Nr. 232
Donnerstag, 4. Oktober 1834
Geile 3
Von südctcndcutschcr Schmach Das blut- und sdimutztrlcfendc Hakenkreuz Drei Berichte liegen vor, die auch den unentwegten sudetendeutsche» Anbetern Hitlers zu denken geben müßten. Tie sind eine neue Rechtfertigung unseres unerbittlichen Kampfe­gegen die Hakenkreuzpest.
Eine schuftige Denunziation In Marienbad   wurde unlängst der Chauffeur Sternkopf unter dem Verdachte der Mittäterschaft an der Ermordung Professor Lessings verhaftet. Er hat sich durch Geld- ausgaben verdächtig gemacht und ist bereits iiber- wiesen, im Dienste der Hakenkreuzler verschiedene Reisen nach Deutschland   und Oesterreich   unter» nommen zu haben. Die Untersuchung ist noch im Gange. Aus Marienbad   wird vorläufig gemeldet, sternkopf habe bereits eingestanden, daß er Spitzeldienste gegen reichsdeutsche, ins» besondere jüdische Kurgäste geleistet und eine Reihe von ihnen den Behörden des Dritten Reiches   denunziert hat. Einige dieser Bedauerns­werten sind nach ihrer Heimkehr in Deutschland  verhaftet oder sogar in die Konzentra­tionslager eingeliefert worden. Was das für die Betroffenen bedeutet, darüber sagen die von uns kürzlich veröffentlichten Details aus dem KonzentrationSlager-Buch des Graphia-Verlages Näheres aus. Dieser Bursche hat also sür entsprechende Ent. lohnung harmlose Menschen, die bei unS Er­holung suchten, geradezu dem Henker aus- geliefert. Man kann sich vorstellen, was daS für den aus­ländischen Ruf unserer schwerringenden west­böhmischen Kurorte bedeutet. Der Fall Sternkopf ist ein neuer Beweis da­für, daß es im sudetendeutschen   Gebiete von gekauften Nazispitzeln wimmelt, die sich als Zutreiber der braunen Folterknechte betätigen. Wepn wir dieses schändliche Treiben bekämpfen, schreit eine moralisch versumpfte Schriftleiter- presie übermarxistisches Denunziantentum". Wird diese Presse auch nur ein Wort der Ver­urteilung gegen den geständigen Nazi-Denun­zianten Sternkopf finden? Dank für Hltlerbegeisterung wirtschaftliche Vernichtung
bezirken bedeutet, das wird die nah« Zukunft lehren. Hitler   führt damitWirt- schaftskrieg gegen die Sude­ tendeutschen  . Es wäre bald Zeit» daß unsere Hakenkreuzler endlich aus ihrem Delirium erwachen. Auf der Flucht In die Tschechoslowakei   erschossen? Dieser Tage wurde an der sächsisch-böhmi­schen Grenze ein schwerverletzter Mann mit einer
Schußwunde am Kopf gefunden. Den tschechoslo- wakischen Grenzbehörden wurde mitgeteilt, daß der Verletzte, der später im Freiburger Kranken­haus st a r b, der nach Saaz   zuständige tschecho­slowakische Staatsbürger Anton Wallitzer war, der seinerzeit in die SA eintrat und in der Nähe der Grenze Dienst versah. Die deutschen   Behörden behaupten, daß Wallitzer aus Heimweh und Furcht vor der Strafe, die ihn nach der Rückkehr er­wartete, Selbstmord verübt habe. Auffallend ist jedoch, daß Wallitzer in Zivilklei­dung war und daß der R e v o l v e r, mit welchen er sich angeschossen haben soll, nicht gefunden wurde. Diese Umstände sprechen eher dafür, daß Wallitzer in die Tschecho- slowakei   fliehen wollte^abei'jedoch fest­genommen und getötet wurde.
