Basialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

15. Jahrgang

Samstag, 26. Jänner 1935

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Einzelpreis 70 Heffer

( einschließlich 5 Heller Porto

Nr. 22

Das Mordkommando entkommen! Schweigen ist Gold..

Die Mörder kehren zu den Auftraggebern zurück/ Formis sollte entführt werden/ Kurzwellensender der Schwarzen Front Das geheimnisvolle Hotel und sein und sein merkwürdiges Personal

Štechovice.( Tsch. P.-B.) Die Untersuchung des Mordes an dem deutschen   Emi­granten Ing. For mis ist im vollen Gange. Die Untersuchung führt die Gendarmerie- Fahn­dungsstelle in Kladno   durch, in deren Bereich der Tatort fällt, und ein Kommissär der Pra­ ger   Polizeidirektion.

Nachmittags führten im Hotel Záhoři die Gerichtsärzte Dr. Frankl und Dr. Prusik die Obduktion der Leiche des Ing. Formis durch. Die Aerzte stellten fest, daß Ing. Formis z we i Schuwunden aufweist, und zwar eine auf der Stirn und die andere am Brustkorb. Die Kugel in die Stirn ging über dem linken Auge hinein, durch das Kleingehirn durch und im rech= ten Teil des Hinterkopfes hinaus. Die Kugel in den Brustkorb führte beim Herzen vorbei und durchschlug die Leber; der Ausschuß befindet sich unter dem rechten Schulterblatt.

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Außerdem stellten die Aerzte eine große Spaltung des Schädelknochens fest, woraus geschlossen wird, daß Ing. Formis zuerst mit irgendeinem stump fen Gegenstand verwundet wurde, worauf erst dann die Schüsse gegen ihn ab­gefeuert worden sind. Die Stirnschußwunde wird als tödlich bezeichnet. Die Hände des Ermordeten weisen Brandverletzungen zweiten Grades auf, auch der Kopf war versengt. Nach der gerichtsärztlichen Obduktion wurde die Leiche in das Totenhaus des Friedhofes von Slapy   gefchafft, wo sie Samstag um zwei Uhr nachmittags beigesetzt werden wird.

Wie die Mörder

über die Grenze kamen

des Apparats als harmloses Möbelstück betrifft. In der Attrappe eines Lehnstuhles fand sich ein Sturzivellensender, der angeblich so arbeitete, da

jeder, der Königstvusterhausen einschaltete, ihn hören mußte. Merkwürdigerweise soll er dabei in der Tschechoslowakei   kaum zu hören gewesen sein, wohl aber in Deutschland  , wo er vielfach stärker gehört wurde als Königswusterhausen.

det wurden.

Berlin.  ( Tsch. P. B.) Die reichss deutsche   Presse hat bis zur Stunde über den an dem reichsdeutschen Emigranten Ing. Formis in der Tschechoslowakei  begangenen Mord noch keine Zeile veröffentlicht.

suchung des Hotels durch die Gendarmerie hat den eigenartigen Apparat, den formis, ein überaus

begabter Techniker und Radiophysiker, selbst era funden und gebaut hatte, in der Mansarde entdeckt. Geplant war: Entführung

