Nr. 242
Dienstag, 16. Oktober 1934
Sette 5
WM MlslWkl in Wen VklWt Mau fand bei ihm hunderttausend Zdeonen
Ein ehemaliger Kaplan als Ränder Der Oberbaurat Jng. Nemetz aus Brünn wurde am vergangenen Samstag das Opfer eines wählvorbereiteten, frechen Raubüberfalles. Jng Nemetz wurde Samstag vormittags von einem Mann, der sich mit dem Namen Kolek vorstellte, angerufen und zu einer Besprechung wegen angeblichen Verkaufes eines Bauplatzes in rin Kaffeehaus geladen. Es kam zu der Zusammenkunft und Kolek führte den Oberbaurat in ein Geschäft im Hause Neugasse Nr. 14. Als die beiden das Lokal betraten, warfen sich zwei oder drei Männer auf Jng. Nemetz, würgten ihn und schlugen mit stumpfen Gegenständen auf seinen Kopf. Jng. Nemetz rief um Hilfe und eS gelang ihm, trotz seiner Verletzung, die GeschäftStür zu erreichen und dort eine Glasscheibe einzufchlagen. Dadurch wurden Passanten aufmerksam und die Täter flüchteten. Zwei zufällig vorbeigehende Gendarmen nahmen die Verfolgung der Täter auf und er gelang ihnen, im Augarten zwei Männer fest» zunehmen. Es handelt sich um den 45jährigen ehemaligen Kaplan Johann B a n e c k aus Mas» eich in der Slowakei , der bereits öfter vorbestraft ist und den Ueberfallsplan auSgeheckt hatte, und den Maurer Vinzenz Chudy. Zwei weiteren Tätern gelang es zu entkommen. Baneck hatte das Lokal im Hause Neugasse Nr. 14 eigens für den Ueberfall gemietet und glaubte die Spesen dadurch decken zu können, daß er dem Oberbaurat eine größere Summe Geldes hätte entwenden können. Jng. Nemetz wurde ins Unfallspital gebracht, konnte aber bereits in häusliche Pflege entlassen werden. Die Abfischung des Hirschberger Großteiches des größten Wasserbeckens NordböhmenS, nach dreijährigem Umtrieb, beginnt am Montag, den 22. Oktober in Thammühl und dauert einige Tage. Das interessante Schauspiel bietet die Abfischung an den zwei Tagen, insbesondere am 22. Oktober, da der erste Zug mit dem langen Watennetz bis 66 Zentner Karpfen ans Land bringt. Der Hirschberger Großteich hat beim Höchftstau eine Wasserfläche von 274 Hektar und einen Wasserinhalt von 6,342.000 Kubikmeter. Er ist die älteste Talsperre Böhmens . Verläßliche Angaben über den Zeitpunkt seiner Entstehung fehlen. Man bringt feine Anstauung mit Tista in Verbindung, der unter Karl IV . Burggraf auf dem Bösig war. Di« Bauart läßt vermuten, daß niederländische Wasserbauer am Berke waren. Unterhalb des Dammes in Thammühl hat die Stadt Hirschberg im Jahre 1022 ein Elektrizitätswerk erbaut, das von einer Zwillingsturbine mit einer Marimalleistung von 95% PS betrieben wird. Der Großteich wird als Hauptteich im dreijährigen Umtriebe bewirtschaftet. In der UmtriebSzeit 1932/34 Ist«'Mit SS vef»»-- k a r p f e« besetzt worden. Gegenwärtig wird ein LuSfang von zirka 850 Zentnern Karpfen. 25 Zentner Hechten, einer Menge von Schleien. Barschen und Beißfischen erwartet.
