Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

Sonntag, 16. Dezember 1934

,, Im Geiste der römischen Wieder ein politischer Protokolle"

=

Der Besuch Schuschniggs in Budapest Budapest . Der österreichische Bundeskanzler Schuschnigg und der Außenminister Ber ger Waldenegg haben Samstag nachmit tags mit den Herren ihrer Begleitung Budapest berlassen. Ueber den zweitägigen Besuch der öster­reichischen Regierungsmitglieder wird in einer amtlichen Verlautbarung u. a. gesagt:

Im Laufe des Besuches fanden wiederholt Besprechungen der beiderseitigen Staatsmän­ner statt. Diese wurden in freundschaft­lichster Weise geführt und behandelten nicht nur eingehend wirtschaftliche Fragen, son­dern auch allepolitischen Probleme, an denen die beiden Staaten interessiert sind. Der Gedankenaustausch vollzog sich im Geiste der römischen Protokolle und er­gab volle Uebereinstimmung der beiderseitigen Auffaffungen. Schuschnigg und Gömbös haben vor­her folgendes Telegramm an Mussolini gerichtet:

Der österreichische Bundeskanzler und der ungarische Ministerpräsident benüßen mit Freude die Gelegenheit ihrer Budapester Zusammenkunft, um von hier aus Eurer Erzellenz als dem Ini­tiator und Hauptförderer der römischen Protokolle den Ausdruckt ihrer aufrichtigsten und wärmsten Feundschaft zu übermitteln.

Gez. Schuschnigg, Gömbös ."

den Fall fünftiger Verhandlungen mit der Klei­ nen Entente

behandelt worden sein.

Mord in Rußland

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Nr. 294

Wendung im Saarkampf

"

Moskau. ( Tsch. P.-B.) Wie amtlich gemel­Gute Arbeit des Völkerbundes det wird, wurde in der Kollektivbauernwirtschaft Krasni- Lusch im Odessagebiet ein Anschlag auf Zu den bedeutsamsten Ergebnissen der jetzt bundsrat zuleitete, zeigten den ungeheuren Ernst den nengewählten Vorsitzenden des Ortssowjets abgeschlossenen Völkerbundstagung in Genf gehört der Lage im Saargebiet, wo die nazistische Kara, verübt. Mehrere Unbekannte gaben auf ihre Stellungnahme in der Saarfrage, die Deutsche Front" unter Ausnußung fast des ge= Kara, der Kommunist ist, durch ein Fenster Schüsse seit Monaten die öffentliche Meinung aller euro - famten Beamtenapparates und sehr einflußreicher päischen Länder beschäftigt. Die Pessimisten und Wirtschaftskreise nicht nur einen unbeschreiblichen ab und flüchteten. Kara wurde verwundet. Auf Skeptiker sind durch die Ergebnisse von Genf an- Terror auf die gesamte Bevölkerung ausübt, son­Beranlassung der Bundesdirektion des Innern genehm enttäuscht worden. Es hat sich in dieser dern auch Vorbereitungen zu einer offenen Auf­( OGBU) reiſten zahlreiche Beamte nach Krasni Frage gezeigt, daß der Hitlerfascismus auch ohne lehnung bezw. zu einem Putsch trifft. Seit Mona­Lusch, um dort Nachforschungen einzuleiten. Es Sanktionen und Kriegsdrohungen zurückweicht, ten wurden deshalb schon Erörterungen über die wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. wenn nur auf der anderen Seite ein einheit Aufstellung einer internationalen Polizeitruppe Die Untersuchung hat nach einer weiteren Mittei- res Handeln in die Erscheinung tritt. licher, fester Wille und ein zieltlagepflogen, aber die Verhandlungen scheiterten an der ablehnenden Haltung eiinger neutraler Regie rungen, die in allzugroßer Aengstlichkeit vor dem lung ergeben, daß es sich um einen politischen An­schlag gegen einen Sowjetbeamten handelt. Die Hitlerregime die Anwerbung von Polizeikräften in Tat kann nach dem Gesetz des Präsidiums des ihren Ländern nicht zulassen wollten. Vor mehre­Vollzugsausschusses der Sowjetunion vom 3. De­feindlichen Kundgebungen in Deutschland , als von ren Wochen kam es dann zu heftigen frankreich­3ember 1934( nach der Ermordung Kirows er­französischer Seite auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, im Einklang mit den bestehenden Völker­laffen), nur mit dem Tode bestraft werden. bundsbeschlüssen, französische Truppen zur Siche= rung der Ruhe und Ordnung ins Saargebiet ein­marschieren zu lassen. Jetzt jedoch ist es dem Völ­ferbund gelungen, die heifle Frage der Sicherung der Saarabstimmung durch den Beschluß zu lösen, internationale Truppentontin gente, die zum größten Teil von England und Italien gestellt werden, im Auftrage des Völkerbundes ins Saargebiet zu entsenden, wo sie vor und nach der Abstimmung die Ordnung auf­recht zu erhalten haben.

