Seite 2 Freitag, 1. Feier 1935 Nr. 27 Lttzung der Arbeitszeit um acht Stunden in der Woche eine Erhöhung der Zahl der Arbeiter um etwa 20 Prozent bedeuten würde. Da jedoch derzeit eine Reihe von Unternehmungen eingeschränkt arbeitet, schätzt das Internationale Arbeitsamt, daß die Einführung der vierzigstündigen Arbeitswoche in den Industriestaaten heute eins Erhöhung der Zahl der Beschäftigten um mindestens zehnProzentim Gefolge hätte. Nun beträgt die Zahl der Arbeiter und Angestellten bei uns etwa 2,400.000. Davon find etwa 4 0 0.0 0 0 landwirtschaftliche Arbeiter, 2 0 0.0 0 0 Angestellte außerhalb von Industrie und Gewerbe und 2 0 0.0 0 0 Arbeiter im Handel und Gewerbe sowie Hausgehilfinnen abzuziehen. Man kommt so auf eine Zahl von etwa 1,600.000, was also bei einer Erhöhung der Zahl der Arbeiter von zehn Prozent die Einstellung von 1 6 0.0 0 0 Arbeitslosen in den Ar- beitSprozeß bedeuten würde. Führen wir die vierzigstündigen Arbeitszeit bloß in den größeren Jndustrieunternehmungen ein, so würden wir die Zahl der Beschäftigten um etwa 70.000 bis 80.000 erhöhen. In der erwähnten Untersuchung wird na- sittlich auch die Frage aufgeworfen, um wieviel sich die Produktionstätigkeit unserer Industriellnternehmungen im Falle der Einführung der Vierzigstundenwoche bei Aufrecht- erhaltung der derzeitigen Löhne erhöhen wür- den. Nach den vorhandenen Daten bewegt sich die Lohnquote in unserer Industrie zwischen 6 und 85 Prozent der Erzeugungskosten, durchschnittlich also um 20 Prozent herum. Nehmen wir nun den Prozentsatz der Löhne zuzüglich der sozialen Abgaben mit 24 Prozent der Produktionskosten an, so wären die Lohnkosten um ein Sechstel oder vier Prozent höher. Diese höheren Lohnkosten Würden aber ausgewogen werden durch die Regieersparnisse, welche aus der Konzentration der Erzeugung von sechs auf fünf Tage sich ergeben würden, f"rner durch die höhere Leistung der Ar- beiter, hauptsächlich aber durch die Belebung des Wirtschaftslebens, weil dadurch Tausende von Arbeitern in den Produktionsprozeß eingeschaltet würden, was eine Erhöhung des Konsums zur Folge hätte. Tatsächlich wäre also die E r h ö. hung der Produktionskosten durch dieEinführung der Vier- zigstundenwoche eine unbedeu- ten d e. Auch der Einwand, daß unsere Industrie etwa weniger konkurrenzfähig wäre, ist n i ch t st i ch h ä l t i g, da in den Bereinigten Staaten die Arbeitszeit in bestimmten Industrien schon weniger als 40 Sturiderl be- trägt, da in der Sowjetunion die tägliche Ar- beitszeit sieben Stunden, in Italien die wöchent- liche Arbeitszeit 40 Stunden und in der Groß- industtie Deutschlands und Englands die Arbeitszeit auch bereits geringer ist. Wenn wir also dazu gelangen, unseren Export im Jahre 1935 weiter zu steigern, größere JnvestttionSPläne zu verwirklichen und die vier- zigsüindige Arbeftszeit durchzuführen, dann könnten wir mehrere Hunderttau. send Arbeiter in den Arbeits» Prozeß wieder einschalten und so zu einem stärkeren Abbau der Arbeitslosigkeit 4 Die Rakete Bin Kurzroman von Kurt Dobarer Ein Sergeant mit zwei Matrosen trat eben in die Türe. Der Kapitän machte eine Handbewegung.„Legen Sie den in Eisen," sagte er. Nachdem man Jonny über das Verdeck geführt hatte, bildeten sich überall in den Winkeln erregte Gruppen.„Wenn es soweit ist, jeder Zug seinen Vorgesetzten!" zischte einer.