Nr. 259
Sonntag, 4 November 1934
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England als Vorbild
Der Wahlsieg der Arbeiterpartei
Die glänzende Wahlschlacht, welche die englische Arbeiterpartei diese Woche geschlagen hat, der große Wahlsieg, den der englische.Sozialismus damit erfochten hat, wird den Sozialisten in der ganzen Welt neuen Mut einflößen und in den Belennern der sozialistischen Idee allüberall neue Leidenschaft, neuen Kampfeseifer entfachen. Hat doch die englische Arbeiterpartei in den Wahlen in die Gemeindevertretungen Englands »icht weniger als 770 neue Mandate gewonnen, welchem Gewinn ein Verlust von nur 29 Mandaten gegenübersteht, so daß der. Reingewinn der englischen Arbeiterpartei 741 Mandate beträgt. Wie groß der Erfolg der englischen Genossen ist, zeigt sich allein därin, daß die Arbeiterpartei bisher in vier von 28 Londoner Gemeinderäten die Mehrheit gehabt hat, nun aber die Mehrheit in 15 Räten haben wird. Hat der englische Sozialismus vor wenigen Monaten erst die Mehrheit der Londoner Grasschaftsrats erobert, so kann man jetzt, um so mehr sagen, daß die englische Arbeiterpartei die Hauptstadt des britischen Weltreiches beherrscht. Das Schicksal der englischen Arbeiterpartei hat.sich seit dem'Ende des Krieges sehr wechseldoll gestaltet und man kann an ihren Erfolgen und Niederlagen sehen, daß der Machtanstieg des Sozialismus durchaus nicht ununterbrochen und in einer geraden Linie verläuft, sondern daß auf dem Wege zum endgültigen Siege zeitweise . Niederlagen nicht ausbleiben. In den ersten Parlamentswahlen in England nach dem Kriege im Jahre 1919 hat das siegestrunkene Bürger- und Kleinbürgertum der Arbeiterpartei, deren Führer im Kriege eine tapfere sozialistische Haltung eingenommen haben, eine IHiederlage bereitet und ebenso ist im Oktober 1931 nach der Spaltung der Arbeiterpartei durch MacDonald der englische Sozialismus geschlagen worden. Unter der Parole einer nationalen Einheitsfront und einer nationalen Regierung hat die Arbeiterpartei damals 235 Mandate verloren und nur 50 behalten, obzwar der Mandatsverlust nicht dem Rückgang der Stimmen der Arbeiterpartei entsprochen hat, denn auf ein Mandat der Arbeiterpartei entfielen 134.000^und auf ein Mandat der Konservativen 25.000 Stimmen. »Die Tage der Arbeiterpartei kommen wieder!", so rief das mutige Blatt der Arbeiterpartei, der »Daily Herald" MN 2Z„. Oktober 1931 aus. Es sind noch keine drei Jahre vergangen und man kann heute sagen: T^e Tage der Arbeiterpartei sind wieder- gekommen! ' Die meisten Ergänzungswahlen ins englische Parlament, die in der letzten Zeit vorgenommen Worden sind, haben mit einem Sieg der Arbeiterpartei geendet. Zuletzt wurden die bürgerlichen Parteien in zwei- Wahlschlachten in Lambeth und Swindown geschlagen. Im erstgenannten Wahlbezirk wurden der liberale, im zweitgenannten der konservative Kandidat besiegt und für die Ar- beiterpartef wurden zwei neue Mandate gewonnen. Ebenso. erfolgreich waren die Wahlen in den Londoner Grafschaftsrat am 8. März 1934, b-i denen die Arbeiterpartei 69, die Konservativen aber nur 55 Mandate heimbringen konnten, während kein liberaler Kandidat gewählt wurde. 1931 standen im Londoner Grafschaftsrat 35 Arbeiter- parteiler 83 Konservativen und sechs Liberalen
