U IENTRALORGAN DER DEUTSCHEM SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii fochova«2. telefon 53077. Administration Telefon 5307«. HERAUSGEBER) SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR] DR. EMIL STRAUSS, PRAG  . Einzelpreis 70 Heller (einschließlich 5 Heller PeHo) 14. Jahrgang Donnerstag, 6. Dezember 1934 Nr. 286 Internationales T ruppenkontingent soll Ordnuns IM Saarsebiet sichern Genf  . Das wichtigste Ereignis des Mitt­woch war in Genf   die Aussprache im Böllerbund­rat über die Maßnahmen, die der Rat sofort im S a a r g c b i e t e treffen wird. Rach einer kurzen geheimen Ratssitzung gab in der öffentlichen Sitzung der französische  Außenminister Lava l eine sensationelle Erklä­rung ab. Laval   erwähnte seine in der französischen  Kammer gehaltene Rede betreffend die Saarfragc und hob hervor, daß Frankreich   seine Verpflicht«»- ge» unter allen U m st ä n d e n einhalten »volle. Das Saarproblem sei aber kein französisch­deutsches Problem, sondern ein wesentlich inter­nationales Problem. Laval forderte dann den Bölkerbundrat auf, dir Ver­antwortung für die Aufrechter­haltung der Ordnung im Saar­geb i r t zu übernehmen. Um Deutschland   und der öffentlichen Meinung der Welt zu beweisen, daß Frankreich   keine Nebengedanken oder geheimen Absichten habe, wolle es an der Organisierung der internationalen Gewalt im Saargrbiet mit sei­nen Truppen nicht teilnehmrn. Frankreich   ersuche den Bötterbundrat, die Aufgabe auözuiüLrcr^.diL 3 r a iiLtt i w au erfüllen bereit war und noch bereit i st, um die Ordnung im Saargebiet mit Hilfe inter  - nationaler Truppen aufrecht zu erhalten. Wenn der Rat diese Aufgabe er­fülle, werde sich Frankreich   an dieser Aktion nicht beteiligen, allerdings wenn auch Deutschland   nicht daran teilnehmen wird. England und Italien  einverstanden! Der britische   Delegierte Eden erklärte die Frage der Ordnung im Saargebiet für ein tech­nisches Problem. Da während des Plebiszites im Saargebiet Unruhen eintreten können, müsse man sich von dem Grundsatz leiten lassen, daß es besser sei, einer Krankheit vorzubeugen, als sie zu heilen. Deshalb sei England, wenn Frankreich   und Genosse Seitz in Freiheit! Wien.(Tsch. P.-B.) Der ehemalige Bür­germeister und Landeshauptmann von Wien   Karl Seitz   wurde Mittwoch mittags aus dem Sana­torium in der Auersperggaff« entlassen und erhielt die Bewilligung, sich in seine Wohnung zu begeben, wo er unter Polizeiaufsicht bleiben wird. Seitz muß sich jeden Tag der Polizei melden. Das Telephon wurde ihm ausgeschaltet. * Nach zehnmonatiger Haft muß Genosse Seitz endlich entlassen werden, weil man keinen Prozeß gegen ihn zu führen vermag. Die zehn Monate Haft waren ein brutaler Willkürakt, waren nie­drige Rache der siegreichen Berfassungsbrecher. Rache und Angst der Sieger verfolen den Ge­naffen Seih weiter, denn die Freiheit, die sie ihm nach der Haftentlaffung gönnen, ist kaum etwas anderes als Hausarrest. Wir wünschen dem Genoffen Seitz, deffen see­lische Kraft die zehn Monate Haft nicht zu brechen vermochten, völlige Widerherstellung seiner Ge- simdheit, die ihm das Erleben der Wiederkehr der Freiheit ermöglichen soll. Auch Erich Kleiber  ! Berlin  . Wie der Vertreter des Havas-Büros mittcilt, kursiert in Berlin   das Gerücht, daß der Chef des Orchesters der Berliner Oper, Erich Kleiber  , ebenso wie Furtwängler in Kürze zu­rücktreten wird. Wiener   Freunde Kleibers   er­hielten die telephonische Nachricht, daß Kleiber aus