Weidmannshell I
»Bravo  , Papon   tadelloser Blattschuß l
Der Pollzcihommissar als Nazispion
Mit 1. Oktober hat die Reichsregierung die Freigrenze von 80 Mark für AuSreisende auf 10 Mark herabgesetzt. Darüber hinaus­gehende Beträge werden nur bewilligt, wenn die Dringlichkeit" der Reise durch die zuständige Polizeibehörde bestätigt, wird. So lautet dix, amt^ liche Meldung. In der Praxis wird aber wie wir von mehreren Seiten erfahren seit einigen Tagen jeglicher Geschäftsverkehr im Grenzgebiet von Deutschland   aus faktisch abgeschnürt. Dieser Geschäftsverkehr war vor dem be­rühmtenAufschwung" der deutschen   Wirtschaft unter Hitler   sehr rege. Biele Gastwirtschaften und Geschäftsläden im deutschböhmischen Grenzgebiete sind davon abhängig^ Millionen von Reichsmark sind früher aus diesem Wege jährlich herüber­geflossen. Seit 1. Oktober dürfen sich die Bürger des Dritten Reiches   in Böhmen   nicht einmal mehr ein Glas Bier kaufen. Dieser Entgang trifft nicht selten auf unserer Seite Gastwirte oder Geschäfts­leute, die als begeisterte Hitlerverehrer bekannt sind. Sie empfangen nun einen Lohn, den sie ge­wiß nicht erwartet haben. Was diese vollständige Grenzabsperrung an Verschärfung der Krise gerade in unseren Rand-
Ende der Geduld mit Henlein 1 Prävo Lidu" kommt in seiner Mittwoch- Ausgabe noch einmal auf die Sudetendeutsch« Heimatfront zu sprechen und stellt fest, daß di« Konferenzen der tschechischen Sozialdemokratie in Nordböhmen  , welche diesen Sonntag stattge« fünden haben, mit Dank die Kundgebung des Parteivorstandel, in der Maßnahmen gegen die Heimatfront verlangt wurden, zur Kenntnis genommen haben. Dar Blatt fährt dann fort: Wir möchten zu dem, was wir schon ange­führt haben, noch eine Bemerkung über den inne­ren autoritativen Charakter dieser unserer tatsäch-[ lich hakenkreuzlerischen Partei machen. Henleins Dekrete sind voll vom Cäsarismus. In der Hei­matfront ist das Führerprinzip noch sichtbarer als in der früheren Hakenkreuzlerpartei. Dort haben die Herren Krebs und Jung öfters Kongresse ver­anstaltet, auf denen ihre Helfer wenigstens formal ihre Meinung sagen konnten. Bis zum Verbot dieser Partei wurde auch der Vorstand der deut­ schen   Nationalsozialisten nach demokratischen Grundsätzen gewählt. Aber Henlein   macht dort, wo er glaubt unkontrolliert zu sein, der Demo­kratie nicht einmal ein formales Zugeständnis.! Alle seine Mithelfer sind einfach ernannt. Es ift kein Zufall, daß in diesem Gencralstab inSbeson-! d«re die Namen von Leuten glänzen, die auS der j Berschwörertätigkeit des aufgelösten Kamerad- schaftSbundeS bekannt sind. Darum ist auch nir­gends von irgendeiner demokratischen Diskussion in der Heimatfront zu hören. Wie soll unsere Oeffentlichkeit wissen, welches politische Denken die Heimatfront beherrscht, wenn dieses Geheim­nis im Inneren eines einzigen Führers verborgen ist, der davon nur so viel redet, all es seine tak­tischen Pläne nicht bedroht.
Cebelmdepeschen des Bundeskanzler­amtes nach Deutschland   weltergegebenl Wien  . Erst jetzt wird die bereits am letzten Donnerstag durchgeführte Verhaftung des Polizei­kommissärs Dr. Sonnleithner bekannt, die sich zu einer der unglaublichsten politische» Affären auswächst. Sonnleithner war nämsich in der Dechiffrie- rnngSabteilnng deS Bundeskanzleramtes beschäf­tigt. Es gingen also die vertraulichsten Depeschen durch seine Hand, die er brühwarm a n r e i ch S- deutscheNachrichtcn stellen weiter­gab. ES hat sich herausgestellt, dass er nahezu täglich selbst chiffrierte Briefe nach Deutschland  sandte und auch sonstige Verbindungen mit dem offiziellen reichsdeutschten Nachrichtendienst auf­recht erhielt. ES steht fest, daß zahlreiche Meldun­gen der deutschen Nachrichtenagentur über die Er­eignisse in Oesterreich von Sonnleithner, d. h. direktausdemBundeskanzleramt, stammen. Sonnleithner erschien schon seit längerer Zest verdächtig und stand deshalb unter Kontrolle. Bei einer Durchsuchung seine- Büros und seiner Privatwohnung fand man eine Menge be­lastenden Material-/darunter auch den Schlüssel zu seinen nach Deutschland   gerichteten Ehiffrebriefen. Mehrere Bankkonti, auf welche aus Deutschland   namhafte Geldbeträge einliefen, wur­den beschlagnahmt. Im Zusammenhang damit wurden noch vier weitere Personen verhaftet, näm­lich Sonnleithners Frau, seine Schwester, ein Kanzleibramter der Polizeidirektion und eine Bankbeamtin. Ferner wird gegen eine ganze Reihe von Freunden Sonnleithners eine Untersuchung geführt, die noch nicht abgeschlossen ist. Spannung Im Wiener   Regierungslager Hiezu erfahren wir, daß diese Verhaftung auf sehr interessante Ereignisse im Wiener   Re­gierungslager zurückgoht. In der amtlichen Meldung wird nämlich sorgfältig verschwiegen, daß dieser Herr Kommissär Dr. Sonnleithner als besonderer Vertrauensmann Feys in das Bundeskanzleramt kam, daß dieser Dr. Sonn­leithner durch eine schriftliche Anzeige am 28. Juli 1934 beschuldigt wurde, die V e r- bindungen zwischen Fey und den Nationalsozialisten hergestellt zu haben. Dieser Anzeige lag genaues Beweis- material bei, aus dem auch die Chiffern jener Geheimschrift, in der Sonnleithner nach dem jetzigen Bericht der Wiener   Blätter mit der Nazi­leitung in Salzburg   korrespondierte, aufgedeckt wurden.
