Rr. 274-
Donnerstag, 22. November 1934
Seite 5
bereits ist nun erklärt«
Die angeblichen Urheber der tätlichen Aus­einandersetzung, die fast durchwegs zur proleta­rischen Gruppe zählen, wurden daraufhin aus« geschlossen. Damit waren aber zahlreiche andere Henlein-Frontbr, die dieBolksgcmein- ichaft" auf alle Fälle beisammenhalten wollen, nicht einverstanden. Sie protestierten bei der Par-
tag in einer Versamnilung in der Donau  " zur ganzen S'.
Im Saale der Prager Produktenbörse fand Mittwoch abends eine vomVerband der Bank« und Sparkassenbeamten" einberufene informative Mitgliederversammlung statt, bei welcher über die neuen Forderungen berichtet wurde, die von den Betriebsausschüssen den einzelnen Bankdirektwnen vorgelegt worden sind. Die Versammlung war außerordentlich gut besucht. Die Referate erstat­teten Herr Simunek(Anglobank) in tschechischer und Genosse Sekretär Kollin in deutscher Sprache. Beide Referenten skizzierten die Entwicklung der Arbeits« und EntlohnungSverhältniffe in den Bankbetrieben während der letzten Jahre und ver­wiesen darauf, daß die unerträglich gewordene wirt­schaftliche Situation der Bankangestellten im heu­tigen Zeitpunkt die Einsetzung einer energischen Ak­tion notwendig mache. Rach jahrlanger Defensive ini Lohnkampf gehe« die Bankangestellten nunmehr zur Offensive über. Die Angestelltenschaft erhebt ohne sich ihrer Wei­teren berechtigten Forderungen zu begeben vor­läufig Minimalforderungen, die um io unbestreitbarer sind,^ als die Banken selbst sich auf- die eintretende Wirtschaftsbekpbung berufen. Diese Minimalforderungen betreffen einerseits so­fortige'Notstandsmaßnahmen,(durch Zulagen oder Erhöhung der Remuneration), ander­seits aber ab 1. Jänner 1988 die Auszahlung des generellen Avancements, das den Angestellten durch drei bis fünf Jahre vor­enthalten wurde. Diese' Minimalforderungen sind nach Durchberatung im Neunerausschub der drei kollegialen Gewerkschaftsverbände(Verband, Sdru-
tetne Konjunktursorderungcn, sondern nm Geltendmachung dringendster Notwendigkeiten. Beide Referenten betonten aufs nachdrücklichste die Notwendigkeit absolutester Solidarität, wie sie ander­seits mit Genugtuung feststellen konnten, daß die harten Tatsachen des Existenzkampfes manchen Kol­legen die Augen geöffnet haben, die bisher interesse­los beiseite standen. Mit einmütigem Beifall wurde sowohl die Mahnung ds Genossen Sekretär Kollin zu voll­kommener Solidarität, wie mich der Aufruf des Re­ferenten Simunek gegen Skeptizismus und'Defaitismus ausgenommen. Glei­ches Verständnis fand die Feststellung de- Genoffen Kollin, daß ein schreiender Widerspruch zwischen der Bevor- zugnng der überdimensionierten Lritungsappa- rute gegenüber der subalternen Beamtenschaft besteht, was der Referent durch verschiedene drastische Beispiele belegte. Nachdem die Vertreter der kollegialen Ver- bände(Sdruöeni peftejniho ükednjctva und Skre« bände(Sdrupeni penezniho ürednictva und Slon» tlstcnverbaiib) die Versicherung vollkonimener So­lidarität abgegeben hatten, sprach namens des Ge- werkschaftsverbandes Genosse Avg. Brodeckh, der die gewerkschaftliche Arbeit der Bankangestell­ten mit warmen Worten würdigte und ihrer Or­ganisation jede Unterstützung zusicherte. Nach einem temperamentvollen Schlußwort des Ber  - bandSobmanneS Meller wurde einstiyimig eine Resolution genehmigt, die die Hauptpunkte der Forderungen zusammenfaßt und begründet. rb.
