Nr. 95 Sonntag, 21. April 1935 Selk 7 Anunsere Abonnenten, Leser und Kolporteure! Di« Derwaltung. Anläßlich der Osterfeiertage wird im Buchdruckergewerbe am Montag nicht gearbeitet, so daß unsere Nummer am Dienstag, de« SS. Apell eutfLllt. Ti« nächste Ausgabe erscheint dann zur gewohnten Stunde am Mittwoch, dem 24. April. Der Ofterfriede Prag . In Anwesenheit des Ministerpräsidenten Malypctr als Vertreters des Präsidenten, zahlreicher Mitglieder der Regierung, des diplomatischen Korps und hoher Staatswürdenträger wurde Samstag um 11 Uhr 45 Min. im Abgeordnetenhaus der Ofterfriede des Roten Kreuzes verkündet. Die Feier begann mit der Staatshymne, worauf die Prager Sängervrreinigung »Smetana " Balcars„Horäm" vortrug. Hierauf sprach der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses Abgeordneter Stivin. Sodann sprachen über die Bedeutung der Parole des OsterfriedenS Universftätsprofesfor Dr. Jiki Horäl und namens der Regierung Außenminister Dr. BeneS. Die tschechische Philharmonie brachte Smetanas„VySehrad " aus dem Zyklus»Meine Heimat" zum Vortrag, der Opernsänger Konstantin sang Smetanas Lied Pkemyfls„O vy lipy" aus der Oper„Libuöe" und Skroup-»Wo ist mein Heim". > Hierauf erfolgte die Verkündigung des Friedens des tschechoslowakischen Roten Kreuzes durch den Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses S t i» bin. Die Prager Sängervereinigung.Smetana " brachte das„Lied des Friedens des Roten Kreuzes" zum Vortrag, worauf die Feier mit einer Ehrung der Gefallenen vor dem Abgeordnetenhause bei der Statue des„Verwundeten" ihren Abschluß fand. Ein Chor der Militärmusikschule spielte Oberthors„Andante religioso"r Von 11 Uhr 58 bis 12 Uhr trat eine Zwei- minuten-Stille zur Ehrung der Gefallenen ein. Aufsehenerregender Mord in USA Montreal . Einer der reichsten Mühlenbesitzer Kanadas und früherer Abgeordneter, Willis Baldwin, ist in Baldwin-MillS im Staate Quebec ermordet aufgefunden worden. Sein Schädel war zertrümmert. In seinem Mund befand sich ein Papierknebel. Di« Polizei hat sofort die Suche nach dem Mörder ausgenommen. Das Zuhälter-Geschwader Berlin . Reichskanzler Hitler ist Samstag vachmittags auf dem Flugplatz Staaken eingetroffen, wo ihm Stabschef Lutze in Anwesenheit des Reichsministers der Luftfahrt Göring das Fliegergeschwader der SA übergab. Der Reichskanzler übertrug das neue Geschwader dem Oberbefehlshaber der Reichsluftwaffe und verlieh dem Geschwader den Namen„Horst Wessel ". In den Intentionen des verewigten Paten, der seines Zeichens ein„Mädchenhirt" war, dürfte das Geschwader nur S t r i ch-FIüge unternehmen. Erfolg einer guten Lorordmlng. Noch kein Vierteljahr ist vergangen, seit infolge der Auf. Hebung des Filmkontingent- und der Neuregelung der Filmeinfuhrbestimmung die Filme der großen amerikanischen Produktionsfirmen wieder zu uns gekommen sind,— und schon können die Prager KinoS eine Steigerung des Durchschnittsbesuchs um annähernd 15 Prozent melden. Ein Beweis dafür, daß auch in Krisenzei- ten die Möglichkeit besteht, durch vernünftige Maßnahmen wirtschaftsbelebende Resultate zu erzielen. Dje Ueberschwemmung unserer KinoS mit Schundfilmen aus dem Dritten Reich , die hauptsächlich an der Flucht des Publikums aus den Lichtspielhäusern schuld war, hat bereits er- .freulich abgenommen. Der Anteil der reichsdeut- schen Filme an der Gesamteinfuhr, der vor kurzem noch mehr als ein Drittel betrug, ist inzwischen auf etwa 20 Prozent gesunken— und wird hoffentlich noch weiter zurückgehen. Ostern Aufrrstehnns!