Das alles hat aber nicht verhindern können, daß der Vertrauensmann Feys ungehindert seine Arbeit im Bundeskanzleramt   fortsetzen konnte. Und er könnte e§ gewiß auch noch in Hinkunft tun, wenn nicht in allerjüngster Zeit die wachsende Spannung im Regie­rungslager zu erstaunlichenTrotzverhaf­tungen" führte. Es ist jetzt üblich geworden, daß die Herren Schuschnigg  , Starhemberg und Fey einander durch peinliche Verhaftungen ihre Kreise stören. Man erinnert sich an dei Verhaftung Neubachers, der rasch wieder entlassen wurde, weil er sehr demonstrativgestand", daß er mit dem gleichen Naziführer ver­handelt habe, wie der Bundeskanzler. Neubacher hätte genauer sagen können, daß es die gleichen Naziführer waren, denn e» han­delte sich um z w e i, den offiziösen hakenkreuz- lerischen Verhandlungspartner Schuschniggs, den Salzburger   Naziführer Reinthalev und den ehemaligen Wiener   deutschen   Gesandten Dr. Rieth. Mir diesen beiden Herrey hatte Schuschnigg   im Laufe der letzte« drei Wochen be­reits vierUnterrednngen auf dem Bo­den der Wiener   päpstlichenNuntiatur. Die Unterhaltungen scheinen schon ziemlich weit fortgeschritten zu sein, jedenfalls erklärte Rein- thaler seiner Umgebung, nv.n könne auf eine baldigeEinigung mit Schuschnigg hoffen, die zu einer Bildung einer getarnten nationalenBewegung führen soll. Herr Reinthaler, der österreichischeHenlein  " fürchtet bloß, daß diese Pläne durch die Heimwehr durch­kreuzt werden könnten. Starhemberg nämlich verfolgt die Verhandlungen zwischen Schuschnigg  und den Nazi mit großer Besorgnis, da solche Pläne mit seinen Träumen von einem Posten als habsburgischer Reichsverweser sich nicht vertragen. Er benützt daher seine Stel­lung als Vizekanzler und Sicherheitsminister dazu, seinem Kanzler durch überraschende Ver­haftungen Schwierigkeiten zu bereiten. Zu diesenTrotzaktionen" des Vizekanzlers gegen den Kanzler gehörte auch die vor kurzem vorgenommene Hausdurchsuchung beim Direktor der Wiener Staatsoper, Clemens K r a u ß, und bei dessen Freundin, der StaatS- opernsängerin Ursuleac  . Bei beiden wurde reichliches Nazimaterial gefunden, aber gegen beide muhte, wie Starhemberg   natür- ,Iich vorauSgewuht hatte, das Verfahren einge­stellt werden, da Herr Clemens Krauß   bekanntlich in der Wahl seines Vaters vorsichtig genug war, al- einer der vielen unehelichen Söhne Erzherzog Eugens zur Welt zu kommen.
