Dienstag, 26. Feber 1935 15. Jahrgang IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xii„ fochova a. trefon 53077. Administration Telefon sag», HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHOM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG . Etezeforeis 70 Hell«r (•fnKMntUck 5 Haller Porto) Die Arbeiter Englischer Bat für Schuschnigg wichtiger als die Habsburger London.(Tfch. P. B.) Nach dem Besuche der österreichischen Minister im britischen Außenamt wurde kein amtlicher Bericht ausgegeben, da der Besuch offensichtlich zu kurz war, um eine Debatte über irgendein europäisches Problem aufzunehmen.; Man glaubt, daß die österreichischen Minister den Wunsch hatten, daß über die Restaurierung der Habsburger verhandelt werde, nach den jetzt aufgetauchten Symptomen ist es jedoch wenig wahrscheinlich, daß in dieser kritischen Zeit der Vorbereitungen einer Gesamtlösung der europäischen Fragen die österreichische» Minister diese Frage hervorheben würden. Die österreichischen Minister» die in Paris von dem unwillig drohenden Volk empfangen wurde«, so daß sie sich wie Verbrecher in die Stadt einschleichen mußten und ihre Straßen nur unter starker Polizei-Eskorte passieren konnten, haben auch in London keinen freundlichen Empfang erhalten. Zwar demonstrierten die Londoner nicht auf der Straße, aber die englische Presse führt eine sehr deutliche Sprache. Dem Begehren der österreichischen Minister, über die Habsburgerfrage zu sprechen, wird überall energisch abgewinkt. Zahlreiche englische Blätter betonen, daß nicht die Rückkehr der Habsburger , sondern die Demo k ra t i s i e r u n g n ö t i g sei»«m Oester reichs Unabhängigkeit zu sichern. Am energischesten schreibt der„Daily Telegraph ", der Schuschnigg dringend empfiehlt, die Jndustricbevöl- kerung Wiens und anderer Städte für sich zu gewinnen, indem er die Demokratie wiederherstelle. Parteitag In Teplitz-Schönau vom 3.-5. Mai Der Parteivorstand der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik beruft für die Zeit vom 3. bis 5. Mai 1935 den Parteitag "ach Teplitz-Schönau in die Deutsche Tu rn- halle Königs höhe ein. Der Parteitag beginnt am Freitag, den 3. Mai, um 18 Uhr. Als provisorische Tagesordnung im Sinne des 8 51 des Organisationsstatutes schlägt der Par- teivorstand vor:" 1. Konstituierung des Parteitages. 2. Unser Kampf und unsere näch ste« Aufgabe«. 3. Aenderung des Organisationsstatutes— Berichte. 4. Wahlen. 8. Sonstiges. Simons Berliner Reise sicher Nachdem Deutschland Beratungen über alle Punkte konzediert hat Die Delegierungsbestimmungen werden durch den 8 45 des Organisationsstatutrs geregelt. Gemäß 8 52 des Organisationsstatutes könne« Anträge zum Parteitag nicht von einzelnen Parteimitgliedern, sondern nur von delegierungs- berechtigten Organisationen(8 45) oder Lokalorganisationen gestellt werden. Sie find mindestens zwei Wochen vor dem Parteitag dem Parteivorstand schriftlich zu übermitteln. Dieser hat fie und seine eigenen Anträge spätestens eine Woche vor dem Parteitag im Zentralorgan der Partei zu veröffentlichen«nd dem Parteitag Bericht und Antrag zu erstatten. Fanni B l a t n y, Tr. Ludwig E z e ch, Ernst Grünzner, Theodor Hackenberg, Dr. Earl Heller, Steffi Hirsch» Josef Hof- bauer, Franz I l l n e r» Wenzl I a k s ch, Franz Katz» Karl Kern, Irene K i r p a l, Franz K ö g l e r» Franz K r e j£ t, Heinrich Kremser , Franz K« p l e n t, Wilhelm Nießner» Adolf Palme, Ernst P a« h Leopold P ö l z l, Anton Roscher, Gusti Schaffer, Else Schäfer, Josef Sch weichhart, Dr. Emil Strauß, Siegfried Taub , Eugen d e Witte, Heinrich W 0 n d r a k, Rudolf Z i s ch k a. London . Außenminister Sir John Simon erklärte am Montag im Unterhause auf eine Anfrage des Führers der Opposition Lans- bury bezüglich der Reise nach Berlin : Die englische Regierung hat nach Entgegennahme des deutschen Vorschlages nachgefragt, ob sie richtigerweise annehmen könne, daß der Zweck einer Zusammenkunft dahingehen würde, die Beratungen über a l l e in dem englisch -französischen Kommunique erwähnten Angelegenheiten um einen Abschnitt weiterzutragen. Ich habe eine Antwort von der deutschen Regierung erhalten, in der Sie mit dieser Beschreibung des Umfanges der vorgeschlagcntn Zusammenkunft üb r r e inst i m m t und mich e i n l ä d t, zu diesem Zweck nach Berlin zu kommen. Ich hoffe, i n k u r- zer Zeit Berlin zu besuchen. Der Zeitpunkt und die anderen Einzelheiten des Besuches müssen noch verabredet werden. Die französische und die italienische Regierung haben dem vorgeschlagenen Berhandlungsverlguf zngestimmt. Auf die Frage Lansburys, ob nicht beabsichtigt sei» Moskau oder irgend eine andere europäische Hauptstadt mitzubesuchen, erwidert« Sir John Simon:„Die Angelegenheit wird zur Zeit erwögen". Kapitulation oder neue Tarnung? Selbststellung der alten Nazi-Führergamltur In Oberösterreich Frauenreichskonferenz am 3. Mai Das Frauenreichskomitee beruft im Einvernehmen mit dem Parteivorstand der sozialdemo- kratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik für Freitag, den 3. Mai 1935, die Frauenrelchskonferenz Nach Teplitz-Schönau in das Städtische Kurhaus, Kaiserbadveranda, ein. Die Frauen- teichskonferenz beginnt am Freitag, dem 3. Mai 1935, um 9 Uhr vormittags. Die Tagesordnung der Frauenreichskonfe- kenz wird später verlautbart werden. Die Delegierung zur Frauenreichskonferenz wird durch den 8 54 des Organisationsstatutes geregelt. Fanni B l a t n y, Maria Deutsch, Marie ssl u n z e l, Erna Haberzettl, Amalie I i l g, Marie I 0 k l, Mizzi K a h a y, Irene K i r p a l, Else Paul, Diarie R e Y z I, Gusti Schaffer, Else Schäfer Betty Schack, Steffi Hirsch. Eine monarchistische Verschwörung Papens? Wien.(Tsch. P. B.) In Angelegenheit der Affäre des Legationsratcs der deutschen Gesandtschaft in Wien , von Tschirschky, behauptet das Nachmittagsblatt„Echo", T s chirschky sei in eine monarchistische Verschwörung zugunsten des Prirrz e n O s ka r v 0 n P r euße n verwickelt gewesen, die in den letzten Wochen in Berlin aufgedeckt wurde und an welcher auch die Reichswehr sieteiligt gewesen sei. ■ Die Wiener Korrespondenten der englischen Wätter erfahren weiter, daß in die Affäre Tschirschky auch der zweite Selretär Papens, von Ketteler, verwickelt sei, der gleichfalls ins Ausland geflohen ist. Wien.(Tsch. P.