Seite 2 Sonntag, 7. Oktober 1834 Nr. 238 Der Kongreß der Arbeitersport-Internationale Karlsbad. Nach dem Verklingen der von den Arbeitersängern wirkungsvoll vorgetragenen In ­ternationale wurde Samstag kurz nach 8 Uhr Vormittag im sahnen- und blumengeschmückten Hotel Derby der siebente Kongreß der Sasi(Ar ­beitersport-Internationale) durch den Vorsitzen ­den Julius Deutsch eröffnet. Ins Präsidium wurtzen die Genossen Deutsch und Guille- vic, Charwat und Grasse zu Schriftfüh ­rern gewählt. Die Sozialistische Arbeiter-Inter ­nationale hatte Genossen Soukup, der Inter ­nationale GcwerkschaftSbund Gen. T a y e r l e und da- Internationale Arbeitsamt Dr. Sulik entsandt, für die Jugend-Internationale war Ge ­nosse O l l e n h a u e t, für die Erziehungs-In ­ternationale Genosse Hocke anwesend. Die deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei hatte Genossen Eugen de Witte und Genossin Fanny B l a t n h delegiert, in Vertretung der Stadtge ­meinde Karlsbad war Vizebürgermeister H o l i k erschienen. Der Kongreß hörte stehend das Geden ­ken an die Verstorbenen und an die Opfer des FascismuS an und beschloß eine Resolution, in der die Freilassung der in den Kerkern der Reaktion festgehaltenen Vertrauensmänner der Arbeiter, vor allem von Seitz, Thälmann und K a l- n i n gefordert wird. Ueber Antrag vpn Guillevic wurde dem Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik, T. G. Masaryk als dem Repräsentanten der Demokratie, dem Förderer deS Friedens und der Bölkerversöhnung» ein BegrützungS» telegramm geschickt. Sodann ergriff Genoss« Soukup daS Wort, um die Grüße der Sozialistischen Arbeiter- Internationale zu überbringen. Im Namen der Stadt begrüßte Genosse Holik den Kongreß, wor ­auf Genosse Tayerle für den Internationalen Gewerkschaftsbund das Wort ergriff. Für das In ­ternationale Arbeitsamt sprach dann Dr. S u* l i g. Di« Grüße der Jugend-Internationale überbrachte Genosse Ollenhauer, im Auf ­trage des Parteivorstandes und zugleich im Na ­men der Parteiorganisation des Karlsbader Krei ­ses entbot Genoffe d e W i t t e der Tagung herz ­liche Grüße. Nunmehr wurde nach Erledigung der For ­malitäten und nach der Wahl der Kommission, zur Erstattung der Berichte geschritten. Für das Präsidium berichtete Genosse Deutsch, wobei er darauf verwies, daß die Ver ­anstaltungen in Saarbrücken, HelsingSforS, Lu ­zern und Englqnd und vor allem in Prag über den eigentlichen Rahmen hinaus zu gewaltigen Manifestationen gegen den FasciSmus wurden. Die Prager Olympiade ist zum stolzen Ruhmes ­blatt in der Geschichte des freiheitsliebenden, demokratischen tschechischen Volkes geworden. Ge ­nosse SiIlaba schilderte vor allem die Arbeit, dje durch die politischen Ereignisse und durch die Ausschaltung der Länder Deutschland, Oesterreich und Lettland, notwendig wurde. Das Ausscheiden dieser wichtigen Verbände führte dazu, daß die Mitgliederzahl der der Internationale angeschlos- senen Organisationen von zwei Millionen auf 360.000 zurückgegangen ist. Die Funktionäre der Arbeitersportbewegung in den fascistischen Län ­dern sitzen im Kerker, dennoch war es möglich , die IS BRUNO ADLER: In derStadt geht eine neue.erschütterndeSen- sationSnachricht um: HilSner hat auch den Mord an der Marie Klima, die im vorigen Sommer aus Lber-WjeSnih verschwunden und dann im herr­schaftlichen Walde tot aufgefunden worden ist, be­gangen! Die auf der Stelle vorgeladene le­bende Marie Klima klärt den Sachverhalt zwar auf, aber was ins Bewußtsein der Menge einmal eingedrungen ist, kann durch eine Berichtigung nicht wieder ausgemerzt werden. Erst jetzt wird der christlichen Bevölkerung die ganze Größe der Gefahr bewußt, die ihr von der Nachbarschaft der jüdischen Mitbürger droht. Haß und Abscheu, Wut und Verachtung, Rachsucht und Bernich- tungslville übertönen jede andere Regung. Ein paar Stunden östlich von Polna, in den mährischen Kohle- und Eisenbezirken, gärt