Mr. 3

Beite S

Freitag, 4. Jänner 1935

Pensionierter Amtsvorstand. als Heiratsschwindler Der»Mann mit dem goldenen Herzen" 2,160.000 Kronen Schaden!

800.000 Opfer der Malaria in Ceylon (PS-) Europäische und einheimische Aerzte und Pflegerinnen arbeiten Tag und Nacht, um die un­vorstellbare Malariaepidemie, die in Ceylon wütet, zu bekämpfen. Die Krankenhäuser sind so überfüllt, daß die Patienten auf den Korridoren und sogar unter den Betten liegen. In manchen Dörfern ist der größte Teil der Bevölkerung ohne Hilfe. Massenhaft brechen Männer. Frauen und Kinder, krank und erschöpft, vor den Armenapoiheken zusammen. Kirchen und Schulen sind verlassen. Täglich entstehen neue Grab­hügel auf den kleinen Dorffriedhöfen. Mehr als eine halbe Million Menschen sind bereits von dieser Geisel heimgesucht. Die Krankenhäuser sind oft meilenweit von den Leidenden entfernt. Sie werden in Ochsen« karren-Prozeffionen Sterbender gleich zu den Be- handlungözentren gebracht. Andere wieder schleppen sich zu Fuß vorwärts. Die Regierung bat alle verfügbaren Aerzte, Apotheker. Studenten, Heilgehilfen und SanitätSin» spektoren mobilisiert, um den Kamvf gegen die Seuche wirkungsvoll zu gestalten. In 86 Krankenhäusern und 377 Apotheken sind 200 Aerzte und Apotheker außer dem regulären Personal tätig« In manchen Teilen der Insel ist eine Verteilung von Medikamenten und Le­bensmitteln von Haus zu HauS organisiert. Für die oft nach Tausenden zählenden warten­den Kranken sind in der Nähe der Krankenhäuser Notbaracken errichtet worden, in denen sie von ver­schiedenen Hilfskomitees gelabt und betreut werden. Ruhr, Lungenentzündung und Influenza treten oft hinzu und machen so eine Rettung der Erkrankten noch aussichtsloser. Es herrscht Mangel an Chinin. Malzmilch, Gerste und Kölnischwaffer. Kleine Händ- ler willen aus der Situation bereits Nutzen zu ziehen und treiben die Preise in die Höhe. Ein« offizielle Totenliste ist noch nicht veröffent­licht. jedoch verlautet. daß die Zahl der Todesopfer schon sehr hoch sein soll.