gegenüber, während im März 1934 zum ersten Male in der Geschichte Englands die Arbeiterpartei die Mehrheit im Londoner Grafschaftsrat errang. Sie hat die Wahlerfolge, die ihr 1934 Monat für Monat zugefallen sind, der Unzufriedenheit der englischen Wähler mit dem konservativen Regime, den Hoffnungen, welche England in die Arbeiterpartei setzt, ebenso zu verdanken, wie ihrer ausgezeichneten Arbeit in der Selbstverwaltung(vor allem im Kampf gegen die sogenannten Slums, die Elendsquartiere der Industriestädte). Während in den einzelnen Ländern der Fascismus seine mit Blut befleckten Stiefel auf den Nacken des sozialistischen Proletariats gesetzt hat, während alle Feinde des Sozialismus das
Die Heimstätten Die vorj&hrisen Bestimmungen gelten auch heuer 1 Wir berichteten Freitag, daß die Leitungen der Jugend-Heimstätten und die Bezirks-Jugendfürsorgen durch unrichtige Behauptungen über die Aufnahme-Vorschriften verwirrt und die arbeitslosen Jugendlichen beunruhigt würden. Durch die Weisungen, welche die Reichenberger Landeskommission für Jugendfürsorge an die Bezirksjugend- fi'nsorgen ergehen ließ, wurde der soziale Sinn der Aktion verfälscht und ihr Nutzen für die Arbeitslosen gefährdet. Da es außer Zweifel stand, daß diese Weisungen sich weder auf einen Erlaß des Ministeriums für soziale Fürsorge, noch auf irgendwelche Abmachungen stützen konnten, haben die Gewerkschaften und der Sozialistische Jugendverband sofort alles getan, um den wahren Tatbestand klarzustellen. Ihr Eingreifen hatte vollen Erfolg. Wie wir erfahren, hat die Reichenberger Landeskommission telegraphisch ihren Erlaß zurückgezogen und die Bezirksjugendfürsorgen verständigt» daß die b i s- herigen Borschriften des Ministeriums für soziale Fürsorge weiter in Kraft find. Es kann also keine Rede davon sein, daß für die Aufnahme in die Heimstätten ein Schlüsse! vorgeschrieben wurde, wonach den freien Gewerkschaften und der sozialistischen Jugend ein Drittel, den anderen Organisationen zwei Drit-? tel entnommen werden sollen. Ebensowenig ist' die Aufnahme Sache der Bczirksjugendfürsorge. Die Auswahl der Jugendlichen führen die Gewerkschaften gemeinsam mit den Jugendorganisationen durch» wobei das Heimstätten-Kuratorium mitwirkt. Unsere mit der Hcimstätten-Aktion befaßten Genossen haben nun eine klare Situation vor sich. Sic können allen gegnerischen Versuchen mit dem Hinweis darauf entgegentreten, daß die Landeskommission in Reichenberg ihren ersten haltlosen und irreführenden Erlaß in aller Form zurück- n-'hmen mußte. Die 227. Plenarsitzung des Senates findet am Dienstag, den 6. November, um 15 Uhr statt. Auf der Tagesordnung steht der Bericht des technischen und Verkehrsausschusses sowie des verfassungsrechtlichen Ausschusses zum Regierungsgesetzentwurf betreffend die Fahrt mit Motorfahrzeugen.
