Seite k Samstag, 23. Miez 1933 Nr. 70 Die potttifGe Krankheit der Chirurgifthen Klinik im srellle« Lieht Oer rrraaSOte M Sr. esaeh Die insbesondere die Prager demokratische Oeffentlichkeit auf das tiefste berührende Tragödie des in den Selbstmord gehetzten Dr. Josef Gach läßt in dem Maße, als die inneren und äußeren Zusammenhänge immer klarer werden, immer deutlicher nuch die Schuldigen erkennen. So tief die allgemeine Anteilnahme an dem unglück­lichen Ende des jungen hoffnungsvollen Aerztes ist, so stark ist auch das Bedürfnis aller Anstän­digen und Gerechten , womöglich mit dazu beizu­tragen, daß jede Verschleierung des Falles hintangehalten und alles aus­gesprochen werde, was zur Sühne des an Dr. Gach begangenen schreienden unmenschlichen Unrechts und zugleich auch zur Beseitigung jener Z u st ä n d e führen kann, die an der deut­schen chirurgischen Klinik in Prag herrschen. Wir veröffentlichen im Folgendm einen Brief, den ein auch uns nahestehender Freund Dr. Gachs gestern unserer Redaktion übermittelte. Es heißt darin: Professor Schlaffer erklärt imPrager Tagblatt", daß ihm der tragische Tod Dr. Gachs za Herzen gehe and imBenkos" weist Professor Schlaffer darauf hin, daß nach der Vater und der Bruder Dr. Gachs darch Selb st- mord geendet haben. Dieser letztere Hin­weis soll wohl alle jene, die zum tragischen Tod Dr. Gachs beigetragen haben, entlasten. Indessen hätte doch gerade der Umstand, daß die physische Einstellung Dr. Gachs seiner Umgebung und sei­nen Kollegen nicht unbekannt war, dazu führen müssen, die Kampagne nicht mit solcher Rücksichts­losigkeit z« führen, wie dies seit langem der Fall war! Ich hatte am S o n u t a g, dem 17. März, Gelegenheit, m i t Dr. Gach, der sich an mich mit dem Ersuchen um eine Intervention wandt«, über den unerhörten Borfall zu sprechen, der sich eben an der chirurgischen Klinik ereignet hatte. Mir war Dr. Gach als ein ungemein wertvoller, tüchtiger und herzensguter Mensch, alS ausgezeich­neter, ja genialer Chirurg bekannt, ebenso aber auch das Kesseltreiben, das seine ganze Umgebung seit Wochen gegen ihn trieb. Es hatte ihn absolut nichts genützt, daß er sich an seinen Vor­stand, Professor Schlosser mit Beschwer­den gewendet hatte. Seit Dr. Gach provisorisch die Stelle deS Sekundarius zugeteilt wurde, hatte er auf der Klinik keine ruhige Minute m ehr. JeneS entscheidende Telephongespräch war nicht das erste, daS auf der Klinik abgehorcht wurde; Dr. Gach erklärte mir, er wisse sehr wohl, daß seine sämtlichen Gespräche ab­gehorcht wurden und daß er sich schon aus diesem Grunde g e h ü t t t hatte, in irgendeiner abfälligen Weise sich über seine K o l- l eg r n zu äußern. Weiter erklärte mir Dr. Gach ausdrücklich, daß er die Frage des Dr. B ar­te i 11 nach der politischen Einstellung des Dr. Marzoll absolut ausweichend be­antwortet hatte. Dessenungeachtet hat Dr. W e n z e l die ganze Aktion gegen Dr. Gach unter falschen Behauptungen inszeniert, nur um sich dieses tüchtigen Parmers zu entledi­gen. Professor Schlosser hat in keiner Weise von den Beschwerden des Dr. Gach Notiz genommen und hat sich ohne jede Untersuchung auf die Seite der Antipoden Dr. Gachs gestellt. Am Montag hat Professor Schlosser erklärt, mit Dr. Gach nicht weiter zusammenarbeiten zu können, hat ihn einfach beurlaubt oder, besser ge­sagt: hat ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt und hat dadurch zu.dem tragischen AuS- gang mit beigetragen. Ich halte es für nötig, daß die Oeffentlich- keit die Wahrheit über diesen unerhörten Fall er­fährt und ersuche drShalb um Veröffentlichung dieser Zeilen. Robert Kollnsky, Borfitzenderstellvcrtreter des AufsichtSrates der Ersten Prager Krankenkasse der Handels- «nd Privatangestellten. Bubentsch, na Zatorce 1. Wir dürfen wohl sagen, daß das Zeugnis Kolinfkys, eines hochangesehenen Mannes, außer­ordentlich schwer wiegt und alle die gravierenden Momente noch unterstreicht, die wir bereits gestern Vom Rundfunk mvfwMMawertea bim«fern PrBflraaiBMai Sonntag. Prag , Sender 2.: 7.80: Frühkonzert deS Karlsbader KurorchefterS. 