Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Dienstag, 25. Dezember 1934
Vielsagendes Schweigen Ein katholischer
Berlin.( DNB.) Reichswehrminister Generaloberst von Blomberg empfing den Berliner Chefforrespondenten der Associated Pres P. Lochner zu einer etwa anderthalbstündigen Unterredung. Auf die Frage über die deutsche Rüstungslage erklärte Generaloberst von Blom berg : Zu einer solchen Auskunft bin ich natürlich nicht befugt. Eine Antwort auf diese rein po litische Frage kann ich Ihnen als Fachminister nicht geben."
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Vormarsch der Italiener in Abessinien
Paradeschuft
Vor kurzem berichteten wir über die Greuelnachrichten, die sich die Wiener Reichspost" über die Aufständischen aus Span. en kommen ließ und bemerkten, daß der Lieferant dieser Greuelmeldungen ein gewisser W. M. Ullmann, alias Lherman sein dürfte, der in Frankreich wegen Urkundenfälschung und Betrugs verurteilt worden ist.
Die„ Reichspoſt" hat nun zugegeben, daß sie sich den Betrüger engagiert hat; zu seiner Ehrenretrung bemerkt sie nur, der Ullmann sei früher nicht linksorientiert gewesen.
Sei dem wie ihm sein: fest steht, daß sich die Reichspoſt" von einem Urkunden fälscher Baris. Nachrichten aus der abessinischen bedienen läßt und daß die" Deutsche Hauptstadt Addis Abebe zufolge, haben italienische Presse" die Lügenmeldungen über die spaniFlugzeuge die strategischen Punkte in Abessinien schen Revolutionäre, die der Feder des Urkundenbombardiert und Eingeborenen- Abteilungen von falschers entstammen, übernommen hat. Sie hat Italienisch- Somaliland dringen, wie die Meldun- bis heute nicht die von den höchsten spanischen gen besagen, allmählich in abessinisches Ge- Aemtern mitgeteilten Richtigstellungen gebracht.
biet vor.
Drei Todesurteile in Graz
Graz. Das Schwurgericht hat Samstag abends nach mehrtägiger Verhandlung das Urteil gegen sieben Nationalsozialisten gefällt, die unter der Anklage standen, Waffen, Explosivmittel, insbesondere Gasbomben, aus Deutschland nach Desterreich geschmuggelt und aufbewahrt zu haben. Drei Angeklagte Wieser, Thaller und Sonnhaus, wurden zum Tode durch den Strang verurteilt, ein vierter erhielt elfeinhalb Jahre, zívei weitere zehn Jahre Kerker und einer sechs Monate Gefängnis..
Englisch - amerikanische Einheitsfront gegen Japan
Paris. ( Havas.) Dem„ Matin" zufolge folgten der Kündigung des Washingtoner See= mächte Vertrages feitens Japans unverzüglich Verhandlungen zwischen London und Washing ton . Der amerikanische Botschafter in London ist nach Washington zurückgekehrt und hatte eine Iange Interredung mit Staatssekretär 11 I I. Hierauf wurde ein Kommuniquee über die fünftige Politik veröffentlicht, in welchem eine Zu sammenarbeit mit Großbritannien namentlich in Angelegenheit der Ablehnung der japanischen Forderung nach Seerüstungsgleichheit mit Amerika und England angekündigt wird.
Neuer Sekretär der Labourparty
Die Landesexekutive der Britischen Arbeiterpartei wählte bei ihrer Sigung in Lon don am 28. November J. S. Middleton als Nachfolger Artur Hendersons zum Parteisekretär. Er wird sein Amt Anfang 1935 antreten. Middleton war Hilfssekretär der Partei seit ihrer Gründung im Jahre 1900. Seine Wahl erfolgte einstimmig. Es ist vorgesehen, daß der neue Sefretär seine gesamte Arbeitskraft der Verwaltung der Partei widmet und dem Parlament nicht angehört.