Ein Beispiel für die Jungen I Die Demonstrationen des 28. November 1905 L'., Die sudetendeutschen Arbeiter, die heute auf den Straßen von sechs böhmischen und mährischen Städten ihrem unerschütterlichen Willen Ausdruck geben, keinerlei Spielart des den deutschen Namen schändenden kulturwidrigen Fascismus zu dulden, haben in der Vergangenheit schon ost und mit Erfolg für ihre Rechte und Forderungen demonstriert. Zu den stolzesten Erinnerungen der Sozialdemokratie der Sndetenländer gehören der heroische Kampf um das allgemeine Wahlrecht und insbesondere die großen Kundgebungen, welche sich in ganz Oesterreich am 28. November 1905 abgespielt haben. Den Jüngeren unter den Demonstranten des 4. November 1934 wird es von Nutzen sein, etwas über die Kämpfe jener Zeit zu hören.> Die machtvollen Kundgebungen des 28. November 1905 können erst dann verstanden, die Leidenschaften der an diesem Tage demonstrierenden Mafien erst dann begriffen werden, wenn man weiß, daß der Kampf um das allgemeine Wahlrecht in Oesterreich etwa eineinhalb Jahrzehnte gedauert hat und daß immer und immer wieder in nimmermüder Zähigkeit die Forderung nach dem Wahlrecht von den Mafien Jahr für Jahr und Monat für Monat erhoben wurde. Dieser Kampf wurde mit wechselndem Erfolg geführt, lange sträubten sich die Herrschenden Oester reichs , auch nur die geringste Konzession zu machen. 1893 hatten die wahlreformfeindlichen Parteien des Parlamentes die Regierungs Taaffe ,
die vierzehn Jahre lang Oesterreich regiert hatte, nur deswegen gestürzt, weil diese Regierung eine Erweiterung des Wahlrechtes vornehmen wollte. 1896 kam dann die Errichtung einer sogenannten fünften Kurie zustande, wodurch die Arbeiter ein, wenn auch ungleiches Wahlrecht erhielten. Aber die Sozialdemokratie gab sich damit nicht zufrieden. Ihr Ziel blieb nach wie vor das allgemeine gleiche Wahlrecht und als die russische Revolution von 1905 hereinbrach, da wurde der Wahlrechtskampf der österreichischen Arbeiter neu belebt und gesteigert. Schon bald nach den Ausschreitungen in Petersburg am 20. Jänner 1905 kam es zu großen Versamm- lungeri in den deutschböhmischen und mährischen Städten, in denen sich die Arbeiter bewußt wurden, daß Oesterreich von der damaligen Entwicklung in Rußland nicht unbeeinflußt bleiben könne. Die Feier des 1. Mai im Jahre 1905 war eine der großartigsten und stimmungsvollsten, die eS je in Oesterreich gegeben hat. In den Monaten August, September und Oktober 1905 fandet in allen großen Orten Böhmens , Mährens und Schlesiens ununterbrochen Demonstrationen statt. Unvergessen bleibt es, daß damals am 24. September 1905 der gegenwärtige Präsident T. G. Masaryk sich auf einem Meeting auf dem Prager HavliLekplatz für die Rechte der Arbeiter einsetzte. Unwiderstehlich wurde die Bewegung, als die Massen von dem Manifest des Zaren erfuhren, das dieser am 30. Oktober 1905 erlassen batte und in dem der„Selbstherrscher aller Reußen"(so nannte sich der Zar) seinem Volke das allgemeine Wahlrecht verhieß. Nun entschloß sich die österreichische Sozialdemokratie zu einem entscheidenden Schlag auszuholen, einen eintägigen Generalstreik zu proklamieren, und an dem Tage seines Stattfindens, eben an dem denk- würdigcn 28. November 1905, auf die Straße zu
Ende der sozialistischen Arbeiterbewegung gekommen glauben, während auch im sudetendeutschen Volk unsere Feinde wähnen, ftohlocken zu können, während tatsächlich an einzelnen Stellen der sozia listischen Weltfront unsere Stellungen eingedrückt sind und der Feind tief in die bisher von uns gehaltenen Positionen eingedrungen ist, setzt der internationale Sozialismus an anderer Stelle der Front seinen Bormarsch fort. In Schweden und Norwegen ist die Sozialdemokratie siegreich, in Frankreich hat sie bei den Wahlen neuen Boden gewonnen, in Australien ist sie vorgedrungen und vor allem bereitet sie sich in England auf die Uebernahme zur Macht vor. An dem Tage, da die sudetendeutschen Proletarier auf der Straße gegen den Fascismus und für die Demokratie marschieren, da sie ihre Entschlossenheit kundgeben, keinen Fußbreit Boden dem Fascismus preiszugeben, grüßen wir die siegreichen Arbeiter Englands, die der roten Fahne des Sozialismns zu neuem Ruhm verhalfen haben!
