Nr. 15« Seite 3 Samstag, 6. Juli 1935 fiEdetfcndeutfscfter Zeitspie&et Das arme Oesterreich beehrt sich, seinem Kaiser Otto darzubieten Streicher, der Amokläufer von Berlin In Danzig verhaftet ein Nazi den anderen werden lörfncn. Auch diese Leute sollen durch den „Landdienst" um die ersehnte Verdienstmöglichkeit gebracht werden. Sicherlich werden sich viele Bauern gegen die Einstellung solcher Landhelfer wehren, weil sie ja nicht die geringsten landwirtschaftlichen Arbeitskenntniffe mitbringen. Immerhin dürfte das Angebot von kostenlosen Arbeitskräften tausende verlocken, solche Landhelfer einzustellen. Dies« Landwirte mögen aber bedenken, was sie damit anrichten. Sie belfen mit auf der anderen Seite Tausende von Menschen, auch über die Sommermonate arbeitslos zu machen. Jeder anständige Bauer wird sich weigern, sein« Hand zur Durchführung eines solchen Werkes zu bieten, das«ruerdings viele Menschen brotlos macht. Wenn in den Richtlinien davon gesprochen wird, daß die Landhelfer nur mittleren und kleineren Bauern zur Verfügung gestellt werden, die sich angeblich keine Dienstboten leisten können, so ist dies nur Augenauswischerei und soll sozusagen ein Alibi für die Drahtzieher dieses„Landdienstes" sein. Der kleine Bauer braucht im allgemeinen nur ganz wenig Arbeitskräfte, da seine Kinder ohnedies arbeitslos zuhause sitzen und kaum in der Wirtschaft Verwendung finden können. Von den mittleren Bauern wird selbstverständlich jeder einen Nachweis erbringen, daß er sich keinen Dienstboten leisten kann. Es besteht also außerdem noch die Gefahr, daß auch die Dienstboten durch die Landhelfer verdrängt werden. Mit der Anprangerung solcher Methoden soll keineswegs der Eindruck erweckt werden, als ob man grundsätzlich gegen einen freiwilligen Arbeitsdienst wäre. Man könnte sich ohne weiters mit einer solchen Einrichtung befreunden, die aus Freiwilligkeit aufgebaut ist und Arbeiten gemeinnütziger Art. verrichtet, die mit Rücksicht auf ihre außerordentliche Natur ansonsten nicht durchgeführt würden. So kämen in Betracht Rekultivierungen von Bergbaugründen, Kultivierung von Oedländereien oder deren Aufforstung, Entsumpfung von Moorgebieten, Flußregulierungen, Siedlungsanlagen für Arbeitslose und verschiedene andere Arbeiten. Auch in der Landwirtschaft gäbe es Arbeiten für einen freiwilligen Arbeitsdienst. Ium Beispiel Rodung, Entsumpfung oder Entsteinigung von Grundstücken, kleinere Arbeiten im Hof und an den Wirtschaftsgebäuden, die sich der Landwirt infolge Geld- und Zeitmangels einfach nicht leisten kann!. Für landwirtschaftliche Arbeiten"aber, die mit der Saat und der Ernte zusammenhängen, also unbedingt geleistet werden müssen, und für die auch die notwendigen Ausgaben aufgebracht werden können, wie im Hopfen-, Rüben- oder Getreidebau, stehen genügend geschulte Arbeitskräfte zur Verfügung, die sehnsüchtig auf eine Verdienstmöglichkeit warten. Wenn daher durch Einstellung von kostenlosen Landhelfern die landwirtschaftlichen Berufsarbeiter um ihr Brot gebracht werden, so sollte«in solcher Anschlag auf die Lebens- intereffen dieser Schichten seitens der zuständigen Staatsstellen mit den schärfsten Mitteln verfolg» werden. Die ganze Organisation dieses Landhelferarbeitsdienstes zeigt durch seinen militärischen Charakter den Geist Hitlerdeutschlands. Die Landhelfer arbeiten nur in Gruppen(man könnte da ren._ WKW Die Arbeitslosen am Lande, besonders jene Hop- fenpflücker, die nun um ihren Verdienst kommen dürften, haben die neuerliche Verschlechterung ihrer Lage den Henleinorganisationen zu verdanken, wenn deren Absichten durchgehen. Viele von ihnen dürften bei der Wahl der Henleinpartei die Stimme gegeben haben. Sie werden jetzt die praktische Auswirkung der„Volksgemeinschaft" am eigenen Leibe zu spüren bekommen und erkennen daß die scheinheiligen Versprechungen der