es in der Arbeiterschaft. Die sozialdemokratische Agita­tion erweckt in den Proletariern das dumpfe Be­wußtsein ihres Schicksals. Revolutionäre Kräfte drängen, sich zu entladen; die polüische und ge­werkschaftliche Bewegung aber ist noch viel zu schwach, um sie aufzufangen und zu lenken. Noch wird jede Regung der Volkes beherrscht von den vereinigten Mächten des Kapitals , des Feudalis­mus und der Kirche. Der Grubenarbeiter verdient kaum mehr als zwei Gulden in der W. x e, die Arbeitszeit ist un­beschränkt, da und dort geht der Kampf noch um den Elfstundentag. Frauen- und Kinderarbeit steht fast ganz außerhalb des gesetzlichen Schutzes. Der sozialen Fürsorge, der Betriebssicherheit sind papierene Verordnungen gewidmet, an denen die Verbindung mit diesen Ländern aufrecht zu er­halten und ihnen wertvolle Unterstützung zu leisten. Für den technischen Ausschuß berichtete Bühren, für den Erziehungsausschuß Stei­ne m a n n, für den Frauenausschuß Marie K ö st l e r, für den Pressedienst Müller, der auf die Bedeutung von Film und Radio verwies. Dann. berichteten die Untersekretäre D e v l i e« g e r und K o st i a i n e n, worauf Löwe den Kontrollbericht erstattete Vie sportpolitische Lage und die Frage der Einheitsfront In einem groß angelegten Referat zu die­sem Punkte der Tagesordnung besprach Genosse Deutsch zunächst die Rückwirkungen, die sich aus der Entwicklung der Verhältnisse in Deutsch­land, Oesterreich und Lettland für die.Arbeiter­bewegung und für die Arbeitersportbcwegung im besonderen ergeben haben. Die Diktatur hat di« Kriegsgefahr, die das kapitalistische System in sich birgt, gesteigert. Sowjetruhland ist inzwischen mit der französischen Bourgeoisie in ein Bündnis ge­treten, was nicht ohne Rückwirkung auf das Ver­ hältnis der französischen Sozialisten zu den Kom­munisten blieb. Die Ereignisse in Mitteleuropa haben zur Radikalisierung der Arbeitermafsen ge­führt, im Norden hingegen und in den anderen Ländern sind eher di« gemäßigten Tendenzen stär­ker geworden. Unsere Internationale ist nicht nur ziffern­mäßig. sondern auch technisch geschwächt worden. TS ist daher der Gedanke aufgetaucht, Anlehnung an andere Länder zu suchen, und zwar vor allem an Rußland. Nun sind die Verhältnisse in den einzelnen Ländern verschieden und eine einheit­liche Lösung dieses Problems sehr schwer möglich. Bereits Heuer im Jänner wurde einzelnen Län­dern erlaubt, mit den Russen in Sportverkehr zu treten. Doch wurde zunächst nicht allzu sehr Ge­brauch davon gemacht. Einzelne Erfahrungen konnten also noch nicht gemacht werden. Nun ist in der letzten Zeit ein Brief der Roten Sport- Internationale eingetroffen, doch noch bevor wir ihn in Händen hatten, war er bereits in Flug­blättern verteilt worden. Während wir in dem Brief aufgefordert wurden, gemeinsam zu bera­ten, um zu einer Einheitsfront zu gelangen, haben Die Einigungsbestrebungen In den französischen Gewerkschaften Einsetzung einer eigenen Kommission Paris. Das Präsidium des Allgemeinen ArbeitSverbandeS(GGT) nahm am Samstag die Rede des Generalsekretärs Jouhaux entgegen, welcher, wie es scheint, die Anschauung der großen Mehrheit der organisierten Arbeiter­schaft zum Ausdruck brachte. Jouhaux sprach sich für eine einheitliche ge­werkschaftlich organisierte Arbeiterschaft in Frank­reich auD, machte aber der kommunistischen Par­tei den Vorwurf, daß sie vor kurzem die Soziali­stische Partei aufforderte, auf die GGT einen Druck auszuüben, der Einigung gemäß den An­schauungen der Kommunisten beizupflichten. Wirklichkeit nicht das geringste Interesse nimmt. In den Ostrauer Gruben stellt ein Abgeordneter, natürlich ein roter Hetzer, fest, sind in den letzten neun Jahren siebzehntausend UnglückSfälle gesche­hen. ES ist noch nicht lange her, daß auf einem Schacht ein Brand ausbrach, als achtzehn Leute in der Grube waren. Man hätte sie retten kön­nen, dann wäre aber die Anlage in Gefahr