Basialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
15. Jahrgang
Dienstag, 19. März 1935
13
London . Die britischen Kabinettsmitglie- irgendwelche früher vorgeschlagene weit hinausder unterbrachen sogar ihr Weekend, um Sonntag gehen Stärken überdies, die, wenn sie ungemittags die durch die Wiedereinführung der allge- ändert aufrechterhalten werden, die Zustimmung meinen Wehrpflicht in Deutschland geschaffene anderer wesentlich betroffener Mächte ich wieri Lage zu prüfen. Montag vormittags trat das ger, wenn nicht sogar unmöglich machen Kabinett neuerdings zusammen, um die inzwischen müssen." bon Sir Simon vorbereitete Protestnote an Zum Schluß wird aber gleich wieder versichert, Deutschland zu beraten. daß die britische Regierung„ äußerst ungewillt sei, Die Note wurde am Montag abends in Ber - irgendeine Gelegenheit aufzugeben, die der vorbelin überreicht und gleichzeitig den anderen Mäch- reitete Besuch zur Förderung der allgemeinen Verten sowie der Oeffentlichkeit bekanntgegeben. Wäh- ständigung bieten möge". Sie wünscht lediglich rend es ursprünglich hieß, daß sie ziemlich scharf die Versicherung, daß die deutsche Regierung immer gehalten sei und auch die ausdrückliche Feststellung noch wünscht", daß die Besprechungen den ursprüngenthalte, daß sich Deutschland einer ausgesproche- lich festgesetzten Umfang beibehalten. nen Verlegung des Artikels V des Friedensver- Die deutsche Regierung hat sich natürlich betrages schuldig mache, ergibt sich aus dem Wort- cilt zu erwidern, daß sie noch immer wünsche“, lant, daß die Note sehr zurückhaltend ist. Sie daß der britische Besuch in Berlin verwirklicht gipfelt in der Frage, ob die deutsche Regierung Immer noch wünsche, daß die Besprechungen der britischen Minister in Berlin in dem It r= sprünglich geplanten Umfang stattfinden.
Ein schwacher Protest
Einleitend wird in der Note erklärt, die britische
werde, und daß fie damit einverstanden sei, daß die Unterredungen auf der bereits früher vereinbarten Grundlage und mit dem früher vereinbarten Ziel stattfinden. Sir Simon, der diese Antwort im Unterhaus bekanntgab, bildete sich noch etwas darauf ein, indem er stolz feststellte: Die von uns gestellte B e= dingung ist also von der deutschen Regierung angenommen worden.
*
Demnach werden also Sir Simon und Zoro Eden am kommenden Sonntag doch nach Berlin reisen. Es ist anzunehmen, daß Deutschland der Komödie die Krone aufsetzen und sich jetzt auf gutes Zureden und nach weiteren Konzessionen „ bereit" erklären wird, wieder nach Genf zurückzukehren.
Die Beschwichtigungskampagne
"
redung mit Hitler . Dieser benützte das englische Blatt anscheinend zur Mäßigung der Erregung, die in der öffentlichen Weltmeinung durch die famstägige Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland hervorgerufen wurde. In dem Interview heißt es:
"
Das deutsche Volt ist glücklich, daß es vor sich selbst die Achtung wahren könne, will keinen Krieg und will friedliebend sein. Die Deutschen konnten nicht mehr weiter in der erniedrigender: Inferiorität leben."
