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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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15. Jahrgang

Hohe Hitler  - Beamte verhaftet

Das Pr. Tgbl." meldet aus Ber  : lin, daß unter den in den letzten Wochen Verhafteten sich auch Dr. Achim Gercke   befindet, der Leiter des Rassenamts im Reichsinnenmini­

Samstag, 16. Feber 1935

Nach der deutschen   Antwort:

Jilusionen in London  

Katzenjammer in Paris  Wie zu erwarten, hat die deutsche Diplo­sterium. In Haft befinden sich ferner matie den Ball, den ihr das Londoner   Foreign ständigungswillens bucht. Re u ter erflärt ge­Herr von Zeppelin, der Adjutant Office zugespielt hat, elegant aufgefangen und des Reichsernährungsministers Darré, serviert ihn nun London   in einer Weise, daß die weiter Freiherr von Mum m, der dem berufsmäßigen Optimisten des englischen   Außen Chef des Protokolles im Auswärtigen amtes   in heller Freude sind. Weniger befriedigt Amt Graf Bassewitz zugeteilt war und über den Ausgang des Londoner Besuches zeigt Regierungsrat Gisevius, der Pro- sich heute schon Frankreich  , wo man, wahrschein­paganda- Chef des ostpreußischen Ober- lich zu spät, merkt, worauf das Spiel zwischen präsidenten Koch. Seltsame Gerüchte Berlin   und London   hinauswill.

Deutschland   nimmt also in seiner Antwort

aufnimmt und als Dokument des deutschen   Ver­Reuter radezu, als das Ziel der deutschen   Politik werde die allgemeine Befriedung Europas  " angesehen. Wir halten also nicht mehr weit von der Mög­lichkeit, daß die englische Regierung ganz offiziell für die Verleihung des Nobel- Friedenspreises an Hitler   eintritt! Sogar die sonst kritischere" Ti­me 3" gibt sich befriedigt und fordert den baldi­gen Besuch englischer Staatsmänner in Berlin  . Ganz anders ist natürlich der Eindruck

Die deutsche Presse zeigt sich sehr felbstbewußt. Die Spannung zwischen Paris   und London   wird ausgenüßt, um Zwietracht zu jäen und während man gegen Rußland   het und den Franzosen droht, werden nach London   Friedensbeteuerungen und Schmeiche leien adressiert.

seien auch über Ministerialdirektor Ni- an die britische   Regierung mit Begeisterung die in Paris  , wo jetzt die Ernüchterung eintritt kolai im Reichsinnenministerium im dee des Luft- Locarno au, die der deutschen   und zwar nicht nur wegen des Mißlingens des Umlauf, der seit zehn Tagen nicht mehr auftrüstung dienlich ist. Es erklärt Laval'schen Projektes, Deutschland   durch Englands im Ministerium erschienen ist. Amtlich sich bereit, so bald und so nachdrücklich als möglich, Hilfe für den Ostpakt zu gewinnen, sondern auch wird jede Auskunft über das Ver- diesem Batt beizutreten und an seiner Ausführung wegen der Haltung Englands. Man scheint in schwinden des Ministerialdirektors Ni- mitzuwirken. Aber ebenso energisch wie sich Frankreich   einzusehen, daß die Hilfe Londons  , die kolai abgelehnt.( Nikolai ist der Leiter Deutschland   für den Westpakt einsetzt, it räubt noch vor wenigen Tagen als sichere Garantie des der Verfassungsabteilung im Reichs es sich gegen den Ostpatt. Des- Friedens gepriesen wurde, in Wahrheit eine Illu innenministerium und in dieser Eigen- gleichen scheint es nidyt gesonnen, wirtfame Ga- fion war und daß London   den Deutschen   mehr als schaft auch maßgeblich an den Gesetzes rantien für Desterreich zu geben. In diesem Fall den Franzosen genützt hat. hat freilich die französische   Politik den Deutschen  arbeiten für die Reichsreform beteiligt.) wirklich alle Argumente geliefert, deren sie vor der Welt und vor dem eigenen Volk bedürfen, um Ein neuer Zwischenfall den Garantiepakt für Oesterreich als Komödie hin­in Abessinien? zustellen. Nachdem man Na Oesterreich an Mussolini   ausgeliefert batte, durfte man ehrlicherweise nicht mehr von seiner Die richtige Antwort Frankreichs   wäre der Unabhängigkeit" sprechen und von Berlin  , wollte man ihm nicht billiges Propagandamaterial lie- Abschluß eines Bündnisses mit Rußland   und der schenfall an der abessinisch- italienischen fern, höchstens die Anerkennung Desterreichs Kleinen Entente. Es ist aber die Frage, ob sich Grenze auf. Und zwar sollen wieder a 18 italienischer Kolonie, nicht ein so schwächlicher Politiker wie Laval   dazu Abessinier einen italienischen Poften aber als unabhängigen" Staates fordern. entschließt und ob die das Kabinett landin be­überfallen haben. Andere Meldungen Bemerkenswert ist nun, daß London   die herrschende Schwerindustrie eine solche Politik zu dementieren dies und behaupten, daß deutsche Antwort trotz der Ablehnung der Ostpakt- läßt, da sie doch weit mehr Lust hat, an der les der Ort Sillar, um den es sich handelt, und der Desterreich- Forderung mit Begeisterung galisierten deutschen   Aufrüstung zu verdienen. schon Ende Jänner von den Abessiniern besetzt worden sei.