gera­ten. Also schnit man kurzerhand die Luftzuleitung zum Schacht ab, und di« Achtzehn verbrannten. In den unfallversicherungspflichtigen Betrieben kom­men jährlich tausende ums Leben. Diese mähri­schen Gruben gehören zum größten Teil den Häu­sern Rothschild, GuttMann und andern jüdischen Industriellen und Banken. Wenn aber«in Sozial­ demokrat im Wiener ReichSrat die Sprache auf diese Zustände bringt, dann findet er weder bei den deutschradikalen Antisemiten, noch bei den ebenso judenfrefferischen Christlichsozialen Unt-r- stützung. JnNachod .im nördlichen Böhmen, streiken die Weber und Spinner. Es ist ein Lohnkampf. Fünfzehn bis achtzehn Stunden täglich müffen sie Mann, Frau und Kind arbeiten, um, wenn es hoch kommt, einen Gulden und achtzig Kreuzer die Woche zu verdienen. Dabei haben die Kinder in den schulfreien Stunden das Spulen zu be­sorgen, und von dem verdienst muß noch die so­genannte Schlichte bezahlt werden. Es bleibt ihnen nicht so viel Zeit, das bißchen Esten in Ruhe zu verzehren. Ihre Lebensdauer ist kürzer noch als die der Bergleute, di« Säuglingssterblichkeit enorm. Unwissend und aufgewühlt, verfallen sie dem zuerst, der ihnen die Urheber ihre» Unglück» am leichtesten faßbar zu machen versteht. Da» ist nicht der Verkünder der Lehre vom dialektiscken Materialismus, vom Klastenkan' und von pro­letarischer Solidarität, sondern der nationalisti­sche Bürger, der Journalist oder Advokat, der ihren Verein leitet und die Ausbeutung zu be­kämpfen vorgibt, indem er die Germanisierung bekämpft. Der Arbeiter ist zuerst einmal Tscheche, sagen sie, ganz so, wie er in den deutschen Jndu- die Rusten bereits in Europa Beziehungen ein­geleitet, nicht um mit unS, sondern um mit den Bürgerlichen Sportverkehr zu pflegen, gegen die wir mit den Kommunisten die Einheitsfront bilden sollen. Der Inhalt des Briefes selbst läßt schwere Beden­ken aufkommen, besonders der Schlußsatz enthält eine Reihe von Vorbehalten, die die Herstellung der Einheitsfront erschweren. Erst muß wohl eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen werden, der Kampf der Kommuni st en gegen die Sozialisten muß aufhören. Es müßte vor allem ein Nichtangriffs­pakt abgeschlossen werden. Wenn sie Miß­trauen säen, kritisieren und uns Bedingungen auferlegen wollen, deren Durchführung nicht in unserer Macht liegt, so sehen wir keine Möglich­keit zu einer gemeinsamen Aktion. Der Brief er­scheint unS als eine AgitationSmatznahme der Kommunisten, als ein Versuch uns ins Unrecht zu setzen, nicht aber als ein Versuch, um mit uns zu reden. Die Kommunisten wollten eine»kamerad­schaftliche Diskussion" auf unserem Kongreß füh­ren. Wir konnten sie nicht einladen, weil wir selbst erst Klarheit in unseren Reihen schaffen müffen. Verhandlungen so schwerwiegender Art können unmöglich von einem Kongreß und den Delegier­ten zu einem gedeihlichen Abschluß gebracht wer­den. Wenn umgekehrt wir nach Moskau zum Kongreß der RSJ kämen, würde auch kein Ergeb­nis erzielt werden. Unsere Internationale unter­scheidet sich sehr wesentlich von der kommunisti­schen. Wir können nicht von einer Stelle au» dik­tieren, wie die Rote Sport-Internationale, die aufgebaut ist auf der Vorherrschaft der Russen. Wir sind gleich unter gleich, wir müffen Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Lan­de». Unsere Gruppen führen ein Eigenleben, bei den Kommunisten wird von oben befohlen und die Sektionen haben zu gehorchen. Dennoch sind wir der Auffassung, daß nichts unversucht gelassen werden soll den ganzen Fragenkomplex lösen. W i r w o ll e n e ine H a n d n i ch t abwei­sen, die sich un» entgegenstreckt. Aber wenn wir zu Verhandlungen gehen, werden auch wir gewisse Bedingungen stellen. Redner schloß: Trotz aller zeitweisen Miß­erfolge werden wir unsere Reihen formieren, in denen der Jugend des Proletariats die Rolle der Avantgarde zufällt. Wer die Jugend des Proleta­riats auf den