An dem Tatort wurden Stricke, zum Senebeln geeignete Binden und Stoffe, Chemikalien und Betäubungsmittel gefunden. Dies deutet darauf hin, daß Formis entführt werden Wie unangenehm dieser Sender den Her- sollte, bermutlich, damit man ihm in Deutschland  ren des Dritten Reiches   gewesen sein muß, kann Geständnisse expressen und ihn dann bestialisch ab= man ermessen, wenn man erfährt, daß auf schlachten hätte können. Ein großer Koffer, den Schallplatten wiederholt der Brief des die Reisegesellschaft: nit sich führte, war anschei SA- Führers Ernst über die Brand- nend bestimmt, den gefesselten Formis aufzuneh stiftung am Reichstag, daß andere Propa- men. Das Konzept der Entführung hat allem An­gandanachrichten der Schwarzen Front gefen schein nach Formis selbst durchfreuzt. Man nimmt nach den Ergebnissen der Obduktion, dem Urteil der Schieß- Sachverständigen und den Aussagen Die deutsche Regierung hatte in Prag   be- des Kellners an, daß Formis zuerst geschossen hat. reits am 12. Jänner wegen dieses Senders Be- Wahrscheinlich hat er auch ein Mitglied der Bande schwerde erhoben. Sie teilte mit, daß er sich in verwundet, denn es fanden sich Blutspuren vom etwa 80 Kilometer Entfernung von Prag  , in einem Hotel bis zum Standort des Autos. Vielleicht ist Dorf Záhoři befinde. iDe Entfernung ist vielleicht die als Lockvogel benutzte Edith Karlsbach. ausgepeilt worden, den Ort kann man nicht er die eine auffallende Schönheit sein soll, selbit an rechnet haben, dieser Name muß von einem Bergeschossen worden, denn der Kellner Flieger will Um 5 Uhr 30 Minuten fand sich bei Cáp   ein räter genannt worden sein und es liegt nahe, ja den Schrei einer Frau gehört haben. Záhoři schon in den frühen Morgenstunden des ihm bloß vom Sehen bekannter Ein- den lumpigen Hildebrand, der vor einigen Durch seinen Tod von Mörderhand ist Formis Donnerstag über die deutsche Grenze entkommen, wohner der Gemeinde Rosenthal in Sachsen   ein, Wochen zu Hitler   überging( allerdings von den wahrscheinlich vor noch Schlimmerem, vor der und zwar beim Zollamt auf dem Schneeberg   bei welcher ihm eine von Hans Müller unterfertigte, Nazis verhaftet worden sein soll) als den Ver- Folter des Dritten Reiches  , bewahrt geblieben. Letschen. Sie ließen kurz vor dem Zollamt das den Ueberbringer des Dokumentes zur Ueber- räter zu agnofzieren. Es wäre aber auch denkbar, Auto zurück und überschritten unangefochten nahme des Autos berechtigte daß die deutschen   Behörden durch ihren wahrschein= Der sorglose Herr Graf und offenbar zu Fuß die Grenze. Vollmacht vorlegte. Cáp   folgte ihm das lich in der Republik   vorhandenen Spiel­Unfaßbar ist, daß die Zollwache- auch wenn Auto aus, worauf der Unbekannte vor 6 Uhr und Spionage apparat den Namen seine gesunde Nachtruhe noch nichts von dem Mord wissen konnte das früh nach Sachsen   abreiste. des Ortes erfahren haben, während die tschechoslo­Auto, das sie verlassen vorfand, nicht sofort Auf Grund der Untersuchung fuhren die wakischen Behörden nicht imstande waren, den beschlagnahmte, sondern am Morgen einem Reichs- Täter beim Zollamt in ihrem Auto mit abge- Schwarzfender zu finden, obwohl in verschiedenen deutschen   aus dem Nachbarort, der mit irgendwel- stelltem Motor, demnach vollkommen ge­chen Ausweisen um das Auto tam, glatt über- räuschlos, vor und, da sie wegen der herabgelasse­gab, obwohl doch offensichtlich eine unerlaubte nen Schranken die Staatsgrenze mit dem Wagen Grenzüberschreitung vorlag und damit der be- nicht passieren konnten, verließen sie das Auto und gründete Verdacht zumindest von Zollhinterziehungingen zu Fuß nach Sachsen  . gen oder Valutenschmuggel vorlag.

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Wie vorauszusehen war, sind die Mörder von

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Das Kommando der Bereitschafts­abteilung in Tetschen   gibt darüber folgen. den Bericht aus:

Nach den beim Zollamt auf dem Schnee berg   bei Tetichen vorgelegten Triptyks wurde unzweifelhaft festgestellt, daß die Mörder die Grenze der Tschechoslowakischen Republik auf dem Schneeberg   zwischen der vier ten und fünften Morgenstunde des 24. Jänner unter folgenden Umständen über­schritten haben:

Auf Grund des Einfahrtverzeichnisses haben alle drei Täter unser Staatsgebiet am 13. Jänner 1935 nachmittags, und zwar mit dem Automobil des Typ Daimler- Benz", das die Zeichen| IP 48.259 trug, betreten. In dem Automobil jazen zive i Männer und eine Frau und als Beſizer wurde auf Grund der Dokumente Sans II er festgestellt. Auf dem Automobil waren zwei Paar Stier befestigt. Müller kaufte sich beim Zollamt einen Steuerschein für 15 Tage und die Bewilligung wurde ihm sodann ausgestellt. Nach der ordnungsmäßigen Zolluntersuchung durf-| ten alle Reisenden passieren.

