Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

14. Jahrgang

Caballero vor dem Militärgericht Der Sozialistenführer Caballero, der frühere spanische Arbeitsminister, wird mit Genehmigung der Cortes des spanischen Parlamentswegen führender Beteiligung an dem spanischen Aufstand vor ein Militär­gericht gestellt.

Abkommen der Westmächte

gegen deutsche Luftangriffe

Dienstag, 13. November 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 266

Das rote Wien ist nicht tot Einheitsfront

Demonstrationen zum Gründungstag der Republik

Die illegalen Kämpfer grüßen die eingekerkerien Führer Eine neue Massenkundgebung im Wienerwald

Trotz der letzten Maffenverhaftungen erhebt mit illegalen Flugblättern überfät. Die Polizei die illegale Arbeiterbewegung Desterreichs wieder zwang verhaftete Sozialdemokraten, diese Flug­fühn ihr Haupt. Zum 12. November, dem Grün- blätter, soweit sie nicht schon von Passanten mit­dungstag der Republik, wurden wieder umfassende genommen wurden, wieder einzufammeln. Aktionen durchgeführt. An die eingekerkerten Füh­rer, insbesondere Bürgermeister Seit, wurden brieflich und telegraphisch zahllose Vertrauens­Kundgebungen gerichtet, die aber von der Post vernichtet worden sind. Außerdem war die Parole ausgegeben, am 12. November in Wien die Stra­ßenbahn, Gas und Licht zu boykottieren. Ganze Bezirke wurden schon in der Nacht auf Sonntag

Frau Dollfuß ist vorsichtig

Sie glaubt nicht an die Zukunft des Austrofascismus

Am Parapluiberg bei Mauer im Wienerwald fand Sonntag eine illegale Versamm­lung statt, an der sich nach amtlichen Berichten 2000 Personen beteiligten. Die Polizei versuchte, Verhaftungen vorzunehmen, doch konnten nur zwei Personen festgenommen werden." Diese amt­liche Meldung läßt durchblicken, daß das Verhaften der Teilnehmer nicht so einfach war.

%

Offizieller Besuch Schuschniggs in Rom Rom.

( Stefani.) Det österreichische Bundes­Dem Montagsblatt des Právo Lidu" wird fanzler Schuschnigg und der Außenminister Berger Waldenegg werden Ende die­fer Woche in Rom eintreffen.

aus Wien gemeldet:

Der Witwe nach dem erschossenen Bundes­fanzler Do II fuß ist eine außerordentliche Staatspension bewilligt worden. Aber

Dem Besuch Schus niggs, der im August Paris . Der Sonderberichterstatter des Frau Alwine Dollfus glaubt nicht an die Be- dieses Jahres anläßlich der großen italienischen " Paris Midi" meldet aus London , daß der ständigkeit der heutigen Verhältnisse in Dester- Armeemanöver zum erstenmal mit Mussolini in britische, der belgische und der französische Gene- reich. Sie hat sich ausgebeten, daß ihr der Staat Florenz zufammengelommen iſt, tommt mit ralstab ein Abkommen für den Fall eines Flieger- eine einmalige Entschädigung aus Rücksicht auf dessen offiziellen Charakter diesmal angriffes vereinbart haben, das von den beteilig- zahle. Und zwar verlangte fie 400.000 Schilling, ten Regierungen noch nicht genehmigt wurde. In also etiva 2,000.000. Die Abfertigung wurde eine besondere Bedeutung zu. Man erwartet, daß diesem Abkommen ist nach den Informationen des ihr in dieser Höhe bewilligt. Als Frau Dollfuß sich die österreichischen Staatsmänner in Rom drei erwähnten Korrespondenten eine rasche Verbin- den Betrag erhielt, reiste sie mit dem Gelde nach oder vier Tage aufhalten werden. Ihre Unterre­dung der Luftflotten der erwähnten drei Staaten me ran in Südtirol , wohin sie dauernd zu über­im Notfall vorgesehen. siedeln gedenkt. Sie glaubt anscheinend an die Festigkeit des Regimes Mussolinis mehr, als an eine dauernde Herrschaft der österreichischen Fascisten.

Verstärkung der Saarpolizei

London . Der britische Kriegsminister beschäf tigt sich der..Daily Mail" zufolge im Einverneh­men mit dem Außenministerium mit dem Plane der Anwerbung ehemaliger britischer Offi­3iere für die Verstärkung der saarländischen Polizeikräfte. Diese für das Saarland anzuwer­benden ehemaligen Offiziere müssen die deutsche Sprache perfekt beherrschen, jünger als 45 Jahre jein und den Rang eines Leutnants oder Kapitäns bejizen.

Der Londoner Berichterstatter des Matin" meldet in dieser Angelegenheit: Einige wiederum in den Dienst eingestellte Offiziere bestätigen diese Nachricht der ,, Daily Mail", betonen aber, daß

bungen werden sich im Rahmen des italienisch­österreichischen Abkommens vom 6. Februar 1930 und der italienisch- österreichisch- ungarischen Pro­tokolle vom März d. J. velegen.