Barrikaden gesehen hat, wird nie mehr irre werden an der Idee des Sozialismus. (Lebhafter Beifall-) Jouhaux beglückwünscht« die Leitung der Sozialistischen Partei, daß sie es a b g e le h n t hat- diesen Schritt zu unternehmen.Die Unab­hängigkeit der syndikalistischen Bewegung gegen­über der sozialistischen politischen Partei einer­seits muß eine so absolute bleiben, wie gegenüber der Leitung anderer Parteien andererseits." Jouhaux machte direkt eine Anspielung auf Sowjetrußland und erklärte, daß die Syndikate sich in Rußland k ei n e r Freiheit erfreuen. Am Schlüsse erklärte er, die GGT wünsche eine Einigung für das tatsächliche Inter­esse der Gegenwart, und schlug die Ernennung einer Kommission vor, welche einen außerordentlichen Kongreß zur Schaffung einer einheitlichen Arbeitskonföderation in Frankreich vorbereiten würde. striegebieten zuerst .einmal Deutscher ist. Wer den Tschechen helfen will , muß die deutschen Unter­drücker und die jüdischen Unternehmer , ja alle Deutschen, und dazu gehören auch die Juden, be­kämpfen; ganz so, wie auch die andere Nation gegen die Tschechen, ihre Erzfeinde, und dazu ge­hören auch die Juden, kämpft. Mr die kleinbür­gerlichen Tschechen verschmelzen Großkapital, Deutschtum und Judentum zu einer Einheit, die sie fürchten und hassen. Jeder kauft bei den Sei­nen! hallt ihr Boykottruf. Und von der anderen Seite ergeht die Parole: Deutsche, kauft nur bei Deutschen! Am 4. April reißt den Nachoder Arbeitern die Geduld. Ihre Forderung nach einer Erhöhung der Löhne um ein Viertel wird von einem nichtjüdischen Fabrikanten mit dem Angebot eines Zuschlags von'einem Prozent beantwortet. Das ist blutiger Hohn. So rülpst der Uebersatte dem Verhungernden ins Gesicht. Auszehrung und Demagogie schwingen die Peitsche über den Ar­beitern. Der Polizeirevisor von Nachod ruft die zuständige Bezirkshauptmannschaft in Neustadt an der Mettau an: Am Abend wollen die Strei­kenden losschlagen, es werde gegen die Juden ge­hen. Noch an demselben Tag tritt der Bezirks­hauptmann eine Erholungsreise an. Fünf Gendarmen stellen in Nachod die Staatsmacht vor. Sie weiche» widerstandslos vor der wütenden Menge zurück, die am Abend die Fabriken und Geschäfte der Juden stürmt und demoliert. Läden werden geplündert, der Brannt­wein fließt in der Schenke eines Juden heute kostenlos. Im Durcheinander der Zerstörung und der Räusche dringt der Schrei durch: Rache für Polna! Die tschechischen Bürger bewahren ihre Ruhe. Die Pfeife im Munde und nicht ohne ein ermun­ternde» Wort im rechten Augenblick, betrachten sie gelassen, was ihren Konkurrenten angetan wird. Die Betroffenen telephonieren an die nächste Garnison. Mit Rückfragen zwischen Bezirkshaupt- Politische Wochenübersicht Die Arbeiten der Regierung sind nunmehr wieder in vollem Gange. In der vergangenen Woche waren sie noch nahezu vollständig dem Staatsvoranschlag für 1935 gewidmet, wobei die grundlegenden Probleme der Wirtschaft des Staa­tes in vollem Umfange aufgerollt wurden. Auch alle entscheidenden Fragen der Finanz-, Wirt­schafts- und Währungspolitik des Staates fanden eine eingehende Erörterung, in deren Verlauf schließlich eine Verständigung über Höhe und Gliederung des Budgets erzielt wurde. Die gesamten Einnahmen des Budgets der eigentlichen Staatsverwaltung sind«ft 7976.4 Millionen, die Ausgaben mit 7974.6 Millionen vorgesehen. Das Budget ist also formell mft dem Betrag von 1.8 Millionen aktiv. Nach der generellen Genehmigung durch de« Ministerrat arbeitet nunmehr das Finanzministe­rium an den Details des Voranschlages und ins­besondere an den abschließenden Ziffern der ein­zelnen Ressorts, die vielfach hart umstritten waren, da der al» notwendig erkannte Bedarf nicht immer mit den verfügbaren Mitteln in Ein-- klang gebrächt werden konnte. Den größten Teil\ dieser Verhandlungen nahmen die für die Arbei­terschaft bedeutsamsten Ressorts(Fürsorgemini-\ sterium, Investitionen