Ung. Hradisch. In Kvasice bei Kromekiz ließ sich zu Beginn deS Jahres ein gewisser Alois S o u i 11 aus Olmütz -Hodolany nieder, der durch, die Ausgabe größerer Geldsummen den Verdacht der Gendarmerie weckte. Diese stellte nun auch fest, daß SouSek mehrmal swegenschwe- rer Verbrechen, insbesondere Kassenein, brüchen, vorbestraft ist. Bei einer lleber- wachung des Verdächtigen wurde festgestellt, daß er häufig Luftpost-Briefe, insbesondere aus dem Ausland» erhalte. Da auch ermittelt wurde, daß sich DouSek längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, wurde die Untersuchung in dieser Richtung weitergeführt und durch die Zusammenarbeit mit den Auslandsbehörden ergab sich nun, daß die Beschreibung Souseks sehr genau auf einen Mann paßt, derinBrüsselmehrereKassen- einbrüche verübt hat und dem auch bei einem
Schnee im Riefen-«nd Jsergebirge Breslau. Wie die Wetterdienststelle BreSlau - Krietern mitteilt, trat in der Nacht zum Montag im Riesen- und Jsergebirge Schneefall ein, der hei leicht zunehmendem Frost auch am Montag anhielt. Die Schneehöhe hat in den höheren Lagen zum Teil schon zehn Zentimeter erreicht.
Verdorbener Bohnensalat fordert vier Todesopfer In Wallerstädten bei Groß-Geran(Hessen ) ereignete sich am Montag ein entsetzliches Ber- giftungsunglück, durch das eine Familie hinweggerafft wurde. Nach dem Genuß von Bohnensalat, der einem nicht richttg verschlossenen Einmachglas entnommen worden war, erkrankten sämttiche Mitglieder der Familie Roedner, Vater, Sohn, Tochter und Schwiegersohn, unter Vergiftungserfchei- nungen. Die jüngeren Familienmitglieder starben schon am Sonntag früh; am Abend erlag dann auch der 51jährige Vater der Vergiftung.
Assentpftichtige, Achtung! Laut 8 18 der tschechoslowakischen Wehrvorschriften haben sich alle Affentpflichtigen, welche im Jahre 1935 bei der Assentkommission zu erscheinen haben, in der Zeit vom 15. Oktober bis 15. Rov em ber 1934 beim Gemeindeamt« ihres Aufenthaltsortes anzumelden und den Heimatschein oder ein sonsttges Legitimationsdokument vorzulegen. Ueber die erfolgte Meldung erhält ein jeder vom Gemeindeamt« eine Bestätigung, welche gut auf- zubewahren ist und bei der Assentierung abgegeben werden Muß. Es habeM sich Mo, Heuer alle im Jahre 10 i 5,1914 und 1913 geborenen Personen männlichen Geschlechtes(Ausländer nicht) zu melden,«. zw. auch dann, wenn sie sich in den früheren Jahren schon gemeldet haben. Die Nichteinhaltung der Meldevorschrift wird auSnahmS-
Einbruch in das P o st a m t von Braine le Comte eine Beute von e t w a 1 0 0.0 00 Franks in die Hände gefallep war. Da sich SouSek gerade zu dieser Zeit im Auslande aufgehalten hatte, wurde bei ihm eine Hausdurchsuchung vorgenommen, bei der man Goldpfunde und französische Franks im Betrage von 10 0.0 0 0 KL fand. Sousek behauptete, dieses Geld in der Lotterie gewonnen zu haben. Briefe, die Souöek von seinem Bruder erhielt, gaben Zeugnis von seiner Tätigkeit, da er darin aufgefordert wird, die„SK esser"(gemeint sind Einbrecher-Werkzeuge) zu v e r st e ck e n, die auch bei ihm vorgefunden wurden. Sousek wurde in Haft genommen und die Gendarmerie fahndet fieberhaft nach seinen Komplizen, da man annimmt, daß Sousek einer internationalen Kassenschränkerbande angehört.
