gerichteter die Verbreitung von Wahlflugblättern für Socialdemokraten Aufruf, für socialdemokratische Zwecke Geld beizusteuern, nicht als geradezu außer Kraft gesezt ist. eine harmlose Handlung angesehen werden, welche den Bestand Noch andere Urteile sind in diesem Schriftsatz angeführt. So der öffentlichen Ordnung nicht gefährdet, denn obschon solchenfalls wird in einem eine Belästigung des Publikums darin gesehen, daß durch die Art und Weise der Sammlung die öffentliche Ordnung das socialdemokratische Flugblatt mit einem Hoch auf die Social­nicht gestört wird, so fällt doch bei der Beurteilung ihrer Statt- demokratie schließt. haftigkeit aus dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses der gemeingefährliche 8wed der Sammlung in die

Wagschale."

In dem letzten Absatz kommt ebenfalls der Standpunkt des Ober- Landesgerichts deutlich zum Ausdruck, daß auch eine Sammlung, die an sich die öffentliche Ordnung nicht stört, lediglich deswegen als Eine Frage des Vorsitzenden Landgerichtsdirektor Denso, ob der gefährlich für den Bestand der öffentlichen Ordnung, ja als gemein­Angeklagte von der Spruchpraris" des Dresdener Ober- Landes- fährlich bezeichnet wird, weil sie socialdemokratischen Zwecken dienen gerichts Kenntnis gehabt habe an dem Tage, als der Vorwärts" soll. Das ist ein Standpunkt, der Socialdemokraten lediglich den Artikel brachte, beantwortet der Angeschuldigte dahin, daß der deshalb, weil sie Socialdemokraten sind, als minder Vorwärts" wiederholt Urteile des Dresdener Ober- Landesgerichts, rechtig behandelt wie andere Leute. fowie anderer fächsischen Gerichte besprochen und tritifiert habe. Es Der Unterschied in der Behandlung der Socialdemokratie anderen fonnte ihm also nicht entgehen, daß man in Sachsen mit auffallender Parteien gegenüber tritt unter anderem auch hervor in einem Strenge gegen die Angehörigen der Arbeiterklasje einschreitet. Band 5, Seite 229 der Annalen abgedruckten Urteil. Da werden

bom

Es ist bei jeder Partei üblich, daß sie sich bei bestimmten Ges legenheiten mit äußeren Abzeichen ihrer Gesinnung schmückt. Die Socialdemokratie thut es bekanntlich durch rote Symbole. Jm Urteil des königl. sächsischen Ober- Landesgerichts 17. Oktober 1895 Annalen Band 17 Seite 230 heißt es von rot bedruckten Schleifen, die bei einer Beerdigung an Kränzen getragen wurden mit Rücksicht auf die Farbe und dem schon aus den Zu­schriften deutlich erkennbaren Umstand, daß die Kränze von Genossen der socialdemokratischen Partei bei dem Begräbnisse eines Partei­genossen gespendet und öffentlich getragen worden seien, stellten sich die Schleifen als äußere Abzeichen dar, welche noch allgemein vers breiteter sowie von dem Angeklagten geteilter Ansicht geeignet und von den letzteren dazu bestimmt gewesen seien, deren Zugehörigkeit zur socialdemokratischen Partei und somit auch die von ihnen ge­