Nr. 149
Donnerstag, 27. Juni 1935
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I. Bundesfest des ARUK
Und Du, Genossin oder Genosse! Hast Du Dich schon entschlossen, das 1. Bundes­fest der Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer am 6. und 7. Juli in Karlsbad   zu besuchen und mitzuhelfen, dass die große Kundgebung, tri welcher Gen. Dr. Czrch sprechen wird, zu einer mächtigen Demonstration der deutschen  Arbeiter für Freiheit, Frieden und Sozialismus wird? Wenn nicht, dann ist es höchste Zeit! Melde Dich zur Teilnahme bei einem Aruk-Verein oder direkt beim Bundessekretariat in Turn-Teplitz  , Maria­scheiner Straße 16. Du mußt mit dabei sein! Wettkämpfe in Reigen- und Kunstfah­ren, Radball, Radrennen, Motorrad­spor t, ein herrliches Festspiel und ein Kabarett-Abend, ausgeführt von dem Schau­spielerkollektivTruppe 85 unter Leitung Basa Hochmann, Aussig  , der F e st z U S mit anschließen­der Kundgebung auf den Markthallenplatz in Karlsbad   sichern Dir ein dauerndes Erinnern, ein Erlebnis unter Hunderten von Gleichgesinnten! Niedriger Festbeitr ag: Beide Tage 8 KL(für das Festspiel 1 KL Zuschlag); Sonntag allein 4 KL, und die vvprozentigeFahr- preiSermäßigung durch die Bahnlegiti­mation zu 2 KL helfen Dir, mit dabei zu sein! Ent­schließe Dich rasch!
Immer weniger tschechoslowakische Wander- Arbeiter in Oesterreich  . Aus Wien   wird berich­tet: Die Zahl der ausländischen landwirtschaft­lichen Wanderarbeiter betrug im Vorjahre noch 6100 Personen. Durch die Umschulungskurse sind jedoch große Mengen von Industriearbeitern wie­der auf die Landwirtschaft umgestellt worden, so daß im Jahre 1985 nurmehr 4200 ausländische (tschechoslowakische) Wanderarbeiter nach Oester­ reich   verpflichtet wurden. Explosion. In dem Kalksteinbruch einer Zementgesellschaft in Rio Grande  (Texas  ) sind 20.000 Pfund Dynamit, die bei einer Spren­gung Verwendung finden sollten, vorzeitig explo­diert. Soweit man bisher übersehen kann, haben zehn bis sechzehn Arbeiter den Tod gefunden. Aus der neuen Türkei  . Nachdem bereits über 300 Moscheen, darunter die Hagia Sophia, in Schulen, Bibliotheken und Museen umgewandelt worden sind, sollen jetzt weitere 900 Moscheen weltlichen Zwecken dienstbar gemacht werden. Man will nur soviel Moscheen übrig lassen, als für die Abwicklung eines geregelten Gottesdienstes unbe­dingt notwendig sind, da die junge Generation dem Islam immer mehr entfremdet ist und die
Das blinde Schiff Bon Langford Reed.(Nacherzählt.) Welche Geschichte ist abgesehen von der biblischen die merkwürdigste der Welt? Darüber liehe sich eine interessante Dis­kussion eröffnen. Aber jedenfalls muß eine solche Geschichte folgendes wahrest: 1. Die Echtheit: Das ist die Tatsache, daß das Geschehnis auch wirklich sich ereignet hat, und außerdem müssen auch Daten sowie Namen der Hauptfiguren angeführt sein. 2. Die Eigenartigkeit. Die Geschichte darf nicht die mindeste Aehnlichkeit aufweisen mit einer anderen bekannten Geschichte. 3. Die Spannung. Die Geschichte muh ent­weder hochdramatisch sein, oder phantastisch ko­misch, sensationelle Steigerungen haben und eine Pointe. Die erste: Ein alter Herr erwacht aus seinem Schläf­chen in einem Berliner   Park und findet zu seinem Entsetzen, daß sein langer Bart mit einem Bienenschwarm bedeckt ist. Glücklicherweise hatte er die Geistesgegenwart, sich nicht zu rühren und die Feuerwehr abzuwarten, die die Eindringlinge veranlaßte, ihren sonderbarenBienenstock zu verlassen. Die zweite:(Eine moderne Geschichte, die kürzlich vor einem Londoner   Gericht entwirrt wurde); V Eine junge, hübsche Frau hatte sich des Ver­brechens der Bigamie schuldig gemacht, indem sie