— Blütenerde Singt dos Siegerlied Bom Lebe». Dunkler Tran« Bon Weh und Tod Macht nicht mehr DaS Herz erbeben. Ströme rauschen Wieder auf Die in starrer Tief« Ruhten. Und eS stürmt In jungem Gluten MrnschbeitSsehne» Sonnenlauf. Erna Haterzettl. Wilhelm schwer eickrankt? Das Amsterdamer sozialdemokratische Blatt„Het Volk" meldet, daß Exkaiser Wilhelm an einer schweren Grippe in Doorn erkrankt ist. Das Niederländische Nachrichtenbüro dementiert diese Meldung. Der neue Hauptverteidiger Hauptmanns, Rosecrans , der sich durch die von ihm erreichten sensationellen Freisprüche einen Namen geschaffen hat, hat der Staatsanwaltschaft am Gericht in New Jersey ein Revisionsdokument übergeben, das nicht weniger als 145 angebliche Beweise für die falsche Verhandlungsführung sowie 145 für die Aufhebung des kürzlich gegen Haupt mann gefällten Urteils enthalten soll. Der Verteidiger gibt gleichzeitig bekannt, daß er nötigenfalls den Fall Hauptmann vor die höchste Bundesgerichtsinstanz bringen werde. Sturmkatastrophe am Kaspische« Meer. Während eines Sturmes fing ein Kutter Feuer. Man nimmt an, daß die Ursache des Brandes auf die Explosion eines Benzinfasses zurückzuführen ist. Jetzt wurde. 16 Kilometer von Taganrog , die Leiche eines Mannes gefunden, der sich an Bord des Kutters befunden hatte. Das Schicksal von weiteren vier Mann, die an Bord des Kutters waren, ist unbekannt. Man forscht nach den Vermißten. Aus einem JrrenhanS. Der„S türme r" des Herrn Streicher hat jetzt eine ganze Sondernummer herausgebracht, um dem im Lindbergh- Prozeß zum Tode verurteilten Hauptmann ein Alibi zu zinunern. Für den Duzfreund des „Reichsführers" ist es natürlich eine ausgemachte Sache, daß das Lindbergh-Baby einem Ritualmord zum Opfer gefallen ist, denn, so stellt der scharfiinnige Enthüller fest,„etwa um die Purimzeit" verschwand das gemordete Kind.„Ein Justizverbrechen I" schreit das ehrenwerte Blatt,„ein Justizmord der Weisen von Zion!" Lindberghs, so argumentiert der„Stürmer" weiter, ist gleichsam die Inkarnation amerikanischen Ariertums und die Juden befürchteten(!) eben, daß das Lind- bergh-Baby einmal, wenn es erwachsen wäre, den „vollkommensten Ausdruck" antijüdischen Ariertums darstellen würde. Der Staatsanwalt sei ein Raffejude,„dessen Christenhah aufloderte, als«r den Goi Hauptmann sah". Er folge nicht juristischen, sondern lediglich seinen Talmudgesetzen. Die DtaatSfochschnle für Holzbearbeitung in Wallern (Böhmerwald ), mit ihrer Bau» und Möbeltischlerei und Drechslerei weist in ihrem Lehrplan für die dreijährige Fachschule und für die Mei- sterschul« folgende Gegenstände auf: Fachzeichnen, Kunstformerllehre, Konstruktionslehre, Rechnen, Kalkulation, GeschäftSaufiätze, Buchführung, Technologie d«S Holzes, Technologie der Werkzeuge, Maschinen- und Motorenkund«, Bürgerkunde, Tschechische Sprache , Werkstättenunterricht, BollendungSarbeiten. Für den praktischen Unterricht bestehen geräumige Lehrwerkstätten mit angegliederter großer Maschinenwerkstätte. Außerdem ist eine modern eingerichtet« Trockenanlage vorhanden. DaS Zeug- n i S der Fachschule ersetzt den Gesellenbrief, daS