Verschärfung des deutschen Kirchenkonfliktes
Berlin . 22. Dezember. Die evangelische Kirchenkonferenz ist am Freitag auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Das vor Weihnachten erwartete Uebereinkommen wurde bisher nicht erzielt, doch wird in kirchlichen Kreisen die Hoff= nung nicht aufgegeben. In den Verhandlungen tauchten plötzlich neue Schwierigkeiten auf, indem die Deutschen Christen die unerwartete Forderung erhoben, daß der Neuner- Ausschuß unter Bischof Marahrens, der das Einigungsprogramm für die verschiedenen Kirchen feststellen soll, paritätisch zusammengesett sein müsse, also daß mindestens vier deutsche Christen darin sizen müssen. Die Delegierten der altpreußischen Kirchenunion er hoben Lagegen Widerspruch und erklärten, daß sie nicht um den Besitz von firchlichen Aemtern tämpfen, sondern um ihren Glauben, der es ihnen verbiete, Dinge des Glaubens aus politischen Gründen zu opfern.
Wahrhaftig, die Schuschnigg- HilgenreinerKatholiken fönnen auf ihre Presse stolz sein.
90
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Nr. 301
Vor dem kritischen Jahre
Die neuralgischen Punkte der Weltpolitik
Noch vor kurzem schienen die Fragen der menden Jahre sozusagen chronologisch verbunden Außenpolitik in den Hintergrund gerückt. Die in- find. Das sind das Saarg biet und die nerpolitischen Sorgen und Konflikte, durch die Seefonferenz. Im Saargebiet wird zunicht aufhören wollende Wirtschaftskrise ungemein nächst das Schicksal des europäische a verschärft, standen überall im Vordergrund. Je mehr aber das kritische Jahr 1935 seinen bleifarbigen Schatten auf die beunruhigte Welt abwirft, desto mehr wird die Außenpolitik zum Mittelpunkt der Politik schlechthin. Die allgemeine Unsicherheit erzeugt die allgemeine Unruhe. Die Angstpsychose. wird zur Kriegsvsychose.
Krieg in Sicht! Warum eigentlich im Jahre 1935? Woher dieses bange Vorgefühl der Völker? Woher diese trostlose Prophezeiung, die von Journalisten und Parlamentariern, von Diplomaten und Generalstäblern immer wieder gemacht wird und die die an sich bereits gefährliche Festigkeit eines Vorurteils vielmehr eines Aberglaubens
erreicht?
Es gibt in der Tat zwei euralgische Puntte in der Weltpolitik, die mit dem fom
Arbeiter- Weihnacht 1934
,, Mein Junge- es werden doch einmal andere Weihnachten kommen...!"
Kein Einmarsch
schen Truppen umzingelt und vom Sowjetterritorium abgeschnitten worden sein sollen. Sowjetvon Sowjettruppen in Mandschukuo flugzeuge sollen über dem mandschurischen GeMoskau.( Taß.) Aus Charbin wurden Mel- biete kreuzen und dergleichen mehr. Die Sowjetbungen des Inhaltes verbreitet, daß Abteilungen russische Telegraphenagentur erklärt diese Melder Roten Armee in mandschurisches Territorium dungen für Erfindungen, die die Tendenz eingedrungen seien, dort militärische Eisenbeton- verfolgen, die Beziehungen zwischen SowjetrußBefestigungen errichtet haben, von mandschuri- land und Japan zu verschärfen.
Verschwörung gegen Hitler?
3000 Verhaftungen
Paris . Der Sonderberichterstatter des ,, Matin" in Berlin berichtet über zahlreiche Verhaftungen in Deutschland . Es soll sich um mehr als 1500 Personen handeln. Der Korrespondent verzeichnet die Nachricht, daß gegen Hitler eine neue Verschwörung angezettelt worden sei. Nach Informationen des„ Journal" soll es sich um eine noch größere Zahl von Verhaftungen handeln, man spreche sogar von 3000 Personen. Unter den Verhafteten sollen sich hauptsächlich junge Leute mit perverser Veranlagung befinden, doch sollen die Ursachen der Verhaftungen auf einem anderen Gebiete zu suchen sein: es sei dies die Spannung zwischen der Nationalsozialistischen Partei und der Reichswehr . Die deutsche Deffentlichkeit befinde sich in einem Zustande großer Erregung, trotzdem diese Angelegenheit verheimlicht werde. Alle Nachrichten würden zenfuriert und alle ausländischen Blätter, die von den Verhaftungen sprechen, werden beschlagnahmt.