8.30: Orgelkonzert. 10.00: Dvorak : Terzett f. 2 Violinen und Viola op. 74. 12.18: Konzert des Prager Salonorchesters. 14.18 bis 14.28: Sozialinformationen. 17.40 bis 18.80: Deutsche Sendung: Querschnitt durch die OperOuo vadis". 18.80: Deutsche Pressenachrich­ten. 19.08: Mujiks Salonquartett. 21.18: Orche­sterkonzert. 22.26: Deutsche Presse- und Sportnach­richten. Sender Str.: 14.30 bis 16.30: Deutsche Sendung. 14.48: Arbeitersendung: Fritz Rosenfeld : Staat und Film. Brünn : 9.40: Ar« beitersenduna. 10.00: Violincellqkonzert. 20.40: MilitärblaSmusik. Bratislava : 18.00: Ein heiterer Nachmittag. Beromünster : 12.00: Konzert. Wien ; 19.28:Der Bogelhändler." Operette. aus dem Fall Gach hervorgehoben haben. Bon größter Bedeutung scheint uns die durch den Brief KolinskhS erhärtete Tatsache zu sein, daß Pro­fessor Schlaffer, nachdem er schon vorher die Be­schwerden Dr. GachS unberücksichtigt gelassen hatte, auf das Kesseltreiben der anderen Klinik-Aerzte hin dem unglücklichen Dr. Gach den Abschied gab, ohne ersteine Untersuchung ringe« leitetzu haben. Charakteristisch ist wohl auch der Umstand, daß jener Herr Dr. Wenzel ein Telephongespräch, zu dem er nicht zugezogen war, abhorchte. Professor Schlosser sucht in seiner Er­klärung imBenkov" den Herrn Dr. Wenzel in diesem Punkte zu schützen, indem Schlaffer die Sache so darstellt.als sei Dr. Wenzel zufällig an dieses Telephongespräch geraten. Wer durch die Erklärung, die der arme Dr. Gach dem Schrei­ber des oben veröffentlichten Briefes abgab, wird wohl eindeutig klar, daß man in der Klinik Dr. Gach belauerte und daß man durch vieles unbefugtes Abhorchen sei­ner Gespräche ein Mittel zu finden hoffte, ihn zu beseitigen. Die Feststellung wiederholten Abhor- chenS telephonischer Gespräche scheint übrigens durch Prof. Schlaffer selber eine B e st L t i- Tagcsncaighcltcn Sechs Militärflieger tödlich verunglückt P a r f s. Bei einer in der letzten Nacht er­folgten Nachtübung stürzte unwett von V r e st rin Militärwasfitzrstnszengai. Sechs darin befindliche Personen, zwei Offiziere und vier Unteroffiziere, kamen hiebei»ms Leben. * M n k d e n. Bei Chengteh in der Provinz Jehol stießen zwei Flugzeuge infolge star­ke» Nebels zusammen. Fünf Insassen, darunter «in Offizier deS mandschurischen Kriegsministe- riumS, wurden dabei getötet. Polizei gegen Arbeitslose London . Zn B l a i n s in der Grafschaft Monmouth kam es am Donnerstag abends zu Zusammenstößen zwischen mehreren Arbeitslosen und einem Polizeiaufgebot von 70 bis 80 Mann. Die Polizeibeämten, die zwischen zwei Demon- strationszügen eingeklemmt waren, machte« von ihrem Knüppel Gebrauch, während ste von einer Schlackenhalde aus mit einem Hagel von Steinen überschüttet wurden. Sine große Anzahl von Po­lizisten wurde hiebei durch Steinwürfe oder Stock­schläge verwundet. Drei mußten sich im Kranken­haus behandeln lassen. Bon den Demo«, st r a n t e n erlitten 2h Verletzungen. Ei« korrupter Magistrat Wirtschaft-direkt*» Uzhorod . Vor dem Strafsenat des hiesigen Kreisgerichtes begann Freitgg derPrazrß gegen den 40jährigen Wirtschaftsdirektor ÄlexTerray, der des Verbrechens des Amtsmissbrau­ch e S, des Verbrechens der Veruntreu­ung und der B e st e ch u n g sowie deS Berbre­chens der Urkundenfälschung ange­klagt ist. Terray hielt als Borstand der W i r t- schaftsabteilungdesUZHoroder Magistrates seit dem Jahre 1981 im gan­zen in zehn Fäll en den Betrag von über Kc 61.000 zurück, die von den Firmen als Pflaster-» gebühren entrichtet worden waren. Diese Gelder behielt