Nr. 290 Mittwoch, 12. Dezember 1934 Seite 5 Die Tochter zum Selbstmord gezwungen! In Frankfurt a. M. wurde das Ehepaar Hoelfeld unter der ungeheuerlichen Anschuldigung verhaf­tet, die eigene 14jährige Tochter gezwungen zu haben, durch einen Sprung in den Main Selbst- m o r d zu begehen. Der Vater hatte vorher die Tochter gezwungen, einen Abschiedsbrief zu schrei­ben, worin das Mädchen mitteilt, daß es seinen Eltern durch seinen schlechten Lebenswandel keinen Kummer mehr machen werde und deshalb ins Wasser gehe. Tatsächlich führte der Vater das Mädchen am Mittwoch um 11 Uhr nachts auf eine Mainbrücke und zwang sie, s ich ins Wasser zu stürzen. Er kümmerte sich auch nicht um ihre Hilferufe, sondern ging nach Hause und legte sich schlafen. Das Mädchen schwamm ans Ufer, wo es bewußtlos zusammen­brach. Später schleppte sich das Kind in ein Ho­spital, dessen Vorsteher alles erfuhr und die Polizei verständigte. Die Eheleute wurden aus den Betten heraus verhaftet und gaben nach mehrstündigem Verhör schließlich das Verbrechen zu. Durch eine ältere Schwester des Kindes wurde festgestellt, daß die Familienmitglieder von der Tat Kenntnis hatten. Räuber. Blättermeldungen zufolge verhafteten die italienischen Behörden eine Räuberbande, die mit der Waffe in der Hand«ine Reihe von Verbrechen in der Umgebung der Stadt Pirano in Istrien ver­übte. Bei der Gefangennahme wurde der Banden­führer Chersy verwundet. Ei« Chauffeur tödlich verunglückt. Montag abends kam es guf der ungeschützten Uebersetzung in Chrast u Chrudimö der Bahnstrecke Chraft u ChrudimeHrochuv Tynec zu einem Zusammenstoß eines leeren Autobus mit dem Teil eines Lastzuges. Der Autobus wurde zertrümmert, der Lenker Josef Moravek getötet. Ein Wagen des Lastzuges entgleiste. Hochwasser in Neuseeland . Einige Gebiete Nord- Au cklands(Neuseeland ) wurden von gewalttgen Ueberschwemmungen heimgesucht. Seit 88 Jahren gcch ,es keine ähnliche Unwetterkatastro­phe. Gewalttge Regenmengen sind gefallen. Die tiefer gelegenen Gebiete gleichen großen Seen. Zahl­reiche Städte sind vom Verkehr völlig angeschnitten. ttntattl und Sozialpolitik Neues Abkommen mit Rumänien Die seit drei Wochen zwischen der Tschecho­ slowakei und Rumänien geführten Handelsver­handlungen find mit einem neuen Abkom­men abgeschlossen worden. Das noch bis Ende dieses Jahres geltende alte Abkommen sieht vor, daß für die Einfuhr von je 125 XL rumänischer Waren 100 XL tschechoslowakischer Waren nach Rumänien zur Ausfuhr gelangen. Für das nächste Jahr werden aus dem Wert der zur Einfuhr kom-. wenden rumänischen-Waren 40 Prozent zur Ab­tragung der In Rumänien eingefrorenen tschecho-, slowakischen Forderungen verwendet werden, wäh­rend für die restlichen 60 Prozent Waren aus Un­serem Staat nach Rumänien zur Ausfuhr kommen. Für die Mineralöleinfuhr ist eine andere Verrech­nung bestimmt worden. Das Abkommen wird kaum eine entschei­dende Aenderung in der Gestaltung der tschechoslo­wakischen Handelsbeziehungen bringen. Nach einer Uebersicht des Statistischen Staatsamtes hat die Bilanz des Spezialhandels der Tschechosiowakei mit Rumänien in den letzten acht Jahren diese Entwicklung genommen. Die Bilanz war für die Tschechoslowakei -st aktiv passiv: 1925 -st 458 Millionen XL 1928 -st 382 Millionen XL 1929 -st 288 Millionen XL 1930 -st 27 Millionen XL 1931 240 Millionen XL 1932 46 Millionen XL 1983 -st 45 Millionen XL 1934" )-st 64 Millionen XL ) Jänner-September Durch das neue Abkommen wird wahrscheinlich der in diesem Jahre erzielte Ausfuhrüberschuß im nächsten Jahre kaum erreicht werden. Was tut die Kartellkommlssion? Das Kartellgesetz, das im Jahr« 1933 be­schlossen wurde, sieht eine Kartellkommission und ein