Die verschwundenen Kultgegenstande. Zu dem.Jüdischen FestgotteSdienst" für .Kaiser Otto", der kürzlich in Wien stattfand und allgemeine Empörung erregte, werden inter­essante Einzelheiten bekannt. Danach ist es in der Wiener Jüdischen Kultusgemeinde wegen die» ses»Kaiser-Gottesdienstes" zu schweren Ausein­andersetzungen gekommen. Als sich die Vorstands­mitglieder dagegen wehrten, daß man eine Syna­goge für die politischen Zwecke des Schuschnigg - Regimes mißbrauche,.schrie der jüdisch-fascistische General Sommer, Führer der«Jüdischen Front­soldaten" drohend:Macht doch, daß ihr nach Palästina kommt I" Als derKarl-Gottesdienst" stattfinden sollte, mutzten die Manager entsetzt fcststellen, daß alle Kultgegenstände aus der Syna­goge entfernt worden wyren. Um die Veranstal­tung stattfinden zu lasschr, mußte man sie sich ein­zeln zusammenborgen. Mussolini - Kriegsziele. Der Londoner Daily Herald" meldet, daß. Mussolini das Ami­des italienischen.Kolonialministers. überneluuen und den bisherigen Kolonialminister De Bono als Gouverneur des künftigenItalienisch-Ost« afrika " an den abessinischen Kriegsschauplatz ent­senden wolle.»Jtalienisch-Ostafrika" soll die neue Kolonie Mussolinis sein, die aus der Bereinigung des nordöstlich von Abessinien gelegenen Jtalie- nisch-Erythrea mit dem südöstlich an Abessinien grenzenden Italienisch-Somali gebildet werden soll. Da zwischen diesen beiden Gebieten Abessi­nien, das französische Djibouti und das englische Somaliland liegen, wäre zur Schaffung der neuen italienischen Kolonie Ostafrika die Erobe­rung des Ost-Teils von Abessinien nötig... Zwölf Millionen für eine Kunstsammlung. Das Britische Museum und das Viktoria- sowie das Albert-Museum in London haben die bekannte Sammlung chinesischer und ostasiatijcher Kun st gegenstände d«S britischen Sammlers! Georg Fumorfopoulos erworben. Es ist dies eine der umfangreichsten Sammlungen dieser Art in der ganzen Welt und enthält zahlreiche Unikate. ES handelt sich um Statuen, kunstgewerbliche Gegen­stände aus Metall, Nefrit, Gold, Silber, Glas und Elfenbein, Lackmalereien und Porzellan. Der Kauf­preis beträgt 100.000 Pfund Sterling(etwa zwölf Millionen XL), eine nach Ansicht von Fachleuten sehr niedrige Summe, denn bei einer öffentlichen Ver­steigerung wären viel höher« Beträge erzielt worden. In einem Kohlenlager der Bia Oeconomo i n T r i e st brach ein Brand aus, der nach harter Arbeit der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Der Brand forderte aber trotzdem dreiTodesopfer. In einer oberhalb des Kohlenlagers befindlichen Woh­nung fanden das Ehepaar Nedino und sein neun­jähriges Töchterchen den ErstickungSwd. Alle ange­stellten Wiederbelebungsversuche hatten ein negatives Ergebnis. DaS katholische Tirol gegen den FafciSmnS. Das katholische WochenblattUnterland" in Küs­st e in, wendet sich in scharfen Worten gegen den FasciSmuS.Wir küssen die Trikolore nicht", heißt es in diesem Artikel ,Z>ozu das schwarze Hemd und den Fascistengruß bei uns im Lande Tirol, wo man doch nie vergeffen darf, daß hinter des Bren­ners Scheidewandder Brüder Herz brennt in Schmach und Schmerz" und mit ihnenDas Land Tirol". WaS geht auf dem Afperner Flugplatz vor? Der Asperner Flugplatz ist in den letzten Tagen unter scharfe militärische Bewachung gestellt worden. Po­sten mit Maschinengewehren halten alle Zugänge zum Flugplatz besetzt. Zuschauer dürfen überhaupt nicht in die Nähe des Flugplatzes kommen. Sogar Arbeiter, die dort beschäftigt sind, werden streng vi­sitiert. Der Grund der Verschärfung der Bewachung ist nicht bekannt. Vermutlich handelt es sich um ähnliche Vorgänge wie auf dem Grazer Flug-! Platz. Dort sind vier italienische C a p r o n i-M ilit, ärflieger ständig stationiert. 1