In einzelnen Blättern taucht die Nachricht von einem neuen Grenzzi­

Abessinien ließ durch seinen Ge­schäftsträger in Rom   erklären, daß es die Mobilmachung zweier Divisionen seitens Italiens   als unfreundliche Hand­lung ansehen müsse, die durch keine militärische Maßnahme Abessiniens ge­rechtfertigt sei.

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Der Text der deutschen   Note

Berlin.  ( DNB) Die Antwort auf das Lon­ doner   Kommuniqué, die der Reichsminister des Auswärtigen, Freiherr von Neurath  , dem eng lischen Botschafter Sir Eric Phipps   und dem fran­ zösischen   Botschafter Francois Poncet   übergeben hat, hat folgenden Wortlaut:

Vereinbarung mit den in Frage kommenden Regierungen alsbald Mittel und Wege zu fin­den, mit denen eine solche Konvention verwirk­licht werden kann, welche die größtmögliche Si­cherheit aller Unterzeichner verbürgt.

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Der kurze

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Nr. 40

aber furchtbare Krieg

Kurz vor der Saar  - Abstimmung waren Lord Rothermere  , der englische   Zeitungskönig, und sein Sohn bei Hitler zu Gast. Ueber die Gespräche, die da geführt wurden, hat zwei Tage später Rother= mere junior einer Ausfragerin, die der Wiener  " Morgen" zu ihm sandte, erzählt. Die Journalis stin befragte ihn auch, ob er einen Krieg für mög­lich halte. Stand die Antwort ebenfalls im Zei chen Hitlers? Mein Vater", sagte der Sohn des Lords, befürchtet, daß bereits in der allernächsten Beit ein Krieg ausbrechen wird. Ich teile bezüglich des Datums nicht ganz seine Ansicht, doch glaube auch ich absolut an einen Krieg. Dieser Krieg

wird fürchterlich und sehr kurz sein." Wir können nicht beurteilen, ob und in welchem Sinn der deutsche Führer" die beiden Ansichten über den Zeitpunkt des nächsten Kriegs beeinflußt hat. Jedoch über die kurze Dauer und die Furcht­barkeit des drohenden Krieges tönnten sehr woht reichsdeutsche Informationen der so bestimmt ge­äußerten Ansicht zugrunde liegen. Man vergleiche die folgenden Tatsachen.

Pläne Englands

pos durch die Einführung der Panzerwägen und Die enorme Beschleunigung des Kriegstem­Tanks bildet eine große Schwierigkeit bei den modernen Manövern. Die Kraftfahrzeuge müssen verlangsamt werden oder die Fußtruppen kommen nicht nach! Noch viel krasser ist das Mißverhältnis zur Geschwindigkeit der Kampfflugzeuge. Der At­lauf des Kampfes muß notwendigerweise vie! rascher werden. Wie aber die Infanterie darauf einstellen? Als eine kritische Stimme sei die eines Engländers angeführt.