Regierung fühle sich verpflichtet, der deutschen Megierung ihren Protest zu übermitteln"; nach der Ankündigung der Schaffung einer deutschen Luft macht sei dies ein weiteres Beispiel einer einsei tigen Aktion, die, abgesehen von der prinzipiellen Seite, ernstlich zum Wachsen der Unruhe in Europa beitrage. Dann wird die Borgeschichte der geplanten englisch - deutschen Zusammenkunft, beginnend mit dem Londoner Kommuniqué vom 3. Feber, geschildert und darauf verwiesen, daß man ohnedies im Zuge eines allgemeinen Abkommens die militärischen Bestimmungen des Friedensvertrages für Deutschland durch Auf die Frage, ob er bereit sei, weiterhin mit anderweitige Abkommen über die Rüstungen erfeßen Frankreich und England zu verhandeln, antworwollte. Aus der deutschen Antwort wird die Zustim tete Hitler: Heute, wo wir ein souveräner Staat nung zum Luftpakt und die Einladung nach Berlin find, sind wir mehr denn je imitande zu verhandeln. besonders hervorgehoben. Die britische Regierung Deutschland fühlt sich noch immer durch die Terhabe diesen Besuch auf der Basis vorbereitet, eine ritorialflausel gebunden. Die Erneuerung der allgemeine, in freier Weise zwischen militärischen Souveränität Deutschlands betrifft Deutschland und den anderen bloß die militärischen Klauseln des Versailler VerMächten vereinbarten Regelung" sowie trages. Eine Revision der territorialen Klauseln Vereinbarungen über die Rüstungen abzuschließen, des Versailler Vertrages, sagte der Kanzler ausdie im Falle Deutschlands die Maßnahmen des Teiles drücklich, könne niemals durch einseitige MaßV des Versailler Vertrages ersehen würden. Auf die nahmen durchgeführt werden. Verwirklichung dieser Absichten habe die britische Regierung alle ihre Bemühungen in Genf und andermärts gerichtet.
Dann gibt es doch etwas wie einen Teisen Tadel:
Berlin . In seiner bei der fonntägigen Gedenkfeier für die im Weltkriege Gefallenen in der Staatsoper gehaltenen Rede erklärte der Reichswehrminister v. Blombergu. a.:
Die deutsche Wehrmacht ist im Begriffe, für Die deutsche Wehrmacht ist im Begriffe, für das innen- und außenpolitische Leben Deutsch lands wieder das zu werden, was sie einst war: nach innen eine Schule der Nation für die Erziehung der Jugend im Geiste der Wehrhaftigkeit und Vaterlandsliebe, nach außen der völlig gleichberechtigte und gleichbefähigte Hüter des Reiches.
Europa , sagte Blomberg weiter, ist zu flein
geworden als Schlachtfeld für einen zweiten Weltfrieg. Zu wertvoll sind seine Kulturgüter, um sie aufs neue zerstörenden Wirkungen neuzeitlicher Waffen auszusetzen. Da alle Staaten über diese Kriegsmittel verfügen, käme ein neuer Krieg der Selbstzerfleischung gleich. Wir Deutschen brauchen keine Revanche, weil wir in den vier Jahren des großen Krieges Ruhm genug für kommende Jahrhunderte geerntet haben. Wir glauben an die Möglichkeit einer Neuordnung Europas
und der Welt auf friedlichem Wege.
Ministerrat erst morgen
Einzelpreis 70 Heffer
( einschließlich 5 Heller, Porte
Nr. 66
Neue Aufrüstungswelle
Es ist im Augenblick nicht möglich, sich alle außen und innenpolitischen Folgen vorzustellen, welche die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland und damit die Beseitigung einer der wesentlichsten Bestimmungen des Verfailler Friedensvertrages mit sich bringen wird. Die verschiedensten Kräfte und Gegenkräfte wer den durch diese Maßnahmen des nationalsozialistischen Deutschland in Europa in Bewegung gesetzt werden und welche Stellung der europäischen Mächte sich ergeben wird, das kann im einzelnen noch nicht gesagt werden. Angesichts des Durcheinander der Interessen, die sich in dem europäischen Kräftespiel ergeben, hat es nicht viel Sinn hins und herzuraten, welche der Kräfte sich schließlich durchsetzen werden. Es ist daher im Augenblick am besten, wenn man auf dem Boden der Tatsachen bleibt und versucht, jene Folgerungen zu ziehen, die einem als unabivendbar erscheinen.