der Meisterschule berechtigt bei Zutrefien der sonsttgen Bedingungen zum AuSttitte des selbständigen Gewerbes. Aufnah msbedingungen: Absolvierung einer dreiklaffigen Bürgerschule und für die Meisterschule außerdem mindestens einjährige Praxis nach der Auslehre. In berücksichtigungswür. digen Fällen sind Ausnahmen möglich. Gesuche sind bis 80. Juni bei der Direktion der Anstalt vorzulegen. Einschreibgebühr, Lehrmitteldeitrag, Werkstättenbeitrag und Versicherung: 1. Halbjahr 48.60 KL, L. Halbjahr 80.— KL. S ch u l g e l d: für Fachschüler 50 KL jährlich, für Meffterschüler 24 KL jährlich, doch ist die ganze bzw. teilweise Befreiung möglich. Armen Schülern kann kostenlose Unterkunft und billige Verpflegung gewährt werden. SchuLe- ginn am 2. September. Ziehung der Alassenlotterie (Ohne Gewähr.) Prag . Bei der SamStag-Ziehung der S. Klaffe der 82. Tschechoslowakischen Klaffenlotterie wurden folgende Treffer gezogen: 70.00« K6 das Los Nr. 3918. 50.000 K5 das Los Nr. 85349. 20.000 K5 die Lose Nr. 45117 48723. 10.000 K5 die Lose Nr. 76667 2618 72499 216 90927 463 33393 17033. 5.000 K5 die Lose Nr. 20987 41351 15642 13306 60957 78302 5665 35287 73924 3854 1877 86765 4864 78667 39033 67299 85085 48575 6588 12771. 2.000 K6 die Lose Nr. 29644 92209 11275 88011 99896 89311 68291 38151 72431 33441 53295 34228 103990 78412 86333 13161 95448 55442 47366 97789 100511 67750 42284 58988 95931 94819 39551 23046 87640 56084 92976 75695 53536 26475 47450 41427 4154 52385 25440 52204 51345 22673 70329 22198 30857 13994 26927 2448 9375 73158 47157 82876 82562 8122 63915 85968 61102 79017 103508 106391 73703 73232 7891 7357 79195 20427 91753 2430 14083 77792 43413 53306 34914 6996 22495 94170 47936. Abschied von Genossen Josef Pretsch Komata«. Die sterbliche Hülle unseres un- vevgeßlichen Freundes Josef Pretsch wurde SamStag nachmittag im Brüxer Krematorium den Flammen übergeben. In einer Reihe von Trauerfeierlichkeiten nahmen Genossen von nah und fern letzten Abschied von dem treuen Mitkämpfer und Arbeitskameraden. Um 11 Uhr vormittag fand im Parksaal eine Trauersitzung statt, an der außer dem erweiterten Zentralvorstand und der Beamtenschaft des Internationalen Metallarbeiter Verbandes zahlreiche Vertreter der verschiedenen proletarischen Organisationen teilnahmen, u. a. als Vertreter des Parteivorstandes Genosse Abgeordneter Hackender g, als Vertreter der ZGK Genosse Abgeordneter Schäfer, als Vertreter deS ,Lovodölntk" die Genossen P o u st k a und K a d l e c. Der Obmann-Stellvertreter des JMB. Genosse L a j a n eröffnete die Sitzung und dann würdigten die Sprecher der einzelnen Organisattonen die unvergänglichen Verdienste, die sich P r e t s ch um die Arbeiterbewegung unseres Landes erworben hatte. Es sprachen: Genoffe Abgeordneter Kaufmann für den JMB., Genoffe Abgeordneter Schäfer für die ZGK., Zentralsekretär K a d l e c für den „Kovodklnik", Genoffe L ein s m e r für die Partei und die anderen Organisattonen deS Komv- tauer Bezirkes, Genosse M u Z i k für die tschechischen Organisationen und Genosse R o s ch im Namen der Angestellten des JMB. Um 2 Uhr nachmittag bewegte sich ein nach Tausenden zählender Zug zur Komotauer Leichenhalle, wo die Haupttrauerfeier aLgehalten wurde. Die ungeheure Beteiligung war ein deutlicher Beweis für di« besondere Wertschätzung, deren