Solidarität mit Furtwängler   demissioniert habe. Deutschland   damit einverstanden sein werden, be­reit, seine Truppen ins Saargebiet zur Einsetzung einer internationalen Gewalt zu entsenden. Auch der italienische   Delegierte Baron Aloisi sprach die Bereitwilligkeit Italiens   zur Ent­sendung italienischer Truppen ins Saargebiet unter den vom englischen Delegierten formulier­ten Bedingungen aus. Ratspräsident Minister Dr. Benes erllärte, die Tschechoslowakei   wolle sich nicht einer vom Völkerbundrat angeordneten internationalen Ver­pflichtung entziehen. Wenn der Rat darum er­suchen werde, werde die Tschechoslowakei   sicherlich die Verpflichtungen übernehmen, die Eden prä­zisiert habe. Als Vorsitzender des Rates führte Dr. Be­nes an, daß die Aufforderung zur Beteiligung der Staaten an der Organisierung der internationalen Gewalt für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Saargebiet nicht nur für die im Rat vertre­tenen, sondern für alle Staaten gelte, die Mitglieder des Völkerbundes sind. Der russische   Bollskommissär Litwinow  erllärte, er müsse zuerst seine Regierung fragen, bevor er im Namen der Sowjetunion   die Ver­pflichtung übernehme, daß sich diese mit einem entsprechenden Kontingent an der Schaffung einer Wehrmacht im Saargebiete beteillge. Hierauf ergriff der Borsitzende der Regie­rungskommission des Saargebietes Knox das Wort, der u. a. ausführte, daß die gegenwärtige öffentliche Gewalt im Saargebiet zur Aufrecht­erhaltung der Ordnung während des Plebiszites bei weitem nicht hinreichend sei. Die Aussprache beendete Minister Dr. Be­nes, der beantragte, daß der dreigliedrige.Aus­schuß des Bölkerbundrates für die Saarfrage auch die aus den heutigen Kundgebungen sich erge­benden Fragen behandle und' zum Schluß dieser Ratstagung konkrete Vorschläge vorlege. Diese vom Bölkerbund getroffene Entschei­dung wird in Genf   als u n g e m e i n wichtig angesehen. In deutschen Genfer   Kreisen verlautet, daß Deutschland   den Vorschlag, ein« internationale Scharfer Protest gegen die Ermordung Schleichers Den Pariser   Veröffentlichungen sensationellen Dokumente über Geheimnisse aus dem Dritten Reich  , den Berichten des PariserJournal" über den Reichstagsbrand, die sich auf Aufzeichnungen des ermordeten Ernst stützen, folgt nun in der illustrierten ZeitschriftBu" der Text einer ge­heimen Denkschrift mehrerer Generäle und Stabsoffiziere der Reichswehr   anHinden- b u r g, datiert vom 18. Juli l. I., in der es heißt: Schleicher ist ohne Urteil, ohne Beweis und ohne Verhör im Auftrage höchster Reichsstellen erschossen worden. Nach seinem Tode wurde er des Landesverrates beschuldigt. Wir alle erheben unsere Stimme, um seine Ehre wiederherzustellen. General Schleicher war eines solchen Verbrechens nicht fähig. Wenn verdiente Generale meuchlings niedergeschossen werden, dann gebietet die Pflicht allen, die das Ehrenlleid der Armee tragen, aus der Reserve herauszutreten." Die Denkschrift übt auch scharfe Krfifl an der Innen- und Außenpolitik. Sie sagt, Hitler  habe sein Versprechen, den inneren Frieden her­zustellen, nicht erfüllt. Heber die außenpoliti­sche Situation wird, natürlich ganz vom militari« Ein Vorschiss Lavals Wehrmacht ins Saargrbiet z« entsenden, nicht annehmrn wird, wenigstens nicht ohne Diskussion. Zweite Volksabstimmung möglich Am Mittwoch wurden auch die politischen Klauseln des Berichtes des Dreier-Ausschusses für das Saargebiet veröffentlicht. Soweit es sich um den Status