Sosialdemokra
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Die ersten Opfer
In Gijon wurden Mittwoch als erste Opfer der christlichen Henker und Sachwalter des spanischen Finanzkapitals erschossen die Revolutionäre:
Corrales und
Guerra Pardo
Sie starben mannhaft, wie sie gelebt und ge= kämpft hatten.
Henker in Nöten
Donnerstag, 8. November 1934
Einzelpreis 70 Hetter
( einschließlich 5 Heller Portoj
Nr. 262
=
Die Wahlen zum amerikanischen Kongreß, deren Ausgang in der ganzen Welt mit großer Spannung erwartet wurden, haben einen ganz eindeutigen Sieg der Demokraten, im Grunde also der Politik des Präsidenten Franklin Roo sevelt gebracht. Die Hoffnungen der Republifaner, das Regime Roosevelt und damit der NIRA zu erschüttern, sind fehlgeschlagen. Madrid.( Tsch. P.-B.) Die innere Lage Gewählt wurden in den Vereinigten StaaSpaniens hat eine neue Verschärfung erfahren. ten gestern die Mitglieder des RepräsentanDie anarchistisch- kommunistischen Gewerkschafts- tenhauses, das 435 Size hat, und ein Teil, verbände haben in zahlreichen Städten, insbesonder Senatoren, nämlich 35. Der Senat dere in der Provinz Saragossa , zum Generalstreit ist im Gegensatz zum Volkshaus das eigentliche aufgerufen. Man befürchtet neue Unruhen. Die Staatenhaus, die Bundesvertretung, denn in ihn Regierung hat durch ein Dekret den Belagerungs
zustand über ganz Spanien um einen Monat berlängert.
Doumergue vor dem Sturz?
Die Radikalsozialisten( Herriot ) rücken immer deutlicher von der Verfassungsreform Dou
Zustimmung des Senats unterworfen. Außer- Die amerikanischen Wahlen haben seit dem dem übt der Senat wichtige Kontrollrechte aus und Jahre 1916, da über die Kriegspolitik der USA beschränkt die Gewalt des Präsidenten über den und die Wiederwahl Wilsons entschieden wurde, Beamtenapparat der Union . Sehr oft find USA - das Interesse der europäischen Oeffentlichkeit Präsidenten mit ihrer Politik an der Opposition immer in hohem Maße in Anspruch genommen. des Senats gescheitert, dessen Zusammensetzung Während es aber bis 1932 immer wieder die sich nicht immer mit der augenblicklichen Volks- Frage der amerikanischen Außenpolitik war, die meinung deckt, da die Wahl in Dritteln ein kon- den Europäern wichtig erschien, so hat man den fervatives und jeden Umschwung verzögerndes gestrigen Wahlen aus einem ganz anderen Grunde Element darstellt( ähnlich wie auch in Frankreich , eine ungewöhnliche Beachtung geschenkt. Diesmal wo der Senat in Vierteln ergänzt wird). Der ging es nicht um Monroe- Doktrin und EinSieg der Demokraten ist daher vor allem mischung Amerikas in europäische Verhältnisse, durch die Erfolge bei den Senats- nicht um Völkerbund , Abrüstung und Schuldenwahlen von Bedeutung, er hat aller- frage. In allen diesen Fragen ist das amerika nische Volk heute kaum geteilter Meinung. Wer immer es regiert, wird den seit dem Abgang Wilsons Tradition gewordenen Kurs wahrscheinlich fortsetzen.
Für Arbeit und Brot!
mergues ab. Man rechnet nach dem Ergebnis der Die Partei für die Forderungen des 4. November
Fraktionsberatungen, die Mittwoch stattgefunden haben, mit dem Rücktritt des Kabinetts Doumer gue u. zw. schon für Donnerstag. Die französische Bresse beschäftigt sich sehr aufgeregt mit dem Problem der Nachfolge. Die Kandidatur La val steht im Vordergrund der Erwägungen, doch besteht auch für eine neue Betrauung Doumergues eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Im allge= meinen nimmt man an, daß jede neue Regierung in den Bahnen Doumergues wandeln wird, wenn auch nicht jede das ganze Reformprogramm übernehmen dürfte.
Spät nachts wird aus Paris noch gemeldet: Die Kammerfraktion der Radikalsozialisten beschloß bis auf eine Stimme einmütig, daß sie am Donnerstag gegen den Antrag der Budgetswölftel stimmen wird, daß aber dem Minister Herriot die Freiheit belassen werden wird, am Vormittag im Ministerrat noch zwecks einer Einigung zu verhandeln.