Kartellgericht vor. Der Kartellkommission ist die Aufgabe zugewiesen, in Fällen, in denen die Preise vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus unangemessen hoch erscheinen, einzuschreiten und niedrigere Preise festzusetzen. Das Kartellgericht hat auf Antrag als Beschwerdeinstanz die letzte Entscheidung zu fällen. An die Einsetzung der Kar­tellkommission und des Kartellgerichts sind seiner­zeit manche Hoffnungen geknüpft worden, die sich jedoch nicht erfüllt haben. Obwohl es unbestreit­bar ist, daß durch die Kartellpolitik die Preise wichtiger Waren vom volkswirtschaftlichen Ge­sichtspunkt aus unangemessen hoch gehalten wer­den, es sei nur an die Kohlen-, Eier- und Zucker­preise erinnert, ist es bisher noch nicht gelungen, die Kartellkommission zu einem Vorgehen zu be­wegen. Wiederholt ist auf eine Herabsetzung die­ser Preise gedrängt worden, aber die Kommission kommt über langwierige Untersuchungen und end­lose Studien nicht hinaus. Jetzt wird nun mir-, geteilt, daß die Kommission eine andere personelle Zusammensetzung, erfahren soll. Im Interesse de» Verbrauchermassen ist dringend zu wünschen, daß alles geschieht, um die Kommission arbeitsfähig zu machen. Denn die in der letzten Zeit ausgelöste Kartellierungswelle wird ihr rasches Eingreifen zum Schuhe der Bevölkerung vor den überhöhten Kartellpreisen sehr bald unumgänglich machen. Dem Arbeiterkind das sozialistische Kinderbuch! Fritz Rosenfeld : Tirili« reist um die Welt In einer Gesamtauflage von 28.000 Exemplaren deutsch , tschechisch, schwe­ disch , norwegisch, hollän­disch und ungarisch er­schienen. In Halbleinen gebunden, reich illusttiert, nur 12 Krone« Zentralstelle für das Bildungswesen, Prag XU., Slezka 14. Kolporteure erhalten Rabatt! Sdienkt BOdier zu ledern fest! Blumen-zaiiberduno, duz Mtenwunber Blumen an allen Fen­stern! Welche Freude für den Besitzer wie für den Beschauer! 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Die Nation brauche die Schriftsteller nicht, hatte Medek zuletzt geschrie­ben, wenn die Schriftsteller nicht dem zustim- men, was dieNärodnk Lisch" für den Volls- willen ausgeben. Capek antwortet,' er wisse zwar nicht, in welchem Lokal dem Medek der Geist der Natton erschienen sei(Medek ist ein berühmter Zecher unter Soldaten und Schrift­stellern), aber er, Capek , wolle sich mit dem Urteil Medeks doch beschäftigen. Capeks Essay wächst weit über eine Pole­mik hinaus, er ist ein wundervolles Credo des Dichters, einer der aufschlußreichsten Beiträge zu der Frage: Natton und Dichter. Darum drucken wir diesen Aussatz ab; nach der inhalt­lich schon zitierten Einleitung schreibt Capek : Die Sache verhält sich so: Wir Schriftsteller lassen uns aus der Nation nicht hinauswerfen. Und von niemandem. Ich bitte schön, eS gibt Dinge, die wir uns nicht nehmen lassen; das erste davon ist die Zugehörigkeit zur Nation^ in deren Sprache wir schreiben. Wenn uns jemand diese Bindung abstreiten will, dann gibt es nur eine einzige Ant­wort darauf, die Faust inS Gesicht. Ich werd« Euch das nicht irgendwie subtil erklären; aber niemand wird Schriftsteller, niemand wird Sprach­schöpfer und Dichter ohne unendliche geistige Liebe zur Nirtion, denn die Sprache ist die Seele der Na­tion; ohne dies« inspirierende Liebe, der nur sehr wenige fähig sind, bleibt der Schriftsteller eine bloße Schreiberseele, der das Papier beklext, ohne zu schöpfen. Und wenn der Dichter auch nicht«in ein­ziges Mal in seinem Leben dir Worte Natton und Vaterland gebraucht, so bleibt er doch der erklärte Liebhaber der Volksseele, allerdings nur, sofern er Dichter und Schöpfer ist. Jedes Wort der Mutter­sprache, das er im dichterischen Werk ausspricht, ist, als