los nach den gesetzlichen Besttmmungen bestraft. Auch Meldungen, die nach dem 15. November erfolgen, sind straffällig. Erfüllt deshalb rechtzeitig euere Pflicht, um vor Strafe geschützt zu sein. Nur immer fest verleumden... Das »Neue Tagblatt" für Schlesien und Nord mähren in Troppau berichtet in seiner Nummer 191 vom 8. Oktober 1934 über den„Streich eines gerissenen Heiratsschwindlers", der jetzt vor dem Troppauer Strafsenat abgeurteilt wurde. Der Bericht beginnt sogleich mit der Mär, daß der Heiratsschwindler ein reichsdeutscher Emigrant sei,«in"überzeugter Sozialdemokrat", der aus dem Reiche flüchten mußte. Wir kennen die politische Einstellung des sogenannten„unpolitischen"„Tagblatts" sehr gut, um nicht zu wissen, daß dieses Blatt große Genugtuung daran fände, der in der Republik befindlichen Emigration wieder einmal eins versetzen zu können. Im Interesse des Ansehens der Emigration muß aber festgestellt werden, daß ChristianStäblein, so heißt der Verbrecher, niemalsein politischer Emigrant war und noch viel weniger ein Sozialdemokrat, der aus dem Reiche flüchten mußte. Es handelt sich vielmehr um einen ausgesprochen internationalen Hochstapler und Heiratsschwindler. Das„Neue Tagblatt" verschweigt aus allzu begreiflichen Gründen, daß, als sich dieser Geselle in Freiwaldau einem sozialdemokratischen Funktionär als Emigrant vorstellte, man ihn gleich der Gendarmerie empfahl, weil sofort der berechtigte Eindruck, vorhanden War, daß«S sich eben nicht um einen Emigranten, sondern um einen^gefährlichen Verbrecher handelte.— Da sich StÄkei» aber vorher schon einige Tage in Freiwaldau aufgehalten hatte, hatte er eS verstanden, sich in die Familie einer ehemaligen nationalsozialistischen Stadträtin einzuschleichen und um die Hand der einen ihrer Töchter anzuhalten. Diese Tatsachen ver
schweigt das„Neue Tagblatt" sehr Wohl. Aber die Unwahrheit, daß dieser Gauner ein Emigrant und Sozialdemokrat sei, hebt es mit Lüsternheit hervor. Das kennzeichnet die Tendenz und Absicht der Berichterstattung der Zeitung in diesem Falle sehr gravierend. 900 Kilometer Oelleitung. Am Sonntag Wurde der englische Zweig der Oelleitung Nossul- Haifa in Betrieb genommen. Die Leitung ist über 900 Kilometer lang.
Die Verhandlungen über den Waren- und Zahlungsverkehr derTschechoflowakei mit Deutsch land gestalten sich sehrschwierig. Angesichts der großen Forderungen tschechoflowakischer Lieferanten wurde die Bewilligung des Exportes von Rohstoffen und Halbfabrikaten, sofern sie dem Bewilligungsverfahren unterliegen, einstweilen fast vollkommen eingestellt. Unter diese Sperre der Deutschlandsausfuhr gehören Wolle, Baumwachs, Flachs, Hanf, Jute, verschiedene Garne daraus, deren Abfälle, Haare und Lumpen sowie andere Rohstoffe und Halbfabrikate. Das gleiche gilt von neuen privaten Kompensationsgeschäften. Damit ruht fast der gesamte Export nach Deutschland . Ein Scheitern der Verhandlungen wäre angesichts unserer hohen Ausfuhrzahlen für zahlreiche Zweige der Industrie katastrophal. Wenn eS nicht in letzter Minute gelingt, trotz aller Schwierigkeiten mit Deutschland zu einer annehmbaren Vereinbarung zu kommen, erleidet die sudetendeutsche Exportindustrie und Landwirtschaft einen furchtbaren Schlag. Der heimische deutsche Arbeitsplatz wäre durch Nazideutschland aufs schwerste bedrohst
lleberall Japan Washington.(AP) Jap.an bemächttgt sich mehr und mehr des amerikanischen Wein-, Markts. Die japanische Weineinfuhr betrug allein nach dem Bezirk von San Francisco m einem Monat 3200 Gallonen. Die Preise betragen nur ein Drittel der Preise der ttalienischen und französischen Weine. Index der Großhandelspreise. Der nach dem Stande vom 1. Oktober d. I. ermittelte Index der Großhandelspreise bleibt im. ganzen unverändert, er beträgt 687 gegenüber 689 im August Der Index der Nahrungs- und Gemißmittel sank um 0.8 Pro-, zerst. do»,, 708 auf.-LOl^her, Futtiumsisi^index stieg., von 686 aus Miö, h..i. um 1,3. Prozent, so daß bett Gesamtinder der Nahrungs-, Genuß« und Futtermittel mir unbedeutend von 702 im Vormonate auf 701 im Oktober, zurückging. Desgleichen ist der Index der Jndustriestoffe und-Erzeugnisse um 0.4 Prozent, 675 auf 672 zurückgegangen.