Die Henleinleute Haffen bekanntlich den Klaffenkampf und bilden sich ein, in ihrer ij,Heimat front" die wahreVolksgemeinschaft" verwirklichen zu können. Damit hat eS freilich, wie nicht anders zu erwarten war, gute Wege. In der Komotauer Ortsgruppe der SHF tobt, wie dieVolkszeitung" berichtet, seit Wochen ein heftiger Kamp.' zwischen den bürger­lichen und proletarischen Elementen, der bereits zu"einer richtigen Keilerei, bei der cs sogar Ver­letzte gab, geführt hat. Im wesentlichen handelt eS sich da um folgendes: Die ehemaligen Deutsch  - ! nationalen, die jetzt zu Henlein sich bekennen, , möchten in der neuen Bewegung gerne den Ton angeben. Als richtige Antimarxisten und Arbei« terfcinde sehen sie es gar nicht gerne, daß sich in der HeiMatfront jene Arbeiter, die früher aufs Hakenkreuz schwärten, ziemlich breit machen. Am liebsten möchten sie die lumpigen Proleten ganz hinauSekeln, aber die gehen erstens nicht und -weitens soll jaVolksgemeinschaft" gespielt werden. Was also tun? DieBürgerlichen  " wußten sehr bald Rat. Sie sagten sich, daß es vor allem darauf ankomme. eine gewiffe Trennung der beiden Gruppen herbeizuführen, ohne da­durch das Gefüge der Gesamtorganisation zu zer­stören. Ihr Plan ging nun dahin, die Orts­gruppe Komotau   zu teilen in die Gruppen Ko- Motau 1 und 2. DzL Gruppe Komotau 2 wollten die Bürgerlichen übernehmen, die Gruppe Ko­motau 1 sollte denProleten" als Hxerzierfeld bleiben. Das hätte praktisch bedeutet, daß die Gruppe Komotgu 2 bald das Uebergewicht über die andere erlangt hätte, denn bei denBürger­ lichen  " waren ja die Geldleute, die, weil finanz­kräftiger, später auch die Nachbargruppe bald »zur Raison" hätte bringen können. Dieprole­tarische Richtung" roch aber den Braten und lchlug Lärm. Henlein wnrde um Intervention er­sucht. Er entschied, daß er mit einer Teilung der Gruppe nur dann einverstanden sei, wenn der Ortsgruppen leite r, das ist der Zahn­techniker Eduard Richter  , sie billige. Richter war aber für den Status quo.Er muß also ent- femt werden", sagten sich die Deutschnationalen, und der Bezirtsleiter, Herr Jng. Richte r, der es natürlick. mit den Bürgerlichen 5ält, ließ mit sich reden und es dauerte nicht lange und Eduard Richter   wurde seiner Funk­tionenthoben. Nun war dasletzte Hinder­nis" sozusagen beseitigt und man ging daran, m Oberdorf die zweite Gruppe zu gründen. Das rief aber sofort wieder di anderen auf den Plan Und derenGegenaktion" führte schließlich in der Oberdörfer Turnhalle zu jener Schlägerei, über sie wir schon berichtet habe,,.
nehmen? Diese Versammlung wurde bei der Behörde gemeldet. Jntereffant folgendes: DasDeutsche Volksblatt" sich zunächst bereit, em- emsprechende Anzeige zu veröffentlichen, plötzlich aber ließ es mitteilen, daß sie die Versammlung nicht ankündigen könne, weil sie sich inzwischen Weisungen geholt habe, die ihr das verbieten. Das läßt also dar­auf schließen, daß die Bürgerlichen in der SHF dasVolksblatt" unter Druck setzten. Allem An­schein nach hat sich auch die Leitung der Henlein- Partei bereits auf die Seite der Zahlungskräfti­geren, d. i. der Bürgerlichen und Intellektuellen, geschlagen. Das proletarische Element in der Komotauer SHF-Ortsgruppe dürfte also bald an die Wand gedrückt sein. Gestern soll nach un­serer Information noch einmal ein Schiedsgericht getagt haben, um den Bruch wenn möglich doch noch zu verkleistern. Ob es gelungen ist, wagen wir zu bezweifeln. Dir Vorfälle beweisen jeden­falls, daß die Heimatfront noch lange keineinig Volk von Brüdern" ist und daß ihre Parole: Ein Volk, ein Wille, ein Weg" in der Praxis jämmerlich versagt.
