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DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

Samstag, 27. Oktober 1934

Krise

Auf fester Grundlage stabilisiert se

Das Exposé des Finanzministers

Pra g. Im Parlament hielt Finanzminister Dr. Trap I am Freitag vor gut besuchtem Hause seine Budgetrede, deren Inhalt wir an leitender Stelle besprechen. Im Gegen­satz zu der in früheren Jahren üblichen Gepflogenheit, die Debatte darüber mit der viel späteren Budgetdebatte zu vereinigen, wurde diesmal über Antrag der Koalitionsparteien beschlossen, die Debatte schon in der nächsten Sizung zu eröffnen.

Ueberraschenderweise wurde aber mit Rücksicht auf die Feiertage in der nächsten Woche diese Sitzung erst für Dienstag, den 6. November, angesetzt, so daß die ganze kommende Woche, für die man bereits mit aller Bestimmtheit zwei weitere Ministerexposees und eine große politische Aussprache angekündigt hatte, überhaupt sizungsfrei ist.

Ob diese fortwährenden unerwarteten Aenderungen in den Dispositionen gleich zu Beginn der parlamentarischen Session am Platze sind, muß stark bezweifelt werden! Dr. Trapl konstatierte zunächst in den wirtschaft­lichen Verhältnissen unseres Staates eine mäßige Besserung, die er in erster Linie auf die Aus­wirkungen der Kronendevalvation zurückführt. Diese hat es uns ermöglicht,

Wirtschaftsentwicklung werden muß.

Im Finanz- und Innenministerium wurden be­reits die Grundsäße der Finanzreform der Selbst berwaltungskörper durchberaten; die Verhandlungen haben aber bisher noch zu keiner definitiven Re­gelung der einschlägigen Normen geführt. Nach Trapls Meinung müsse die Reform folgenden Ge­sichtspunkten Rechnung tragen:

1. Die Lösung der Schwierigkeiten erheischt es unter allen Umständen, daß die Mittel des Selbst­verwaltungskörper zur Besorgung ihrer notwendi gen Anfgaben ergänzt werden. Dieses Problem sei

allerdings nicht einfach.

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Nr. 252

und Staatswirtschaft

Zum Exposé des Finanzministers

Finanzminister Trapl hat Freitag in einer längeren Rede Erläuterungen zum Staatsvor­anschlag gegeben, in der manches Beachtenswerte gesagt wurde und wozu auch Einiges zu be­merken ist.

