Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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15. Jahrgang

Henlein als Diktator

Mittwoch, 27. Feber 1935

Einzelpreis 70 Hoffer

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 49

Verdächtige

SHF- Ultimatum an den Bund der Landwirte Ratgeber

Offizielle ,, Entschuldigung" gefordert

Prag.( E. B.) Die vom Vizepräsidenten des Abge­ordnetenhauses Zierhut für Dienstag angekündigten Verhandlungen zwischen dem Bde und der SHF Hen leins haben offiziell nicht stattgefunden. Die Land­post" bringt darüber nur die knappe Meldung, daß am heutigen Tage keinerlei Verhandlungen zwischen Bund der Landwirte und der SHF stattgefunden hätten.

Nach unseren Informationen stimmt das nicht ganz. Senlein ist allerdings nicht erschienen, dafür aber in seinem Namen Dr. Sebekowsky, der Leiter der Pra­ ger Pressestelle, der in Henleins Namen die Forderungen der SHF an den Bund der Landwirte überbrachte. Sie sind durchaus eindeutig und ultimativ gehalten und spre­chen die Sprache eines Menschen, der seines Enderfolges ficher ist. Die Forderungen gehen dahin, daß, wie auch die lette Pressekorrespondenz der SHF fordert, der BdL die Beschuldigung zurücknehmen soll, daß die SHF eine fascistische Bewegung sei. Diesen Vorwurf hat bekanntlich nach dem Scheitern der Verhandlungen die Deutsche Landpost" in der Vorwoche gegen die SHF in einem Aufsatz gerichtet, ohne die SHF direkt ge­nannt zu haben.

Die Presseforrespondenz der Heimatfront, die] SPB, haben den ungewöhnlichen Schritt der Hen­leinfront bereits angekündigt. In Folge 44 bom 25. Feber schreiben sie, die SHF sei bereit, » Schluß der Debatte zu beantragen":

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Die SHF hat dem Bund der Landwirte zur Zurück, nahme der Beschuldigung eine Frist von acht Tagen eingeräumt. In dieser Frist sollen die gegenseitigen Miß verständnisse" aus der Welt geschafft werden, vor allem aber soll sich binnen dieser Frist der BdL in aller Form der SHF gegenüber entschuldigen. Unter diesen Voraus, setzungen ist seitens der SHF für den nächsten Diens, tag die Fortsetzung der meritorischen Besprechungen über die Zusammenarbeit in Aussicht genommen.

Von prinzipieller Bedeutung ist, abgesehen von dies fen, einer Regierungspartei gegenüber unerhörten For: derungen der Umstand, daß der Führer Konrad Hen lein Donnerstag den Ministerpräsidenten Mal y petraufsuch en will, um ihm über die politischen Ziele der SHF- Bewegung jene Zusicherungen zu wiederholen, die seitens der EHF bereits in der Besprechung mit dem Führer des mährischen Flügels der tschechischen Agrar­partei, dem Landesausschußbeisitzer Stoupal, abgege­ben worden sind. Stoupal foll den Rat gegeben haben, wenn es mit den bisherigen Führern nicht gehe, es mit Hanreich und Meher zu versuchen.

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Schluß der Debatte ist möglich aber nur dann, wenn die Deutsche Landpost" die Privat courage aufbringt, von sich aus das zur Entgiftung der Atmosphäre beizutragen, was ihr selbstverständ­liche moralische Pflicht sein muß.