Henlein- flugblätter in der Wahlzeit nichts als elender Bolksbetrug waren. Aufgabe unserer Partei aber muß es sein» mit aller Schärfe gegen ein derarti ges Unternehmen aufzntreten, nm zu verhüten, daß Elend und Rot am Lande sich noch mehr verbreiten. Die arbeitenden Landmenschen werden aus diese Weise einsehen lernen, daß der beste Anwalt zum(Sdjufce ihrer Lebensinteressen die sozialdemokratische Arbeiterpartei ist. Fascistischer Arbeitsdienst bringt tausende Arbeiter ums Brot Deutsche Jugendfürsorge in Not Die deutsche Landeskommission für Kinderschutz und Jugendfürsorge in Böhmen veröffentlicht soeben ihren Tätigkeitsbericht für das abgelaufene Jahr. Ein kleiner Ausschnitt aus der Geschichte opferfreudigen und zähen Arbeitswillens, sachliche Rechenschaft über vieles, das geleistet wurde, aber auch beredte Klage darüber, daß viele wichtige Arbeit aus Mangel an den notwendigsten Mitteln ungetan bleiben mutzte. Das Arbeitsgebiet, das die deutsche Jugendfürsorge im vergangenen Jahr wieder bewältigt hat, ist in der Tat eindrucksvoll. Die Zentralstelle und die 101 Zweigstellen dürfen sich rühmen, 78.527 Kinder im vergangenen Jahr der E r n ä h- rungsfürsorge zugeführt zu haben, 43.107 Säuglinge und Kleinkinder in 456 Mütterberatungsstellen betraut zu haben, für 9363 Kinder in Schulzahnkliniken, für 14,342 Kinder durch Familienfürsorge, für 1299 jugendliche Arbeitslos e in Heimstätten, für 2921 Jugendliche durch Berufsberatung soziale Arbeit geleistet zu haben. Aber der Genugtuung über das vollbrachte soziale Werk reiht sich di» bittere Erkenntnis an, datz all diese Leistungen, die nebst Opfermut und Arbeitsfreude den ansehnlichen Betrag von 14,635.928 KC erforderten, nicht annähernd hinreichen, gemessen an dem täglich wachsenden Uebermatz an Not unter der deutschen Ju- neugierig sein. wie ganze Gruppen bei den Klein- und Mittelbauern unterzubringen sind) und unterstehen einem Gruppenführer, mit dem alle Angelegenheiten zu regeln sind. Sie haben sich allen Aiwrdnungen zu unterwerfen, also ganz nach dem militärischen Arbeitsdienst in Deutschland . Uebri- gens mutet auch der ganze Stil dieser Richtlinien und die Ausdrucksweise an, als habe sie der Dr. Ley oder der Göring verfaßt. Selbstverständlich sollen nur Angehörige völkischer Verbände kostenlos bei den Bauern arbeiten dürfen. Nach alledem stellen wir fest, daß 1. Henleinorganisationen mit der befreundeten halbfaseistischen Landjugend die Drahtzieher dieses Arbeitsdienstes sind, datz 2. der Zlveck der sein soll, durch kostenlose Beistellung städtischer Arbeitsloser die Landarbeiter und Dienstboten um ihr Brot zu bringen. Damit haben die Henleinfaseisten ihre wah- „sozialfürsorgerischen" Absichten demaskiert. Wer kann sich nicht an die schönen Verspre, chungen in der Wahlzeit erinnern, die die Hen- leinfascisten den Arbeitern und den Arbeitslosen gemacht haben? In einem Flugblatt hietz es: „Roter Arbeiter! Folg« der Stimm« deines deutschen Blutes, denke an Dein Volkstum... Es geht in erster Linie um Dich, Deinen Arbeitsplatz, um Deinen Platz in der Volksgemeinschaft. Wähle die Liste der Sudetmdentschen Heimatfront!" In einem anderen Flugblatt, das die Soziale-Fürsorge betitelt, wird nachgerechnet, wie elend es den Arbeitslosen geht, nachdem ein Drittel nach dem Genter System Unterstützung erhalten, und zwar 500 Millionen Kronen, während die übrigen Zweidrittel(Ausgesteuerte und Nichtorganisierte) nur 22 Millionen an Unterstützung bekamen. Unter Verhöhnung des sozialen Fürsorgewerkes wurde ein Teil der Arbeitslosen gegen die anderen aufgehetzt, die Sozialdemokraten als Schuldtragende an diesem Zustande hingestellt und die Arbeiter aufgefordert, die Liste 12 zu wählen. In den vielen hunderten Flugblättern der Sudetendeutschen Partei wurde immer wieder darauf verwiesen, datz der Arbeiter in die„Volksgemeinschaft" der