I Moscheen immer seltener besucht. Die strenggläu­bigen mohammedanischen Kreise find mit diesem Neuen Entwurf des Unterrichtsministers Saffeld sehr unzuftieden. Die Ständige Donau  -Kommission hat Diens­tag in Sinaja   ihre Arbeiten ausgenommen. An­wesend sind Vertreter Italiens  , Jugoslawiens  , Oesterreichs  , der Tschechoslowakei  , Ungarns   und Rumäniens  . Brandstifter. In der Gemeind« Szalec im Be­zirk UZhorod   nahe der ungarischen Grenze verbrann­ten die Häuser des Vizebürgermeister- Josef Szabo und seines Nachbarn. Da vor Monatsfrist bei bei­den die Ställe unter verdächtigen Umständen abge­brannt first», nimmt man an, daß der Brand gelegt war. In der Gemeinde Petrovce im Bezirke So- brance sind gleichfalls zwei Anwesen niedergebrannt. Auch in diesem Falle besteht der Verdacht der Brandlegung, und zwar fällt er auf drei Landstrei­cher, die in der Gemeinde bettelten und srstmnn plötzlich in Richtung UZhorod   verschwanden. Mord nach neun Jahre« gesühnt. Am 1. August 1926 wurde am Ufer des Flüßchen- Uza in Kar- pathorußland die Leiche eine- unbekannten Manne- gefunden, den die Gendarmerie später als den Bahn­beamten Franz Kachltk aus Volosianka identifizierte. ES wurde auch festgestellt, daß Kachltk einem Verbre­chen zum Opfer gefallen war, doch fehlte jede Spur von den Tätern. Sechs Jahre hindurch sammelte nur der Gendarmeriewachtmeister Tolma. dem der Fall übergeben worden war. Indizien und Daten, bis sich der Ring um die Täter endlich schloß: im November
1932 wurden Alexei Pscnicka, Ludwig Perazzi und Bmzenz Tisnerovsky verhaftet, die Kachltk ermordet batten, um ihn seiner einkassierten Monatsgage zu berauben. Ein Mitschuldiger aber fehlte noch. Mitro Psenikka, ein Verwandter des Verhafteten, war kurz nach der Tat nach Kanada   gefiohen. Auf Grund des Signalements der Prager   Zentrale stellte die kanadi­sche Polizei fest, daß Psenikka in Hamburg   den Expreß of Scotland bestiegen hatte und in Quebec  gelandet war. Von hier führte die Spur nach Albert- stown. wo sie sich verlor. Psenikka, der anscheinend wußte, daß man hinter ihm her war, suchte nicht um die Naturalisation an, um sich nicht zu verraten. Endlich gelang es. nach zwei Jahren weiteren Suchens ihn auf Grund einer von der Prager   Zentrale über­sandten Photographie festzunehmen. So hat nach neun Jahren der in Karpathorußland verübte Mord in Kanada   seine Liquidation und Sühne gefunden. DaS ruhige und heiße Wetter dauerte Mitt­woch überall weiter an. In Mitteleuropa   stieg die Temperatur heute durchwegs über 80 Grad, in Miloviee, Köuiggrätz. Dresden  , und Berlin   wurden um 14 Uhr 85 G r a d Celsius verzeichnet. In Frankreich  , wo gestern Gewitter eine leichte Milderung der Hitze gebracht hatten, erwärmte es sich heute wieder. Im Binnen­land ist nunmehr der Luftdruck sehr gleichförmig ver­teilt, was die Ausbildung lokaler Gewitterstörun­gen begünstigen kann. Sonst herrscht noch allgemein eine südliche. Luftströmung vor, weshalb der allge­meine warme Wettercharakter noch andauern wird. Wahrscheinliches Wetter Donnerstag: BiS auf lokale Gewitterstörungen schön und heiß. Wetteraussichten für Freitag: Neigung zu Gewittern, warm bis heiß.