Man spricht vom Parteien- Egoismus, ein mißgünstiges Wort, mit dem das jeder lebens bejahenden politischen Partei innewohnende natürs liche Geltungsbedürfnis und Machtstreben bezeich net wird. Wie dem sei, jedenfalls gibt es eine Bar­tei- oder doch deren rudimentäre Ueberbleibsel, die Geltendmachung der eigenen Parteigrundsäge welche die pure Selbstlosigkeit ist und die auf nicht den geringsten Wert legt. Es ist die Partei des einstigen liberalen Bürgertums, die sich nach zehnmaligem Firmenwechsel zur Zeit Deutsch­demokratische Freiheitspartei nennt, ein Name, der vier Begriffe umfaßt, von denen aber auch nicht einer Anspruch auf Ehrlichkeit und Wahrheit erheben kann. Fraget, wo in den letzten zwei Jah­

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ren in den Reden und Publikationen dieser Partei das deutschdemokratische Gedankengut zu finden ist ihr werdet es nie erfahren! Als in Deutsch­ land der Hakenkreuzfascismus die letzten Reste des Liberalismus erschlagen hatte, waren dessen Re­präsentanten bei uns aufrichtig über den frischen Wind", der aus Deutschland herüberwehte trot erfreut und solange es anging, betätigten sie sich des ihm anhaftenden penetranten Blutgeruches als eifrigite Stimmungsmacher der Nazis. Als dies untunlich wurde, nahmen sie die Ersatzgriin­dung Henleins liebevoll unter ihre Fittiche. Nie­mand kann seither erkennen, daß die großen Ta­geszeitungen in Prag , Brünn , Reichenberg 1. a.. die sich in Reklametrompeten für Henlein gewan­delt haben, einstmals so etwas wie demokratische hen waren anscheinend so deutlich, daß er fofort Allüren gezeigt haben. Sowie sie gelernt haben, erkannte, daß er gemeint sei. Es ist schon so, daß nur an einen Gott, nämlich Henlein , zu glauben, heute, wenn es irgendwo Fascist" ruft, sofort ein so scheint die Partei nurmehr die eine Sorge zu SHF- Mann aus der Deckung springt und wütend erfüllen, die SHF vor Schaden zu bewahren. herumschreit, man habe ihn verleumdet. Die Nun, da die Einladung Henleins an den Besonders interessant an der ultimativen Landpost" hat ganz allgemein den Fascis Bund der Landwirte, zugunsten der SHF freund Forderung nach einem Bußgang der Deutschen und erklärt, das lasse er sich nicht gefallen. Und den, zu einem ernsten Konflikt und zur Zurück­mus verurteilt. Darauf also meldet sich Henlein lichst von der politischen Bildfläche zu verschwin­Landpost" ist die Tatsache, daß die skei warum nicht? Weil er kein Fascist ist, weil er ziehung der schützenden Hand des B. d. L. zu füh­neswegs bestreitet, fascistisch zu sein. Sie jetzt sich nicht mit der Behauptung der Gleichschaltung will? Henlein bestreitet teine der gert und so sind alle Betrachtungen der deutsch­nicht mit dem Finanzkapital geht, weil er keine ren drohte, hat sich diese Sorge zur Angst gestei­" Landpost" auseinander, sondern sie wirft ihr vor, Behauptungen der Landpost". Das ist das Inter - demokratischen Presse darauf abgestimmt, eine Der Artikel der offiziösen Henleinkorrespon- daß sie die üble Nachrede in einer Zeit halte, da eñante an der Sache. Er gibt sich nicht die Mühe, dauernde Entzweiung der bisherigen Freunde zu benz geht dann in einen Ton über, der bisher in dies ,, praktisch Schußgefeßfälle" seien. etwas zu widerlegen. Er läßt durchblicken, daß er verhüten, da es ja sonst leicht geschehen könnte, daß diesem Staate nicht gehört wurde. Nur in Deutsch - Ausdrücklich wird zugegeben, daß man sich unter unter vier Augen gar nichts gegen die Behauptun- die tschechoslowakische Demokratie von gewiffen land und nur von seiten Hitlers hat man vier Augen nichts daraus mache, als Fascist be= gewagt, darart mit anderen Parteien zu reden. Es zeichnet zu werden. Nur öffentlich darf man es gen hätte. Er verbittet sich nur, daß man öffentlich Attivisten" nicht weiter daran gehindert werde, ist der Ton des Befehlshabers gegen nicht sagen. Dadurch gewinnt das Vorgehen der sage, mas man von ihm hält, weil das Schuß an die Reinigung ihrer Häuslichkeit zu gehen. Die den untergebenen, den enlein gegen den B. d. L. das Aussehen eines bereits vor, was er aus nationaler Disziplin tun Gedanken eines Verlustes der SHF entfezt und so gefeßfälle seien. Henlein schreibt also dem B. d. 2. tostbaren Deutschdemokraten sind von dem bloßen gegen Spina anschlägt. Es muß mit dem Disziplinarberfahrens. B. d. 2. übel stehen, wenn er sich das bieten läßt, Die Deutsche Landpost" hat Henlein gar Front unseligen Angedenkens. dürfe und was nicht. Es ist wie in der Harzburger etabliert sich die deutschdemokratische Presse als ez offo- Verteidigerin und führt im Stile der ge= wenn er nach dem Erscheinen dieses Befehls" noch nicht genannt. Sie hat gegen Totalitätsanspruch Der Bund der Landwirte kämpft um seine rissensten Strafgerichts- Verteidiger den strikten berhandelt, um sich mündlich bei Herrn Sebe und Fascismus polemisiert. Sie hat mit Recht Eristenz. Er nimmt den Kampf allerdings erit Beweis, daß die tschechoslowakische Demokratie fowity nochmals das Ultimatum zu holen. Die behauptet, daß die Fascisten die Sold in einem Augenblick auf, wo der Gegner durch durch den Verzicht auf den Weiterbestand der Hit­SPB schreiben: ner und Lalaien des FinanztapiVerdienst des B. d. 2. anscheinend die stärksten lerschen Dependance den denkbar schwersten Schlag als sind. Sie hat den Fascismus als die Herr Trümpfe in der Hand hat. Man kann neugierig erleiden würde. schaftsform des Finanzkapitals bezeichnet und als sein. wie das ausgeht und was der B. d. 2. auf Das ist beileibe kein Faschingsulf, es ist das Ultimatum antworten wird. Jedenfalls hat deutschdemokratischer Ernst. Noch mehr: Herr Henlein hat sich, obwohl er nicht er nur die Wahl zwischen einem Kampf bis aufs ner Tagesbote", auch eines der charakterstarken genannt war, getroffen gefühlt. Die Kennzei-| Meffer oder dem Selbstmord.