„Der Kapitän sitzt im Funkraum, und zwei Gasrevolver liegen vor ihm auf dem Tisch," flüsterte ein anderer, „und wir, uns gab man keine Munition, sie wußten, warum." Kleine bläuliche Funken begannen auf allen Metallteilen zu tanzen. Die Spannung in der Mannschaft war aufs höchste gestiegen. Eine dumpfe Ruhe lag im Schiff. Da, ein Schrei gellte über das Wafier. Der, der ihn ausgestoßen, stand wie eine Säule auf dem Verdeck. Sein steif erhobener Arm zeigte zum Begleitschiff, das fünfhundert Meter seitwärts lag. Der Kreuzer strahlte in einem grüngelben Licht und— dunkle Striche sprangen in immer kürzeren Zeiträumen über die Bordwand. Es waren die Mannschaften, die sich ins Meer stürzten. „Sie kommen» der Wahnsinn kommt!" keuchte einer. Der Matrose sprang auf eine Lafette. Seine Stimme übertönte alle:„Versichert euch der Offiziere, dann jeder an seinen Platz! Macht Jonny frei!" Doch da stürmte dieser schon über das Verdeck. Laut gellte seine Stimme:«Sechs Mann mit mir!" Dann rasten sie die Treppen hinauf zum Funkraum. Jonny riß die Tür auf. Ein Singen und Summen erfüllte den Raum. Der Kapitän hing mit verquollenen Augen in den Geräten. Die Hereinstürmenden begrüßte er nur mit einem blöden Lachen. „Habt ihr Wafier, viel Wafier?" flüsterte er. gelangen. Wenn eS der Regierung und dem Parlament gelingt, diese großen Aufgaben durchzu- führen, dann wird man sagen können, daß das bestehende Parlament die letzten Monate seiner Gesetzgebungsperiode nicht untätig verbracht, son- Arbeiterkündigunsen Im Ständestaat Wien . Infolge des Absatzrückganges von Braunkohle hat sich die österreichische Kohlenindu- strie genötigt gesehen, wie im Vorjahr die Erzeugung um 180.000 Tonnen zu drosseln und Arbeiterkündigungen vorzunehmen, die in der nächsten Zeit durchgeführt werden sollen. Das Ergebnis der Menschenhatz In Oesterreich Wien . Nach einer amtlichen Statistik haben 840 Detektive in der Zeit vom 15. März 1933 bis Ende des Jahres 1934 insgesamt 38.132 Verhaftungen und 106.319 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Verhaftet wurden 19.090 Nationalsozialisten, 12.276 Sozialdemokraten und 6775 Kommunisten. Hausdurchsuchungen wurden bei 46.582 Nationalsozialisten, 46.111 Sozialdemo- Jonny war mit einem Satz am Taster.— Das Klingen und Singen überfällt auch ihn. Doch während sich sein Geist zu verwirren droht, funkt er in rasendem Tempo:— Hier Flaggschiff der Liga— Haltet— Haltet ein— Schiff in Gewalt der Mannschaft— Stehen euch zur Verfügung— Rehmen Kurs auf Zentron—. • Auf der Kommandobrücke des Flaggschiffes „Diamant " der Liga stand der Steuermann mit zwei Matrosen.„Es sind zwei Schiffe vor Zentron an Anker," sagte der eine,„Jonny, nimm dein Glas". Der holt das Fernrohr, richtet es— zuckt zusammen— nimmt es ab, richtet es wieder—.„Verdammt will ich sein," murmelt er, „wenn das nicht die beiden Kreuzer sind. Können die auf Zentron auch Tote auferstehen laffen?" Da ward es auf den Kreuzern schon lebendig. Flaggensignale stiegen an den Seilen:„Kameraden, tvir grüßen euch.— Willkommen— Willkommen—“ Neben den beiden Kreuzern legte sich der „Diamant " vor Anker. Ein Hurra klang von den Schiffen. Schon lagen die Dampfpinafien am„Diamant". Freudig schüttelte man sich die Hände. „Teufel, wie seid ihr aus der Hölle gekommen?" fragt Jonny die Matrosen vom Kreuzer. Da erzählt man. ES war ganz so, wie es Jim geschildert hatte. Bis zum Platzen der ersten Patronen—. Der Mut der Verzweiflung stieg da in die Mannschaft. Dann funkte man nach Zentron: Haltet— Macht in Händen der Mannschaft— Nehmen Kurs auf Zentton. So wurden die beiden Kreuzer gerettet. — Da, eben tauchen die Rauchschwaden eines Schiffes am Horizont auf. Der Empfänger im Funkraum des„Diamant" arbeitet. Begleitschiff „Korund" reiht sich mit hundertzwei Ueberleben« den in die Flotte von Zentton ein! * der» außerordentlich wertvolle Arbeit für die Massen der Bevölkerung geleistet und die Grundlagen für eine bessere Zukunft gelegt hat. kraten und 13.623 Kommunisten vorgenommen. 