Hochverratsprozeß gegen anttmonarchisttsche Propaganda in Wien  
Aus Wien   wird uns geschrieben: In dem Machtkampf zwischen den beiden Fraktionen, die das österreichische Volk beherrschen» zwischen den Klerikalen und den H e im- weh r e n, haben di« Heimwehren vollständig gesiegt. DaS Bundesheer ist Starhemberg   als dem Führer der Vaterländischen Front unterstellt wor­den; in jedem Regiment wurde eine Dienststelle der Vaterländischen Front errichtet, deren Leiter nicht von dem Heeresminister, sondern von Star­ hemberg   ernannt wird und die über Verwendung und Avancement der Offiziere und Unteroffiziere entscheidet. Die klerikalen Ostmärkischen Sturm­scharen und der klerikale Freiheitsbünd werden abgebaut, ihre Reste unter dem Vorlvande der »Vereinheitlichung der Wehrformationen dem Kommando von Heimwehroffizieren unterstellt. Die tatsächliche Macht geht immer ausschließlicher in die Hände der Heimwehr über.' Im Zustunmenhange-daMit.hat di«, llerilh- fascistische Diktatur ihr Verhalten gegenüber der Arbeiterschaft verändert. Der Versuch, die Arbei­ter dem klerikofascistischcn System zu gewinnen, ist aufgegeben. Kennzeichnend ist dafür, daß»Die Aktion", das Wochenblatt des Vizebürgermeisters Ernst Karl Winter  , der die Arbeiter für das System gewinnen wollte, vom Bundeskanzleramt verboten worden ist. Man hat keine Aussicht mehr, die Arbeiter zu gewinnen. Als o> will man die Arbeiter durch verschärfte Ver­folgung einschüchtern. Täglich wer­den die barbarischesten Urteile über Arbeiter, die der sozialistischen   Gesinnung treu geblieben sind und für die sozialistische Idee wirken wollen, ge­fällt. Seit einem Monat sind von österreichischen Gerichten 29 Ge­nossen und Ge nossinne»wegen illegaler Propaganda zu ins- gesamt 66 I a h r e n.11 Monaten Kerkers verurteilt worden. Das sind bloß die von den Gerichten verhängten Strafen. Die von der Polizei'im geheimen Verfahren verhängten Verurteilungen zu Gefäng- 1
nis und Konzentrationslager sind dabei nicht eingerechnet. Im Verlauf der neuen Terroraktion gegen die österreichischen Sozialisten soll in den nächsten Tagen vor dem Wiener   Landesgericht ein H o ch« Verrats prozetz durchgeführt werden, der des Inhalts der Anklage wegen die besondere Auf­merksamkeit des Auslandes verdient. Angeklagt werden 17 Genossen und Genossinnen. An der Spitze der Angeklagten stehen der Klaviermacher­gehilfe Franz Ferdinand   O l a h, der Maschinen­bauer Rudolf D r o z und der Tischlekgehilfe Ma­ximilian Großbpintn er. Mit ihnen wer­den 14 andere Arbeiter angeklagt. Sie werden angeklagt, weil sie die Nummer 11 derArbei­ ter-Zeitung  , die Nummer 1 des illegalen Ge« WerkschaftsblattesDer Metall- und Bergarbei­ter und die Nummer 3 dec MonatsschriftDer Kampf" verbreitet hätten. In der NummLr 11 derArbeiter-Zeitung   Md in der Nummer 1 desMetall- und Berg-, airbciter^ hat'dtr'Staatsanwalt aber nichts gesun­den, was er hätte als Hochverrat qualifizieren können. Dürch die Verbreitung derArbeiter-Zei­ tung   und desMetall- und Bergarbeiters sol­len die Angeklagten also nach der Anklageschrift nur die Vergehen der Herabwürdigung von An­ordnungen der Bundesregierung, der Aufreizung zu Haß und.Verachtung