Die Bankbeamten fordern ihr Recht Mitgliederversammlung des Verbandes der Bank- und Sparkasfenbeamten
für englisch  -amerikanische Verständigung London.  (A. P.) ImObserver" fordert Lord L o t h i a n eine englisch  -amerikanische Ver­ständigung über die Aufrechterhaltung der be­stehenden Verträge. Wenn Japan   die Verträge kündige, werde es die offene Tür in China   zu­schlagen und zur Befestigung der Kurilen, der Pescadores-Jnseln, Formosas, der Karolinen  - und Marschall-Inseln schreiten, wodurch der Aktionsradius der japanischen Flotte und Luft- flotte bis weit in den Stillen Ozean und nach dem Aequator hin verlängert würde. Die sich dar­aus ergebenden Gefahren zwängen England und Amerika  , auf der Aufrechterhaltung des Berhält- nisses 6:6:3 zu bestehen. Lothian glaubt, daß die Japaner doch nachgeben würden, wenn sie auf eine gemeinsame englisch  -amerikanische Front stießen, und daß ihre augenblickliche Taktik auf der Uneinigkeit der beiden angelsächsischen Länder be­ruhe. Wenn Japan   aber hartnäckig bleibe, sei für Japan   eine Katastroph- ähnlich wie 1914 für Deutschland   vorauszuirhen Denn wenn Japan  das Washingtoner System mit seinem Flotten­verhältnis, seinen Befestigungsklauseln und der offenen Tür Chinas   zerstöre, gebe es für England und Amerika   nichts anderes, als doch gemeinsame Sache zu machen.
^ttlenung und^wollen überdies jetzt am Donners- nfiid Skontistenverband) von den Betrieben«-» . i derBlauen schaffen den Direktionen vorgelegt worden. Es han- eitangelegenheit Stellung beit sich um
Krach in der SHF keine Leute** gegen Proletarier
Europa   so oder so 7 Wer sich Uber diese Frage Gedanken macht, kaufe und lese das Arbeiter-Jahrbuch 1935!
Das Fiasko der reichsdeutschen Fettwirtschaft
eine Lehre auch für«ns. 2n der.Konsumgenossenschaft" veröffent­licht Genosse Franz S v o j s e- Prag einer: Ar­tikel über die Ergebnisse der reichsdeutscheu Zctl- loirtschast, der angesichts ähnlicher Bestrebungen bei uns auch für unsere Verhältnisse lehrreich-st. Das deutsche   Margarinegesetz ist wegen der zulage­tretenden Mißstände bereits zum zweiten Male novelliert worden; das dritte Margarinegesetz ist soeben am 1. November in Kraft getreten, diesem Gesetz werden drei Sorten Margarine er­zeugt, wovon ein halbes Kilogramm 56, 63 und 98 Pfennig(Kc 12.50, 16.60 und 18.75) ko­stet, Preise, die für unsere Verhältniffe unheim­lich hoch sind. Durch die Gesetzgebung sind Mar­garinebezugsscheine vorgesehen, wonach die ärme­ren Bevölkerungsschichten billigere Margarine b«, kommen können, aber diese billige Margarine ist immer äusverkauft". Die Händler geben die bil­ligeren Sorten ost nur zusammen mit den besse­ren ab oder an Künden, die auch andere Ware»! kaufen. Die Fettpreise haben sich in der letzten Zeit in Deutschland   bedeutend erhöht. So(von Anfang 1938 bi- Mai 1934) Speiseöl um 138 Prozent, Butter um 36 Prozent, Schmalz um 57.5 Prozent, Speck um 46.2 Prozent und Mar­garine um 182 Prozent. Seit dem Mai sind die Fettpreise aber noch weiter gestiegen. Die autarke Butterwirtschaft, das Ziel der deutschen Agrarier, weist ein jämmerliches Fiasko auf. Seit Jahren wurde nicht