Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62, TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

15. Jahrgang

Dienstag, 26. März 1935

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 72

2500 Waggons Gerste Für Neuordnung der Wirtschaft

für die Arbeitslosen

Das Ministerium für soziale Fürsorge, das unter der Leitung des Genossen Dr. Meißner steht, geht mit außerordentlicher Energie an den Ausbau der Ernährungsfürsorge für die Arbeits­lofen. Minister Meißner hat soeben dem Minister­rat den Antrag vorgelegt, für die Arbeitslosen 2500 Waggons Gerste zur Verfügung zu stellen. Aus dieser Gerste sollen Graupen und Grieß, Mehl, aber auch Malzkaffe hergestellt werden, welche auf eine Art verteilt werden sollen, wie dies auch sonst üblich ist. Diese Aktion des Ministers Meißner wird von den Arbeitslosen sicherlich mit Befriedigung begrüßt werden.

Die Engländer in Berlin Berlin  

. Der englische   Außenminister Sir John Simon und Lord Ed en trafen Sonntag nachmittags in einem Sonderflugzeug in Berlin­Tempelhof ein, wo sich außer den offiziellen Ber­

sönlichkeiten eine nach vielen Taufenden zählende Menschenmenge eingefunden hatte. Auch ein ,, Ehrensturm der Leibstandarde Adolf Hitlers  " war angetreten. Die englischen Minister nahmen im Hotel Adlon   Wohnung. Noch am Abend wurde in einer gemeinschaftlichen Unterhaltung auf der englischen Botschaft mit dem Reichsaußen­minister von Neurath das Programm für Mon­tag besprochen.

Montag um 10 Uhr 15 begannen bei Hitler  die Besprechungen, über die vom DNB folgendes Kommuniqué veröffentlicht wurde:

Der Führer und Reichskanzler empfing Montag vormittag den britischen Außenminister Sir John Simon und Mr. Anthony Eden   im Beisein des Reichsaußenministers Freiherrn von Neurath und des britischen Botschafters Sir Eric Phipps  .

Besprechungen fanden sowohl am Vor­mittag als auch am Nachmittag über einige Fragen statt, die in dem englisch  - franzöfifchen Kommuniqué vom 3. Feber erwähnt wor­den sind.

Die Besprechungen werden im Laufe des Dienstagvormittags wieder aufgenommen

werden.

Gegen nationale Fronten

Ein Rechenschaftsbericht des Ministers Gen. Dr. Czech über 512 Jahre Arbeit für die Massen des sudetendeutschen   Volkes

Auf der Konferenz unserer Parteiorganisation des Launer Wahlkrei­ses, die Samstag und Sonntag in Brür stattfand, hielt der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokratie Minister Dr. Ludwig Czech   ein Referat, das wir in seinen wesentlichen Teilen hier wiedergeben:

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Das heurige Jahr wird nicht nur innerpo-, rung bringen und wie wir hoffen wollen litisch, sondern auch außenpolitisch bedeutsam und eine Beruhigung der internationalen Lage Herbei schicksalsschwer sein. Haben schon die letzten Mo- führen. nate, während welcher an den entscheidenden Punk­ten Europas   um die Sicherung des Friedens ge­rungen wurde, ganz Europa   in Atem gehalten, wie erst die allerjüngsten reichsdeutschen Ereignisse, deren Auswirkungen und Tragweite heute niemand zu ermessen vermag. Wie sehr die Welt durch fie alarmiert wurde, beweist die Tatsache, daß nach

anderthalb bitteren Jahrzehnten

die bange Frage nach der Möglichkeit eines Krieges wieder einmal auf allen Lippen

schwebt.