Die politische Woche In der iüternationalen Politik geht es augenblicklich wieder ziemlich unruhig zu. Im Vordergründe steht das Saarproblem, das durch die militärischen Vorsichtsmaßnahmen Frankreichs an der Saargrenze in den Mittelpunkt der euro päischen Politik gerückt ist. Die Nervosität auf deutscher Seite ist, wie sich aus verschiedenen offiziellen Erklärungen der ganzen Tage ergibt, nicht gering. Die reichsdeutschen Stellen scheinen sich diesmal des Ernstes der Situation bewußt und darüber nicht im Unklaren zu sein, daß jeder Vorstoß der braunen Armee ins Saargebiet, auch wenn er nur von den bekannten„unverantwortlichen Elementen" durchgeführt wäre, von den' ernstesten Folgen sein müßte. Bezüglich des Mar seiller Attentates ist das Schwergeioicht der Entscheidung in den für den 21. November einberu- fenen Völkerbundrat verlegt. Wie die Dinge heute liegen, so ist anzunehmen, daß der Völkerbund von den in diese Affäre verstrickten Staaten weitestgehende Garantien gegen eine künftige Aufzüchtung don Terrorbanden nach dem Muster von Janka Puszta verlangen und durchsetzen wird. In der Innenpolitik wurde die infolge der Feiertage für das Parlament eingeschaltete Pause von der Regierung dazu benützt, um gewisse wirtschaftliche und administrative^. Fragen zu lösen. Hier stehen Verhandlungen über das Margarine- und Milchproblem im Vordergrund. Die sozialistischen Parteien treten nachdrücklichst dafür ein, daß keine dieser Maßnahmen Axhefterentlassungen. zur Folge haben darf und dsß-«»ch w der für-die^onsumenteP entscheidet!?, den Frage des Preises keine Aenderüngen ge-' geniiber dem bisherigen Zustand Platz greifen. Die diesbezüglichen Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Auf tschechischer Seite hat man der Vorbereitung der Gemeindewahlen, die heute in P i s e k und in P e L k y stattfinden, außerordentliche Aufmerksamkeit gewidmet. Nmnentlich die neue„Nationale Front" der Heren K r a m ä r und S t r i- brnh machte die größten Anstrengungen, um einen Erfolg einheimsen und so in den kommenden Wahlkampf um Parlament und Senat mit -einem gewissen Plus gehen zu können. Trotzdem das Interesse der tschechischen Oeffentlichkeit an diesen Wahlen, die als Stimmungsbarometer für die kommenden Parlamentswahlen gewertet werden, begreiflich ist, so darf man doch nicht übersehen, daß es sich hier in erster Reihe doch nur um Gemeindewahlen handelt, welche— wie immer sie auch ausgehen mögen— noch lange nicht eine
gehen. An dem Tage, da das Parlament einbe- rusen wurde, ruhte fast in ganz Oesterreich jegliche Arbeit, in den Industriestädten war die Arbeitsruhe vollkommen. Die sudetendeutschen Städte brachten Menschenmassen auf die Beine, wie es bis dahin noch nie vorgekommen war.„Es bot einen überwältigenden Anblick," so lesen wir in dem Buche„Von Hainfeld bis zum Weltkriege" des Genossen Dr. Emil Strauß,„als die Menschen mit eiserner Disziplin und Grabesruhe über die Straßen zogen, wie eine Sturmflut sich durch die Gaffen wälzten und die Marktplätze überfluteten. Banner auf Banner, Fahne auf Fahne, Tafel auf Tafel zogen da stundenlang vorüber, kein Ende war abzusehen. Geschäfte, Eafes, Restaurants, alles war geschlossen, die elektrischen Bahnen verkehrten nicht, es gab keine Droschke, keinen Fiaker, keinen Lastwagen, kein Dienstmann verrichtete seine