Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOYA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15. Jahrgang

Die Loyalität der SHF

Troppauer Gausekretär verurteilt

Troppau.( Tsch. P. B.) Bon dem Senat des Kreisgerichtes in Troppau wurden Samstag nach§ 17 des Republitschutzgesetzes der 47 Jahre alte Gausekretär der SHF Otto Gebauer aus Troppau zu fünf Monaten strengen Arrest und 200 Geldstrafe und der 35 Jahre alte Ge­schäftsmann Oswald Weishuhn zu drei Monaten strengen Arrest und 200 Geldstrafe verurteilt.

Dienstag, 16. April 1935

Französische Beschwerde Die Entente von Stresa

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

heute vor dem Völkerbund Ein kleiner Erfolg für Europa

Genf.( Tsch. P.-B.) Der Völkerbundsrat er­öffnete Montag vormittags seine 85. außerordent liche Tagung unter dem Vorsitze des türkischen Außenministers Tewfit Ruschdi Aras. Der Generalsekretär des Völkerbundes Avenol erstattete Bericht über den abessinisch- italienischen Konflikt und gab bekannt, daß der Rat sich dar­über auszusprechen habe, ob diese Frage noch im Die beiden wurden beschuldigt, Be Laufe der gegenwärtigen Tagung durchberaten ziehungen mit antistaatlichen Elo perden soll. Nach der Aussprache, an welcher sich menten im Auslande, insbesondere mit die Vertreter Italiens , Abessiniens, Chiles , Eng­dem Gerichtsrat Herrmann aus Ratibor , der durch lands, Frankreichs und Spaniens beteiligten, seine antitschechische Gesinnung bekannt ist, ferner stellte der Ratsvorsitzende fest, daß die Erklärun­mit dem polnischen Flüchtling Engelbert Schramm gen der Vertreter der Streitparteien die Möglich­unterhalten zu haben und aus Deutschland Gelb keit einer versöhnlichen Erledigung des Konflik für die 3 wecke der Heimatfront tes auf Grund des Abkommens über das Schieds­herübergebracht zu haben, was aber und Arbitrageverfahren zwischen Italien und nicht voll nachzuweisen gelang. Gebauer war be- Abessinien zeigen. Deshalb wurde einstimmig be­reits vor Jahren in Deutschland wegen Beteiligung stimmt, daß das Wesen dieses Konflikts im Mai an einem Totschlag zu sechs Jahren Zuchthaus ver- von der ordentlichen Ratstagung durch beraten

urteilt worden.

Neun SHF- Mitglieder aus Mies verhaftet

Bilsen . Am Samstag nachts wurden in die Haft des Pilsener Kreisgerichtes neun Mit­glieder der SHF, sämtliche aus Mi es, eingelie­fert, und zwar: Wilhelm Bieb 1, 22jährig, An­ton Bieb 1, 22jährig, Karl Reinwart, 26­jährig, Wenzel st I, 21jährig, Max Wun= derlich, 28jährig, Wenzel Ziegler, 52jäh­rig, Johann Richard Beschta, 41jährig, Karl Weber, 30jährig und ein Jugendlicher. Die er­ſten vier waren auf dem Spielplatz des deutschen Sportklubs in Mies beschäftigt und brachen dort in Heilrufe auf Hitler und die Ha= fenkreuz bewegung aus.

Die übrigen erläuterten auf dem Hauptplah in Mies vor vielen Leuten, welche Vorbereitun= gen getroffen seien, falls die Henleinpartei ver­boten werden sollte. Es werde angeblich so fort eine neue Partei unter dem Namen VoIts front" gegründet werden; in den deutschen Gebieten unserer Republik werde eine Abstimmung wie im Saargebiet fein und das ganze Gebiet bis Mies werde zu Deutschland kommen. Die Verhaftun­gen erfolgten auf Grund des Schutzgesetzes.