Der Ernst der außen­politischen Situation

sind und das durch eine, auf ganz neue Grundlagen aufgebaute Wirtschaftsordnung abgelöst werden muß. Unsere Partei hat diese Entwicklung schon längst er­kannt und vorausgesagt. Ein halbes Jahrzehnt hin­durch haben wir den Agrariern flarzumachen ge= sucht, daß sie mit ihrer unsinnigen Zollpolitik nicht weiterkommen und daß sie damit wohl die Lebens­mittelpreise verteuern, aber der Landwirtschaft nicht auf die Beine helfen können. Zahllose Entwürfe über das Getreidemonopol, die aus unseren Kreisen fa­men, mußten fallen, da die agrarischen Kreise allen unseren Argumenten unzulänglich waren. Sowohl die Landwirtschaft, als auch die konsumierende Be­völkerung mußte schweres Lehrgeld zahlen, ehe es ge­lang, die agrarischen Führer zu dem Verlassen ihres

ablehnenden Standpunktes gegenüber allem Mono­pollösungen zu bewegen.

Die Unbelehrbarkeit des Unternehmertums Industrie. Bei jeder Gelegenheit haben wir immer Aehnlich liegen die Dinge auch im Bereiche der wieder darauf verwiesen, daß es

ohne eine vollständige Umstellung und Neuord­ner der Wirtschaft nicht abgehen könne und daß nur eine planmäßige, von sozialisti schen Gesichtspunkten getragene Neuregelung der wirtschaft die endliche Wandlung zu bringen ver­mag. Das haben wi: der Industrie hundertfältig vor Augen geführt. Aber die Quintessenz ihrer Weich­heit waren immer Arbeiterentlassungen und Lohn­brud.