Sicher ist, daß die Einführung der allgemei rüstung einleitet und daß die Aussichten der Abrüstungskonferenz, die sich schon jahrelang hinzieht, nicht gerade steigen werden. Die Antwort der an= deren Großmächte auf das Vorgehen Deutsch lands wird mag sich welcher Notenwechsel auch immer in der nächsten Zeit zwischen ihnen ergeben
nen Wehrpflicht in Deutschland keine Aera der Ab
eine Verstärkung ihrer Aufrüstung sein. Die Tendenzen auf Vermehrung der Rüstungen, welche sich in der letzten Zeit bemerkbar gemacht haben, werden verstärkt. Die Kündigung des Abkommens über die Seerüstun gen, welches seinerzeit zwischen Japan , England und den Vereinigten Staaten abgeschlossen wurde, hat ohnehin schon zu einer Verstärkung der maritimen Rüstungen aller drei Staaten geführt. Die einem englischen Journalisten gab, und in der er Erklärung Görings, die er vor einigen Tagen die Luftaufrüstung Deutschlands ankündigte, wird zur Verstärkung der Luftflotten aller europäischen Staaten führen. Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland wird eine Verstärkung der Rüstungen auch zu Lande zur Folge haben, so daß also eine allgemeine Erhöhung der Rüstungsausgaben erfolgen wird. Welchen Umfang die einnehmen, zeigt wohl am besten das Beispiel Jas Rüstungsausgaben im Staatshaushalte schon jetzt pans, das nicht weniger als die Hälfte seiner Staatseinnahmen zu militärischen Ausgaben be
übt. Kulturelle und soziale Aufgaben der Staaaller um ihre Eristenz und der Vorbereitungen ten werden zurückgedrängt angesichts der Sorge für den Ernstfall, das heißt für einen neuen Strieg.
Sicherlich gibt es im heutigen Europa und fogar im heutigen Deutschland gewisse Gegena Iräfte gegen den Krieg. Deutschland wird es fich wohl überlegen, einen isolierten Krieg mit ,, Aber die Erreichung einer umfassenden Bereineiner der Großmächte oder einem Staat zu begin barung, die durch gemeinsame Nebereinstimmung die nen, der mit einer Großmacht verbündet ist. Noch Stelle der Vertragsbedingungen einnehmen würde, Paris.( Tsch. P. B.) Der französische die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ent- lebt ein Geschlecht, das sich dessen bewußt ist, was fann nicht dadurch erleichtert werden, daß Botschafter in Berlin Francois Poncet hat Sonn- standene Situation. Später wurde er in längerer der Krieg bedeutet und noch lebt eine herrschende als ein bereits erzielter Beschluß Stärken für mili- tags an die ausländischen Großmächte und be- Audienz vom Präsidenten der Republik empfangen. Klasse, die weiß, daß eine militärische Niederlage tärische Effektiven vorgebracht werden, die über Reichsregierung unternommen. Das französische Ministerpräsident Flandin und Außen- und daß eine Zerschlagung des militaristischen Außenministerium sandte im Laufe des Sonn- minister 2 a val werden die am Mittwoch im Apparates infolge der Niederlage eine Gefahr ist tagsan die ausländischen Großmächte und be- Senate wahrscheinlich stattfindende Aussprache für die Herrschaft jener Klassen und Schichten, die freundeten Staaten Depeschen, in denen es ſeinen über die interimistische Erhöhung des Militär- heute in gewissen Ländern Europas am Ruder dienstes zu einer Erklärung über die durch das sind. Die Angst vor den Folgen eines inneren KrieVorgehen Deutschlands geschaffene Lage benüßen. ges hält sicherlich noch Deutschlands Machthaber zurück. Andererseits aber darf man an den Erfahges und aus den Ereignissen im Juli 1914 erflie
Eine halbe Million Soldaten
Vor den Völkerbund? den Völkerbund? tungen, die aus der Vorgeschichte des Weltkrie
Weltkrieges.