quo handelt, falls dieser sich aus der Volksabstimmung erge­ben sollte, anerkennt der Bericht des Dreieraus- schuffes, daß es notwendig wäre, das heutige Re­gime im Saargebiete zu ändern, und zwar in der Weise, daß der Völkerbund im Saargebiet als souveräne Macht auftreten würde. Der Bölkerbund würde seine Souveränität im Saar­gebiet im Rahmen der geltenden Verträge aus­üben, welche ihn eine solche Interpretation ge­statten, upd es wäre die Möglichkeit einer zweiten Volksabstimmung zu geeigneter Zeit gegeben. Die Patrioten an der Saar Saarbrücken.(AP.) Di«Volksstimme" bringt jetzt die angekündigte Liste der Saarländer  , i-bie heut« in der Deutschen rgrpnt führe ich find, seinerzeit aber ihre Naturalisation nach Frankreich   beantragten. Diese Veröffentlichungen, die sogleich bei Beginn großes Aufsehen erregten, werden fortgesetzt werden. Die Publikation be­ginnt mit der Gemeinde L i e S d o r f, dem Wohnort des Staatsrats Spaniol. Die Ein­gabe an die französische   Militärverwaltung des Kreises Saarlouis   wurde damals unterzeichnet (18. Jänner 1819) u. a. von dem nationalsozia- listischen Gemeindevorsteher, dem nationalsozia­listischen Ortsgruppenleiter, sämtlichen(!) natio­nalsozialistischen Gemeinderäten und SA  -Führern des Ortes. Darunter befinden sich auch der Onkel von Spaniol und die Verwandten der national­sozialistischen Saardichters Ecker. Spaniol be- j findet sich nicht unter denen, die die Bereinigung mit Lothringen  (so heißt es wörtlich in der Ein­gabe) forderten, denn er war damals noch minderjährig. Die Nachrichten haben wie ein« Bombe eingeschlagen,' scheu, die Kriegsmöglichkeiten erwägenden Stand­punkte aus, gesagt, der günstigste Kriegsfall könnte folgender sein: Deutschland  , Italien  , Polen  , Japan  , Oesterreich und Ungarn   gegen Frankreich  , Amerika  , Rußland  , die Kleine Entente  , Belgien   und die baltischen Staaten. Alles deute aber darauf hin, daß dieser günstigste Kriegsfall nicht eintreten wird, wenn nicht eine Wendung in der deutschen   Außenpolitik eintritt. Das Memo­randum verlangt deshalb, die jetzige Ostpolitfl zu verlassen, um mfl allen Mitteln zu versuchen, das frühere Verhältnis mit Rußland   wieder herzu­stellen. Das Bündnis mit Rußland   und Italien  sollte den Angelpunkt der deutschen   Außenpolitik bilden. Das Memorandum verlangt schließlich die Bildung eines Direktoriums, in dessen Hände die Kriegsvorbereitungen gelegt werden sollen. Ver­langt wird auch der Rücktritt Goerings und Dr. Goebbels  ! Die opponierenden Reichswehroffiziere rech­neten noch mit Hindenburg   als entscheidenden innenpolittschen Macht. Er war bereits alles andere war krank und der Gefangene Hitlers  . Die Denkschrift der Reichswehr   konnte ihren Zweck nicht erreichen. DK Verlängerung der Dienstzeit Die Verkürzung der militärischen Dienstzeit auf vierzehn Monate durch das Gesetz vom 11. Mai 1982 war der Beitrag der Tschechoslo­wakischen Republik zu der internationalen Ab­rüstungskonferenz, die im Feber desselben Jahres eröffnet worden war. Die Republik   hat damit be­wiesen, daß es ihr mit der internationalen Ab­rüstung ernst war und daß sie entschlossen war, ihr Gelingen nicht nur durch diplomatische Verhand­lungen, sondern durch Taten zu fördern. Die Auf­hebung dieses Gesetzes und die Verlängerung der Dienstzeit auf zwei Jahre ist die unvermeidliche Antwort auf das inzwischen offenbar gewordene Scheitern der Abrüstungskonferenz und auf die Bedrohung des Weltfriedens durch