hinein und

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Aber auch ganz abgesehen von der Berliner  Ueberraschung ist die internationale Lage nicht sehr rosig. Wohl wurde Oesterreich  , das nach wie vor einer der unsichersten Punkte der internationa­len Politik bleibt, für einige Beit auf ein Nebengele ise geschoben. Dafür befindet sich aber der Balkan   in ständiger Un­ruhe und Betvegung. Es genügt, auf die bisher im­mer noch nicht vollkommen geklärten und bereinig ten Verhältnisse zwischen Italien   und Jugosla­ wien  , auf den bisher noch immer nicht zur Gänze liquidierten Konflikt zwischen Jugoslawien   und Un­ garn  , auf die ständigen Unruhegebiete in Bulgarien  und in der lezten Zeit in der Türkei  , auf das Wiederaufleben der mazedonischen Baudenkämpfe, Daß Deutschland   vollkommen aufgerüstet ist, auf den Bürgerkrieg in Griechenland  , auf den bis daß seine Armeebestände längst schon das Mehr zu den schwersten Kampfhandlungen gediehenen fache der im Versailler Vertrage vorgezeichneten italienisch- abessinischen Konflikt zu verweisen, um umfassen, das war längst schon notorisch. Was den Ernst der internationalen Lage zu charakteri­aber an dem deutschen   Schritt so ganz besonders sieren. Allen diesen Zuständen hätten die unter aufregend war, das ist, daß er so ganz un Barthous und Benes' Führung in die Wege gelei vermittelt erfolgte und die Welt vor teten und durch den Eintritt Rußlands   in die fertige Tatsachen stellt und daß er in einem europäische   Politik außerordentlich geförderten und Augenblicke gesetzt wurde, in dem die größten An- erfolgreichen Anstrengungen der europäischen   Groß­strengungen zur Herbeiführung des Friedens im mächte ein Ende bereiten können. Fast schien es, als Gange waren. Die weitere Entwicklung der Dinge wäre das Werk Barthous, der die Bedeutung der Jahre an Argumenten mobil gemacht, um den In­Was haben wir im Laufe der letzten fünf läßt sich augenblicklich nicht absehen und es ist russischen Partnerschaft erkannte und sie in so ziel- dustriellen den Wahnsinn der planlosen Rationali­sicherlich nicht zuviel gesagt, wenn die Lage als klarer Weise in die französische   Politik einzuglie- sierung aufzuzeigen, die noch bis in die letzten Jahre ernst bezeichnet wird, obwohl selbstverständlich un- dern verstand, bereits auf dem besten Wege und als mittelbare Kriegsgefahren nicht bestehen. Die schive- könne der europäischen   Politik dadurch ein neues fortgesetzt wurde, bis schließlich einige zu Tode ra­mitten in der schwersten Krise benden diplomatischen Beratungen, die die Gen- Antlig und auch neue Friedenssicherheiten gegeben tionalisierte und mechanisierte Betriebe daran zu­fer Stellungnahme und Entscheidung vorbereiten werden. Da fuhr plöglich Berlin   darein und änderte sammenbrachen! Wenn einmal die Geschichte der sollen, werden sicherlich sehr bald eine weitere Klä- im Nu das ganze Bild. legten tschechoslowakischen Wirtschaftskrise geschrie­ben werden wird, dann wird sie auf jeder Seite schwere Anklagen gegen die Verblendung unserer Wirtschaftsführer enthalten. Das gilt aber nicht nur für tschechischen, sondern auch für die deutschen  Wirtschaftsführer, von daß es vollends genüge, ein paar Tausend Kronen für die ,, Sudetendeutsche Volkshilfe" lockerzulassen, der Sudetendeutschen Heimatfront" die freigewordenen Arbeitspläße zu reservieren. Sie werden schon sehen, wie weit sie damit kommen und in welche Fallstricke sie sich da begeben. Da sie aber unbelehrbar sind, wollen wir sie vorläufig ihrem Schicksal überlassen. Dieſe Unbelehrbarkeit ist am Samstag gelegentlich der von dem Deutschen   Hauptverband der Indu­strie abgehaltenen Tagung wieder einmal in ganz traffer Weise manifest geworden. Steine Spur einer Neuorientierung! Kein Atom neuer Erkenntnisse! Im Gegenteil erfüllte die Teplißer Kundgebung der alte arbeiterfeindliche Geist, der durch das Aufire­Der Kampf gegen den Fascismus und um den Die große Frage ist mun, welchen Ausweg es ten des Herrn Generaldirektors Dr. Preiß nur ver­Frieden muß aber die Arbeiterklasse nicht nur ge- Krise haben die kapitalistischen   Kreise noch den Ver- neuen Wegweisung brachte die Rede des Herrn Dr. aus dieser Situation gibt. In den ersten Jahren der stärkt wurde. Statt neuer Erkenntnisse, statt einer meinsam mit dem sozialistischen   Proletariate der ganzen Welt führen, sondern vor allem im eigenen ſuch gemacht, die Krise als vorübergehende Phase Preiß Komplimente für den reichsdeutschen Fascis= Nach den Informationen des Berliner   Ha- Lande selbst und sich dem Fascismus im eigenen des durch den Krieg und seine Auswirkungen geftör- mus, die den Geiſt charakterisierten, von dem die bas- Sorrespondenten werden die englischen Mini- Lande entgegenwerfen. Diesen Kampf muß die Ar- ten Wirtschaftsprozesses zu deuten. Sie versprachen Führer des großen Industriellenverbandes beseelt beiterklasse aber auch gemeinsam mit allen demokra- uns die ,, Selbstheilung der Krise", sie seßten mit allerlei kapitalistischen   Kurpfuschereien ein und als 1. Rückkehr Deutschlands   in den Völker- tischen Kräften und Bevölkerungsschichten des Lan­bund. des führen und gemeinsam mit ihnen jeden 30ll de- ſie ſich dann nicht mehr zu helfen wußten, ließen sie 2. Beitritt Deutschlands   sowohl zum Oft- mokratischen Bodens mit der größten Leidenschaft die hohen Löhne und sozialen Lasten und da sie ihre Soldschreiber verkünden, an allem Unglüd seien wie zum Donaupakt, jedoch mit dem Vorbehalt, und Hingabe verteidigen. schließlich auch mit diesem Argumente nicht weiter daß dieser Beitritt ,, a u frich tig" sei. Die wirtschaftliche Lage fonnten der Marrismus schuld. Umformung der ganzen Anklage gegen den Marrismus, dem sie die ganze Wirtschaft!

Während der Lunchpause empfing Hitler   den Besuch Reichsminister Göring, Goeb bels und BI om berg. Was wurde, ist nicht durchgefickert.