London . Nach Informationen, die der worten erwartet. Standpunkt darlegt. Nunmehr werden die Antdeutsche Außenminister Neurath dem britischen Der Ministerrat wurde auf den Vormittag Botschafter in Berlin Phipps erteilte, wird die des Mittwoch verlegt, weil bis zu diesem Zeit deutsche Armee auf Grund der allgemeinen Wehr- punkt Frankreich die Antworten von den betref= pflicht gegen eine halbe Million fenden Staaten erhalten soll und Zeit zu einem An informierten Stellen wird erklärt, daß Ben, nicht vorübergehen. Ein aufgerüstetes Europa Mann zählen. ausführlichen Meinungsaustausch haben wird. Frankreich der Meinung zuzuneigen scheine, die allein bedeutet schon eine schwere Gefahr für den Eine Pariser Privatagentur erfährt aus Ber- Ministerpräsident Flandin hatte Montag Angelegenheit dem Völkerbundra te vor- Frieden und enthält die Möglichkeit eines neuen lin, daß die künftige deutsche Armee auf ganz nachmittags mit dem Kriegsminister zulegen, da die Verletzung der im Friedensvertrag neuen Grundlagen organisiert werden maurin eine längere Unterredung über die von Versailles enthaltenen Verpflichtungen alle wird. Um die verlorene Zeit rasch wieder einzu- durch die Verkündung des deutschen Gesetzes über Signatare des Versailler Vertrages tangiert. bringen und um die Geburtsjahrgänge 1900 bis 1917 militärisch auszubilden, die bisher keine reguläre militärische Ausbildung genossen haben, werden diese Jahrgänge unverzüglich zum Militärdienst einberufen werden. Auch die Flotte
Aufmarsch der alten SA- Garde abgesagt
Berlin . Wie offiziell bekanntgegeben, erscheint diese Begründung einigermaßen merkwurde, hat der Stabschef der SA Luke bestimmt, würdig und man nimmt an, daß hier auch an wird ausgebaut? maridh ber alten SA- Garde in Berlin zunächst daß der für den 21. und 22. März geplante Auf- de re Motive eine Rolle spielen. Paris . Die Privatagentur Fournieré ver nicht stattfindet. Die Absage dieses mit großem Mit der Einführung der allgemeinen Wehrzeichnet aus Berlin Gerüchte, nach welchen die Pomp angekündigten Aufmarsches, an welchem der pflicht in Deutschland wird wahrscheinlich auch eine deutsche Regierung die Absicht hat, in Kürze auch älteste SA - Mann jedes Sturmes teilnehmen sollte, an die Schaffung einer mächtigen wurde mit der Erkrankung Hitlers begründet. Da Flotte heranzutreten, die an Bedeutung den jedoch der Reichskanzler am Sonntag in Berlin deutschen Landstreitkräften gleichtäme. und München an großen Feiern teilgenommen hat,
große Reorganisation der SA Hand in Hand gehen und so liegt wohl hier eine noch größere Ursache für die Hinausschiebung des Aufmarsches der alten Garde der SA.
Was ein solcher Krieg mit sich bringen würde, das sollte der Menschheit heute doch bewußt sein. Wir haben im Jahre 1914 keine Ahnung gehabt. welche Schrecken der Weltkrieg mit seinen Millionen Toten, Verivundeten und Verkrüppelten, mit seinen unerhörten Zerstörungen und Leiden mit sich bringen sollte. Wir dachten damals alle an die Kriege von 1866 und 1870/71, wenn wir uns Verlauf und Folgen des Krieges vorgestellt haben. So stellen sich viele Menschen vor, daß ein tommender Weltkrieg ungefähr so verlaufen würde, wie der Krieg bon 1914-18. Aber seither hat die militärische Technik ungeheure Fortschritte gemacht, die Mittel der Zerstörung man denke nur an die Luftwaffen und an die Giftgase sind heute viel vollkommener und die Katastrophe, die aus einem kommenden Weltkriege der Menschh