Henleinbewegung gehöre und nur dort ihm durch die„Solidarität aller Schaffenden" geholfen werden könne. Nun endlich kam die Grohtat,„die Hilfe für die Arbeitslosen". In der„Landpost"— ausgerechnet dort— finden wir einen Aufruf der deutschen Landjugend abgedruckt, womit bekanntgegeben wird, datz ein freiwilliger Arbeitsdienst, genannt„Landdienst" eingeführt wird. Die Richtlinien für diesen Landhienst, die allerdings in der Landpost nicht enthalten sind, geben Aufschluß, Was damit bezweckt ist. Mit diesem freiwilligen Arbeitsdienst sollen Ar 6 e itsloseaus den Städten als sogenannte„Landhelfer" bei den B.auern untergebracht werden. Dort erhalten sie einen Arbeitsplatz und Arbeit zugewiesen. Das wäre ja recht schön und viele Arbeitslose könnten sich freuen, wieder einmal zu Arbeit und Verdienst zu kommen. Aber da kennt man die organisatorischen Drahtzieher dieser Sache recht schlecht. In den Richtlinien heitzt es: „Die Landhelfer arbeiten vollkommen kostenlos und erhalten hiefür Wohnung und Käst durch die Bauern. Die Landhelftr ersehen ihre Arbeit alS Gemeinschaftsleistung für das Volksganze und haben sich allen A«- »rdnungen zu unterwerfen." Und wer sind die Organisatoren dieses „Landdienstes"? Auch darüber geben die Richtlinien Aufschluß. Die durchführenden Organe, heißt eS darin, sind der Bund der Deutschen „Elbe- gau"(Bnndesjugnrd) Deutscher Turnerverband (Gau ) und der Landstand für den Elbega«. Daß der Deutsche Turnerverband und der Bund der Deutschen Organe der Henleinpartei sind, weiß man ja bereits, daß sich aber der Landstand, also in Wahrheit der Bund der Landwirte, hier zu einer Einheitsfront mit den Henle inturnern zusammengefunden hat, nachdem sie sich in den Wahlen und auch noch nachher nach außen hin nach allen Regeln der Kunst besetzten, ist neu und recht interessant. Noch intereffanter aber ist, datz im Zei- tungsbericht in der„Deutschen Landpost" kein Wort vom Landstand enthalten ist. Dort wird die deutsche Landjugend als Organisator des freiwilligen Arbeitsdienstes hingestellt. Man scheut sich also, nach autzenhin die Verbindung mit den Henleinorganisationen zuzugeben. Was aber bezweckt dieser„Landdienst"? Nicht mehr und nicht weniger, als daß man arbeitslose Städter, die fachlich nicht geschult find, den Bauern ohne Bezahlung als Arbeitskräfte zur Verfügung stellt und damit die geschulten landwirtschaftlichen Arbeiter, die schon sehnsüchtig auf die Saisonarbeiten warten, um ein paar Kroneu verdienen zu können» bewußt zu verdrängen. In der Kundmachung der Landpost vom 25. 6. 35 heitzt es ausdrücklich, datz vor allem die Hopfenbauern gebeten werden, bei der Einstellung von Hopfenpflückern diese durch den„Landdienst" anzusprechen. Wenn man bedenkt, daß allein 65 bis 70.000 Pflücker auf Arbeit warten» meistens Leute, die ohnedies das ganze Jahr über nichts verdiene« und nun endlich Gelegenheit bekommen sollen, einige Wochen hindurch wieder einen Lohn zu erhalten» dann kann man ermrffen, welches Verbrechen hier an diesen Leuten dadurch verübt wird, daß man einen famosen Arbeitsdienst organisiert, der Landhelfer kostenlos beistellen .und damit die sich nach Arbeit«nd Verdienst sehnenden Hopfenpflücker verdrängt«nd arbeitslos macht. Selbstverständlich sollen die Landhelfer auch bei anderen landwirtschaftlichen Erntearbeiten, so bei der Getreideernte und im Rübenbau, beschäftigt werden. Nach den Mitteilungen des Statistischen Staatsamtes haben wir in der Land,«nd Forstwirtschaft rund 40.000 Arbeitslose, die zum größten Teil bei den Erntearüeiten untergebracht gend. Wohl haben staatliche und Landesinstitutionen nach Möglichkeit finanzielle Mittel beigesteuert, aber die Haupteinnahmsquellen, öffentliche und private Sammlungen, sowie die Zuwendungen der Gemeinden und Bezirke versiegen begreiflicherweise mit dem zunehmenden Notstand im deutschen