Am 24. Jänner um 3 Uhr 30 Minuten( also in der Mordnacht!) trat im Zollamt auf dem Schneeberg   der Oberauffeher der Finanzwache Čáp   seinen Dienst an. Beim Dienstantritt nahm er einen Patrouillengang in der Umgebung des Zollamtes vor u. stellte nichts zu Beanständendes fest. Nach kurzer Zeit begab er sich wieder vor das Amtsgebäude und bemerkte, daß unweit von dem= selben ein reichsdeutsches Auto mit Erkennungs­zeichen IP- 43.259" ohne Lenker und Passagiere stand. In dem Auto befand sich| nur ein Koffer und auf dem Auto waren zwei Baar Stier befestigt. Auf Grund des Verzeichnisses stellte er fest, daß das Auto nit jenem, welches am 13. Jänner in unser Grenzgebiet einfuhr, iden­

lisch sei.

Der Schwarzsender

Orten Hausdurchsuchungen stattfanden.

Durch die feinerzeit erfolgte amtliche Vor­sprache wegen eines Senders in Záhoři ist es aber auch eindeutig erwiesen, daß zwie schen den Urhebern dieses Pro= test es, also dem deutschen   Außenministerium und den Urhebern des Mordes Ver­bindung en bestehen müssen. Man wird demnach die Auftrags- und Geldgeber des Als Hauptursache des Mordes stellte sich bei Mordkommandos in den Reihen der national­der näheren Untersuchung des Hotels Záhoři eine fozialistischen Führerschaft suchen müssen. im Dachgeschoß befindliche geheime Sende- Anlage Den Sender selbst haben die Mörder nicht dar, die in raffinierter Weise angelegt war, sowohl entdeckt. Sie hielten anscheinend den Empfangs­was die Sendestärke, als auch was die Tarnung apparat Formis' für den Sender. Erst die Durch­

Záhoří

KONEVESTAURACE ZAHOR

Das Hotel ,, Záhoři" bei Stěchovice

Das zweite Fenster von rechts ist das Fenster des Zimmers, aus dem nach dem Mord die Täter mittels Strickes flüchteten, das zweite Fenster von links ist das Fenster des Zimmers, in das die Mörder ihr Opfer aus dem benachbarten Zimmer herüberschleppten und in dem sie dann eine Bombe entzündeten.

Rätselhaft bleibt das Verhalten der Bes wohner des Hotels in der Mordnacht. Zunächst widersprechen einander gerade darüber die Berichte

der Behörden. Es wurde, ohne daß eine der Vers fionen wirklich bestätigt oder widerrufen wurde, folgendes behauptet:

1. Der Hotelier Graf habe geschlafen und nichts gehört,

2. er habe zwar einen Schuß gehört, aber darin - in einem alleinstehenden und von wenigen Personen besuchten Haus!- nichts Auffälliges gesehen und weiter ge schlafen, bis ihn früh der Brandgeruch weďte,

3. er habe zivar gehört, daß geschossen wurde, auch den Geruch der Brandbomben gespürt, die Nacht aber angstboll in seinem Zimmer zugebracht und sich erst früh herausgewagt. Ferner wurde über den Ke IIner behauptet: 1. Er habe sich in Todesangst in sein Zimmer geflüchtet, es erst früh verlassen und dem Wirt die Vorfälle gemeldet,

2. Er sei früh von dem Wirt aus seinem Zima mer befreit" worden( wer hat ihn eingesperrt?),

3. Er sei früh von dem Wirt, der inzwischen den Brandgeruch wahrgenommen hatte, zur Gendarmerie geschickt worden.

Bei der Gendarmerie hat Flieger zu Proto­foll gegeben, daß eine Frau, wahrscheinlich Edith Karlsbach, ermordet worden sei. Nun wird der Kellner Flieger in vielen Meldungen als Piccolo angeführt; er scheint also ein halbes Kind zu sein und das würde sein Verhalten erklä nicht das des Wirts.

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Daß der Wirt, wenn er merkt, daß in seinem Hause geschossen wird, nicht nur bis Morgen grauen, sondern bis in den halben Tag wartet, ehe er eine Anzeige macht, ist merk­würdig. Aber merkwürdiger ist, daß er in einem Hause, in dem er Rauch und Brandgeruch wittert, seelenruhig übernachtet, ohne nachzusehen, ob sein Anwesen brennt und ob nicht er selbst in Gefahr ist, zu verbrennen.

Sehr sonderbar ist auch die Meldung, daß die Mörder das Gästebuch beschädigt haben. Wann? Doch wohl nach dem Mord. Wo lag es? Jm Speisesaal gegenüber der Küche? Hat Graf auch