die Aufrüstung und die kriegerischen Gelüste der fascistischen Staaten. Wir deutschen   Sozialdemokraten haben auf die Ergebnisse der Abrüstungskonferenz von allem Anfang an durchaus keine überschwenglichen Hoff­nungen gesetzt. Wir haben nicht erwartet, daß sie zu einer wesentlichen Herabsetzung der Rüstungen im internationalen Dlaßstabe. führen würde. Aber es war doch die Hoffnung gerechtfertigt, daß sie wenigstens eine Begrenzung der Rüstungen brin­gen, daß sie dem fortschreitenden Wettrüsten eine Schranke setzen wird. Diese Hoffnung war insbe­sondere so lange gerechtfertigt, als im Herzen Europas  , in Deutschlands  »jin Regime, herrschte, das, so sehr ts sich auch damals schon in reaktio­närer Richtung entwickelte, dennoch die primitiven Grundlagen der europäischen   Zivilisation achtete und sich der Erkenntnis nicht verschloß, welchen Wahnsinn, welches Verderben für ganz Europa  » vor allem aber auch für das eigene Volk, jedes Spiel Deutschlands   mit kriegerischen Revanche­gelüsten bedeutet. Wir haben es für unsere selbst­verständliche Pflicht gehalten, jedes, auch das be­scheidenste Resultat der internationalen Ab- rüstungsbesttebungen mit allen.Kräften zu fördern. Wir bekennen uns auch heute zu dieser Politik. Nicht eine Aenderung unserer Gesinnung, sondern die völlige Umwälzung der internationalen Vor­aussetzungen hat ihre Fortsetzung unmöglich gemacht. Das verhängnisvollste Ereignis, das alle außenpolitischen Verhältnisse von Grund auf um­gestaltet hat, war die Zertrümmerung der deut­ schen   Demokratte und die Aufrichtung eines ter­roristischen Gewaltshstems, das sowohl an Grau­samkeit nach innen, als auch an Gefährlichkeit nach außen alle anderen fascistischen Systeme noch über­trifft. Das national-fascistische Regime Deutsch­ lands   hat zwar von Anfang an mit heißen Frie­densbeteuerungen nicht gespart, aber die Taten des Regimes stehen mit diesen Erklärungen in Wider­spruch. Die Hochkonjunktur der deutschen  Rüstungsindustrie bei wachsender Verelendung des ganzen Volkes, die steigende Einfuhr aller Roh­materialien, die für kriegerische Zwecke verwend­bar find, bei würgender Devisennot, sprechen ebenso klar, wie der'Austritt Deutschlands   aus dem Völkerbund und die Sprengung der Ab­rüstungskonferenz. Die diplomattschen Beschwich­tigungsversuche des Herrn von Ribbentrop kon- trastteren allzu auffällig mit dem Intrigenspiel der deutschen   Diplomatie in Warschau   und Buda­ pest  , in Wien   und Rom  . Die Ablehnung des Ost­pattes durch Deutschland   und sein Paktieren, mit dem früherenErbfeind" Polen   läßt die Ivayren Ziele der deutschen   Außenpolitik ebenso deutlich er­kennen, wie die enge Verbindung mit Japan  , das vom fernen Osten her den Weltfrieden bedroht. Und zu allen diesen Tatsachen tritt als unmittel­bar drohende Gefahr das Treiben der Deutschen  Front im Saargebiet. Ist nach dieser Seite hin die äußerste Wach­samkeit und die ernsteste Vorsorge geboten, so hat auf der anderen Seite die Vernichtung der Demo­kratie in Oesterreich   eine nicht minder bedrohliche Situation geschaffen. Sie hat Oesterreich   seiner außenpolitischen Selbständigkeit völlig beraubt und das Land in das italienisch-ungarische Bündnis­system eingegliedert. Sie hat vor allem den habs­burgischen Restaurationsgelüsten einen gewaltigen Antrieb gegeben» sie hat dazu geführt, daß Oester­reich von monarchistischen Aristokraten und schwarz-gelben Generalstäblern beherrscht wird. Geheime Denkschrift der Reichswehr