er für sich, nahm in einem Falle für eine Intervention Geld an und fälschte die amtli­chen Bücher der Magistrates. Terray befin­det sich seit September des Vorjahres in der Haft deS Kriegsgerichtes. Bei der Verhandlung gab er teilweise seine Schuld zu. Gestern wurden 24 Z e u g e n verhört, un­ter ihnen der G o u v e r n e u r von Karpatho- rußland H r a b a r, de« als ehemaliger Bürgermeister der Stadt die Manipulation bei den Amtshandlungen in der Wirtschaftsabtei­lung erläuterte. Im ganzen werden 60 Zeu­gen vernommen werden. Vorsitzender des Strafsenates ist der Vize­präsident deS Kreisgerichtes Dr. Foltänek und öffentlicher Ankläger Prokurator K u b i L e k. Terray wurde zu 18 Monaten Gefäng» n i s verurteilt; er hat Berufung eingelegt. Doch keim Selbstmord im Kalle Bagbk? Brün«. Am 21. März nachmittags fand in der Wohnung des verstorbenen Stellvertreters des GeneralprokurätokS Anton Bagää eine neuerlicher Lolalaugertschein statt. Bon einem Fachmann wurde der Dauerbrandofen zerlegt und festgestellt, daß der Zugsregulator im Berbin- dungSrohr vom Ofen zum Kamin fast vollständig vom Ruß verstopft war. Heute wurde di« Rysän- kovä auf der Sicherheitsabteilung der Polizei­direktion neuerlich einvernommen. Sie blieb bei ihrer ursprünglichen Au s s a g e und fügte hinzu, dass Prokurator Vagäc sich bei ihr g u n g zu erfahren, da er imVenkov" erklärt, es habe sich noch ein Zeuge gemeldet, der be­stätige, daß Dr. Gach den Dr. Marzoll als Haken- kreuzler bezeichnete, eine Behauptung, die durch den oben veröffentlichten Brief neuerdings widerlegt wird. Bon Interesse ist aber auch eine eides­stattliche Erklärung des Gymnasial­direktors Bartosek, daß ihm Prof. Schlaffer die von etwa 15 klinischen Aerzten unterschriebene Erklärung gezeigt, allerdings aber nicht zum Lesen gegeben habe; und in'diesem Zusammenhänge ist auch die Zeitungsnachricht zu verzeichnen, daß Dr. Wenzel beim Polizeiverhör behauptet habe, jene Erklärung sei verloren gegangenl Schließlich verdient noch ein im.Prager Mittag" veröffentlichter Brief Erwähnung, den Doktor Gach vor wenigen Wochen an seinen Freund rich­tete und in dem er über den in seinem Wirkungs­kreis herrschendenGeiftHitlersundsei- nes Ablegers Henlein" berichtete; maßgebend für di« Herren" so schrieb jener, der nicht mehr reden kann 1scheint in erster Linie die Rassenzugehörigkcit nnd die politische Gesinnung, erst in zweiter Linie die sachliche Eignung zu sein". Wir brauchen all dem für heute wohl nichts mehr hinzuzufügen. Die Oeffentlichkeit nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, daß die Polizei sofort ihres Amtes waltete und daß nach dem Ab- schluß der von ihr eingeletteten Verhöre, die Akten über den Fall Dr. Gach der Staatsanwalt» schäft abgetreten werden sollen. öfter beschwerte, daß der Ofen nicht in Ordnung sei und daß er manchmal die ganze Nacht nicht geschlafen habe und gezwungen gewesen sei, die Tür zum Vorzimmer zu öffnen. Die Rysänkovä sei nach Weihnachten des Jahres 1934 bei Vagäc auch selbst einmal ohnmächtig geworden, und erst als Vagäc das Fenster öff­nete und das Zimmer auslüftete, habe sich ihr Zustand gebessert. DerZeugungshrlfer". Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Rasse« wesen, Prof. K. A st e l, hieß anläßlich eines ihm zur Begutachtung vorgelegten Falles, in dem ein Mann sterilisiert zu werden wünschte, zwar die Sterilisierung dieses Mannes fiir gut, verlangte jedoch für diekerngesunde kin­derlose Frau" dieBeistellung eines Zeugungshelfers", sowie es L u t h e r und diegesundengermanischenVor- fahren in solchen Fällen gehalten hätten. Selbst die Nazipresse ist über den Vorschlag des Rasje-Experten entsetzt und das Frauenblatt Die deutsche Kämpferin" meint, dass mandie Erniedrigung der Ehe zu einem Brut- geschäst" doch nicht zulassen