Ministerpräsident Doumergue , der von diesem Beschluß benachrichtigt wurde, erklärte ausdrücklich:„ Falls mich die Minister im Stich laffen, werde ich morgen nachmittags nicht vor die Kammer treten."
für freie Abstimmung
Pra g. Dienstag abend befaßten sich der Parteivorstand und die parlamentarischen Klubs der deutschen Sozialdemokratic mit den Ergebnissen des 4. November. Die Genossen Dr. Czech und Taub hoben in ihren einleitenden Berichten hervor, daß die grandiosen republikanischen Kundgebungen der deutschen Arbeiterschaft in der ganzen politischen Deffentlichkeit einen tiefen Eindrnd hinterlassen haben. Einmütig war die Auffassung, daß die Trene, der Opfersinn und die Disziplin der Teilnehmer das politische Gewicht und die unerschütterliche Kraft der deutschen Arbeiterbewegung in einer Form zum Ansdruck gebracht haben, die auch objektiven Gegnern Bewunderung abringen muß. Mit gleicher Einmütigkeit wurde aber auch konstatiert, daß das äußere Bild der Aufmärsche das Massenelend in unseren Krisengebieten in so erschütternder Weise aufgezeigt hat, daß nunmehr für alle verantwortlichen Faktoren im Staate kein Zweifel mehr über den Umfang dieses sozialen Notstandes obwalten kann und über die nnabweisbare Notwendigkeit, im fünften Krisenwinter anßerordentliche Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Einmütig wurde beschlossen, für die Durchsetzung der sozialen und wirtschaftlichen Forderungen des 4. November einzutreten. Mit Genugtuung wurde ferner die Feststellung des Genossen Czech entgegengenommen, daß die Erklärung des Regierungschefs Malypetr einen positiven Standpunkt zur Verkürzung der Arbeitszeit einnimmt und auch eine intensivere Exportförderung und Investitionstätigkeit, sowie eine Entspannung der Kreditschwierigkeiten der privaten Arbeitsbeschaffung in Aussicht stellt. Die Situng wählte ein sechsgliedriges Komitee mit dem Auftrage, unverzüglich mit dem Minister für soziale Fürsorge wegen Ausgestaltung der Ernährungsaktion und Einleitung besonderer Winterhilfsaktionen in Verbindung zu treten.
entfenden die einzelnen Bundesstaaten gleichmäßig ie zwei Vertreter. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre zur Gänze nengewählt, der Senat in Dritteln, von denen alle zwei Jahre eines ergänzt wird.
Paris.( Tich. V. B.) In der gestrigen Im Repräsentantenhaus haben die DemokraUnterredung des deutschen Botschafters Köster be- ten vor zwei Jahren, bei den Wahlen, die dem tonte der französische Außenminister Laval, Sieg Roosevelts vorausgingen, einen gewaltigen daß Frankreich in der Saar Sieg, den größten seit der Präsidentschaft Wilsons frage die Berbindlichkeiten errungen. Sie hatten seither 308 Repräsentanten achten müsse, die ihm die Verträge auf- gegenüber 115 Republikanern und fünf Farmern, erlegen. Laval widerlegte die im Auslande ver also eine 3 we i drittelmehrheit. Nach breiteten Gerüchte, die von angeblichen militäri- den bisher vorliegenden Ergebnissen scheint diese schen Maßnahmen seitens Frankreichs sprechen, Zweidrittel- Mehrheit nicht gefährdet zu sein, es besonders von der Verschiebung militärischer besteht sogar die Möglichkeit, daß sie noch gestiegen Streitkräfte. Botschafter Köster betonte, daß ist, obwohl die Republikaner gehofft hatten, im Deutschland keineswegs beabsichtige, die Bedin- Repräsentantenhaus einen Erfolg zu erzielen. gungen zu mißachten, die ihm die Verträge auferlegen, aber bei der Abstimmung im Saargebiet die Freiheit des Wahlaktes sichergestellt ſehen möchte. Minister Laval nahm diese Versicherungen des deutschen Botschafters mit Genugtuung zur Kenntnis. Die schwarz- braune
die
Versöhnungsaktion
Wien. ( Tsch. P. B.) Die polizeiliche Sperre des„ Deutschen Klubs", die seit dem 25. Juli d: I. verhängt worden war, wurde aufgelassen und gesamten Räume der Oeffentlichkeit wieder zu gänglich gemacht. Der Präsident des Klubs ist Feldmarschalleutnant B a r do I f f, der letzte Ferdinands. Bardolff gehört auch dem Komitee nationaler Kreise an, das augenblicklich Verhandlungen mit der österreichischen Bundesregierung
führt.
Der Senat stammt zu zwei Dritteln noch
"
dings, was den Gesamterfolg betrifft, auch einen gewaltigen moralischen Wert.
Diesmal hat eine ganz andere Ent scheidung die Blicke der alten Welt nach der neuen gezogen.
Die Vereinigten Staaten von. Nord- Amerika find seit dem Amtsantritt Franklin Roosevelts in ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik Wege gegangen, die zwar gegenüber einem Experiment wie der sowjetrussischen Planwirtschaft konservativ er scheinen mögen, die aber gegenüber der Politik aller kapitalistischen Staaten als revolutio= när bezeichnet werden müssen. In Amerika zuerst hat man versucht, dem Gedanken der Planwirtschaft zu einer greifbaren Gestalt zu verhelfen, die Vereinigten Staaten haben ihre Wirtschaft neuen Gefeßen unterworfen und über diese Geseße, über den Grundsatz der Planwirtschaft ist bei den Wahlen entschieden worden. Konnte man den Sieg der Demokraten im Jahre 1932 als einen Sieg der Prohibitionsgegner, vielleicht bis zu einem gewissen Grade sogar als Sieg des Alkoholkapitals schlechthin werten, so ist der demokratische Wahlsieg diesmal die 3 u stim- mung der Volksmassen zu dem Experiment der Rooseveltschen Planwirtschaft.