Reineswegs als abgeschlossen und bereinigt kann jedoch derjenige Teil der Debatte angesehen werden, der sich mit den angeblichen Totalitätsansprüchen der SHF und mit der Be­schuldigung befaßte, ein solcher Totalitätsanspruch sei waschechter Fascismus".

Es soll kein Zweifel darüber gelaffen werden, daß die SHF diefe von der Deutschen Landpost"

ausgehenden, von der Prager Presse", vom, So­zialdemokrat" und überhaupt von der gesamten Linkspresse begierig aufgegriffenen Verdächtigun­gen keineswegs ruhig hinzunehmen vermag, weder heute noch in Zukunft. Mag man auch in allen anderen verhandlungetaktischen Streitpunkten die Debatte für abgeschlossen halten, über die Totali­tätsverdächtigung und die üble Nachrede fascisti­scher Gesinnung wird die Debatte in der Deffent­lichkeit solange nicht zum Schweigen kommen kön­nen, solange diese Verdächtigungen und Nachreden von der ,, Deutschen Landpost" nicht eindeutig auf­geklärt worden sind.

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folche abgelehnt.

Wieder Leibeigenschaft

Berlin . Vom Reichskabinett wurde ein Gesetz über die Einführung eines Arbeit 3- buch es verabschiedet, durch das ein einheitlicher amtlicher Ausweis über die Berufsausbil­dung und die berufliche Entwicklung der Arbeiter und Angestellten geschaffen wird.