des Arbeiten- und des> Eisenbahnministeriums) in Anspruch, da seitens der sozialistischen Minister die Fragen der Ar-! beitSbeschaffung, der Arbeitslosenfürsorge und der l Ernährung mit aller Entschiedenheit in den Vor« dergrund der Beratungen gestellt wurden. Während der zeitweiligen Pausen in den Budgetberatungen kamen auch gewisse p o l i tische Probleme in der Regierung zur Sprache, i sowie auch eine Reihe von wirtschaftli­chen Fragen, die eine rascheste Erledigung und Entscheidung erheischen. Nunmehr ist durch die Erledigung des Budgets für die Lösung dieser 1 Fragen Raum geschaffen. Hieher gehört vor allem auch iit Sittie* rung der Finanzen der Selbst- verwaltungskörper, deren Wirtschaft 1 nach raschester Hilfe geradezu schreit. Die beiden I zuständigen Ressorts, das Innen- und das Fi- I nanzministerium, sind eben daran, die notwen- I digen legislatorischen Unterlagen für die Ber- I Handlung dieser schwierigen Frage bereitzustellen. I Auch gewisse Probleme der Landwirt« I schäft, die bereits wiederholt in der Oeffentlich- I leit und auch in unserer Presse eingehend behan- 1 delt worden sind(Entschuldungs- I aktion, Kredite etc.) dürften jetzt an I die Reihe kommen und zusammen mit einer gan« 1 zen Reihe von in den gleichen Bereich fallenden l Forderungen der anderen Bevölkerungsschich-> ten verhandelt werden. Auf dem Gebiet der Außenpolitik sind die I Bemühungen der einzelnen Mächtegruppen nach I Herbeiführung neuer internationaler» Konstellationen in voller Entwicklung. I In dem Verhältnis zwischen Italien und Frank- I reich ist eine wesentliche Annäherung eingetreten, I wodurch die Isolierung Deutschlands um so! größer wird. Die Aussichten für da» Zustandekommen deS l Ostpaktes schwinden allerdings infolge der Hal« I tung Polens und Deutschlands immer mehr. Auch! in der Lösung des österreichischen Problems sind I die Großmächte nur um einen geringen Schritt I vorwärts gekommen, woran zweifellos die innere I Mannschaft, Statthalterei und Generalkommando vergeht die Nacht. Der Leiter der sozialdemokra- ttschen Ortsorganisation versucht die Tobenden zur Besinnung zu bringen. Wenn wir einmal gegen die Fabrikanten demonstrieren, sagt er, ist eine Eskadron aus Josefstadt in vierzig Minuten zur Stelle. In dieser Nacht läßt sich das Milftär Zeit. Gegen sieben Uhr morgen- ist schließlich doch ein Zug zusammengestellt. Und weil Ruhe und Ord­nung nicht straflos gestört werden dürfen, müffen etwa hundert Männer und Frauen ins Gefängnis. Die Ostertage sind vorüber, aber das Ge­triebe des Werktagslebens bleibt gestört. Polna ist in einen Bann geschlagen. Man hat nur eine Sorge, in den Wirtshäusern, den Geschäften, auf dem Ringplatz und an den Familientischen kennt man nur ein Gespräch: den Ritualmord. Alles ist gemeinsam bemüht, fehlende Beweisglieder zu schaffen, damit die Kette sich schließ«, doch jeder einzelne drängt sich mit seinen Bekundungen so in den Vordergrund, daß die Untersuchungsbehörde immer neue Widersprüche feststellen muß. Die Entlastungszeugen versagen. Weder der Kantor Steiner noch der Synagogendiener Basch verhelfen Hilsner zu einem Alibi: sie können nicht unzwei­deutig behaupten, sich an HilSners Anwesenheit im Tempel am Spätnachmittag des 29. März zu erinnern. Der Richter weiß nicht ein noch aus. Zwanzig Zeugen hat er bereits vernommen, die Aussagen werden von Tag zu Tag bestimmter, das Mottv de» Verbrechens versteht sich nun schon von selbst. Nur wenige Depositum«» scheinen unbeeinflußt von Gerücht und Wunschbild. Der Pfarrer Vläek beschreibt einen Mann, welchen er am Tage vor dem Verschwinden der Agnes am Bresinawalde begegnete; ein junger kräftig«! Mensch war es, breitschultrig, volles Gesicht­große Augen, starke Backenknochen; trug einen langen hellen Rock und einen zerknitterten Hut; machte einen so auffallend unangenehmen Eindruck, daß der Pfarrer sich umwandte und chm nachsah. (Fortsetzung folgte