so viel Butter nach Deutschland   ein­geführt, als in den letzten Monaten und Wochen Diese Tatsache beweist, daß die Margarinepro­duktion keine Gefahr für die einheimische Butter­erzeugung darstellt. Auch die Besttebungen nach einer autarken Versorgung mit Schweinefett sind zusammengebrochen. DaS geht Wohl am besten daraus hervor, daß der Zoll, der für einen Me­terzentner 100 Mark betragen hat, vor kurzem auf 40 Mark pro Meterzentner herabgesetzt wurde. Deutschland   importiert heute große Fett- mengen und muß dafür hohe Preise zahlen. Alle die verkrachten Experimente der Reichsregierung eine den Wünschen der Agrarier entsprechende autarke Fettwirtschaft herbeizuführen, gehen auf Kosten der deutschen Verbraucher.. Die großen Importe Deutschlands   an Butter und Schweine-., fett illustrieren das Fiasko. Der Zusammenbruch der deutschen Marga­rinewirtschaft ist auch eine Lehre für uns. Jeg­liche Einschränkung der Margarineproduktion trifft die ärmsten Verbraucher. Das Jahreskon­tingent von 5000 Waggons ist zu gering und müßte nach Ansicht des Artikelschkribers auf 6500 Waggons erhöht werden. Die Einschränkung der Erzeugung billiger Margarinesorten wird nicht dazu beitragen, den Absatz, der viel teureren hei­mischen Naturbutter zu steigern.
Nio bei Nacht Von HanS Hirth. Auf der Avenida Rio Branco steht das Prunkgebäude des Theatro Municipal mit seinen geschloffenen Toren. Nur selten werden sie geöff­net, um für ein märchenhaft elegantes Publikum, für märchenhafte Preise weniger märchenhafte Vorstellungen darzubieten. Eine italienische und öie Wiener Oper gastieren mit ihrer zweiten Be­setzung in Rio de Janeiro  , dann verläuft sich ein­mal die Jeritza oder Schaljapin  , um z>vci, drei übende vor den Rioern zu singen. Moiffi stattete auch einmal einen Besu-y hier ab und Pallenberg brachte die Rioer auch zum Lachen im Thtatro Municipal. An einem solchen Galaabend fahren bst Autos, von welchem ein jedes ein kleines Ver­flögen bedeutet, und enffteigen aus ihren Luxus- sarosserien die Frauen in den direkt aus Paris  importierten Modellkleidern, mit Brillanten und Vetten, Rubinen und Smaragden in einer Fülle, baß man damis nicht einen kleineren, sondern einen Srößeren europäischen   Staat sanieren könnte. Die «immer in ihren Fracks schwitzen unter der Wärme der Pelze ihrer Frauen, denn sie müssen biese Pelze auf den Armen schleppen. Es mag 86 »iS 88 Grad Celsius geben eine elegante Frau ber Rioer Gesellschaft geht nicht ohne ihr Her­melin-, Cincilla« oder Zobelcape ins Theater, »olch ein Abend kann auch nicht als Theaiervor- Üellung betrachtet werden, sondern als ein Auf- Marsch der Eleganz von Rio de Janeira  . Der Be- beutung dieser Veranstaltung entsprechen die Preise der Plätze. Für den Preis eines Sitzes in bei» ersten Reihen könnte man eine Reise von Prag  Nach Paris   und zurück bezahlen. Für das weniger vermögende Publikum bleibt nur noch das Kabarett und das Kino übrig, ^inol.... Vorstellungen von der Tauer von drei Stunden. Spanische Tänzerinnen, befrackte Lenore, Clowns und dramatische Rezitatoren, Akrobaten und Zwerge, Tierbändiger und Zauber­künstler zeigen ihre Künste, bevor die letzte Stbopfung der amerikanischen   Filmproduktion borgeführt wird. Um halb 12 bis 12 Uhr sind die