27.876 Hausdurchsuchungen hatten ein vositives Ergebnis.— Wieviel aber wurden zu Krüppeln geschlagen? politischer Mord In polen Warschau . In der verflofienen Nacht wurde der Direftor des staatlichen Gymnasiums in Zdunfla Wola, Bieganfli, in seiner Wohnung im Gymnasialgebäude von zwei maskierten Männern, welche in die Wohnung eingedrungen waren, durch Revolverschüsse getötet. Die Behörden nehmen an, daß es sich um einen politischen Mord handelt, da von den Tätern aus der Wohnung nichts geraubt wurde. Der Zus der Saarflüchtlinse Metz. (HavaS.) Im Departement Moselle trafen Donnerstag 3500 Saarflüchtlinge ein. Jonny stand als Sprecher der Flotte vor dem Präsidenten der Erowelt. Dieser reichte ihm eben schlicht die Hand.«Ich danke Ihnen und Ihren Kameraden im Namen der Erowelt. Glauben Sie mir, auch die Liga muß es Ihnen einst danken. Noch ist nichts verloren. Unser„Wal " ist mit dem gestürzten Projektil in Verbindung. Es treibt unter 34 Grad nördlicher Breite und 149 Grad westlicher Länge im Ozean. Ich darf Ihnen nun den Auftrag geben, mit dem„Diamant" die Rakete in aller Stille einzuschleppen." Das Projektil stand auf dem neuen Betonfundament Zentrons. Fieberhaft wurde gearbeitet. Schon meldeten die Fernsucher das Kommen von Kreuzern und U-Booten. Man hatte diesmal eine Kette um die Insel geschloffen, die keinem Fisch erlaubte, durchzubrechen. Die Nacht des Raketenstarts war herangekom- men. Der Präsident hatte die Sender der Starkstrombündel abstellen laffen. Dabei hatte er leise gelächell. r Langsam schoben sich die Flotteneinheiten an die Insel heran. Alle ihre Scheinwerfer lagen auf dem Gipfel von Zentron. Dort stand das Betonfundament, und so kam es, daß das graue ProjektU wie beim ersten Start in einem Kreispunkt von Lichtern lag. Nicht die Massen der Zuschauer umsäumten diesmal das Fundament. Kein Lichtsignal zeigte die Minute der Abfahrt an. Nur die Mannschaften der desertierten Flotte und die Mitglieder der Erowelt harrten mit gespannten Sinnen auf den entscheidungsvollen Augenblick. Da ertönte das wuchtige Fauchen der Raketendüsen. Eine viergliedrige blaue Säule stand senkrecht am Himmel und— schien sich auch in die Ewigkeit hinaus fortzusetzen. Jubelnd warf der Riesensender auf Zentton seine Funksprüche in den Raum hinaus: Hier Zentron— Hier Erowelt— An das Präsidium der Böllerliga!— An alle— alle— alle—. Das Projektil ist eben— um zwanzig Uhr, sieben ver Sturm um Macdonald London.(E. B.) Die Lärmszenen im englischen Unterhaus, die am Montag im Anschluß an die Rede des Unabhängigen Buchanan gegen die Arbeitslosengesetze der Regierung stattfanden, wurden von den folgenden Oppositions- rednern als ernstes Zeichen für die Erbitterung des Volkes über die dauernden Kürzungen der Erwerbslosen-Unterstützung gewertet. Die Sprecher der Labour-Party wandten sich aufs neue gegen die Methoden der Bedürstigkeitsprüfung, die von untergeordneten Behörden mit unsozialer Rücksichtslosigkeit vorgenommen werden und nur darauf gerichtet sind, der Staatskaffe um jeden Preis Ersparnisse zu bringen. Die Borwürfe richteten sich immer wieder gegen Macdonald, der dem arbeitenden Bolle seinen Aufstieg ver- dantt und es nun nicht für nötig gehallen hat, bei dieser wichtigen Debatte zu erscheinen. Es erregte großes Aufsehen, daß