Man wird freilich in der Wertung des Ergebnisses vom sozialistischen Standpunkt aus vorsichtig sein müssen. Daß die alten fapitalistischen Instinkte im amerikanischen Kleinbürger und im alteingesessenen anglo- amerikanischen Arbeiter noch lange nicht erstorben sind, beweist ja das interessanteste Zeilergebnis der Wahlen, die Niederlage Upton Sinclair 3, der für den Posten des Gouver Bei den Wahlen ist es in einem für ameri- neurs von Kalifornien kandidiert hatte und von fanische Verhältnisse sehr hohem Maße zu Stö- dem Republikaner Merrian geschlagen wurde. rungen und Gewalttaten gekommen. Insgesamt Sinclair hatte einen sozialistischen Plan wurden bis Mitternacht( oftamer. Zeit) 10 Tote vorgelegt, er wollte die Arbeitslosigkeit in Kaliforund 50 Verletzte gemeldet. Die Polizei war nien nicht einfach bekämpfen, sondern beseitigen. überall in Bereitschaft, in New York waren 18.000 Wenn er mit diesem Plan unterlegen ist, so zeigt Polizisten aufgeboten worden. das, wie wenig reif die Massen noch für wirklich sozialistische Gedankengänge sind.
Die letzten Meldungen vom Vormittag ( amer. Zeit) ergeben von den 435 Sigen im Repräsentantenhaus
-
-
Den meistern Amerikanern, wohl auch einem großen Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter erscheint Roosevelts New deal", die Planwirtschaft, die von der berühmten NIRA geleitet wird, nur als eine Notmaßnahme, eine Aushilfe, nicht als eine dauernde Lösung. In MilBei den Senatswahlen führen die Demokra- lionen Yankees schlummert die Hoffnung auf eine aus der großen Zeit Hoovers, das jetzt ab- ten in 16, die Republikaner in fünf Staaten. Zum neue Konjunktur, die wieder hohe Preise, hohe tretende Drittel fogar noch aus der größten Pro- ersten Male seit der Zeit der Gründung der repu- Löhne und einen Gold- Dollar bringen wird, der sperity", der Konjunktur des amerikanischen Kapi- blikanischen Bartei errangen die Demokraten mehr den Weltmarkt beherrscht. Darum iſt ein Upten als zwei Drittel der Senatssitze. Nach Schäßun- Sinclair mit seinem sozialistischen wenn auch talismus im Jahre 1928. Bei den Senatswahlen bestand also von allem Anfang die größte Wahr= 10,200.000 Stimmen und die Republikaner Mann, den Kapitalismus zu schlagen, wohl aber gen erhielten die Demokraten im ganzen Lande religiös formuliertem Programm noch nicht der scheinlichkeit für einen weiteren Erfolg der Demo7,600,000 Stimmen. fraten, die jetzt erst im Senat die Früchte des Mas= Roosevelt mit seiner Planwirtschaft auf bestimmte senumschwungs von 1932 voll einheimfen können. Besonders interessant ist, daß die Republi- Sicht, mit seinen Notmaßnahmen wie DollarsenBisher zählte der Senat 60 Demokraten, 35 Re- faner in ihren besten Wahlkreisen geschlagen wur- tung und Planung in gewissen Industrien, der publikaner und einen Farmer. Zur Zweidrittel- den. Die Führer des rechten Flügels der Republi- Mann der Massen, gegen den die Anwälte des mehrheit fehlten den Demokraten also 4 bis 5 faner sind sämtlich unterlegen, und zwar& e in Bank- und des industriellen Großkapitals vorläu= Sitze. Es scheint bereits sicher, daß sie diese Man- Ohio , Reed in Pennsylvanien und Robin fig vergebens anrennen. son, der als schärfster Gegner Roosevelts gilt, in Roosevelts Planwirtschaft ist keine so date gewonnen haben. Indiana . In New York wurde der Demokrat zialistische Planung. Sie hält am Pris Die Bundesgesetzgebung in den Vereinigten Lehmann zum Gouverneur gewählt. Der va teigentum und an der Lohnarbeit Staaten wird vom Kongreß, also von beiden Häu- Sozialist Upton Sinclair , der als demo- fest, sie will den Profit nicht abschaffen und nicht fern, ausgeübt. Der Senat aber hat daneben kratischer Kandidat für den Gouverneurposten in die Ausbeutung. Roosevelt beansprucht nur die wichtige Rechte in der Exekutive, in die ich der Kalifornien aufgestellt war und einen großen Wirtschaftsführung fürden Staat. Präsident mit ihm teilt. Vor allem sind die Fünfjahresplan, den„ EPJC" vorgelegt hatte, ist| Der Staat, die NRA hat zu bestimmen, wieviel Staatsverträge also die Außenpolitik der gegen den Republikaner Merriam unterlegen. der Bantier profitieren, wieviel der Arbeiter ver
-
-