Die Pilsener ,, Nová Doba" weist in die­sem Zusammenhang darauf hin, daß kein Tag ver­geht, ohne daß die Blätter über Illoyalitäten be­richten müßten, die sich Angehörige der SF in einer Zeit zuschulden kommen laffen, in der der Gründer und Führer dieser Partei seine und sei­ner Partei Treue" zur Republik mit einem gro­Ben Wortschwall verkünde.

Attentat gegen Ley Die Täter stammen aus Rechtskreisen

Berlin . Das DNB brachte am vergange= nen Mittwoch die Meldung, daß der Leiter der Deutschen Arbeitsfront Ley sich nicht an der Hochzeit Görings beteiligen konnte, da er sich mit einem Inhalationsapparat sehr schmerzhaft ver­brüht habe.

Hierzu erfahren wir aus einer sonst gut in­formierten Quelle:

werden wird.

Dienstag vormittags nimmt der Rat die Lö­sung der Beschwerde der französischen Regierung gegen Deutschland auf.

ein großer für Mussolini !

Nr. 90

,, Bedauern" für den Vertragsbruch und Einladung zu neuen Ver­trägen Aufrüstung der italienischen Vasallen

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Stresa.( Tsch. P.-B.) Die Konferenz von Strefa wurde Sonntag mittags beendet. Die französischen und die englischen Staatsmänner reisten nachmittags nach Genf ab, wo sie an der Tagung des Völkerbundrates sowie an den privaten Beratungen mit den Diplomaten, vor allem der mitte!- europäischen Staaten, über die praktische Vorbereitung der in Stresa im Prinzip genehmigten Ueber­einkommen teilnehmen werden.

Die offizielle Agenzia Stefani ver- zusetzen, überein. Es ist notwendig, die 1 n= öffentlicht den Inhalt der Resolutionen, die auf abhängigkeit und Integrität Ost re der Konferenz in Stresa genehmigt wurden. reichs aufrechtzuerhalten und es wird empfohe Die drei Regierungen, heißt es in dem Be- len, daß in Bälde die Vertreter sämtlicher im richte, die auf der Konferenz in Stresa vertreten römischen Protokoll angeführten Regierungen 3a­sind, einigten sich auf die gemeinsamen Richtlinien, sammentreten und Abkommen betreffend Mittels die bei der Debatte über die französische Be- europa treffen. Soweit es sich um den we sta schwerde beim Völkerbund verfolgt werden sollen. europäischen Luftpatt handelt, wurde Weiter stimmen sie in der Ansicht über die Zweck beschlossen, diese Frage weiter zu prüfen, um eiren mäßigkeit, die Verhandlungen zum Aus- Vertrag zwischen den fünf im Londoner Kommuni bau der Sicherheit im Osten Europas fort qué angeführten Mächten sowie bilaterale afte vorzubereiten, die dem Vertrage angeschlossen werden könnten.

Frankreichs Anklageschrift

Moralische Verurteilung

zu wenig

gegen Deutschland

Paris.( Havas.) In dem französischen Memorandum, das den Mitgliedern des Völker­bundrates überreicht werden wird, wird daran erinnert, daß das Gesetz vom 16. März dieses Jah­res über die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland sowie einige die Wiederaufrüstung betreffende deutsche Maßnahmen ausdrücklich den Artikel V des Versailler Vertrages ver­Iehen, und daß es notwendig ist, daß sich mit dieser Angelegenheit der Völkerbund befaffe.