Arbeit, kein Markt wurde abgehalten. Brennend rot leuchtete es aus den Fahnen und Tafeln, aus den Nelken, welche die Demonstranten trugen... eine mächtige geistige Bewegung ging durch das Volk, alle Dämme des Widerstandes niederreißend." Eine solche mächtige Bewegung mußte Erfolg haben. Wenige Monate später war das allgemeine gleiche Wahlrecht verwirklicht. So haben jene, welche zu Beginn des Jahrhunderts die Träger der sozialistischen Arbeiterbewegung in den Sudetenländern waren, gezeigt, daß Zähigkeit, Mut und Entschlossenheit, Opferbereitschaft und Aktivität den Sieg erringen müssen. Die großen Wahlrechtskämpfe von 1905 werden stets ein anfeuerndes Beispiel bleiben für jene, in deren Herzen die Flamme des Sozialismus lodert und die gewillt sind, anstelle einer verrotteten Welt, die den Mafien Hunger und Elend bringt, die neue Welt des Sozialismus zu setzen!
verläßliche Prognose über die künftige politische Struktur der neuen Nationalversammlung ermöglichen können. Im Parlament wird die kommende Woche die Exposees des Ministerpräsidenten und Außenministers bringen. Die beiden Kammern werden die Möglichkeit haben, sowohl zur Außenpolitik wie auch zu den dringenden innerpolitischen und wirtschaftlichen Problemen ausführlich Stellung zu nehmen. Namentlich die Frage der A r b e i t s- beschaffung wird von sozialistischer Seite mit allem. Nachdruck aufgerollt werden; in diesem Zusammenhang werden die sozialistischen Parteien natürlich auch die Fragen der Arbeitslosenfürsorge usw. ausführlich zur Sprache bringen. Nach Abschluß dieser Debatte im Plenum wird dann der Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses mit der Beratung des Staatsvoranschlages für 1935 einsetzen. Parallel damit werden die Beratungen der Regierung über getoisse termi- nierte Vorlagen gehen. Es handelt sich da um die eventuelle Verlängerung des Gesetzes über die Auflösung, bzw. Einstellung von politischen Parteien, um die Sanierung der Selbstverwaltungskörper und gewiffe andere Vorlagen, die zum Teil von den verschiedenen Ministerkomitees bereits vorbereitet sind. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die heutigen großen Kundgebungen unserer Partei in der politischen Oeffentlichkeit auch auf tschechischer Seite beträchtliches Interesse wachgerusen haben und daß sie Wohl stark dazu beitragen werden, über die wahre Kräfteverteilung im deutschen Lager Auffchluß zu gehen und so der Barnum-Re- klame entgegenzuwirken, die von Seite der Manager des Herrn Henlein in letzter Zeit so aufdringlich betrieben wurde. Die tschechischen Genossen zum heutigen Tag Der sonntägige Leitartikel des„Prävu Lidu" gilt den Kundgebungen der deutschen Sozialdemokratie. Genosse S t i v i n schreibt u. a.: „Unsere deutschen Genoffen haben heute ihren stolzen Tag. Der Bers der Internationale„Auf zum letzten Gefecht!" erklingt. In sechs mächtigen Aufmärschen versammeln sie sich zu Volksversammlungen, um zu dokumentieren, daß die deutsche sozialistische Arbeiterschaft in der Tschechoslowakischen Republik entschloffen ist, die Demokratie, die'Freiheit des Staatsbürgers zu wahren und unerbittlich und mit aller Kraft gegen die deutschen fascistischen Umtriebe zu kämpfen, welche Herr Henlein vorläufig in eine blau-weiß-rate Emballage hüllt, um in seinen Vorbereitungen nicht gestört zu