Erzgebirge im Herbst Zwischen dem Mückentürmchen und der Nol- lendorser Höhe wandert man auf böhmischem Boden; demjenigen aber, der aus den sächsischen Tälern hier herauf steigt, kann eS scheinen, als sei diese Kammhöhe der eigentliche Grenzwall Sach sens , leicht zu ersteigen von innen, steil fallend »ach außen, eine hohe Mauer, von deren Bastionen man weit hinaus blickt in die ganz anders gebaute Landschaft. Tief unten stteckt und breitet sich daS böhmische Braunkohlen-Becken, eingesenkt -wischen dem hoch hinziehenden Erzgebirge und her bewegten Gestaltung der Bullanlandschaft H«S böhmischen Mittelgebirges. Einmal fuhren wir von Komotau her durch dieses Kohlenland. Der Zug donnerte vor einem Gewitter her, stundenlang im gleichen Tempo mtt der fegenden Wolkengardine, die hinter unS hoch dom Himmel bis auf die Schienen herabhing und nachschleifend alles verhüllte: Himmel und Licht, Tal und Berge, Städte und Schächte. Links, hoch und stell aufsteigend, zieht immerfort das Erzgebirge mit dem grünen Gewöll der Wälder. Ein hoher, endlos gestreckt ruhender Dail, einsam und schweigend nahe dem Himmel und fern— so schien es— den Menschen, die hier unten das tief«, ebene Becken mtt dem Lärm' profaner Geschäftigkeit erfüllen. Schächte rauchen, Förderbahnen kreisen um schwgrze Gestänge, Dampfwolken kochen über den Monumenten der ^ühltürme, Lokomotivenschreie gellen, Bahnhöfe siwren, Eisenbahnzüge verwandeln die gestteckte Richtung des Tales in gleitende Bewegung und die Näder der Seiltrommeln über dem Wirrwarr der Schachtanlagen schwirren wie die ewige Unruhe, die das alles in Bewegung erhält. Ueber dem Gewimmel der Arbeit zieht das böhmische Mittelgebirge seine steigenden und stürzenden Linien. Im Tempo der Fahrt kreist es vorüber, während der Betrachter ruhig am Fenster des prasselnden Zuges steht. Berge, wie auf einer riesenhaften Drehbühne aufgebaut, im ewigen Wechsel der Stellungen, spitz« Kegel, steile Rücken, Türme von Bergen, Gestalten wie der Granitlöwe des Barschen bei Bllin und alle- beherrschend die kühne Schönhett des Milleschauer, d«r wie ein heftiger Stoß der Erde gegen den Himmel über alle aufragt. Tiefblau, von grünen und bttwncn Tinten Überflossen, bewegt sich das Gedinge vor einem grellgelben Himmel, in dessen
geöffneten Hallen der Donner de» heranschleifenden Gewitters widerhallt— eine Landschaft, fern aller kleinen Lieblichkett, erregend schön, eben noch seiend und bald unter den schleppenden Schwaden deS Gewitters erloschen, als sollte das künftig nicht mehr sein. In diese Landschaft blickt man vom Mückentürmchen. Sie liegt im miwen Herbstlicht, ferner al» damals und gatt verschleiert. Einsamkeit ist nun auch da drüben, wo ein Berg spitz sich erhebt und sinkt, die Linie wieder steigt zur stellernen Spitze und wieder sintt und nochmal», wie vom zweimaligen Schwung befördert, zum Milleschauer aufsteigt, der hoch über bem dunstigen Becken von Kulm und Teplitz sein« berückend schöne Silhouette formt. ES ist Herbst. Scheidestimmung, Einsamkeit und Sehnsucht weht aus der Kühle schon leicht gelichteter Bäum«, um deren feuchte Zweige glühendes Laub flattert. Hinter der durchsichtigen Goldkugel einer Eberesche mit den roten Tropfenbüscheln der Beeren stehen die spitzen Berge blau wie hinter Glas. ES ist Herbst; und dieser Blick vom hohen Kamm in die blaue, gegipfelte Ferne wirft wie Abschied