,, Situation unverändert"

Die ewige Komödie

"

In der Neuen Weltbühne" veröffentlichte Ende August( in Nummer 35) Gen. Siegfried Aufhäuser , der frühere Vorsitzende des Afa­Bundes und Mitglied des Parteivorstandes der SPD einen Aufsatz Hauptfeind Fascismus", der den Untertitel trug:" Von der Einheitsaktion zur Einheitsfront". Hier stellte Gen. Aufhäuser die These auf, daß nur die geeinte Arbeiterklasse den Sturz des Fascismus herbeiführen könne. Daher sei die Einheit besonders der deutschen Arbeiter­bewegung geradezu eine Lebensfrage und wenn man schon nicht eine Einheitspartei schaffen könne, so müsse mindestens eine Einheitsfront herbeige­führt werden, die sich nur über die Einheitsaktion entwickeln lasse. Dabei dürften weder die KPD noch die SPD den Ehrgeiz haben, unter allen Umständen zwei neue Theorien zu gestalten; keine der beiden Parteien müsse ihre Doktrin preisge­ben, aber jede müsse bereit sein, zu diskutieren, um das gegenseitige Verstehen zu erleichtern. Die Einheitsdiskussion dürfe nicht zur Waffe in den Händen der einen Partei gegen die andere wer­den; die Aussprache solle keinen Verzicht auf Stri­tit von Lehrmeinungen in sich schließen, sondern nur beschimpfende Polemik und verleumderische Angriffe ausschließen. So könne man durch die Diskussion die ideologische Einheit vorbereiten hel= fen, damit sich zum gegebenen Zeitpunkt die Mas­sen der Arbeiter auf einer gleichen Ebene treffen fönnen. Aufhäuser nannte dann verschiedene kon­essen der Arbeiterklasse treffen: Beseitigung der frete Beispiele, wo sich die gemeinsamen Inter­Sklavenordnung im Dritten Reich , genannt Geſetz zur Ordnung der nationalen Arbeit , Stellung­nahme zu den täglich auftretenden Betriebsfragen und damit Schaffung der Anfäße für die künfti­ten. Um eine reibungslose Zusammenarbeit zu er­zielen, schlug dann Aufhäuser die Bildung gemein famer Vollzugsausschüsse aus beiden Lagern und die Schaffung einer gemeinsamen Zentralstelle vor, um die Alleinherrschaft einer Partei zu ver= hindern.

Man sieht, daß dies ein durchaus loyaler, ernsthafter, von der Sorge um die Zukunft der deutschen Arbeiterbewegung diktierter Vorschlag war, der sich frei hielt von Illusionen, das Ar­

beitsprogramm möglichst auf praktische, erreich bare Dinge beschränkte und von den Kommunisten eigentlich nichts anderes forderte als das Aufgeben der Beschimpfungen der Sozialdemokraten als Sozialfaschisten ".

Amtliche englische Meldung über Ribbentrops Mission London.( Renter.) Die Unterredung trop in London bleibt in der französischen Presse des deutschen Sonderbevollmächtigten v. Ribnicht ohne Beachtung. Auch die Informationen der bentrop mit Lordgeheimsiegelbewahrer Pariser Blätter aus London bestätigen, daß der Zweck des Aufenthaltes Ribbentrops in England Eden dauerte dreiviertel Stunden. Was taten nun die Kommunisten? Sie nüß­die Gewinnung Großbritanniensten zunächst den Aufsatz Aufhäuſers für ihre Par­Amtlich wird verlantbart, daß von Ribben- für die Anerkennung der gegen teipropaganda aus und versuchten die persönlich es sich um die freiwillige lebernahme einer dienst trop keinen neuen Vorschlag unterwärtigen Aufrüstung Deutsch erfolgte Anregung Aufhäusers so darzustellen, als breitete und daß seine Unterredung die Sitna- land 3 jei. ob es sich um ein Zeichen der Schwäche der sozial­" Le Journal" bemerkt: Die deutschen demokratischen Partei handle. Dann kam der Um­tion in keiner Hinsicht geändert Angriffe auf den Versailler Vertrag müssen abschwung der sowjetistischen Außenpolitik, es fam habe. Ribbentrop de mentiert nach einer Mel- geschlagen werden. Echo de Paris" die Schaffung der Einheitsfront in Frankreich und dung des Havasbüros die Pressemeldungen, denen schreibt: Die Bestrebungen Deutschlands sind unzu- es schien, als ob die Komintern tatsächlich von zufolge er in London über Deutschlands Rückkehr lässig. Hoffen wir, daß Herr Hirt, der Ribben ihrer wahnwißigen Politik ablassen, auf die Schaf= nach Genf zu verhandeln beabsichtige. Diese haben wird, seinem Chef mitzuteilen, wie Paris Attion der Arbeiterklasse im internationalen Maß­trop in Paris vertreten soll, bald Gelegenheit fung der Voraussetzungen zu einer einheitlichen Pressemeldungen sind nach seinen Worten bloß Erfindungen.

lichen Verpflichtung und daher keineswegs um die Entsendung britischer Truppen nach dem Saarge­biet handle, wie dies von einigen Stellen behaup

tet worden sei.