-B.) Die illegalen natio- nalsozialistischen Organisationen in Oberösterreich , und zwar die politischen und militärischen Organisationen,(SA und SS ) sowie die Jugendorganisation(Hitler-Jugend ) hchben die b e d i n- gungslose Einstellung ihrer politischen Tätigkeit und ihre Selbstauslösung beschlossen. Die Führer der illegalen Organisationen haben sich dem Sicherheitsdirektor in Oberösterreich ehrenwörtlich(l) verpflichtet, bei der Selbstauslösung der nationalsozialistischen Partei und ihrer Wehrorganisationon in Oesterreich mit allen Kräften mitzuwirken und den Unterführern nachdrücklichst zu empfehlen, sich bei den Behörden selbst zu stellen, um so straffrei zu werden. In Durchführung dieser Absicht haben sich in den letzten Tagen in Linz und auch in den meisten Landbezirken Oberösterreichs die Führer und Unterführer der nationalsozialistischen Organisationen den Behörden bedingungslos gestellt. Bei der Polizeidirektion Linz üüd bei einigen anderen Bezirkshauptmannschaften wurde eine große Menge von Waffen und Munition sowie zwei Rundfunksender der SA. abg«liefert. • Offenbar ist die alte Führergarnitur der Nazi doch schon viel zu polizeibekannt, als daß sie auf die Dauer die illegale Tätigkeit mit Erfolg leiten könnte. Auch an amtlichen Stellen scheint man über den Massenandrang an reuigen Sündern nich. allzu viel Freude zu haben. Wie das Tfch. P. B. weiter meldet,.taucht doch die Frage auf, ob es sich hier nicht um eine Aenderung der Taktik der Hitlerbewe- gung in Oesterreich handelt und ob nicht die neue Methode darin beruht, durch den Eintritt der ehemaligen Nationalsozialisten in die Vater ländische Front in dieser eine Spaltung herbeizuführen. Vas Schweizer Volk will wehrhaft sein Die stärksten Mehrheiten für das neue Gesetz In den Arbeiterkantonen I Bern.(SDA.) In der Volksabstimmung über die Bcrlängerung der militärische Ausbildungszeit nahm das.schweizerische Volk das neue Gesetz mit 507,000 gegen 432.000 Stimmen an. Die ablehnenden Stimmen werden nebm dem grundsätzlichen Pazifismus und Antimilitarismus in verschiedenen Kreise« auch mit der Wirtschaftskrise namentlich in der Landwirtschaft und besonders in den Berggrgenden^geschrieben. Die prozentual meisten Ja-Stimmen weisen die Kantone Thurgau , Schaffha«sen, Glarns, Zü- r i ch, Solothurn , Tessin »nd W a a dt ans. Dir Stimmbcteiligung betrug 80 Prozent. Das Eidgenössische Parlament hatte im Sep tember 1934 mit großer Mehrheit eine Vorlage angenommen, die einzelne Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die militärische Organisation abänderte. Es handelte sich in der Hauptsache um die Bestimmungen über dir Ausbildungs- zrit, in erster Linie um die grundlegende Ausbildung zum Soldaten, die sogenannte Rekrutenschule. Angesichts des Hinzukommens neuer Waf- fenarten und der völligen Umstellung der Gefechtstaktik ergab sich auch die Notwendigkeit, di« Dauer der Rekrutenschulen bis z« drei Monaten z« verlängern. Gegen das Bundesgesetz wurde von kom- mnnistischer Seite das Referendum ergriffe« und heute wurde das Volk über die Vorlage befragt. Vorspiel in Tuschkau In Stadt Tuschkau bei Pilsen war in der Vorwoche eine landbündlerische Versammlung mit Herrn Zierhut als Referenten angesagt. Ungeladen erschien hierzu ein Gegenredner der SHF, ein Herr Bittner aus Pilsen . Man wollte ihn nicht zulassen, aber die Bauern schlugen Krawall und erzwangen für Bittner Redefreiheit. Der Henleinmann machte davon Gebrauch, indem er in der schärfsten Weise gegen Zierhut loszog, der in der Oeffentlichkeit als einer der eifrigsten Protektoren der Heimatfront bekannt ist. Es kam zu turbulenten Auftritten, in welchen die Bauern gegen Zierhut Partei ergriffen. Zum Schluß gelang es dem Landbundsekretär Strichlirsch mit Hilfe eines getreuen, aber abgehausten Bauern, Bittner an die Lust zu setzen. Wenige Tage darauf, am Sonntag, hielt Zierhut wieder im nahen D 0 b r z a n eine Rede, in der er sich darauf berief, daß der Landbund die Heimatfront nach ihrer Gründung begrüßt und g e f.