Der Finanzminister begann damit, daß auf der absteigenden Linie des Wirtschaftslebens langsam eine Wendung zum Besseren eingetreten sei und daß wir uns zum ersten Male seit Be­ginn der Krise auf festem Boden befin­den. Als ein bedeutsames Zeichen dieser Wirt­schaftsbesserung in den Staatsfinanzen erscheint Auf dem Gebiet der Personalpolitit 2. Eine finanzielle Erleichte- ihm, daß in das Budget die Staatseinnahmen tadelt der Minister die Syſtemlosigkeit und Infon- rung für die Selbstverwaltungs  - aus Steuern und Abgaben um etwa eine halbe sequenz, mit der früher vorgegangen worden sei. verbände, welche im Hinblicke auf die bisherige Milliarde höher eingestellt werden konnten als Das Anwachsen der Agenda wurde einfach durch gesetzliche Regelung für die nicht autarken Verbände im Vorjahre. Personalvermehrung bewältigt, ohne daß man vor tollektiv, sei es durch Vermittlung der Landes- Sicherlich hat der Finanzminister damit seit Beginn der Krise zum ersten Male wieder fe- her Abhilfe in einer organisatorischen autonomie oder mit Rücksicht darauf, daß es sich viel recht, daß die von Jahr zu Jahr eingetretene sten Boden zu faffen. Die Wirtschaftsverhältnisse egelung gesucht hätte. Nach der Restrinktion von fach um eine Lösung der Verschuldung han Schrumpfung der Wirtschaft aufge= haben sich auf fester Grundlage stabilisiert, die 1924 hat man neuerlich zu dem bequemen System deln wird, unter Mitarbeit der Lan­zum Ausgangspunkt für die neue ansteigende während der Krise ist die Sparsamkeit in der Zahl voraus, daß die Wirtschaft der Selbstverwaltungs- bedeutet nur einen geringen Trost für der Vermehrung der Arbeitskräfte gegriffen. Erst des kreditinstitute zu lösen wäre, setzt hört hat. Aber diese unbezweifelbare Tatsache der Staatsbediensteten ein brennendes Problem des verbände auf die gleiche Wirtschaftsgrundlage hin- diejenigen, welche durch die in den vorhergehen­Um den Weg freizumachen, muß vor allem das Budgetgleichgewichtes geworden. Aus diesen Män- fichtlich der Art und des Maßes der Beschaffung den Jahren eingetretene Wirtschaftsschrumpfung Problem der Gesundung der Staats- geln der seinerzeitigen Personalpolitik ergeben sich der Bedeckung für die Ausgaben der einzelnen Selbst- arbeitslos geworden sind und angesichts wirtschaft gelöst werden. Aus keine wie immer Erscheinungen, deren ärgste die Un proportio- verwaltungsverbände nach den einschlägigen Gesetzes der Stabilisierung unserer Wirtschaft auf diesem gearteten Gründen dürfen ihr neue Lasten auferlegt niertheit des Pensionsetats ge- vorschriften gestellt werde. tiefen Niveau nur wenig Hoffnung haben, ihre werden. Für 1933 ergibt sich ohnedies ein Abgang genüber den Aktivbezügen der Staatsbedieniteten ist. 3. Die Reform der Finanzwirtschaft der Selbst- frühere Beschäftigung wieder zu erlangen. Die bon 1704 Millionen, und auch heuer müssen wir noch Direkt schicksalsvolle Konsequenzen für die Fi- verwaltung setzt eine Neuregelung der kon optimistische Feststellung des Finanzministers mit einem wenn auch weit niedrigerem Defizit rech- nanzgebarung des Staates hatten die persona- irolle und Revision der Geba­Nach den bisherigen Steuererträgnissen für len und sachlichen Mängel in der rung derselben voraus. darf also die verantwortlichen Regierungsfakto­1934, die bis Ende August um 56 Millionen höher Finanzverwaltung. Der Minister bedau­ren nicht darin beirren, alles zu tun, um der waren als in der entsprechenden Zeit des Vorjahres, ert, daß hier nicht rechtzeitig für eine hinreichende der Selbstverwaltung, da sich ja auch die Staatsver- halben Million Arbeitsloser wieder Arbeit und ist damit zu rechnen, daß die Einnahmeziffern des Brot zu beschaffen. Voranschlages für das heurige Jahr auch tatsächlich erfannt- der Finanzminister auch bewußt. Dieser Verpflichtung ist sich das sei an­erreicht werden. Auch der Stand der staatlichen Un­ternehmungen verbessert sich. Noch mehr als im Abgeordnetenhause hat er ge­ftern in einer Unterredung mit den Journalisten vom Ernst der Zeit und von den Schwierigkeiten, die uns noch bevorstehen, gesprochen. Als Vor­

nen.

Der Minister erwartet, daß die Arbeitslosigkeit ihren Kulminationspunkt bereits überschritten hat und daß also der heurige Kredit für diesen Zweck nicht überschritten werden

wird.

Anzahl von Bediensteten gesorgt wurde. Man hätte hier auch nicht die Restringierung des Jahres 1924 zulassen dürfen. Die Folge war die Anhäufung der Steuerrückstände infolge verspäteter Bemessung und Eintreibung der Steuern.

Personalvermehrung

im Finanzdienst

Der Minister erblickt darin keine Einengung

waltung einer genauen Kontrolle unterwerfen müsse. Für neue Arbeitsmöglichkeiten

Nach Betonung der Notwendigkeit einer weite­ren Verbilligung des Kredites, wozu auch eine ,, wei­tere Verbilligung der Regie der Geldanstalten und die Vereinfachung des komplizierten und teueren Sy­stems des Geldwesens" beitragen könne, fommt