Prag . Der würdig und gepflegt aussehend«, geschniegelte und gebügelte ältere Herr mit dem grauen Spihbart, der Donnerstag dem Strafsenat Novotny auS der Untersuchungshaft vorgeführt wurde, ist in mehrfacher Hinsicht eine interessant« Person. Di« Anklage des Staatsanwaltes Doktor K a b r l e legt diesem gewinnenden Kavalier, der sich auf die Eroberung von Frauenherzen trefflich ver­stand, zur Last, durch verschiedene Gaunereien, vor allem durch Heiratsschwindel eine ganze Reih« von Personen um hohe Beträge geprellt zu haben. Der Gesamtkchade erreicht die respektable Höhe von 2,160.000 XL. Dieser reizend« ältere Herr konnte bei seinen Aktionen nicht nur sein sympathisches Aussehen und seine unwiderstehlich« Beredsamkeit ins Treffen füh­ren, er konnte sich mit Fug und Recht auch auf einen wohlklingenden Titel berufen. Denn dieser 54jäh« rige Herr Eduard Decholt ist AmtSvor stand des Prager Magistrates im Ruhestand. Kein Wunder also, daß er sich allenthalben unbe­grenztes Vertrauen zu verschaffen wußte. Als er vor vier. Jahren in den Ruhestand trat, gründete er ein Geschäft, welche? vor allem Verkäufe auf Raten betreiben sollte. Diesem Unternehmen hat der An­geklagte indessen wenig Interesse geschenkt. Um so eifriger betrieb"er andereGeschäfte", die ihn schließlich auf die Anklagebank brachten. Zunächst trat er mit der Gendarmerie-Sparkasse in Verbindung, wobei er sich als reichen Großgrund­besitzer ausgab, Darlehen aufnahm und verschiedene Transaktionen arrangierte, die der Sparkasse einen Verlust von 100.000 XL brachten. Aber da? war nur der Autakt und diese Sache ist eine Bagatelle gegen­über dem, was folgen sollte. Die nächste Aktion war ein schwerer Kantionsschwindel, wobei der An­geklagte einem Stellensuchende« 100.000 XL herauslockte, unter der Vorspiegelung, er werde ihn als Verwal­ter auf seinem Gut anstellen. Bon dieser Summe bekam der Betrogene mit Mühe und Rot 20.000 XL zurück. Aber das eigentliche Tätigkeitsgebiet des Herrn Amtsvorstandes Pecholt war, wie angedeuter, der Heiratsschwindel und auf diesem Gebiet hat er wahre Rekordleistungen zu verzeichnen. Bei die­sen Unternehmungen hatte er«in« Mitarbeiterin in der alten gerichtsbekannten Betrügerin Marie Eisenkohl auS Zijkov, die im geeigneten Augen­blick helfend«inzugreifen hatte und sich ihrer Auf­gabe auch mit vollem Erfolg erledigte. Mari« Eisen­kohl war bei der Verhandlung gleichfalls mitange­klagt, wegen Mittäterschaft am mehrfach begangenen Verbrechen des Betruges.

Neujahr, das ist in Karpatho-Jerusalem nicht ein Tag mit eisigkaltem Wind und weißem Schnee­polster über Dächer und Straßen. Wohl liegt MukaLevo, als das Karpatho-Jerusalem auf den christlichen Landkarten verzeichnet ist, nicht auf einem Breitegrad, auf dem am ersten Jänner die lvarme Sonne in grünes Gesträuch scheint. Im Gegenteil, dort Pfeift um diese Zeit der Eiswind aus den riesigen Schneelagern der Karpathen im Osten und Norden und wer in MukaLevo phanta­stisch gute Ohren hat, der kann im nächtlichen Traume auch die Karpathenwölfe heulen hören. Also, mit dem Klima ist es nichts. Aber in Karpatho-Jerusalem feiert man eben Neujahr nicht am ersten Jänner, sondern schon im September, wenn die Tage noch lang und warm und wenn am Martte die vollen blauen und gelben Trauben des Weines in Mengen liegen. Zehntausend Juden feiern in zweiunddreißig Synagogen das jüdische Jahr 8695. Es ist nötig, daß man das jüdische Neujahr noch in der Septem­bersonne feiert. Im September ist MukaLevo nur eine kahle, nüchterne Stadt. Im Dezember und Jänner muß sie zu trostlos sein, um Feste über­haupt feiern zu können. MukaLevo ist die Stadt ohne Blumen und Farbe, ohne Musik und Freude und ohne jede öffentliche allgemeine Geselligkeit. Auch Essen und Trinken ist in MukaLevo eine fteudlose Angelegenheit, man wirst es vom schmutzigen Tisch in den Magen hinein, so unfröh­lich, wie man einen alten Ofen heizt, der zuviel Kohlen braucht. Kein Wunder, daß in dieser kah­len Stadt die Kleidung nur allgemein dazu dient, alle kahlen Stellen des menschlichen Körpers ab­zudichten. Schmierige Lappen trägt man bequemer und billiger als sauberes, farbiges Tuch. Darum sind in MukaLevo nur die Läuse und die Wanzen fröhlich. Das ist MukaLevo. Lange Reihen grauer > Häuserzeilen. Aus mit Häcksel vermischten Lehm- ! Siegeln aufgerichtete Vierecke. Nicht aus Schön­heitsdurst, sondern nur aus bautechnischen Er» Wägungen sind die Außenwände mit kleinen Bruch­stücken aus gebrannten Ziegeln eingelegt. Nur die Verandasäulen sind wirklich" aus gebrannten ! Ziegeln schlecht und recht aufgetürmt. Vielleicht ist die Weltkrise ein bißchen Glück 'zu MukaLevo. Denn daß man in solch sparsamer ! Stadt jetzt den Bau einer Wasserleitung beginnt, kann nur mst einem Notstandsprogramm erklärt werden. Ebenso könnte man mit Recht ännehmen, daß MukaLevo ein solch undankbares Stück Land, wie es ein Stadtpark ist, nicht hat. Jedoch es be­sitzt. Ein sorgfältig eingezäuntes grünes Stückchen