ö r d e r t habe und ihr bei der Regierung die Möglichkeit einer politischen und orga- nssawrischen Betätigung erwirkte. Bedauerlicherweise mußte der Landbund aber feststellen, daß das politische Pflegekind des öfteren seinVer- sprechen, den Besitzstand der deutschen Agrarier zu respektieren, gebrochen habe. Trotz dieser nicht gerade günstigen Erfahrungen, die durch das Tüschkauer Erlebnis noch erhärtet wurden, kündigte Zierhut in Dvbrzan wieder an, daß die Verhandlungen mit Henlein am Dienstag fort» gesetzt werden sollen. Seiner immerhin optimistischen Meinung nach könnte in e i n et S t u n d e eine Einigung erzielt werden. Zierhut ließ durchblicken, daß es dabei entscheidend auf eine L i st en g e m e'i n s cha f t im kommenden Wahlkampfe ankomme. Zur gleichen Zeit aber machte ein Artikel der „Landpost" die Runde durch die Presse, der der Heimatstont nicht weniger und nicht mehr zum Borwurf macht, daß ihr Totalitätsanspruch r e i- «er waschechter Fascismus sei. Der Fascismus wird darin.trefflich als die moderne Herrschastsform des Hochkapitalismus bezeichnet, der sich durch eine„Volksgemeinschaft" wie er sie braucht, die machtpolitische, in die Breite gehende Unterlage schafft. Die Landpost bekennt sich zur Bauerndemokratie, die in diesem Staate nach ihrer Darstellung in hochentwickelter Form nur dank dem Wirken selbständigerdemo- krati scher Bauernparteien erhalten werden konnte. Zur selben Zeit erscheint eine Nummer der Henleinschen„Rundschau", welche in einem breitspurigen Aufruf die Einschmelzung des Landbundes in eine fascistische Volksgemeinschaft zum Zweck der„einheitlichen politischen Willensbildung unseres Stammes" fordert. Mit dem Berschmel- zungsantrag sei klipp und kl ar,die Frage aufgeworfen worden, ob der Bund der Landwirte bereit ist,„sich ebenso r e st l 0 s und ebenso rückhaltlos dey gesamtsudetendeutschen Erfordernissen einzuordnen wie die Sudeten - dcutsche Heimatfront". Hier wird also in geradezu ultimativen Tönen geredet. Kräftig unterstrichen wird in dem Aufrufe, daß es der sudetendeutschen Heimatfront nicht um kleinliche Partespolitik geht, nicht um Mandats- oder Wahlübereinkommen, nicht um die Konservi e run g üb erholterJdeen. Diese Liebenswürdigkeiten sind unverkennbar an jene deutschagrarischen Führer adressiert, die mit der Heimatstont über Mandats- oder Wahlübereinkommen verhandelten oder noch weiter darüber zu verhandeln gedenken. Und dennoch ist Herr Zierhut so unverwüstlich optimistisch, an eine Einigung innerhalb einer Stunde zu glauben! Ein Fingerzeig zur Auflösung dieses Rätsels ist die in der Sonntag-„Landpost" veröffentlichte Darstellung über den Verlauf der vorwöchentlichen Verhandlungen. Im ersten Absatz wird konfürtiert, die Unterhändler des Landbundes hätten nach dem Berschmelzungsangebot sofort erllärt, „daß dieser Vorschlag überraschend kommt, daß sie keine Vollmacht haben, darüber zu verhandeln und daß die Antwort der Parteileitung des B. d. L. voraussichtlich negativ sein wird." Dann heißt es Wester: 2.1» einer anschließende« private« Aussprache hat Abgeordneter Zierhut er-
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15 (26.2.1935) 48
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