die drei konservativen Debattenredner Boothby, Gny und Ehapman ebenfalls scharfe Krittk an Macdonalds Verhalten übten und die Regierung vor den Gefahren warnten, die sie durch ihre Politik gegen die' Arbeitslosen heraufbeschwört. Der Konservative Boothby erklärte:„Macdonald hat sich immer damit gerühmt, von armen schottischen Fischern abzustammen. Aber er kann sich nicht damit rühmen, etwas für diese Menschen getan zu haben. Denn Versprechungen allein genügen nicht." Wie groß die Gärung in den englischen Massen ist, die jetzt selbst die Konservativen bedenklich stimmt, zeigen die regierungsfeindlichen Demonstrationen, die in den letzten Tagen in den verschiedensten Teilen des Landes stattfanden,, und am Sonntag mit einer großen Arbeiterkundgebung im Kohlenbezirk Südwales fortgesetzt werden. In Schottland , der Heimat Macdonalds, ist ein Hungermarsch angekündigt, der am 17. März in einer großen Kundgebung in Glasgow gipfeln soll. ver Hitler von Amerika London.(E. SB.) Der„Daily Herald" beschäftigt sich in einem ausführlichen Arttkel mit der Gestalt des ftüheren Gouverneurs und jetzigen Senators von Louisiana , Huey L o n g, der mit Hilfe der Miliz eine Art Diktatur in Louisiana errichten will und eine groß» Kampagne gegen Roosevelt führt, den er seinerzeit bei der Wahl unterstützte. In dem Arttkel des„Daily Herald" wird Lang als ein Demagoge hingestellt, der nach Hitlers Muster die Massen mit schemfozialistischen Verheißungen einfangen lvill und dastach strebt, die Nachfolge Roosevelts anzutteten, wenn dessen Aktion mißlingen sollt- Lang predige zwar nicht den Raffehaß, abe- immerhin die Minderwerttgkeit der Neger. E- wettere gegen den Kapitalismus, aber er woll» nur die großen Vermögen„einschränken" und den Armen einen Teil des„durchschnittlichen Reichtums" zugute kommen laffen. Gleich Hitler operiere er mit dilettantischen Wirtschaftstheorien und berufe sich mit Vorliebe auf dir Bibel und den Willen Gottes. Obgleich Long in wetten Kreisen Amerikas vorläufig noch nicht ernst genommen werde, gebe es doch schon viele, die ihm als möglichen Präsidentschaftskandidaten bettachten. Minuten, zehn Sekunden, gestartet.— Es ist noch in Funkverbindung mtt uns—. Die Formel stimmt. Im Senderaum auf Zentton saß der Funkoffizier über den Taster gebeugt. In gleichmäßigen Abständen besendet er die Rakete: Hallo, seid ihr wohl?— Hallo, seid ihr wohl? In den Zwischenräumen sendet er diese Frage, die zwischen den stereotypen Antworten der Rakete liegen. Alle fünf Minuten kommt es aus dem Weltenraum: Wir fliegen noch mit Vollgas. Immer nach fünf Minuten wieder dasselbe: Wir fliegen noch mit Vollgas. Mit rascher Gebärde ttat ein zweiter in den Funkräum. Hastig kommen keine abgehackten Sätze. „Die Rakete muß unbedingt Triebapparate ausschalten. Unmöglich können sie mehr zurück, wenn sie den Triebstoff so verpulvern." Was funkt die Rakete?^„Eigentlich gar nichts", sagt der Funker ruhig.„Außer der regelmäßigen Antwort deS Automatensenders keinen Ton. Unheimlich klingt dieses: Wir fahren mit Vollgas."„Man steht eS auch an den Beobachtungsgeräten, daß sie fahren, als wenn sie in die Ewigkeit wollten," sagt der andere.„Wenn sie jetzt nicht erwachen, so sind sie verloren. Kamerad, wir muffen alle Künste des Funkens versuchen!"— S. O. S.— S. O. S.— Schiff in Not.— Diese Zeichen wirken auf einen Funker, wie Rum auf einen Halberftorenen wirkt. Immer wieder und immer hastiger klang das Ticken durch den Haupttaum der Rakete. Langsam hob Jonny die bleischweren Augenlider. Es lag ihm ein Klingen im Kopf: S. O. S.