Zur Anknüpfung der Bekanntschaften bediente sich Pecholt verheißungsvoller Inserat«. So heißt eS in einem solchen Inserat:Ich such« die Rechte, doch weiß ich nicht von ihr." Und das poetische Kennwort lautet:Ein Mann, wie eS wenig gibt." Dieser Sah dürste zutreffen, wenn auch im an­deren Sinn, als die leichtgläubigen Frauen annah­men. Natürlich trat Pecholt als reicher Mann auf und bemühte sich, seine Auserkorenen von seinen trefflichen Charaktereigenschaften zu überzeugen, wo­bei ihm seine Mitarbeiterin Eisenkohl wertvolle Dienste leistete. Diese pflegte sich an die Opfer her­anzumachen und das Lob des Herrn Amtsvorstandes Pecholt aufs eindringlichst« zu verkünden. Mit be- scnderer Vorliebe bezeichnete sie ihn alsM a n n mit einem goldenen Herzen". Auch trat sie bei geeigneten Anlässen als Botin in Aktion, in­dem sie für den Herrn Vorstand unter Vorspiegelung augenblicklicher Verlegenheiten stattliche Beträge ein­kassiert«. ES versteht sich von selbst, daß sich Pecholt nur mit älteren vermögenden Frauen einließ. Da? Opfer Nummer eins gab demBräuti­gam" 98.000 XL und 12.000 XL für Anschaffung eines Autos. Eine weitereBraut" opferte 230.000 Kronen und fünf Kisten verschiedener Waren im Werte von 20.000 XL. In diesem Fall handelt«S sich um eine Geschäftsfrau, die wenigstens den Ver­such machte, durch einen Advokaten eine Sicherstel­lung ihre? Geldes zu erreichen. Diese vernünftige Absicht wurde durch die NeberredungSkünste der Eisenkobl vereitelt, welche der Betrogenen einzureden wußte, daß der Advokat 30 Prozent der Summe für seine Bemühungen beanspruchen werde, llnd dieser Unsinn wurde geglaubt! Den Rekord bält di« Braut" Nummer drei, welche dem, Schwindler 1,600.000 XL aus Nimmerwiederseben vorstreckte. Und«ine Vierte kam auf die gleiche Art um 195 000 Kronen. Pecholt verschmähte aber mich kleinere Dissen nicht. So brachte er u. a.. auch eine ziemlich unbe­mittelte Frau um 6000 XL. Außerdem enthält die Anklage noch eine Reihe kleinerer Betrügereien, durchwegs gegründet auf die AuSnühung unange­brachter Vertrauensseligkeit. Bei der Hauptverhandlung erflärte sich Pecholt für absolut unschuldig, wobei man Gelegenheit hatte, seine außerordentliche Redegewandtheit kennen zu lernen. Er behauptete, daß seine Opfer ihm das Geld freiwillig gegeben hätten, daß von Vorspiege­lungen keine Red« sein könne u. dgl. Da sich einige wichtige Zeugen nicht eingestellt hatten, vertagte der Gerichtshof die Verhandlung auf nächsten Donners­tag. rb.