In zwei ihrer wichtigsten Bestimmungen seien die Klauseln des Friedensvertrages formell zu= rückgestoßen worden. Es sei dies die Krönung langer und methodisch im Geheimen verfolgter An= strengungen und der Beweis der Bedeutung der in Deutschland bereits vollbrachten Aufrüstung. Ausführlich wird dargestellt, wie die deutschen Aufrüstung in ihrer ganzen Schwere auf amtlichen Stellen noch bis vor kurzem jede Auf- geworfen. Der Völferbund hat die Pflicht, sich über rüstung in Abrede gestellt haben. Bei der Auf- die Verantwortlichkeit der so geschaffenen Luge nahme Deutschlands in den Völkerbund habe die- und über die Folgen, die sie nach sich zieht, auszu­ses sich ausdrücklich zur Einhaltung der Verbind- sprechen. Er muß auch die Schlußfolgerun lichkeiten aus den Verträgen verpflichten müssen. gen bekanntgeben, die die Regierungen für ibre Indem die deutsche Regierung die Bestim Abkommenspolitik daraus zu ziehen haben, die den mungen, die ihr Militärſtatut regeln, für null Willen haben, die europäische Sicherheit aufrecht­und nichtig erklärt, hat sie mit Ueberlegung einen zuerhalten und zu vermitteln. der Faktoren zerstört, auf denen ihre Mitarbeit an der Genfer Einrichtung begründet ist.

Die Verhandlungsmethode hat Deutschland durch die Methode der vollendeten Tatsachen ersetzt. Die Beschlüsse, die mit dem ganzen System der Rüstungsbeschränkung unvereinbar sind, haben für ganz Europa die Frage der allgemeinen

Kleine Entente fordert:

Mit der Frage, ob es dafür steht, sich weiter für den Frieden einzusetzen, wenn die einfeitige Verletzung einer feierlich übernommenen Ver­flichtung bloß eine moralische Rüge zur Folge hat, wendet sich Frankreich vertrauensvoll an den Völkerbundrat.

Erst Organisierung der Sicherheit

Bevor Aufrüstung Oesterreichs und Ungarns in Frage kommt

Genf . Der Ständige Rat der Kleinen Entente verhandelte Montag abends über die Frage der Wiederaufrüstung Ungarns , Desterreichs und Bulgariens . Nach der Sizung wurde ein Kom­muniqué ausgegeben, in welchem der Ständege Rat seine prinzipielle Zustimmung zu allen Ergebnissen der Konferenz von Stresa ausspricht und sich außerdem der Erklärung des Ministers Laval über diese Angelegenheit anschließt.

Mit Bedauern wurde konstatiert, ba Deutschland einseitig den Tei! 5 des Versailler Friedensvertrag& berlebt hat, was das Vertrauen der Welt in die Sicherheit erschüttert hat. Die beteiligten Drei Mächte sind aber jederzeit bereit, sich jeder prafs tischen Anregung anzuschließen, die auf ein in ternationales Abkommen über die Rüstungsbeschränkung abzielt.

Die drei Mächte beschlossen, auf diplomaiis schem Wege die übrigen interessierten Staaten über den Wunsch zu informieren, der von den Staaten ausgesprochen wurde, deren Militär statut durch den Friedensvertrag von Saint Germain sowie durch die Verträge von Tria­non und Neuilly geregelt wurde, und die eine Revision dieser Statute anit... ben. Sie empfehlen, daß diese Frage durch ein Abkommen im Rahmen der allgemeinen und reg's= nalen Sicherheitsgarantien gelöst werde.

Italien und England bestätigen rufs Neue ihren Willen, die Verpflichtungen einzuhals ten, die sich aus dem Locarnovertrag er­geben.

Zum Schluß wird in der Erklärung das bolle Einvernehmen der drei Mäckte konstatiert, sich mit allen geeigneten Mit­te In gegen jedwebeeinseitige Vers leßung der Verträge zu stellen, die den europäischen Frieden stören könnte. Bei Verfol gung dieses Zieles werden die Mächte in enger und herzlicher Zusammenarbeit vorgehen.