Französischer Protest gegen eine Verhaftung in Germersheim Berlin . Wie der Vertreter des Tschechoslo­watischen Preisebüros aus zuverlässiger Quelle erfährt, hat der französische Botschafter in Berlin einen Protestschritt bei den deutschen Behörden unternommen, um die Erledigung eines Vorfalles zu beschleunigen, der sich in Germersheim zugetragen hat. Dort wurde wegen angeblicher Einführung verbotener Drudschriften ein franzö fischer Staatsbürger verhaftet, der sich bereits jeit drei Monaten im Gefängnis befindet.

Demission

des belgischen Kabinetts

Ribbentrop selbst erklärte über seine Unter­redung mit Eden, daß diese einen se bra II ge­meinen Charakter. gehabt habe. So wurde u. a. über die Zusammenarbeit aller Na­tionen auf Grundlage der Gleich berechtigung " gesprochen.

darüber denkt.

stab hinarbeiten wolle.

Zivei Monate, nachdem Aufhäusers Aufsatz

die offizielle Antwort veröffentlicht. Der Autor,

Petit Journal" meint, Ribbentrops Bestreben dürfte nicht zu den in Berlin erivar­teten Ergebnissen führen. Wenn wir auch nicht in der Neuen Weltbühne" erschienen war, wird wissen, welche Ergebnisse die Verhandlungen Rib- um Ende Oktober in Nummer 43 gewissermaßen bentrops mit Eden haben werden, so sind wir der sich unter dem Decknamen Wa Iter verbirgt, uns doch dessen gewiß, daß der von Berlin erwar- gehört nach einer Vorbemerkung der Redaktion dem tete Umschwung nicht eintreten und die britische Zentralkomitee der KPD an und da er sehr auto­Regierung keinerlei Entscheidungen treffen ritativ spricht, darf man annehmen, daß es sich Paris . Die geheime Mission des Bevoll- wird, die nicht im vollsten Einvernehmen mit den um ein sehr maßgebendes Mitglied dieses Zentral­mächtigten des Reichskanzlers von Ribben- Pariser Anschauungen stünden.

Englisches Expeditionskorps

komitees handelt. Und was hat er auf das wohl= gemeinte Angebot Aufhäusers zu antworten? Nun, nichts anderes als was die Kommunisten seit der verhängnisvollen Spaltung immer aufs neue her­unterleiern, ohne sich durch die Ereignisse auch nur im geringsten belehren zu lassen.

Brüssel . Das belgische Parlament tritt Dienstag zu seiner Herbsttagung zusammen. Mi­wird modernst ausgerüstet nisterpräsident Brocqueville wird dem Parla­mente den Demiffionsbeschluß des Ministerrates London . ,, Daily Telegraph " erfährt: Im mitteilen. Der Grund für die Demission' der| Regierung ist in Meinungsverschiedenheiten, die Jahre 1935 wird die britische Armee bedeu­schon seit längerer Zeit, besonders über finanz tend vermehrt und mit den letzten techni­schen Errungenschaften ausgestattet werden. Min­und wirtschaftspolitische Fragen bildet auch die Frage der Herabsetzung der destens um 5 Millionen Pfund Sterling wird das auch die Ausrüstung und die Mittel zur Verfor- geoisie, des Abwartens und der Anbiederung an herrschten, zu suchen. Einen Stein des Anstoßes ordentliche Budget für die Schaffung eines Expe­forps wird dem Umfange nach der Expeditions- werden.

im Kabinett

an,

Walter benüßt den Aufsatz Aufbäusers zu­nächst zu den abgeschmacktesten Angriffen gegen die armee aus dem Jahre 1914 gleichen und modern Sozialdemokratie und zum Versuch einer Nöde­organisiert sein. rung der linken Sozialdemokraten". Die Bei der Reorganisierung der Armee wird auch linken Sozialdemokraten müssen erkennen, daß die die Zahl der Divisionen erhöht und weiters werden Politik der Klassenzusammenarbeit mit der Bour­gung der Armee mit Munition und Proviant ver- die Fascisten das wesentliche Hindernis der Ak­vollkommnet werden. Außerdem werden minde- tionseinheit darstellt." Und der Prager Vorstand fürchte, daß die Massen erkennen, daß nur die

daß die Regierungskrise diesmal durch den König ditionsforps erhöht werden. Dieses Expeditions stens zwei Division en motorisiert sei nur deshalb gegen die Einheitsfront, weil er

rasch beigelegt werden wird.