Gras mit versperrbarer Eingangstüre und einigen nagelneuen Bänken. Die Einheimischen sind aber gewitzigt, sie gehen nicht hinein und setzen sich. Wenn ein Fremder müde auf eine Bank sinkt, zieht plötzlich ein sonst harmlos aussehender Mann einen Block mit grünen Billetten und kassiert. Kostenlos ist der Zutritt dagegen zum Wo­chenmarkt, denn da herrschen noch die ruthenischen Bauern. Man sieht deshalb ein bißchen Farbe, ein bißchen Freude. Man handelt Trauben, Feder­vieh, bauernbunte Kerzen und Lebkuchenherzen. Sonst hat der billige Fabrikramsch alle Heimat­kunst erschlagene Jeder Gegenstand sagt zu uns in MukaLevo: Ich bin nicht zum Vergnügen da. Pferd und Mensch müssen früh mit Arbeit be­ginnen. Am Bauernwagen läuft das Füllen nicht lange frei neben der Mutter her. Bald bekommt es einen Strick um den Hals und wird gewöhnt, im Taft zu laufen. So steht auch der junge Jude nicht lange herum am Händlerstand seines Vaters. Spielend beginnt das Kind mit anzubieten. Es bekommt schnell ein ftühkluges Gesicht und bedient die leichten Kunden. Fünfzehn Prozent der Juden lernen so ihren Lebensunterhalt verdienen. Dreißig Prozent da­gegen greifen zum Handwerk, das keinen goldenen Boden mehr hat. Die Schuster gehen an der großen Konkurrenz zugrunde, die Schneider vege­tieren. Viele junge Juden setzen Hoffnung in das Fach des Mechanikers. Vielleicht, daß er dann im fernen Palästina ein nützliches Glied der volklichen Werkgemeinschaft werden kann. Die Mehrheit der alten Juden MukaLevos liebt den Zionismus nicht, den der Wunderrabi Spira verdammt. Ein from­mer Jude sieht im Zionisten überhaupt keinen Ju­den mehr, besonders sie nicht Judafascisten, sondern schrecklicherweise sozialistische Zionisten sind. Eine sehr große Werbe kraft für die jungen ausgewan­derten Zionisten haben allerdings die Geldbeträge, die sie ihren notleidenden alten Eltern nach dem Jerusalem Karpathorußlands schicken. DaS bodenfesteste jüdisch« Handwerk dürften in MukaLevo die Buchdrucker sein. Unter fünfzig Buchdruckern sind zweiundvierzig jüdische. ES gibt zwei Tageszeitungen, zehn Wochenzeitungen und noch Zeitschriften. Gelesen wird viel in MukaLevo, Dreißig Prozent der jüdischen Bevölkerung Ivählen einen intellettuellen Beruf. Zwei große Erziehungsstätten der jungen jüdischen Intelligenz sind zugleich die Zentren der Gegensätze. Am hebräischen Gymnasium, das gegen dreihundert Schüler hat, herrscht der freiere, nwdernerc Geist des Zionismus . Am Rabbiner­seminar Spiras ruohnt der Geist unduldsamer

Z«m Bomben-Attentat auf Albanien - König. Achmed Zog« verwundet? In Tirana wurde ein Bombenanschlag auf König Zogu von Albanien verübt, bei dem der König verwundet sein soll. Offenbar handelt es sich hier um eine Aktion, die mit der AufftandSbewegung eines früheren Adjutanten Achmed ZoguS zusam­menhängt. Obwohl dieser aufständische Adjutant gefangengenommen wurde, dauern die Kämpfe zwischen den Revolutionären und den Regierungs­truppen in Albanien fort.