könne. Die Hitler- zeitungcn sollten nicht die Erstaunten spielen. DaS Prof. Aste! verlangt, ist schliesslich nur eine der Konsequenzen aus dem Irrsinn, der Natio­nalsozialismus heisst. Bom Schlachtfeld der Arbeit. In der Ort­schaft Ueröm bei B u d a p e st wurden in einem Steinbruch zwei Arbeiter von herabstür­zenden Gesteinsmaffen begraben. Beide sind auf dem Transport ins Krankenhaus ihren Verletzun­gen erlegen. Etwas kühler. DaS sehr warme Wetter dauerte gestern- in Mitteleuropa an. Nachmittags wurden an einigen Orten wieder 2 0 b i s 2 1 Grad Celsius verzeichnet. In Prag betrug die Temperatur um 14 Uhr 19 Grad, was einer normalen Nachmittagstemperatur zwischen dem 20. und 28. Mai entspricht. Im Zusammenhang pranrdrvnnvaew Gliederreissen mit Druckstörungen über dem Ozean breitet sich nunmehr vom Westen her gegen das Binnenland stärkere Bewölkung aus. Bei Südwest­wind dürfte es jedoch noch ziemlich warm bleiben, wenngleich die Temperaturschwankung zwischen Tag und Nacht abgeschwächt werden wird. Nieder­schläge sind zunächst nicht zu erwarten. Wahr­scheinliches Wetter heute: Im Westteil der Republik etwas stärkere Bewölkung und tagsüber bereits e i n w e n i g k ü h l e r, sonst im ganzen noch schön und warm. Südwestwind. Betrügerischer Nnterstaätssekrctär. Der ehe­malige UnterstaäiSsekretär Vidal wurde zu einem Jahr Gefängnis wegen Betrügereien vcr- urteilt, deren er sich als Vorsitzender des Verwal­tungsrates einer Gesellschaft schuldig gemacht hatte. Zwei seiner Komplizen wurden zu vier Jahren, einer zu zwei Jahren Gefängnis verur- teill. Ein weiterer bisher auf freiem Fuße befind­licher Komplize wurde im Laufe des Prozeßver­fahrens verhaftet. Haldenrutsch. Das Oberbergamt in B o n n teilt amtlich mit: Am Freitag morgens gegen drei Uhr ereignete sich beim Richard-Schacht der Grube Clarenthal in der Nähe des Reichsbahnkörpers der Strecke LuisenthalVölklingen ein Haldenrutsch. Die Haldenmassen stürzten so weit über den Gleis­körper, daß die Lokomotive und vier Wagen eines vorbeifahrenden Güterzuges entgleisten. Ein Mann wurde verschüttet, der Lokomotiv­führer und ein weiterer Mann leicht verletzt. Die Bergungsarbeiten sind im Gange. Mißglückter Antisemitismus. Der Beschluß des L o d z e r Stadtrates über die Einführung eines Arierparagraphen bei der Verteilung städti« scher Preise für Kunst, Wissenschaft und Literatur, wird/wieGazeta Polska" meldet, von dem Re­gierungskommissar der Stadt Lodz aufgeho­ben werden, weil er mit der Verfas­sung im Widerspruche stehe. Lerzicht. Der englische Rennfahrer Sir Mal­ colm Campbell verzichtete definüiv auf alle Versuche zur Ueberwindung seines eigenen Schnel- sigkeitsrekordeS für Automobile von 276,8 Meilen pro Stunde unb ordnete seinem Mechaniker die Demontage feinesB l an en Bogels" an, den er zu diesen Rekordversuchen hatte eigens konstruieren lassen. Auf den Spuren der alten Juden. Das Orien­talische Instituts teilt mit, daß am 16. d. M., die ägyptische Hauptstadt ein« amerikanische Wissenschaft« liche Sonderexpedition verlassen hat, di« sich nach der Halbinsel Sinai begibt, um zum Teile den Spuren der Juden auf deren Wanderung aus Aegyp­ ten inS Gelobte Land zu folgen. An dieser Expe­dition beteiligt sich auch das Mitglied des Orienta­lischen Instituts in Präg, Dr. Jaroslav E e r n h, Dozent der Karls-Universität . ^Luftangriff" ans Berlin Ein durch eineFliegerbombe" gerissener Sprengtrichter, der infolge des Anschlagens einer Wasserleitung mit Wasser gefüllt ist ein Bild von der bezeichnenderweise gerade jetzt abgehaltenen Luftschuhübung, die dieser Tage in einem Berliner Stadtbezirk durchgeführt wurde. Wie weit man die im Ernstfälle zu ertoartenden Schrecknisse naturgetreu nachgebildet hat. be­weist diese Aufnahme, die nur eins von den vielen Beispielen wiedergibt.