Das österreichische Braunbuch Schwere Anschuldisunsen segen reichsdeutsche Stellen Wien.(Tsch. P. B.) Unter dem TitelBei­träge zur Vorgeschichte und Geschichte der Juli­revolution", herausgegeben auf Grund amtlicher Quellen, liegt nunmehr die amtliche Darstellung der Ereignisse um den 25. Juli in Form des an­gekündigten Braunbuches von 120 Seiten vor, das vom Bundeskommissär für Heimatdienst besorgt wurde. Der Absatz I schildert die Entstehung der nationalsozialisttschen Partei in Oesterreich   und erklärt, erst als ihr die propagandistischen und materiellen Machtmittel der national­sozialistischen Arbeiterpartei in Deutschland   zur Verfügung gestellt wurden, hätte sie in Oesterreich   jene Macht zu entfalten vermocht, die auf das politische Leben großen und verhängnisvollen Einfluß nahm. Im Abschnitt II wird aktenmäßig nachge­wiesen, daß die legale nationalsozialistische Par- teiorganisation in Oesterreich   von Deutsch­ land   aus geleitet wurde und vollkommen in die Organisation der dortigen Partei eingeglie- dert war. Der Konflikt zwischen den beiden Staaten sei in einer Art herauSgefordert worden, die in der Geschichte der europäischen   Politik und Diplomatie ohneBeispiel fei. Im Schlußwort wird erklärt, die Broschüre habe.nicht den Zweck,die Erinnerung an Streit­fälle und tragische Ereignisse, die hinter unS lie­gen," um ihrer selbst willen neu zu beleben; dir Herausgabe erfolge vielmehr auf Grund der Er­wägung, daß den Zielen der Verständigung nichts förderlicher sein könne als die Klarheit. Sie hahen's ja! Wen.(Tsch. P. B.) Im 18. Wiener Ge­meindebezirk fand Dienstag im Saale  Beim wil­den Mann" eine Versammlung des Monarchisti- schen Reichsbundes statt, in der der Vorsitzende Dr. Max Hohenberg die Mitteilung machte, daß eben in diesen Tagen zwischen den monarchistischen Kreisen und der Regierung Verhandlungen über die Rückerstattung des Habsbur­ ger  -Eigentums eröffnet worden seien. Helmwehrmann erschießt einen Nazi Linz  . Das 2öjährige Mitglied des Schutz­korps Franz Z ö b l aus Vöcklabruck  , der bei dem dortigen Waffen- und Sprengstoffmagazin Wach­dienst zu versehen hatte, wurde gm Dienstag, als er vom Dienst zürückkehrte,? von. dem 36jährigen Bäckerssohn Hermann Emminger, einem bekannten Nationalsozialisten, überfallen. Emminger ent­riß Zöbl das Gewehr und legte auf ihn an, worauf Zöbl seine Pistole zog und auf den Angreifer schoß. Emminger stürzte schwer verletzt zu Boden und starb kurz darauf. Waffen Im Heuschober Bei einer in Seegraben in der Steier­ mark   auf Grund einer dem dortigen Gendarmerie­posten erstatteten Anzeige vorgenommenen Waffen­suche wurden in einem Heuschober drei schwere Maschinengewehre deutschen   Ursprungs, 78 Ge­wehre, 10 Stutzen, ein russisches Maschinengewehr und zirka 8000 Schuh Munttion vorgefunden und von der Gendarmerie beschlagnahmt.
Raiten In Wien  Wje«. Der reichsdeutsche Gesandte in Wien  , Freiherr von P a p e n, ist Mittwoch, von Buda­ pest   kommend, im Privatkraftwagen in der öster­ reichischen   Hauptstadt eingetroffen und hat die Führung der deutschen   Gesandtschaft über­nommen.
Offene Diktatur In Estland  Tallin  . Staatspräsident Päts hat Dienstag nachts das estländische Parlament nach Hause ge­schickt, indem er formell die außerordentliche Herbsttagung des Parlamentes schloß. Der Innenminister gab der Presse eine Er­klärung ab, daß sich in der letzten Sitzung des Parlaments die Mehrheit auf einen regierungs­feindlichen(I) Standpunkt gestellt habe, der eine weitere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament unmöglich mache. Daher wür­den Staatspräsident, Oberbefehlshaber und Re­gierung die ihnen auferlegten Aufgabenauf Grund der eigenen Verantwortung" mit Unter­stützung des Volkes(?I) durchführen. Ob das Parlament auch formell aufgelöst werden soll, ist noch nicht sicher.
Der Gesundheitszustand des Präsidenten gut Ueber den GesundheitSzu- st and des Präsidenten der Republik  wurde folgendes Bulletin ausgegebrn:Die Rekonvaleszenz des Präsidenten der Republik  schreitet ungestört fort. Das Gesamtbefinden ist ständig gut. Lana, am 2. Oktober 1934. Doktor A. M a i x n e r m. p. Prof. Dr. Josef P e l- n ä k m. p."