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Wer der Konferenz der drei Mächte mit der übertriebenen Hoffnung entgegengesehen hat, daß Macdonald, Mussolini und Flan= din den europäischen Frieden sichern und Hitler wieder klein machen würden, der muß nach dem dürftigen Ergebnis schwer enttäuscht sein. Wer den Kommentaren offiziöser Blätter in Paris und London , den Organen der Rüstungsindustrie oder gar den Hymnen der italienischen Zeitungen auf den Friedensstifter" Benito Mussolini Glauben schenkt, der läuft Gefahr, eines Tages aus seinen Illusionen durch das Geräusch erplodierender Fliegerbomben unsanft aufgescheucht zu werden. Wer die Lage vor Stresa nüchtern sah und ruhig errechnete, was da herauskommen könnte, wird heute weder enttäuscht noch betäubt sein, son­dern den Staatsaft von Stresa als eine der vielen

Gegen Leh wurde am Mittwoch früh, als er mit seinem Auto ins Büro fuhr, ein Anschlag Durch diese Erklärung werden die Verhandlungen über die Aufrüstung Oesterreichs , Ungarns verübt. Ley wurde am Halfe und am Arm ver­letzt, der Chauffeur ist tot. Das führerlose Auto und Bulgariens bis zu der Zeit verta gt, zu welcher die die Sicherheit in Mittel- und Süd­raste in eine Anschlagsäule. osteuropa garantierende Organisation verwirklicht werden wird, welche die allfällige Erfül­Die Attentäter stammen aus Recht 3- lung der Forderungen dieser Staaten durch nene Vertragsverpflichtungen ermöglicht. freijen. Genf . Dr. Beneš hatte Montag vormittags der Umstand gebilligt, daß die Tür für ein weiteres Szenen zu werten wissen, die auf dem Theater der eine längere Beratung mit dem französischen Abkommen mit Deutschland , dessen Versuche der Weltgeschichte seit Jahren vor uns abrollen und in Vorbereitungen zur internationalen Außenminster La val , mit dem er alle Punkte des Annäherung an die übrigen europäischen Staaten summa die Tragikomödie Europa " Strefaer Abkommens eingehend besprach. Arbeitszeitverkürzung als positiv anzusehen sind, unter vollem Bewußt- bilden, deren Ausgang noch immer ungewiß ist, Die tschechoslowakische Delegation in Genf sein der Verantwortlichkeit für den Frieden in aber seit 1933 doch immer weniger verspricht, ein Genf . Der Direktor des Internationalen erachtet das Ergebnis der Konferenz von Strefa Europa offen gelassen wurde. Happy End zu werden. Arbeitsamtes bereitet den Entwurf einer allges für befriedigend. Sie stimmt im Prinzip Die Tschechoslowakei begrüßt es auch, daß die Nach Strefa tamen die Vertreter der drei meinen Stonvention über die 40stündige Arbeits- mit dem Plan zur Garantierung der Siche. t in Konferenz in Strefa die Prinzipien des Battes Großmächte keineswegs mit den gleichen Absich woche, sowie Entwürfe betreffend die einzelnen Mittel- und Osteuropa überein und identifiziert des gegenseitigen Beistandes angenommen hat. ten, feineswegs einig in dem Bestreben, den Ver­Produktionszweige vor, über die die Junikonferenz sich mit der Verurteilung jeder einseitigen Ver- Dieser Umstand gereicht den Beratungen des tragsbruch Deutschlands zu rügen oder gar zu beraten wird. Die Arbeitergruppe behielt sich vor, lekung internationaler Verpflichtungen in der Miniſters Dr. Beneš mit dem sowjetrussischen rächen. Es kam vielmehr jede Delegation mit auf der Konferenz die Annahme eines ähnlichen Weise, wie ſie in dem Schlußmemorandum der Volkskommissär für auswärtige Angelegenheiten ihren besonderen Wünschen. Unter solchen Um­Abkommens wie das Abkommen über die acht- drei auf der Konferenz in Strefa vertretenen Litwinow , betreffend der Teilnahme der Tschecho- ständen pflegen die am besten abzuschneiden, die stündige Arbeitszeit zu verlangen Großmächte ausgesprochen wurde. Es wird auch slowakei am Ostpakt, zum Vorteil, am wenigsten unter moralischen Hemmungen lei