und AuSllang. Wieder rundet sich ein Jahr. Bald fallen die Gchneevorhänge; die weißen Winterwege führen in andere Welten. Der Winter steht für sich, zählt nicht mehr zu diesem Jahr. Der Herbst schließt die laubverhangenen Tage, die Blicke in grüne und blaue Fernen, und wenn die Krähen schrägen Fluges mit abwärts strebenden Beinen auf weiß verschneiten Feldern landen werden, liegt daS alles versunken hinter uns— ein buntes Land voller Leichtigkeit, ein Sommerjahr mit Blumen und Früchten, von dem wir, geblendet vom Schnee, träumen werden wie von verlorenen Paradiesen. Ausklang ist der Herbst, und Abschied. Nun liegt das noch einmal um uns, köstlich in der Frisch« des herbstlichen Tage», einfach, herb und groß. Gewölbten Schilden gleich hebt das Erzgebirge die hohen Flächen dem Himmel entgegen. Die Wege sind heraufgestiegen, nichts mehr ist zu tun, der Himmel ist groß«nd nahe. Befreit und lässig und sich selbst genügend bieten sich die Flächen dem Drange reinerer, ungehemmter Lüfte dar. Der Mensch ist mit heraufgestiegen mit Haus und Tier. Manchmal, über der sanft gebogenen
Linie einer Wölbung, steht ein Kirchturm. Nur Feld, Wolken und dieser Turm. Dahinter, in die Senkung gebettet und erst sichtbar, wenn man lang« auf den Turm zugeschritten und nahe herangekommen ist, liegt ein Dorf. Kleine weiß getünchte Häuser mit samtschwarzen Schindeldächern. ES bleibt zurück. Die Wege laufen einsam. Nun liegt das Dorf fern, auf der geschwungenen Linie wie auf einem leicht gespannten Bogen, auf dem der Kirchturm spitzt wie der aufgelegte Pfeil. Nie schnellt er in den Himmel. Alles ist Ruhe, Beharrung in großer Stille, in der die Winde flattern, aber immer läßt die Spannung der Linien dieser Landschaft noch ein Ereignis erwatten. Und es tritt ein. Der Weg führt leicht gewunden eine Feldhöhe hinauf und plötzlich taucht über dem Saum, auf dem bisher nur Gräser wie feine Fransen vorm Himmel wehten, der bewegte, blaue Schwung der böhmischen Bultanberge auf. Der Kammweg läuft immerfott auf dem Stücken hin, hebt und senkt sich mit ihm, durchquert Felder, Neine Waldstück«, fällt feuchte Bergwiesen hinab, in deren kurze Gräser sich das zatte Spitzenwerk der selleriedustenden Bärwurz einstrickt. Immerfort fühtt das blaue vierzinkige Kammzeichen weiter. Es erweckt in der Einsamkett herbstlicher Wiesen die Vorstellung großer zusammenhängender Bäume: weit von Osten her über das Riesengebirge führt eS den Wanderer über daS Lausitzer Gebirge , durch das Elbtal , über daS Erzgebirge ins Vogtland und Fichtelgebirge und jenseits nimmt das„Mareile", das lateinische R als Wegzeichen des Rennsteiges die markierte Linie wieder auf und führt sie über den Kamm des Thüringer Waldes bis zu Tannhäuser- Hörselberg, wo am Horizont Rhön und Spessart blauen. Schmale Feldwege bekommen Bedeutung. Sie sind Wanderwege quer durch weite Länder und die blauen Zinken auf Feldsteinen, an weißen Häusern, an Bäumen, tragen den großen Zug, die ewige Lockung der Ferne durch Wiesen und Wälder. G E» wird Abend. Rinder, schwarzweiß und rotweiß gefleckt, stehen auf der Ackerhöhe frei vor weißen Wollen, groß und beinahe monumental in der Erscheinung. Sie blicken herüber, satt und wartend, gute Tiere, die das Kleebüschel, mtt dem wir uns ihnen nähern, mit warmem Atem anblasen. In einem Dorfe gehen wir zur! Ruhe. Auch die Kühe kehren heim. Bon den Hängen ziehen.