Strenge und traditioneller Absonderung. Aus der einen Schule wachsen die toleranten Aerzte und Advokaten und aus der anderen die unduldsamen Rabbiner, Lehrer und die Schlächter. Ein wenig fremd muten uns die Schlächter unter den Jntelligenzberufen an. Aber ein jüdischer Schlächter muß Tieranatomie studieren und vor allem den Talmud . Von drei Rabbinern mutz er schließlich bestätigt sein, ehe er sein Intelligenz­gewerbe ausüben kann. Während ein frommer Jude schon als Volks- schiller noch täglich zur Synagoge in die Talmud­schule geht, sehen die Abtrünnigen der freien Be­rufe das Bethaus das ganze Jahr nicht mehr. Nur ganz am Jahresende und zu Beginn des jüdischen neuen Jahres kommt diesen ein göttliches Rühren. Sie leihen stch auseinem.Mnqaogenarchiv die Torarollen üsid rich!ert sich in einer Privatwohnung eine Leine Synagoge ein. Die Masse der Juden feiert dieses Fest in den beiden Hauptsynagogen. Feierlich leuchten teils die Kerzen, teils die elektrische Beleuchtung. Vor dem jüdischen Aller­heiligsten, der Toralade, brennen zwei elektrische Schlafzimmerleuchter aus einem Einheitspreis­geschäft. Als man vor einiger Zeit eine Dampf« Heizung legte, schlug man Löcher in die Bemalung. Niemand dachte daran, sie auszubessern. So be­ginnt das neue Jahr feierlich aber schlampig. Dicht beseht ist das Bethaus. Die mäßig Frommen haben nur das gold« oder silbergestickte Tuch über die Schulter des Sonntagsanzugs ge­legt. Die Frommen, auf dem mit schwerem Geld gemieteten Ehrenplatz, tragen den schwarzseidenen Kaftan und auf dem Kopf das Sträumel mit dem roten Zobelpelzsaum. Unter ihm quellen neckisch die Kortzieherlöckchen hervor. Hinten in den Reihen stehen Soldaten mit struppigen Bärten und faltiger Uniform. Eine reine Augenweide für Pazifisten. Eben schlägt der Kantor mit der Faust auf den Talmud . Es ist das Zeichen zum Gebet. Die Torarollen tragen hohen Festschmuck. Es ist herr­liche Silbernrbeit aus einer besseren Zeit der Syna­goge. Zwischen Gebeten tönt der durchdringende Signalruf auS dem Bockshorn. Bon draußen kor­rigiert diese Signale einer vergangenen Zeit der gedämpfte Ton einer Autohupe. Hier in den Hauptsynagogen ist der Ton der Gebete feierlich traditionell. Draußen in der Syna­goge von Spira drängen sich die Männer im Kaf­tan und Sträumel und ihre Gebete sind fanatisch, anklagend, fordernd. Spira ist ihr Wunderrabbi. Sein Segen ist notwendig für jedes weltliche Ge­schäft, sonst gibt es einen jüdischen Judenboykott. Darum läßt auch mancher ungläubige Jude still und friedlich sein Geschäft segnen, weniger um Gott, denn um Spira. Die Wände in Spiras Bethaus sind versehen mit Regalen voll kabbalistischer Bücher. Auf den flobigen Bänken sitzen an hohen Feiertagen viele Juden, die hierhet aus fremdem Land gewallfahrtet sind. Den Fremden im Zivilanzug treffen finstere, böse Blicke. Es ist ein wilder Derwisch-Fanatis­mus. Nur Journalisten aus ganz soliden Ländern sind beliebt. Wir sind dem Sekretär Spiras vor­gestellt als holländische Journalisten, die in speziell jüdischer Mission reisen. Er fragt uns nach dem Rabbi von Rotterdam und wir sagen, es gehe ihm gut. Sonst wirken wir durch würdevolles Schwei- gen. Auch zu Spira ist die Kunde gedrungen. Er schenkt uns einen gnädigen Blick und ein wohl­wollendes Kopfnicken al? er, ein würdevoller Greis, auf dem Arm seiner Jünger gestützt, vorüber« schreitet.

Karpatho-Jerusalem Von Kurt Doderer