ob es zum ersten Male gesprochen sei, ist mit Tau benetzt wie am Schöpfungstage, unberührt von Lüge, Phraseurtum und Mittelmäßigkeit. Die Sprache der Nation, von professionellen Mauldreschern und anonymen Schmierern bedroht, erneut sich ständig aus zwei lebendi­gen Quellen: aus dem Volk und aus den Dichtern. Und da kommt jenw' d, irgend­ein General oder Schriftsteller, irgendein anonymer Journalist oder wer sonst, und erzählt, wenn eS so oder io sein wird, werde die Nation ohne die Schrist- stellerj auskommen. Armselige Natton, die ohne sie auskäme, die dächte, fühlte,' sich die Wirllichkeit zu Bewußssein brächte in der Sprache der Versamm­lungen und Leitartikel! Seht Ihr denn nicht, Ihr Narren, was Ihr damit der Nation nehmt? Wartet, wozu vorsichtig darum herumgehen. Ich werde mich nicht vorstellen; ich hoffe, dem tsche- chischen Namen in der Welt keine Schande gemacht zu haben zum ersten Male in meinem Leben berufe ich mich darauf. Ich bin weder Bolschewik noch Marxist; ich habe keine persönliche Beweggründe zu irgendeiner Zartheit gegenüber der kulturellen Lin­ken, die mich vor ungefähr einem Jahr fast aus der Ltteratur verbannt hat; seit Jahren höre ich von dieser Seite nicht viel anderes, als daß ich ein Rechter", Kleinstädter, Staatenschöpfer und wer weiß was noch, sei. Das also ist klar. Aber so lange ich atme, werde ich nicht zugeben^ daß jemand, sagen wir, S. K. N e u m a n n, aus der Natton hinaus- wirft, der Kommunist ist und einen Satz geschrieben hat, den auch ich ihm sticht verzeihe; nur, daß er außer diesem Satz noch das Buch der Wälder, Wässer und Hänge, Gesänge aus der Stille und vieles an­dere geschrieben hat; und diese Bücher wird niemand aus der tschechischen Natton hinauswerfen, so wie Niemand aus der tschechischen Landkarte hinauswer ­fen wird das Flüßchen Zwittawa, die sonnigen Wald­schläge, die Dorfgäßchen und alles das, was der Dichter Neumann so sschechisch im Geiste und so tschechisch in der Sprache ausgedrückt hat, daß diesem Tschechentum... sagen wir nur wenige der Politi­ker seit Rieger gleichkommen. Und niemand wird aus der Natton dem Dichter N e z v a l hinauswerfen, der Kommunist ist, der aber aus unserer Sprache einer» Himmel voller Geigen und Melodien gemacht hat; welcher Idiot wird derNational- spracheNezv als Musik nehmen? Und weiter, weiter, weiter; Die tschechische Nation braucht also Kn rel Toman nicht, den sschechischesten aller Dichrer? Braucht nicht den Bibelkenner Van- Lura, der seine Sprache bis aus dem Mittelalter würdigt? Braucht nicht Srämek, Hora und Seifert, braucht nicht S a l d a ich bitte Sie, wen braucht dann die tschechische Natton? Ja, auch das habt Ihr schon gesagt, daß ihr angeblich die toten Schriftsteller genügen. Ihr habt es bequem; die Toten können über die Lebenden nicht mehr urteilen; HavliLek wird keine Reden mehr gegen die großmäuligen Pattioten schwingen. Ne» r u d a wird nicht mehr über die armen Menschen und die Arbeiterbataillone sprechen, Svatopluk Tech wird nicht mehr seinen großinütigen Weltlibe­ralismus verteidigen usw.; Ihr habt es wirklich be­quem. Allmählich wird es notwendig, auch di« toten Dichter davor zu schützen, daß sieindieKlique hinein­gezogen werden, in der sie karun sich zu Hause fühlen würden. Vergebliche Reden, wir Schriftsteller lassen uns aus der Nation nicht hinauswerfen; jagt uns soviel, wie Ihr wollt, wir lassen von ihr nicht ab; wir brau­chen sie mehr als die Lust, und unsere Liebe ist ihr notwendiger, als alles Geld der patriottschen Ban­ken. Als es um dieWiedererweckung der Nation ging, waren die S ch r i f t» stelle< früher da als die Hodäi oder Stkibrnh. Und dies« nationale Traditton ist auf unserer Seite,