Das Gesetz zur Befriedigung des Bedarfes der Landwirtschaft an Arbeitskräften" schafft für die Zukunft die Möglichkeit, landwirtschaftliche Arbeitskräfte aus berufs fremder Tätigkeit abzulösen und der Landwirtschaft wieder zuzuführen.

Es muß ausdrücklich betont werden, daß diese Auffassung keineswegs bartlöpfiger Prestige- Rei­terei entspringt. Vorwürfe wie Totalitätsan­spruch und waschechter Fascismus" sind unserer gegenwärtigen Rechtslage nach keineswegs Beschul­digungen, die etiva curch ein Gespräch unter vier Augen aus der Welt geschafft werden können. " Totalität und Fascismus" find heute praktisch Freiwillige Arbeitslager für Schutzgesetz- Fälle. Sind einmal folche Beschuldi­Straßenbauten und Aufforstungen gungen in der Deffentlichkeit erhoben worden, dann ist es unerläglich, der Deffentlichkeit genauest Klar. Baris. 3weds Bekämpfung der Arbeits­heit darüber zu geben, daß diese Beschuldigungen losigkeit hat die Regierung beschloffen, in den nicht ernsthaft und zumindest nicht als eine An- staatlichen Wäldern große Arbeitslager zur rufung politischer Behörden gemeint waren. Durchführung der Aufforstungsarbeiten und der Erst eine solche eindeutige ind unmißverständ- Straßenbauten zu errichten.

Wie Frankreich die Arbeitslosigkeit

Diese Arbeitslager werden in nächster Zeit

bekämpft

ber für solche Arbeiten üblich e normale 2ohn ausbezahlt werden. Für außerordentliche Leistungen werden sie außer dem Gratifikationen erhalten.

Eventuell sollen auch die in Frankreich wohn

Brün­

Organe des deutschfreiheitlichen Bürgertums, führt sogar das Staatsinteresse ins Treffen! In was für Unkosten sich doch die verkappten Fascisten und ihre Protektoren stürzen, wenn sie die Absicht verfolgen, die Wachsamkeit der für die tschechoslowakische Demokratie verantwortlichen Fattoren einzuschläfern! Die Partei, die schon vor Jahren die Mitverantwortung ablehnte und in der Hoffnung aus der Regierungsmehrheit austrat, in der Opposition vielleicht mehr Wählerstimmen zu ergattern, diese Partei als Schüßerin des Staatsinteresses! Wahrhaftig, wörtlich schreibt dieser Tagesbote":" Im Staatsinteresse ist es ficher nicht gelegen, jene Bevölkerungskreise, die Henlein wählen wollen, vor den Kopf zu stoßen". Fraglich ist nur eben, was unter Staatsinteresse verstanden wird. Es wäre traurig darum bestellt, wenn es die deutschdemokratische Presse als allei­nige Hüterin hätte und wenn es darauf angewie­sen wäre, die Nazi- Anhängerschaft Henleins durch Blindheit und Langmut bei guter Laune zu er­halten!

Und so beeilen sich die Deutschdemokraten in der Besorgnis, es sei Gefahr im Verzuge, der Fil­tion neue Nahrung zu geben, Henleins Rolle ſei feine andere, als: die frühere nationalsozialistische und deutschnationale Anhängerschaft zur Loyalis doch selbst immer wieder erklärt, daß es alles daran setzen wolle, auch den letzten seiner Anhän

maß an gegenwärtigem Vertrauen wieder herzus in 12 Departements errichtet werden. Sie wer- haften Ausländer, die beschäftigungslos find, tät und Staatstreue zu erziehen. Henlein habe stellen, das notwendig ist, um anders als polemisch den nur Arbeitslose beherbergen, die sich aufgefordert werden, sich in diese Arbeitslager zu miteinander verlehren zu können,

freiwillig dazu melden. Diesen Arbeitslosen wird melden.