Friedens entschieden, auf der Seekonferenz 1935 das des Weltfriedens. Daher die Angstpsychose der beunruhigten Völker. Daher die fie= berhafte Tätigkeit der offenen und der geheimen Diplomatie. Daher das wiederaufgenommene Wettrüsten und die Kriegsvorbereitungen aller gegen alle.
Das heifle Saarproblem ist eines der schlimmsten Folgen der turzsichtigen Siegerdiplo matie. Seinerzeit haben die französischen Sozialisten gegen die gefahrbergende provisorische Lösung protestiert und in der Kammer dagegen gestimmt. Auch die Briandsche Friedenspolitik hat es versäumt, auf dem Wege der Verſtändigungspolitik mit dem demokratischen Deutschland diesen Bantapfel aus der Welt zu schaffen. Nach der Machtergreifung durch Hitler ist das Saarproblem zum kriegsgefährlichen Objekt geworden. Frankreich hat das Saargebiet praktisch aufgegeben. Aber es gilt nunmehr die Freiheit des Plebiszit gegen die von Berlin instruierten und unterstüßten Terrorbanden der Saarnazis zi sichern. Es gilt die Saareinwohner, die Sozialdemokraten und Kommunisten, die Katholiken und die Juden, die gegen das Hitlerdeutschland stim= men wollen, vor der kommenden Nazirache zu beschützen.
Aber hinter dem Saarproblem steht in Euro pa ein viel wichtigeres und akuteres Problem, das eigentlich auch das lokale" Saarproblem so triegsgefährlich macht. Das ist die eigenmächtige und vertragswidrige Aufrüstung des Dritten Reich . 3. Auch in der Abrüstungsfrage haben die führenden Siegermächte alle Verständigungsmöglichkeiten mit dem demokratischen Deutschland verpaßt und dadurch den Sieg des kriegerischen und revanchelustigen Nazismus erleichtert.
Die Aufrüstung Deutschlands bedeutet eine potenzierte Kriegsgefahr. Sie hat den Umgruppierungsprozeß, der durch den Sieg Hitlers ver= anlaßt wurde, ungemein beschleunigt. Sogar im englischen Unterhaus wird Alarm geschlagen, wie dies nicht nur die jüngste Anklagerede Churchils, sondern auch die abgewogene Rede des Lordkanz= lers Baldwin bewiesen hat. Baldwin suchte zwar die Feststellungen von Churchil abzuschwächen, indem er den geheimen Charakter der Rüstungen des Reiches betonte. Aber gleichzeitig fügte er bielsagend hinzu: Es fann sein, daß Deutsch land bald selbst diesen Schleier des Geheimnisses lüftet". Diese Worte können nicht anders ausge= legt werden, als die Absicht der englischen Diplomatie, die vertragswidrige Wiederaufrüstung Deutschlands zu legalisieren- natürlich ,, im Rahmen des Völkerbundes".
Die wankende Haltung Englands in bezug auf die Aufrüftung des Dritten Reiches rief in Frankreich Enttäuschung und Nervosität hervor. Sie ist gewiß durch realistische Erwägungen bestimmt, sowie durch die Berücksichtigung der Kriegsangst der Volksmassen in England. Aber zum Teile auch durch das Mißtrauen, das in England die Annäherung zwischen Frankreich und Sowjetrußland, die sich zu einem Kriegsbündnis zu verdichten scheint, hervorgerufen hat. Andererseits drängt gerade die wankende Haltung Englands Frankreich zur engeren militär- politischen Verständigung mit Sowjetrußland, besonders nach der Abschwenkung Polens . Hitler weiß nur zu gut die Uneinigkeiten und Gegenfäße im Lager seiner Gegner auszunuzen, um Zeit zu gewinnen, den Ring der Isoliertheit zu lockern und Maximalforderungen, wie Rückgabe der Kolonien, des Korridors, Oberschlesiens und Danzigs als Preis für die Rückkehr nach Genf aufzustellen.
Aehnliche Uneinigkeiten und Differenzen kommen auch dem Friedens störer im Fernen Osten zu Nuben. Japan weiß nur zu gut die Interessengegensäße und die ,, Ressentiments", die zwischen England und Sowjetrußland, sowie zwischen England und Amerika be stehen, auszunußen, um seine Eroberungspläne in Ostsibirien und in Nordchina zu verwirklichen und hiermit seine Hegemonie- und Erpansionspläne im Stillen Ozean vorzubereiten. Das di