Kinovorstellungen zu Ende und in der nächsten halben Stunde verschwinden die Rioer Bürger in ihren Häusern. Am Meerufer steht das prachtvolle Gebäude desCopacabana"-Casinos. Ein Hauskoloß von acht Stockwerken mit Hotel, Kino, Geschäften, Garagen und... Spielbank. Es muh nicht gesagt werden, daß in diesem Hause alles auf die Spiel­bank aufgebaut ist.(Es ist eine bis heute unge­klärte Frage, ob das Hasardspiel in Brasilien   er­laubt ist oder nicht, so daß die Casinos in Rio  , San Paulo, Santos etc. einmal im Betriebe sind, dann plötzlich gesperrt werden und in wenigen Tagen rollt wieder die Elfenbeinkugel in der Rou­lettmaschine und wandert der Sarg am Baftisch von Hand zu Hand.) Hunderttausende werden jeden Abend gewonnen und verloren. Elegante Frauen, die fast ausnahmslos der Halbivett an­gehören, elegante Männer, von denen man nicht immer weiß, ob sie bei den oberen Zehntausend od. in der Unterwelt von Rio zu Hause sind in beiden Fällen aber gehören sie zu den Damen der Halbwelt. Sie sitzen um den Baltisch herum und mit gleichgültiger Miene setzen sie oft wahre Ver­mögen auf den so seltenen Neuner. Blasiert stehen sie um deneRoulettisch, als üb sie nicht im tropi­schen Südamerika   geboren, sondern Albions   Söhne wären. So mancher englische Gentleman könnte diese Gesellschaft ihrer Kaltblütigkeit wegen be­wundern. Zwischen dem Spiel um nicht weiter zu verlieren oder das Gewonnene nicht zu riskie­ren begeben sich die Spieler(die Damen oft zwecks Beschaffung neuen Spielkapitals) in die Bar des Copacabana»Casino-Hotels. Eine ausge­zeichnet gute Jazzkapelle spielt die letzten euro­ päischen   Schlager. Nichts unterscheidet die Bar von Copacabana von einer Pariser oder Londoner Bar. Eine ganz andere Atmosphäre atmet die Bar im Hause des Theatro Municipal aus. Im riesen­großen Saal fällt die Aufmerksamkeit auf hie aus über 20 Personen bestehenden Neger-Jazzkapelle. In tadellose Smokinge gepreßt, spielen die Neger die schwermütigen brasilianischen Lieder und auf dem Parkett tanzen die Paare Matschitsch. Tan­zen ist nicht der richtige Ausdruck, sie erleben
die Melodie, sie gehen Mit all ihren Gliedern, mit ihren Blicken tanzen sie. Man hat den Eindruck, daß die Körper der beiden miteinander verwachsen sind. Man sagt, daß der Matschitsch der erotischeste aller Tänze ist. Mag sein, aber in der Theaterbar tanzt man auch Tango.und Walzer denn Wälzer wird auch hier getanzt ebenso erotisch. Dann verdunkelt sich der Saal, nur das Parkett wird mit farbigen Lampen beleuchtet. Eine halbnackte Tänzerin führt ihre Attrattionen vor, bester gesagt, sie, führt ihre Nacktheit nach Klängen der Musik den Zuschauern vor. Nach einer kurzen Weite wird wieder Licht. Die Kapelle spielt temperamentvoll den Matschitsch auf,und die Tänzerin in einem mehr verratenden als ver­hüllenden Abendkleid mit halbgeschloffenen Lidern am Arm eines Schwarzhaarigen tanzt den eroti­schesten aller Tänze: den Matschitsch. Ab und zu verschwindet eine oder die andere der Tänzerinnen und nach einer Weile laßt sie sich von einem