sie herab, Karawanen hintereinander schreitender Tiere, dunkel geschnitten gegen den kühl verglimmenden Himmel. Aus den Ställen klingt das Klirren der Melkeimer. Am nächsten Morgen rauchen die Wolle« über die Höhen. Es ist windig und kaü; über Nacht wurde der Herbst barsch. Auf einem Hause des Dorfe- weht eine schwarze Flagge. Ein Waldarbeiter ist gestorben. Die Wirtin erzählt, daß niemand ihm sein« Krank « heit glaubte. Er hatte die„blühende Auszehrung"; mtt roten Backen lag er daheim. Und mit einem Male starb er. Nun, da sein Tod sie beweist, ist die Krankheit glaubhaft geworden. Der Trauerzug kommt den Berg heraus, den hinab die Dorfftraße immerzu stell fällt bis tief hinunter. Hoch oben, auf der Scheidelinie des Kammes, liegt der Friedhof und die Kirche. Der Nebel raucht dem Zuge entgegen. Voran schwantt das Kreuz in der Hand eines Knaben. Der Geistliche schreitet in weißem, goldgestickte^ Gewand wie eine Frau. Männer tragen den Sarg. Als schwärzer Zug folgt das Dorf, Männer, Frauen, Kinder. Und während der Zug unter betendem Gemurmel langsam hergauf steigt, treten schwarz- gelleidete Frauen aus den Türen der kleinen. .Weißen Häuser, Haus um Haus— der Begriff „letztes Geleit" bekommt wieder seinen im Getriebe der Stadt verlorenen Sinn: das ganze Dorf geleitet den Toten hinaus; Schritt für Schritt geht c? mit ihm zum Grabe und kehrt ohne ihn zurück. Und während der schwarze, murmelnde Zug an uns vorübersteigt, ziehen noch einmal alle Begegnungen eines Wanderjahres vorüber: Kindtaufen, Hochzeiten. Leichenbegängnisse in lleinen Städten, in Dörfern, Jahrmärkte, Turnerfeste, Festmusik und Grabgesang, Wiege und Bahre, Leben und Sterbet» in unablässigem Ablauf, vorüberziehend auf den bunten Hintergründen durchwanderter Landschaften. Langsam steigt der Zug in den rauchenden Wolkennebel hinauf. Von den Ebereschen reißt ded Sturm die welken Blätter, Rote Beeren fallen zur Erde und tupfen die Straße wie Blutstropfen. AuSllang und Abschied ist der Herbst. In der lleinen, steinernen Kirche singt die Orgel. Dünnes, silbernes Licht fällt durch weiße Räume. Wir ziehen weiter. Das Dorf verfinft und hinter unS schlagen die grünen Gardinen des WaldeS vor den Bildern der Ferne zusammen. E. H.