Abessinien

Bei dem Fragenkomplex, den der Völker­bundsrat hinsichtlich der Saar zu lösen hatte, han­delte es sich in erster Linie darum, die sich er Jänner 1935 zu gewährleisten. Die offiziellen heit der Saarabstimmung vom 13. Mitteilungen, die der Präsident der Saarländi­schen Regierungskommission, Knox, dem Völker­

Beschwerde gegen Italien

ruft den Völkerbund an

Da ein italienischer Angriff vorliegt, richtet die abeffinische Regierung die Aufmerksam keit des Völkerbundrates auf den Ernst der Lage. Eine ausführliche mit Be­weisen versehene Bestätigung folgt.

In unterrichteten politischen Kreisen wird Vorausgegangen war dieser Entscheidung die Genf . Das Völkerbundsekretariat gibt ein moralische Wiedergutmachung verlangt. In einer Erklärung des französischen Außenministers& a= bekannt, daß neue Beschlüsse und Vereinbarungen 14. Dezember datiertes Telegramm der weiteren Note vom 14. Dezember hat er erklärt, va I, der in der Sizung des Völkerbundsrates nicht getroffen worden sind. In den vertraulichen vom Unterredungen ist die gegenwärtige internationale Regierung von Abessinien an den Generalsekretär daß seine Regierung nicht einsehe, wie ein der vom 5. Dezember bekanntgab, Frankreich fordere Lage, insbesondere in der Rückwirtung auf Dester- des Völkerbundes bekannt, das folgendermaßen artiger Zwischenfall durch einen Schiedsspruch den Völkerbund auf, selber die Verantwortung für gelöst werden könne. die Aufrechterhaltung der Ordnung an der Saar reich und Ungarn eingehend erörtert worden. Hier­bei soll auch der Gedanke einer engeren Zusam- lautet: zu übernehmen. In diesem Falle werde Frankreich menarbeit zwischen Ungarn und Oesterreich für bei der Organisierung der internationalen Gewalt im Saargebiet mit seinen Truppen nicht teil­nehmen, vorausgesetzt, daß sich auch Deutschland nicht daran beteiligen werde. Frankreich wolle da­mit Deutschland und der öffentlichen Meinung der Welt beweisen, daß es keine Nebengedanken oder geheimen Absichten hinsichtlich des Saargebietes habe. Die Vertreter Englands, Italiens , Ruß­ lands und der Tschechoslowakei erklärten sich sofort deutschen Regierung, die sich der geschlossenen Das Telegramm der abessinischen Regierung Einheitsfront der Mächte gegenübersah, blieb nun

Blutiger Zusammenstoß

zwischen schwarzen und

braunen Gangstern

Die kaiserliche Regierung hat die Ehre, gleichzeitig zur Uebermittlung an den Rat und die Mitglieder des Völ kerbundes zu Ihrer Kenntnis zu bringen, daß die englisch - abeffinische Kommission beim Studium der Weideplätze in der abessinischen Pro­vnz Ogaden von italienischer Seite mit militäri­scher Gewalt seit ihrer Ankunft in Ua lua l, also

Gezeichnet: Hernouy, Minister des Auswärtigen."