— S. O. S.—. Träge sieht er an all den Hebeln und Schaltern vorüber. S. O. S.— S. O. S. Er empfindet ein leise wachsendes Unbehagen. Was kann eS sein?— Er beginnt nachzndenken—. Was klopft dort an der Wand so regelmäßig? Ich will Ruhe, viel Ruhe, denkt er sich. Seine Lider senken sich wieder über die Augen.(Fortsetzung folgt.). für internationale Garantie der österreichischen Unabhängigkeit Eine englische Diskussion In offenen Briefen an die englische Presse sind sehr-oft Ansichten zum Ausdruck gekommen, die von der orthodoxen Haltung des betreffenden Blattes abwichen oder mit der offiziellen englischen Politik nicht ganz übereinstitmnten. Solche Briefe haben oft wertvolle Diskussionen angeregt und nicht selten die öffentliche Meinung und damit die Haltung der englischen Regierung beeinflußt. Die Times vom 28. Jänner bringt einen solchen Brief mit dem Titel:„Die Unabhängigkeit Oesterreichs ", der von G. P. G o o ch, dem berühmten Historiker und Herausgeber der englischen Kriegsschulddokumente, und Professor Gil bert Murray , einem der bedeutendsten Vorkämpfer der Bölkerbundsidee in England, unterzeichnet ist. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Rom heißt es:„Wir zweifeln nicht daran, daß Dr. Dollfuß in der Zeit, als die Uebergriffe der deutschen Nazis am flagrantesten waren, den Völkerbund angerufen hätte, wenn er nicht von Italien daran verhindert worden wäre, und es scheint mehr als wahrscheinlich zu sein, daß Dr. Schuschnigg es schon getan hätte, wenn er nicht an den italienischen Rat gebunden wäre. Ist es Herrn Laval gelungen, Mussolinis Verbot von Genf zu be- s eiligen? Wir sind unter denen, die wünschen, Oesterreichs Integrität und Unabhängigkeit möge zur Angelegenheit des ganzen Völkerbundes gemacht werden. Wir glauben, daß der Erfolg der Wiederherstellung der österreichischen Finanzen eine solche Politik genügend rechtfertigst Eine noch wichtigere Ueberlegung ist die, daß der Völkerbund in seiner Gesamtheit Maßnahmen zur Erhaltung der Integrität und politischen Unabhängigkeit treffen könnte, ohne in die Versuchung zu kommen, eine Gruppe des österreichischen Volkes gegen die andere zu unterstützen, eine Versuchung, der einzelne Mächte oder Mächtegruppen bisher nicht widerstehen konnten." Die Schreiber dieses Briefes glauben, daß Oesterreich nicht bloß für Frankreich und Italien und seine unmittelbaren Nachbarn wichtig ist» weil sie befürchten, daß das ungelöste Problem die Ursache eines künfttgen kriegerischen Konfliktes werden könnte. Die Diskussion, die sich an diesen, an hervorragender Stelle abgedruckten Brief anknüpfen wird, wird ohne Zweifel von politischem Interesse sein und über die englische Einstellung zu einer definitiven Lösung der österreichischen Frage Ausschluß geben. Es wird immer flarer, daß der bisherige Zustand der Bestimmung der österreichischen Politik durch weder dem österreichischen Volke, noch dem Völkerbund verantwortliche Mächte nicht weitergehen und eine Befriedung dieser Gefahrenzone nur durch internationale Garantien erfolgen kann, soll nicht Oesterreich Gegenstand der Prestigepolitik einzelner Mächte und damit zum Anlaß schwerster Verwicklungen werden. Doch diese Frage ist nicht nur eine der internattonalen Polittk. Die Wiederherstellung der Demokratie in Oesterreich mit ihren DiSkussions- und Kontrollmöglichkeiten ist ein unerläßlicher Bestandteil einer jeden Regelung, die Anspruch auf Durchführbarkeit und Dauer macht.—y.
Ausgabe
15 (1.2.1935) 27
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