-

Der Minister erklärt, daß der Stand der Trapl auf die sonstigen notwendigen Maßnahmen aussetzung für die Herbeiführung besserer wirt­In Besprechung des vorgelegten Budgets be- Agenda des überwiegenden Teiles der Finanzbehör- zur Ueberwindung der wirtschaftlichen Schwierigkei- schaftlicher Zustände hat Minister Trapl die Ge­tonte Dr. Trapl, daß es nur um den Preis der Auf- den für alle Dienstbereiche überprüft und weit- ten zu sprechen. Sieher gehört in erster Reihe das fundung der Staatswirtschaft rechterhaltung der gegenwärtigen niedrigen Budget- reichende Veränderungen, in der Beſegung der Lei- Streben nach befferer Produkti- bezeichnet. Nichts beleuchtet diese Notwendigkeit ziffern gelingen kann, uns zu einem tatsächlichen tenden Bemter borgenommen wurden ben bitat in allen 3 weigen der wirt- besser, als die Tatsache, daß der Staat im Jahre Gleichgewicht in der Staatswirtschaft durchzuar Eisenbahnen wurde eine große Anzahl von Ange- schaftlichen Tätigkeit als Vorausset- 1933 mit einem Fehlbetrage von 1700 Millio­stellten wenigstens zur provisorischen Aushilfe über- zung der Milderung des schwersten Krisensymptoms, nen Kronen gewirtschaftet hat. Fehlbeträge in nommen; ihre Zahl betrug zum 1. Oktober 1038. nämlich der immer noch schweren Arbeitslosigkeit. der Staatswirtschaft führen aber dazu, daß der

heiten.

Im Voranschlag wird in den Grenzen der wirtschaftlichen Möglichkeiten auf Investitionen Rücksicht genommen. Alle Investitionen zusammen

-

auch die aus laufenden Mitteln ergeben eine Summe von mehr als 1500 Millio= Itent.

Die Fehler von einst

Trapl gibt zu, daß die Staatsaufgaben früher nicht immer rationell und wirtschaftlich durchge­führt worden sind. Hier hat die Spar- und Kon­trollfommission bereits wertvolle Arbeit geleistet; ein großer Teil ihrer Anträge wurde bereits durchgeführt.

Von der Kommission zur Dekonomisierung der Staatsverwaltung sind baldige Arbeitsergebnisse aber noch nicht zu erwarten. Die Staatswirtschaft be­darf in organisatorischer Beziehung gewiß gründ­licher Reformen, deren Durchführung auch im Inter­esse einer rationellen und intensiveren Verwendung des staatlichen Personals gelegen ist; das ist zugleich die Voraussetzung für eine Besser stellung der Staatsangestellten.

In erster Reihe war die Investitionspolitik des Staates nicht immer auf das Erfordernis der 3wved mäßigkeit und Dringlichkeit eingestellt; die Investi tionen waren daher häufig unsystematisch, ia überflüssig und vor allem un rentabel. Diese Mängel betreffen alle Ressorts der Staats­

berwaltung.

Die Regierung ist nunmehr peinlich darauf bedacht, daß durch die systematische Durchführung der Investitionen die Staatserfordernisse sparsam und zweckmäßig, sowie unter Rücksichtnahme dar­auf, daß dabei auch die Arbeitsmöglichkeiten auf das beste ausgenützt werden, ihrer Verwirkli­chung zugeführt werden.

Es wird jedoch notwendig sein, über dieses Provisorium hinaus den Stand des fachlich ge­schulten Personals bei den einzelnen Finanzbehör= den wesentlich zu vermehren und die Aemter auch in technischer Beziehung gehörig auszustatten. Die Finanz­verwaltung hat in dieser Beziehung bereits alle Vorbereitungen getroffen und wird ihre Anträge der Regierung in allernächster Zeit vorlegen. Da­mit soll eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Bemessung, Einhebung und Verrechnung aller Steuern und Abgaben erzielt werden. Es wird dies auch eine Maßnahme von sozialpolitischer Beden­tung sein, die der arbeitslosen Intelligenz den Eintritt in den Bernf ermöglichen wird. Für die Bedeckung des Mehraufwandes im Bud­get ist Vorsorge getroffen.