Die fascistischen Gewalten

Beld her grid an inter 6 8 s babet gesprochen die eigentlichen Feinde des Friedens bieden, jo bene mandje blauben, bai

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Die Arbeiterklasse hat daher allen Grund, die

In unserem Lande hat uns die durchgeführte Wie der Reuterkorrespondent an gutunter- weitere Entwicklung der internationalen Politit, Devalvation in einem Seftor unseres Exports eine richteter Stelle erfährt, wurde durch direkte aber auch die Verhältnisse in unseren Nachbarstaaten Erleichterung gebracht. Tatsächlich können wir heute Fragen, die von den britischen Staatsmännern wachsamen Auges zu verfolgen und gemeinsam mit nach dem Tiefstand der letzten Monate des ver an Reichstanzler Hitler   gestellt wurden, etiva fol- dem sozialistischen   Proletariat der anderen Länder gangenen Jahres eine Umsatzsteigerung verzeich­gendes festgestellt: den Kampf um die Befriedung Europas   mit der nen. Diese Umsatzsteigerung ist aber, gemessen an größten Leidenschaft zu führen. Dieser Kampf ist in den Exportbedürfnissen unseres Staates, Teider ganz Wirklichkeit ein Kampf gegen den Fascismus, der unzureichend. Denn noch immer bedroht gegenüber nichts als ein Exponent der internationalen kapita- dem Jahre 1929 ein nahezu 30prozentiger Export­listischen Reaktion und Konterrevolution ist. rückgang, der sich in geradezu tragischer Weise in den Industriezentren unseres Staates, besonders aber in den Export- und Randgebieten auswirkt. Wieder müssen auch hier die arbeitenden Bevölkerungsschich­ten die ganze Zeche bezahlen.

1. Deutschland   ist der Ansicht, daß unter gewiffen Umständen die Effektivstärke der deut­schen Armee, ihre künftige Stärke und die Flottenfrage noch offener Verhand= lungsgegenstand sind.

2. Deutschland   ist der Ansicht, daß seine Rückkehr nach Genf   möglich ist, falls die französische   Beschwerde an den Völkerbund zufriedenstellend geregelt

werden wird.

Was sie wollen

ster verlangen:

Die fascistischen Gewalten, die ihre ganze Rech­nung auf den Krieg gestellt haben, das find die eigentlichen Feinde des Friedens, der Ruin der Völker, das Unglück der Arbeiterklasse.

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Der Marxismus ist schuld"

Doe deutschbürgerlichen Politiker aber, statt sich.

mit ihren Partei- und Klaffengenossen aus den Rei­hen der Unternehmer auseinanderzusehen, statt ihnen die Kurzsichtigkeit ihrer Einstellung zu den Lebens­3. Internationale Zusammenarbeit am Nun aber auch noch ein wirtschaftliches Wort. Abrüstungsproblem. Die künftige Abrüstung problemen des Landes entgegenzuhalten, erheben die beträge eher die( doch gänzlich un kontrol- Soweit sich die Verhältnisse im weltwirtschaftlichen Schuld an dem Elend im deutschen   Gebiete anlasten. lierbare!) Beschränkung des Militär- Maßstabe beurteilen lassen, läßt sich noch immer materials als die Herabsehung der keine Abschwächung der Lage feststellen. Nach den Und so sehen wir nach langer Zeit wiederum einmal Aber inzwischen haben sich die Dinge ganz das für das bürgerliche Sudetendeutschtum so cha Effektivstärken der Truppen( die sich noch eher vielen fürchterlichen Jahren, die zurückliegen, ver außerordentlich gewandelt. Seither ist es der ganzen rakteristische altgewöhnte Bild vor uns, daß es mit einiger Sicherheit kontrollieren ließe.) zeichnet das Internationale Arbeitsamt noch immer Welt klar geworden, daß die Krise in Wirklichkeit 4. Beitritt Deutschlands   zum westeuropä- 22 Millionen Arbeitslose, die wie ein Albdruck auf eine Krise des kapitalistischen   Wirtschaftssystems iſt,

ischen Luftvakt.

der internationalen Wirtschaft lasten.

deffen Fundamente brüchig und wankend geworden

statt Schicksalsproblemen auf den Grund zu gehen und Wege zur Rettung der Wirtschaft und der