Nach den englischen Manövern des Jahres 1931 schon hat einer der Hauptorganisatoren der jetzigen britischen   Armee, Kapitän Lidell- Hart, über seine sonderbaren Eindrücke im Fachorgan " Infantery Journal" berichtet. Die heutigen Kampfeinheiten seien zu schwerfällig und kompli ziert, um die Konkurrenz mit der Luft- und Gas­waffe, aber auch mit den Kampfwvägen bestehen zu können. Der Anblick, welchen die Kolonnen, die sich auf der Straße hinwanden, von der Höhe aus boten, wirkte erschütternd, wenn man an die neuen Kampfmittel dachte: nicht bloß an die Bomben flieger, sondern selbst an die Kampfwagen... Es ist nicht abzusehen, wie wir im modernen Krieg Die deutsche Regierung ist der Auffassung, imstande sein werden, große Mengen von Menschen Von italienischer Seite wird er-" Die deutsche Regierung weiß sich mit der daß Verhandlungen in größerem und Pferden zu verwenden, wenn Senfgas in klärt, daß man auf die abessinischen Er- föniglich britischen Regierung und der französi- Kreise, die nicht genügend vorbereitet sind, erfah- jenem Ausmaß angewendet wird, wie ich es mir klärungen zunächt nicht eingehen ichen Regierung einig in dem aufrichtigen Wunsche, rungs- und naturgemäß Neibungen mit vorstelle." Die Infanterie müßte an Zahl sehr ein­die Sicherung des Friedens zu fördern, dessen Er- sich bringen, die im Interesse des Ab- geschränkt und zum größeren Teil motorisieri, wolle, aber in der Lage sei, Beweise zu erbringen, falls das Ausland sich die haltung ebenso im Interesse der Sicherheit Deutsch  - schlusses einer solchen, in ihren Auswirkungen völ- nämlich als Besatzung von Kleintanks und Kraft­lands wie im Interesse der Sicherheit der anderen lig neuartigen Luftkonvention vermieden werden wagen- Maschinengewehren verwendet werden. Die abessinische Darstellung zu eigen macht.europäischen   Staaten liegt. Die deutsche   Regie- sollten. Bevor die deutsche Regierung an solchen Mischung der Kraftfahrzeuge mit Fußtruppen Das erinnert an die Vorgangsweise der rung begrüßt den Geist vertrauensvoller Aus- Verhandlungen teilnimmt, hält sie es für wün müsse aufhören, sie hindere die Beweglichkeit und deutschen   Regierung gegen gewiffe sprache zwischen einzelnen Regierungen, der in schenswert, eine Reihe grundsäblicher Vorfragen führe zur Verschwendung von Betriebsstoff. " Greuelmeldungen und bestätist nur, den Mitteilungen der königlich britischen und der in Einzelbesprechungen mit den beteiligten Re­daß Italienim Unrecht ist. französischen   Regierung zum Ausdruck kommt. gierungen zu flären. Sie würde es deshalb be= Die Folgerungen der italienischen Sie wird den ihr vorgelegten gesamten Komplex grüßen, wenn Heeresleitung - nach den vorangegangenen fran­der in dem ersten Teil des Kommuniqués vonzösisch- britischen Beratungen zunächst die= Lidell- Hart baut also seine Reform auf die London   aufgeworfenen europäischen   Fragen einer niglich britische   Regierung als diejenige Teilney- Motorisierung auf, die Ersetzung der Muskelkraft Rom.  ( A. P.) Für den Fall einer kriege- eingehenden Prüfung unterziehen. Diese wird merin an den Londoner   Besprechungen, die zu- von Menschen und Pferd durch die Kraft der Ben­rischen Berwicklung mit Abessinien stehen sich zwei ebenso vom Geist überzeugten Friedenswillen wie gleich Garant von Locarno   ist, bereit wäre, hier zinmotoren. Radikal anders sehen gewisse Folge­Anschauungen gegenüber, die noch nicht auf einen von der Sorge um die Sicherheit des Deutschen   über in einem unmittelbaren' Meinungsaustausch rungen der Italiener aus. Der italienische General Renner gebracht worden sind. Der Plan der Zivi- Reiches in feiner geographisch besonders expo- auch mit der deutschen   Regierung zu treten. Douhet stellte in aufsehenerregenden Schriften listen geht dahin, nach der Regenperiode im April nierten Lage im Herzen Europas   getragen sein. Die deutsche   Regierung ist sich eins mit der Grundsäße für den künftigen Entscheidungsfampi die Operationen aufzunehmen und sich in den Die deutsche Regierung wird insbesondere prüfen, föniglich britischen und der französischen   Regie auf, Grundsäße, die sich nach seinem Tode durch­Besitz der Randgebiete des Hochlands zu setzen. mit welchen Mitteln fünftig die Gefahr des Wett- rung in der Auffassung, daß der Abschluß einer gefekt haben. Die Hauptwaffe ist nach Douhet die Nach Ablauf der zweiten Regenperiode folle dann rüſtens vermieden werden kann, die durch den Lufitonvention ein bedeutsamer Schritt auf dem maſſierte Luftflotte. Ihre überlegene Ge­im November ein Vorstoß mit 500.000 Mann er- Verzicht der hochgerüsteten Staaten auf die ver- Wege zur Solidarität der europäischen   Staaten ſchwindigkeit mache die Landkräfte ohnmächtig. folgen, mit dem Ziel, Grythräa um Somaliland   traglich vorgesehene Abrüstung entstanden ist. Sie wäre und geeignet sein kann, auch die anderen wenn nur die Luftflotte stark genug sei und, ein­3it vergrößern, ein Protektorat über das Gebiet iſt überzeugt, daß nur der in dem britisch- franzö- europäischen Probleme einer alle Staaten befrie- heitlich geführt, durch Geschwaderangriffe deat des Tanasees mit seinen Baumwollfeldern und ſiſchen Kommuniqué zum Ausdruck kommende digenden Lösung entgegenzuführen. Goldgruben zu errichten und lediglich dem Rest, Geist freier Vereinbarung zwischen souveränen mit der Hauptstadt Addis Abeba  , die Unabhän- Staaten zu dauerhaften internationalen Rege­gigkeit zu laffen. Dagegen wenden die Militärs lungen auf dem Gebiete der Rüstungen führen ein, daß ein Heer von 500.000 Mann für die fann. abeffinischen Verhältnisse zu schwerfällig sein würde. Der Seeweg von Italien   beanspruche lange Zeit. Die Landungsmöglichkeiten seien ge­ring und von Monsunstürmen abhängig, der Transport durch das Somaliland   erfordere viele Wochen. Der Nachschub könne nicht unter allen Unsständen sichergestellt werden. Die Operationen könnten nur analog den Methoden Lyauthens in Marokko   erfolgen, mit Austragung der Konflikte in lokaler Form.