gegen die Bundesregie­rung, der Anpreisung ungesetzlicher Handlungen und der Verbreitung beunruhigender Gerüchte begangen haben. Anders beurteilt die Anklageschrift dit Num­mer 3 desKqmpf. Diese Nummer desKampf enthielt nämlich einen Artikel Otto Bauers «Habsburg   vor denTore n?. In diesem Artikel wurde dargelegt, daß die österrei­chische Regierung die Restauration der Habsburger   vorbereite. Es wurde dar­gelegt, daß die Restauration der Habsburger   nicht nur die aristokratisch-klerikale Diktatur in Oester­ reich   stabilisieren, sondern auch Europa   in die ernsteste Kriegsgefahr stürzen würde. Der Verfasser zog daraus den Schluß, die österreichi»' scheu Sozialisten müßten die Arbeiterklasse mit der festen Entschlossenheit erfüllen, jeden Ver­
Fußböden und Stiegen sind schmutzig getreten? Schnell' und billig macht sie blitzsauber
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such zur Wiedereinsetzung der Habsburger   durch eine revolu­tionäre Erhebung abzuwehren. Wohlgemerkt: In dem Artikel war nicht die Rede von einer gewaltsamen Revolution gegen die gegenwärtige Staatsordnung in Oesterreich  , sondern nur von einer gewaltsamen Revolution gegen einen St-aats- st reich, durch den die Habsbur­ ger   in Oe st erreich wieder ein­gesetzt würden. Trotzdem klagt der Wiener   Staatsanwalt die Genossen Olah, Droz und Äroßbointner des Ver­brechens des Hochverrats an. Nach der Anklage­schrift sollen diese Angeklagten das Verbrechen des Hochverrates durch die Verbreitung des Artikels Habsburg   vor den Toren? begangen haben. Es erübrigt sich, die juristische Ungeheuer­lichkeit dieser Anklage darzulegen. Viel wichtiger ist es, ihren politischen Charakter fest­zustellen. In der Tat hebt sich dieser Hochverrats­prozeß aus der Reihe der vielen in den letzten Monaten gegen Verbreiter illegaler Literatur durchgeführten HochverratSprozetz dadurch heraus, daß f e i n Ziel und Zweck nicht die Sicherung der gegenwärtigen f a f c i st i s ch e n Staatsordnung in Oe st erreich, sondern die Unte r- d r L ck u n g j e d e S W i d e r st a n d e s ge tz ert"die W ie bet t<ivftoPun g de r. H a b s bürg e r in© e-ft e r r eich i st. Oesterreich ist noch nicht wieder eine Mon­archie; aber die klerikofascistische Regierung will jetzt schon jede Propaganda zum Widerstand gegen die Wiederherstellung der Monarchie als Hochver», rat bestrafen lassen. Sie will jetzt schon jeden, der» sei es auch nur durch Verbreitung eines Zeitschrif­tenmaterials, zum Widerstand gegen die Wieder­herstellung der Monarchie auffordert, in ihrem Kerker begraben, um die' Restauration, die den Frieden Europas   bedroht, in jedem Augenblick, der ihr günstig erscheint, vollziehen zu können, ohne auf Widerstand im eigenen Volke zu stoßen. So dementiert diese Anklage die Reden der österreichischen M i n i st e r, die das Ausland mit der Ver­sicherung zu beruhigen suchen, daß sie die Restau­ration der Habsburger   nicht als eine aktuelle Frage ansehen. Wie aktuell ihnen in Wirklichkeit die Frage erscheint, beweist die Anklage gegen die 17 Wiener   Arbeiter. Deshalb verdient der bevor«- stehende Hochverratsprozeß in Wien   das beson­dere Interesse ganz Europas  .