Gebiet, anstatt'— wie es dringend notwendig wäre— reichlicher zu fließen. Ms bezeichnendes und betrübliches Synrptom führt der Rechenschaftsbericht die Tatsache an, daß sämtliche deutschen Bezirke im Jahre 1934 nur noch 7040 KL aufwenden konnten! Es ist nur verständlich, wenn die Landeskommission für Kinderschutz und Jugendfürsorge der Oeffentlichkeit warnend vor Augen führt, welche verhängnisvolle Einbuße die soziale Kinderfürsorge erleiden müßte, wenn die Abwärtsbewegung der Einnahmen weiterhin so bedrohlich ihre Arbent lähmte, ohne datz hier die notwendige Abhilfe geschaffen würde. vor Kampf Internationale Revue* Prag Das Juli-Heft 1935 ist soeben erschienen und hat folgenden Inhalt: Otto Bauer : Der neue Kurs in der Sowjet union . Adolf Sturmthal : Die Weltkrise der Währungen. Julius Deutsch : Der Weg zum Faseismus. Emil Franzel : Die tschechisch« Politik und Mitteleuropa . Emil Roderts: Ein verwesendes Regime. Weltpolitik. Weltwirtschaft Internationaler Sozialismus Aus dem geistigen Leben. Bücherfcha«. Zeitschriftenschau. Preis des HefteS KL 5.—, Jahresbezugs» preis KL 50.—. Redaktion und Verwaltung: Prag II, Lützowova 37. Verhaftunsen in Danzig Warschau . Nach einer Meldung aus. Dan zig nahmen di« Organe der politischen Polizei aussehenerregende Verhaftungen unter bekannten Danziger Persönlichkeiten vor. Unter anderen wurde der Direktor des AppellationSgerichteS Zahle, ferner der Rat des Apellationsgerichtes, Kuhn, Staatsanwalt Hulff, SenatSoberrat Weber, Zollassistent Puttkammer und drei Beamte . der Kriminalpolizei..verhaftet. Heute wurden die Verhaftungen fortgesetzt und u. a. ein zweiter Rat des Appellationsgerichtes namens Abromeit und der Wachtmeister der Sicherheitspolizei Felske festgenonunen. Nach einem vom Preßbureau des Danziger Senates veröffentlichten Kommunique erfolgte die Verhaftung wegen Beteiligung der Verhafteten an einer antistaatlichen Aktion, in Wirklichkeit aber üm die Niederwerfung der nationalsozialistischen Opposition. eingeboren« ais Kronzeugen über den Zwischenfall von Uahial? Hr, g. Der italienisch-abessinische Schlich- tuntzsausschüß hielt am Donnerstag in Scheve- ningen eine neue Sitzung unter AuSschliuß ddr Oeffentlichkeit ab. Wie DSLB. meldet, befaßte sich der Vertreter der italienischen Regierung insbesondere mit dem Zusammenstoß von Ualual und stellte den Antrag, zur Klärung dieses Zwischenfalles als Kronzeugen etwa zehn Eingeborene zu vernehmen, die in dem Gebiet von Ualual ansässig sind. Da es unmöglich ist, diese Zeugen nach Scheveningen kommen zu lassen und andererseits eine Reise des Ausschusies nach Afrika viel zu zeitraubend sein würde, ist von italienischer Seite der Vorschlag gemacht worden, die Beratungen des Ausschusies vorübergehend i n einen südeuropäischen Or,t zu verlegen» Ob der Ausschuß dieser italieni- schen Anregung ftattgeben wird, steht im Augenblick noch nicht fest. Abessinien gründet ein Kotes Kreuz London.„Daily Telegraph " meldet aus Addis Abeba , daß Abessinien demnächst die Genfer Rote-Kreuz-Konvention vom Jahre 1929 unterzeichnen werde. Ein abessinisches Rotes Kreuz werde unter der Schirmherrschaft des Kaisers und der Kaiserin gebildet werden. Die Prinzessinnen des Herrscherhauses würden sich als Krankenpflegerinnen ausbilden lassen. Japan stellt jeden Grenzzwischenfall in Abrede Tokio . Der Vorsitzende des Obersten Kriegsrates, General Minami hat die sowjetrussische Protestnote wegen angeblicher Grenzüberschreitungen durch japanische und mandschurische Truppen geprüft und dem japanischen Auswärtigen Amt das Ergebnis seiner Untersuchungen» Mitmitgeteilt. Der General weist die Behauptungen der Sowjetregierung als vollkommen unwahr zurück und stellt fest, daß keinerlei Grenz Überschreitungen vorgekommen seien.
Ausgabe
15 (6.7.1935) 156
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