Wien.( Tsch. P.-B.) Freitag um 19 Uhr feit dem 23. November, an der Fortsetzung ihrer Ueberraschung in Gent mit dem Vorschlag Lavals einverstanden und der

Arbeiten verhindert worden ist an einer Stelle, die ungefähr 100 Kilometer innerhalb der Grenze

Spätere Rückgliederung möglich

stieß eine Schußkorpspatrouille in der Nähe des Zollhauses Er I auf österreichischem Boden an der bayerischen Grenze auf drei verdächtige Bur- liegt. am 3. Dezember hat eine italieniſche Truppe rief in Genf le berraschung hervor, da nichts anderes übrig, als durch ein Schreiben des Peel, die den Den Schußtorpsleuten angehalten mit Zone herausgefordert un fein, dieüberraschens man der Ansicht war, dass der Zivischenfall ohne Außenministers Neurath ihre Zustimmung zu ven. Einer der Angehaltenen wurde handgreif- und ohne herausgefordert zu sein, die abeſſiniſche weitere Verhandlungen, und ohne Eingreifen des dieser Regelung der Sicherheitsfragen im Saar­lich, weswegen die Schußkorpsleute von der Waffe Begleitung der Kommiſſion angegriffen. Die Völkerbundrates versöhnlich beigelegt werden wird. gebiet zu erteilen. Gebrauch machen wollten. Die drei Burschen abessinische Regierung hat in einer Note vom In Genf weiß man, daß die italienische Re­famen ihnen jedoch zuvor und gaben auf sie 6. Dezember Einspruch erhoben. gierung alles daran sehen wird, daß der Konflikt Trok dieses Protestes haben italienische nicht im Völkerbundrate gelöst werde. Nichts­Pistolenschüsse ab. Ein Schukkorpsmann erlitt einen Bauchschuß und ein zweiter Schuhkorpsmann Militärflugzeuge drei Tage später Ado und destoweniger heißt es, daß die abessinische Regie- Nicht minder bedeutsam wie die Entscheidung einen Kopfschuß mit Gehirnaustritt. Beide Schutz- Gerløgibi in derselben Provinz mit Bomben rung als Mitglied des Völkerbundes nicht nur das in dieser Frage war die Stellungnahme des Völ­korpsleute sind ihren Verlegungen erlegen. Die belegt. Auf unseren Protest vom 6. Dezember und Recht, sondern auch die Pflicht hat, den Völkerbund ferbundsrates zur Frage des fünftigen bisherigen Erhebungen laſſen österreichische auf unsere Forderung vom 9. Dezember, einen um eine Intervention zu ersuchen, wenn die an- Schicksals des Saargebietes, falls Legionäre als Täter vermuten. Die Fahn- Schiedsspruch nach Artikel 5 des italienisch- abeffi- dere Streitpartei die Lösung des Konfliktes nach sich dort eine Mehrheit gegen die sofortige Rück­dungen unterliegen den bayrischen Grenzorganen nischen Vertrages vom 2. August 1928 herbeizu dem geltenden Vertrag über das gegenseitige Ar- gliederung an Hitlerdeutschland aussprechen sollte. und wurden mit Beschleunigung in Angriff ge- führen, hat der italienische Geschäftsträger, ohne bitrageverfahren ablehnt. Es ist nicht ausgeschlos- Seit Monaten ist diese Frage Gegenstand leiden­von dem Protest Kenntnis zu nehmen, in einer sen, daß der Konflikt im Rate, u. zw. f chon in schaftlicher Kämpfe und Auseinanderseßungen im Note vom 11. Dezember eine Entschädigung und der Jännertagung erledigt werden wird.

nommen.

Eine fragwürdige Freund­schaft teuer bezahlt!