Italiens   Kriegsplan

Der ungünstige Eindruck in Paris  

Feind niederkämpfe. In seinem aufsehenerregend= sten Werk, der Zukunftfriegs- Utopie Der Krieo im Jahre 19.." nahm Douhet einen deutsch  - fran= zösischen Krieg an mit wohlorganisierter Luftflotte als deutscher   Hauptmacht und einem französische  Heerwesen, das noch in den Sperrfestungen und den Landtruppen seine Hauptkraft sieht. Sche:. zwei Stunden nach Kriegsbeginn gewinnen die deutschen   Luftstreitkräfte die Oberhand, sie stoßen bereits am zweiten Kampftage bis nach Südfrant reich durch und zerstören fast unbehindert 150 marsch ist fast unmöglich, der Erfolg der Deutschen  vollständig. Wie dies Douhet im einzelnen aus. führte, ist nicht so wichtig wie die tatsächliche Wire

Die deutsche Regierung begrüßt den Vor­schlag, die Sicherheit vor plötzlichen Angriffen Paris  . Die Agentur Havas   meldet aus aus der Luft zu erhöhen durch eine baldmög- London  : Die deutsche Antwort rief hier einen lichst abzuschließende Konvention, die den un durchaus ungünstigen Eindruck hervor. Sie wird mittelbaren Einsatz der Luftstreitkräfte der Un- zur Folge haben, daß sofort die englisch- franzö­terzeichner zu Gunsten des Opfers eines nicht fischen diplomatischen Konsultationen beginnen herausgeforderten Luftangriffes vorsieht. Sie werden, weil das Londoner Kabinett der Ansicht Eisenbahntnotenpunkte. Der französische   Auf­ist grundsäßlich bereit, ihre Luftstreitkräfte als ist, daß die Berlin   zu erteilende Antwort zwischen Abschreckungsmittel gegen Friedensstörungen Frankreich   und England vereinbart wer einzusetzen. Sie ist daher geneigt, in freier den muß..