werden. Die tschechischen Arbeiter in Nordböhmen, - Mähren und Schlesien werden sich an den Kundgebungen beteiligen, welche ein Ansporn auch für die Arbeiter jener deutschen Länder sein werden,, w« die Arbeiterschaft nicht nur sozial, sondern auch politisch versklavt ist. So wie der Feudalismus seine geschichtliche Epoche mit verstärktem Druck auf die Bauern und durch blutige Unterdrückung der Bauernrevolten abschloh, so wie das Wahrzeichen des sterbenden Feudalismus der Baum war, an dem die Leichen der Bauernrebellen hingen— so ist die Aera des absterbenden Liberalismus illustriert durch politische Versklavung der Arbeiter, unglaubliche Herabdrük- kung ihrer Lebenshaltung, die Barbarei der Konzentrationslager in Deutschland und die Henkerstätten in Oesterreich . Es ist nicht notwendig, daß in den Arbeiterreihen Befürchtungen entstehen. Wir stehen aber vor der Tatsache, daß der tschechische und der deutsche Fascismus in der Tschechostowakei aufgehört haben, ein Spiel zerrütteter Fraktionen und politischer Wirrköpfe zu sein, daß sich heute unter nationalen Losungen das Banken- und Industriekapital hinter sie stellt, wie es überall war. Das Kapital weiß, daß es auf dem Boden der Demokratie nur verlieren und niemals gewinnen kann, daß es die Arvei- terschast nicht unterjochen kann, wenn sich das arbeitende Volk seine Demokratie und seine Politfichen Freiheiten bewahrt, wen» unsere heutige Rechtsordnung unversehrt bleibt. Darum wfil es unseren Staat auf andere Bahnen ziehen. Und diesem Bestreben muß unser entschiedenster, dabei aber umsichtigster Kampf gelte«. Ein Kampf» welchen wir Hand in Hand mit den deutschen Genossen führen, die eben heute zu tausenden und zehntausend«« antrrtrn, um den fascistischen zurückznschlagrn! Ueder unsere heutigen Kundgebungen schreibt die„Prager Presse" in ihrer Wochenübersicht u. a.: „Ein anderer Schauplatz der politischen Spannungen ist das deutsche Grenzgebiet. Unterstützt von den tschechoslowakischen haben die deutschen Sozialdemokraten an die Heimatfront Henleins eine Kampfansage gerichtet,—welche die Antwort auf Böhm.-Leipa enthält. Die für Sonntag in sechs Grenzstädten einberufenen Kundgebungen laffen mit einem Massenaufmarsch auch der arbeitslosen Bevölkerung rechnen. Die deutschen Sozialdemokraten kämpfen als stärkste politische Gruppe unter den deutschen Parteien nicht um enge Parteiintereffen. Sie treten unter der Fahne der republikanischen Demokratie in der Tschechostowakei auch für jene deutsch - bürgerlichen Parteien an, die nach der letzten Kundgebung Henleins den Mut verloren haben, sich mit der Heimatftont zu messen. Diese sind umgefallen und können sich nur mit Hilfe der demokratischen Front aufrichten. Henlein ist also nicht am Ziel. Die Sympathiekundgebungen für seine Heimatftont aus dem Reich und dem gleichgeschalteten Danzig haben Prag das ftojanische Pferd erkennen laffen, das Hen lein heißt. Bis auf die Agrarier, die ihm Schonzeit einräumen, sind alle Regierungsparteien Entschlossen, keine Ersatzpartei der deutschen Nationalsozialisten zu dulden. Henleins Handlungsfreiheit ist seit der Offensive der Sozialdemokraten vollständig unterbunden. Denn ihre Kundgebungen bilden den Auftakt zur Entscheidung einer Frage, an der P r a g nicht weniger interessiert sein kann, als das Henlein freundliche Ausland."