-

Paris.( Havas.) Die französisch- italie­nische Annäherung bildet ständig den Gegenstand der Pressekommentare, die über die internationale Lage ziemlich zurückhaltend schreiben: Der Son­derberichterstatter des Matin" in Rom schreibt über den Gegenstand der Beratungen, die Laval in Rom haben werde, und deutet insbesondere drei

Illegale Betätigung- Hochverrat

Der neueste Ukas der Austrofascisten

Wien . Amtlich wird mitgeteilt: Da jede

Bisher wurde die Betätigung für die Wehr­

Saargebiet. Der Abstimmungsmodus sieht drei Möglichkeiten vor, 1. Entscheidung für Frankreich , 2. Entscheidung für Deutschland , 3. Entscheidung für den Status quo, d. h. für die Beibehaltung des gegenwärtigen staatsrechtlichen Zustandes. Die erste Entscheidung fällt praktisch fort, da sich nur ein geringer Bruchteil der Bevölkerung für Frank­ reich entscheiden würde. Die zweite Möglichkeit stand vor dem Machtantritt Hitlers außerhalb jeder Diskussion, da mindestens 95 Prozent der Bevölkerung für Deutschland votiert hätten. Erst

wo das bisherige Regime zweifellos um weitere Wehrformation einer verbotenen Partei naturge- Verwaltungsstrafverfahren, das eine höchstzuläs- in Deutschland hat den Stimmungsumschwung im Punkte an: erstens die Lage in Italienisch- Tunis , fei es offene, sei es geheime Betätigung für die formation einer verbotenen Partei nur nach dem der Ausbruch der nationalsozialistischen Barbarei zehn Jahre verlängert werden wird, weiters die mäß auf eine Herbeiführung einer Empörung sige Strafe von sechs Monaten Gefängnis vor- Saargebiet bewirkt und die Möglichkeit des drit Aenderung der Grenzen Italienisch- Lybien in der oder eines Bürgerkrieges angelegt ist, wird eine sieht, abgeurteilt. In letzter Zeit sind offenbar ten Auswegs, der Entscheidung für den Status Richtung, daß Italien ein Teilgebiet abgetreten derartige Tätigkeit nicht nur nach den bestehenden Meldungen über eine verstärkte illegale quo, in den Vordergrund gerückt. werden wird, damit die Grenze den Tschad- See Verordnungen polizeilich, sondern auch gerichtlich, Tätigkeit zu Ohren der Behörde gekommen,

Aber bei vielen Saarbewohnern, die gegen

erreicht; schließlich wird Frankreich Italien einen und zwar als Hoch verrat verfolgt. Dieses weshalb man sich veranlaßt sah, nunmehr die Be- das Hitlerregime sind, war noch immer die Be= lienisch Erytrea und Französisch- Somaliland ab- der selbst organisatorisch, militärisch oder auf eine Hoch verrat" anzusehen. Teil des Gebietes entlang der Grenze von Ita- Verbrechens macht sich sowohl derjenige schuldig, tätigung für eine verbotene Wehrformation als fürchtung lebendig, daß die Entscheidung für den

Die ganze Status quo den Verzicht auf eine spätere Rück­

Eisenbahn Dschibuti- Addis Abela gewähren. Da- tion tätig ist, als auch jener, der von einem der- die herrschende Kaste in Desterreich gegenüber der Diesen Befürchtungen hat nun der Völkerbunds= treten und gewisse finanzielle Vorteile auf der andere Art und Weise für eine solche Wehrforma- Verordnung zeigt doch nur auf, wie ohnmächtig gliederung an ein befreites Deutschland bedeute. für erwartet Frankreich , daß Italien ihnen Ver- artigen Verhalten dritter Personen Kenntnis hat illegalen Tätigkeit weiter Kreise der Bevölkerung rat durch seine einstimmige Entscheidung den Bo trauen, Freundschaft und Zusammenarbeit bei ſei- und es vorsätzlich unterläßt, bei der Behörde hier- ist; helfen wird sie ja doch ebensowenig wie die den entzogen, daß der Völkerbund befugt sei, im

nem Werke für den Weltfrieden gewähren wird. von die Anzeige zu erstatten.