Die Selbstverwaltung

Abgesehen von der gewährleisteten Unterstüt- Kreditmarkt erschöpft wird und so für eine An­zungs- und Verköstigungshilfe müsse mit allen furbelung der Wirtschaft durch öffentliche Kör­Mitteln dafür gesorgt werden, daß Arbeitsmög- perschaften ebenso wie durch private Betriebe kein lichkeiten für eine möglichst große Zahl Arbeits- Kapital vorhanden ist. lofer   beschafft werden. Es wird dies in erster Reihe durch zweckmäßige und wirtschaftliche Durch­Der notwendigen Gesundung des führung der öffentlichen Investitionsarbeiten mög- Kreditmarktes hat der Minister eine den lich sein, auf welche auch im Staatsvoranschlage tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragende in einem der heutigen Wirtschaftssitutation ange- ausführliche Betrachtung gewidmet. Er erzählte messenen Maße gerechnet wird. Gleichzeitig müſſen- worüber sich die Oeffentlichkeit bisher nicht alle Hindernisse beseitigt werden, welche der Ein- genügend klar gewesen ist daß durch den Ab­reihung einer möglichst großen Zahl von Arbeits- ruf von unseren Banken und unserer Industrie kräften in den Arbeitsprozeß im Wege stehen. gegebenen auswärtigen Krediten in der Höhe Auch hier fällt dem Staate eine ganze Reihe von von mehreren Milliarden(!) die Industrie und Aufgaben zu, in normativer Weise in seiner eige- Banken außerordentlich gelitten haben und daß

nen Kompetenz einzugreifen.( Die Frage der Ar­

-

beitszeit und der Ueberstunden, Schutz der Klein- auch die Nationalbank von dieser Kreditkrise da­gewerbe, Verbesserung der Organisation der land- durch beeinflußt wurde, daß sie große Devisen­wirtschaftlichen und industriellen Produktion und mengen zur Abzahlung dieser Kredite zur Ver­des Absatzes usw.) fügung stellen mußte. Um der entstandenen Kre­Viel der Mängel, die Trapl an der Staatsver­waltung aussetzte, erachtet er auch bei den Selbst- gewerblichen Vorschriften und der Besteuerung des nicht allzu sehr in Anspruch zu nehmen, wurde Der Minister fündigte gewisse Reformen der ditnot abzuhelfen und dabei die Nationalbank verwaltung 3 törpern für gegeben. Automobilwesens an. Seine Meinung über das Gemeindefinanzgesetz von das Reeskomptinstitut gegründet, dessen Aufgabe 1927 gibt er dadurch ziemlich offen Ausdruck, daß er beschleunigten Herstellung des Straßenne tschaftskrise am tiefsten eingegriffen hat, so daß Für die Arbeitsbeschaffung wäre der Plan einer es ist, die Kredite dahin zu lenken, wo die Wirt­erklärt, die Frage beiseite Iaffen 3uzes von Bedeutung. Insofern es möglich sei, auch hier ein Stüd Planwirtschaft auf wo II en, bis zu welchem Maße die Wirtschaft in anderen Richtungen die Bedingungen des Ar- dem Gebiete des Kreditwesens der Selbstverwaltungsverbände durch dieses Gesetz beitsmarktes durch Maßnahmen im Wirkungskreis verwirklicht wurde. Das Institut hat in betroffen worden ist. Ein großer Teil der Verschulder Finanzverwaltung zu verbessern, werde diese zweierlei Weise dazu beigetragen die Kapital­dung sei der nicht genügend vorsichtigen Wirtschafts- nichts unterlassen. Das Finanzmini weierlei Weise dazu beigetragen die Kapital­gebarung zuzuschreiben; sterium denkt auch an eine Reformierung der allge- knappheit zu mildern: teils dadurch, daß es Kre­auf der anderen Seite könne aber nicht meinen und besonderen Eriverbsteuer und eine Uni- dite gewährt hat, teils dadurch, daß es durch den bestritten werden, daß für die Selbstverwaltungs- fizierung der Gebührenvorschriften. Ankauf von Staatspapieren den Besitzern dieser förper seit dem Umsturz so viele neue Aufgaben Zum Schluß 1. tterstreicht Dr. Trapl auch die Papiere die Möglichkeit gegeben hat, sich Kredite erwachsen find, deren Kosten auch bei größter Notwendigkeit der Erweiterung unseres Exportes und zu verschaffen. Insofern der Finanzminister die Sparsamkeit nicht mit der zur Verfügung stehen- erklärt weiters, wir dürften auch nicht an die Si- Tätigkeit dieses Institutes rühmend hervorhob, den Bedeckung in Einklang gebracht werden konnte. cherung der Verteidigung des Staates vergessen. I kann man ihm beistimmen.