einen schuldlosen Polizisten heiratete, obwohl sie bereits mit einem Bahnschaffner glücklich ver­heiratet war. Sie lebte ein Jahr als anerkannte Ehefrau beider Männer im Hause des einen den ganzen Tag und bei dem anderen die ganze Nacht. Für ihre jeweilige zwölfstündige Abwesenheit hatte sie hier wie dort gewichtige Gründe, wie Posten als Nacht- beziehungsweise Tagpflege­rin, anzugeben gewußt. Als die Sache zu Gericht kam, überboten sich beide Ehemänner in Lob­hymnen über die Frau, die ihre Wirffchaft tadel­los führte und auch sonst zu keinem Verdruß An­laß gab. Und das ist die Pointe beide waren bereit, sie nach verbüßter Strafe als Gat­tin wieder aufzunchmen. Zugesprochen aber wurde sie dem ersten Mann, die zweite Ehe als nichtig erklärt. Die dritte: Zufall oder Vorsehung? Sämtliche Einzelheiten sind inPlutarchs Leben" zu finden. Die geplante Ermordung des korinthischen Generals Timoleon, 340 v. Ch. Der alte Grieche erzählt, wie zwei Bösewichter sich vorbereiteten, ihr Opfer in dem überfüllten Tempel zu erdolchen, als der Anführer plötzlich mft einem Schwert von einem Mann getötet wurde, der neben ihm stand. Der Schwertführer erwies sich als der Sohn eines Mannes, der vor vielen Jahren in einei.l anderen Land von dem Verbrechet ermordet worden war. Seitdem hatte er jedwede Spur des Mörder- verloren, bis er ihn unverhofft neben sich im Tempel erkannte und der sofortigen Rache nicht widerstehen konnte. Ti­moleons Leben jedoch ward gerettet, was Plutarch  dermaßen ausdrückt: Die Geschichte kann kaum
ein stärkeres Beispiel einer vermittelnden Vor­sehung geben. Die vierte Geschichte: Die Tatsachen sind in den Aufzeichnungen des verstorbenen Professors Henry Morley in der Ausgabe 1897:Die Fahr­ten des Mungo Park  (eines berühmten eng­lischen Forschungsreisenden): Am 24. Jänner verließ das Sklavenschiff, der Rodeur, ein 200-Tonner, Havre   mit dem Ziel Westküste Afrika  . Es ankerte am 3. März in Bonny am Calabar River. Die Mannschaft, be­stehend aus dem Kapitän Bellot, M. Maugnam, dem Arzt und 20 Matrosen, erfreute sich auf dieser Reise bester Gesundheit, bis das Schiff mit 160 Sklaven beiderlei Geschlechts beladen, Bonny am 6. April nach Guadeloupe   im französischen   West­ indien   verließ. Fünfzehn Tage darauf das Schiff näherte sich dem Aequator   bemerkte man, daß viele der Sklaven eine sonderbare Rötung der Augen zeigten. Man dachte, daß dies durch die strenge Einsperrung im Laderaum und im Zwi­schendeck verursacht sei. Auf ärztlichen Rat wurden sie in Partien auf Deck gebracht, um hier reine Luft zu atmen, was aber eingestellt werden mußte, weil viele der armen Teufel von heftiger Sehn­sucht nach der Heimat befallen, sich paarweise eng umschlugen haltend ins Meer stürzten. Bald breitete diese Augenentzündung sich aud und alle waren angesteckt. Nun erst erkannte der Arzt die Krankheit als Opthalmia. Und im Laufe von drei Tagen waren die Mehrzahl der Neger und die gesamte Schiffsmannschaft mit Ausnahme eines jungen Matrosen namens Corbin erblindet und, als ob das Maß noch nicht voll genug gewesen I
wäre, verbreitete sich außerdem noch eine bösartige Dysentri«, die rasch um sich griff. Der Vorrat an Trinkwasser war beinahe erschöpft, so daß die Ta­gesration pro Kopf auf ein halbes Weinglas herabgesetzt werden mußte und die erblindeten Weißen waren fortgesetzt bemüht, Meutereiver­suche der erblindeten und halb wahnsinnigen Schwarzen zu unterdrücken. Zum Glück war ruhige See. Aber welch eine Situation! Das Schiff wurde aus Mangel an Arbeits­kräften Meilen aus dem Kurs getrieben und die einsame Gestalt, schwindlig durch den Schlafver­lust, steuerte das Schiff den Tag hindurch in der Tropenglut und den größten Teil der Nacht zwei Monate lang mit nur kurzen Ablösungen von zwei Matrosen, die auf einem Auge noch sehen, kpnnten, von denen jedoch die Zubereitung des Essens für alle abhing. Doch dank der Geschicklichkeit und der Ausdauer dieses mutigen jungen Franzosen, er­reichte derRodeur am 21. Juni Guadeloupe  , viele Tage überfällig nach einer der sicherlich schrecklichsten Reisen, die je eine Mannschaft er«. sahren. Der Kapitän, der Arzt und zehn der Schiffsmannschaft, waren rettungslos an beiden Augen erblindet, vier Matrosen kamen, mit dem; Verlust eines Auges davon und vier andere, die nur zeitweilig Nicht sahen, genasen. Die Neger lit- ten bedeutend weniger, die Hälfte von ihnen er­holte sich vollständig. Wenn es eine sensationellere und merkwürdigere Geschichte gibt, sowohl im Druck ass im Film, möchte ich sie gerne hören.