anderen über das Parkett führen. In der Theaterbar wird der Anstand doch noch gewahrt. Nicht so in den kleinen Etablissements. Un­weit von der eleganten Avenida Rio Branco ist eine vielbesuchte Bar. Die Fassade wird nicht von Reflektoren beleuchtet, ohne Lichtreklame und Portier finden die Gäste den Eingang. Höl­lischer Lärm, Rauch und Biergeruch strömt über die halbe Tropentüre heraus: Beim. Eintritt sieht man als Erstes einen, Riesen von Kellner, der zwischen den dichtbesetzten Tischen herum- geo:.' i et.ientlte nicht darin, die Gäste zu bedienen, vielmehr darin, die besonders renitenten hinauszukomplimentteren, wobei er meist mit seiner körperlichen Kraft argu­mentieren muß. Die Bedienung wird von Kellne­rinnen besorgt, die iich hie und da auf den Knien der Gäste ouSruhen Matschitsch wird auch hier getanzt. Wenn auch nicht schöner als in der Theaterbar. Doch pressen sich die Paare enger aneinander und ver­schwinden weniger diskret. Bars, besonders die der letzteren Sorte, findet man in Rio de Janeiro   verhältnismäßig
Das wirkliche Nachtleben spielt sich in den geheimen und öffentlichen Rendezvous­häusern ab. Hier heißer siePension". Kaum hundert Schritte vom Palais des Präsidenten der Republik auf der Rua Gloria, stehen diePensionen" nebeneinander. Im Ge­gensatz zu den brasilianischen Kitten stehen Ne Haustore sperrangelweit offen. Kommt man in eines dieser gastfreundschaftlichen Häuser hinein, wird man in den Salon der Pension geführt, der in der Tat Ivie das Speisezimmer in jedem brasi­lianischen Bürgerheim eingerichtet ist. Damen und Herren sitzen um den Tisch herum und trinken friedlich ihr Bier, ihren Kaffee oder Wisky mit Soda. Dieser Art Pension spielt eine wichtige Rolle im Leben der Brasilianer. Verheiratete Männer gehen mit ihren Freunden hin, lediglich um sich zu unterhalten, weil es kein Kaffeehaus in unserem Sinne gibt, wo sie am Abend ein bis zwei Stunden verbringen könnten. Sie gehen, ohne andere Absichten zu verfolgen, in die Rendezvoushäuser, womit nicht gesagt werden will, daß es immer mir beim Bierttinken bleibt. Und nun machen wir einen kleinen Abstecher in das berühmte Manosenkneipenviertel von Rio. Warum es so genannt wird, bleibt mir rätselhaft. Im ganzen Viertel findet man kaum drei, vier Kneipen, dagegen ist kein einziges von Bürgern bewohntes Haus in dieser Straße. Prostituierte haben hier ihre Quartiere. Eine aufundab- strömende Menge von Männern spaziert vor den bellbeleuchteten Häusern vcrbei, in deren Türen und Fenstern es find au-nahmloS niedrige Parterrehäuser sehr luftig bekleidete Frauen sitzen. In allen Sprachen der Welt rufen dst Frauen den Männern nach. Selbst die Japane­rin und Chinesin fehlt nicht. Junge Indiane­rinnen kaum vierzehn Jahre alt, Nege­rinnen mit unfeststellbarem Alter, manche mit grauen Haaren   was bei einer Negerin schon etwas heißen soll, werben um die Gunst der Männer. Und keine ohne Erfolg. Das ist das Nachtleben von Rio, der Stadt, in der die anständig»« Bürger tagein, tagaus am Abend nicht aus ihren Häusern gehen. De Nacht bleibt dem Bummler, der Bohsme und der Halbwelt Vorbehalten.
auf in diesem Rhythmus., wenige.