sich unser lieber Genoffe Prefich stets er freute. Alle Verwaltungsstellen des JMB. und sämtliche Zweige der proletarischen Bewegung wa. ren durch Delegattonen vertreten. ES waren noch erschienen für den Parteivorstand Genoffe Taub, für den AtuS die Genossen U l l m a n n und Brasse, für die ParteikreiSorganisatton Genosse Lorenz, für die Union der Bergarbeiter Genoffe Schaffarsch, ferner Senator Genosse Dr. Holitscher, der Bürgermeister von Aussig Genosse P ö l z l und viele andere führende Genossen, sowie di« Vertreter verschiedener öffentlicher Körperschaften, die alle namentlich anzuführen hier nicht möglich ist. Die RW, der Atus, die DTJ und die Roten Falken hatten starke Abordnungen enfiandt, das stärkste Kontingent unter den unzähligen Teilnehmern stellten natürlich unsere Metallarbeiter, denen Genoffe Pretsch ein so guter Berater und Lehrer war. Die Feier wurde mit einem Bläserchoral eingeleitet, dann sangen die Ar beitersän- gervonKomotau das Lied„Letzter Gruß" und hierauf nahm Genoffe K a u f m a n n an der blumen« und kranzgeschmückten Bahre in ergreifenden Worten Abschied von seinem besten Freund und Mitarbetter, dessen rastloses Schaffen der sozialisttschen Bewegung so manchen herrlichen Erfolg gebracht hat. Ein großer Teil der Teilnehmer fuhr dann in Autos und Autobussen nach Brüx zur Ein- äscherungSfeier. Hier gesellten sich zu ihnen die vielen Genossen deS Brüxer Gebietes, darunter auch starke Abordnungen der tschechischen Bruder- organisatton. Auch die Metallarbeiter, die an der Internatsschule in Hirschberg teilgenommen hatten, waren vollzählig erschienen, um ihrem lieben Kollegen die letzte Ehre zu erweisen. Nach einem Harmoniumvortrag sangen die Brüxer Arbeitersän.ger den„Schottischen Bardenchor" und dann folgten die Nachrufe der einzelnen Redner. Genoffe Müller auS Görkau dankte im Auftrage des ZentralvorstandeS des JMB. dem so früh Dahingeschiedenen für die treu« und hingebungsvolle Arbeit, Genoffe May verabschiedet« sich namens der Angestelltenschaft von dem lieben Freunde. Den Dank der Partei verdolmetschte Genosse Lorenz auS Teplitz und für die Freidenker, sowie die übrigen Organisationen fand Genoffe Diez zu Herzen gehende Worte ehrender Anerkennung für den Menschen und Sozialisten Josef Pretsch. Wieder setzte das Harmonium ein, die Sänger sangen einen ergreifenden Chor„Schläfer so stumm", die Musikkapelle der DTJ intonierte«inen Trauerchoral, die Genossen von der Ehrenwache hoben die Hände zum letzten Gruß und langsam sank der Sarg in die Tiefe. Josef Prefich ist nicht mehr. Die Lücke, die sein Tod in unsere Reihen gerissen hat, ist groß und schmerzlich. Nicht nur seine Angehörigen, sondern wir alle haben in P r e t s ch einen Menschen yer- loren, der nicht ersetzt werden kann. Mit dieser harten Tafiache werden wir uns leider abfinden müssen. Darüber hinaus aber muß es unsere Pflicht sein, nun erst recht mit verdoppeltem Eifer zu wirken und zu arbetten für die hehre Sache, der Pretsch sein ganzes Leben lang so vorbildlich gedient hat. In seinem Beist das Werk fortzusehen, sei unsere Aufgabe! Ein Kämpfer ist tot und wir ehren sein Andenken wohl am besten dadurch, wenn wir, so sein Vermächtnis erfüllend, geloben: Wir wollen weiter kämpfen!
Ausgabe
15 (21.4.1935) 95
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