Nr. 163 DienStag, 16. Juli 1935 Seife 3 tfudetendeuisdicr Zeifepic^d Egerer Urquell Endlich Henleins Programm:„Mutterschaftsgrundstock“ „Tie Grundvoraussetzung eines ge sunden Volksleben- ist die gesunde deutsche Ehe als Urguell unseres Seins..." „d e«t s ch e n E h e als Urquell unseres SeinS" und des„M utterschaftsgrund» st o ck e s"(man verzeihe das harte Wort) kann der Anschluß an Julius Streicher kaum noch vollzogen werden. Schon die absichtsvolle Bedeutung der Worte „deutsche Ehe" zeigt ja. wohin der Hase läuft. Die deutsche Ehe soll offenbar in Gegensatz gestellt werden zu der verpönten nicht- deutschen Ehe, also etwa der zwischen nicht „Volks bewußten" Deutschen oder zu den Mischehen zwischen Deutschen und Tschechen(von Juden gar nicht zu reden). Wenn aber Herr Henlein die Tagung, die solchen„Kultur"anschluß an das Dritte Reich vollzog, mit den überheblichen Worten begrüßte: „Im Namen der Sudetendeutschen Partei und damit' im Namen des s u d e« Meder ein Enttäuschter... Der 33jährige Josef Franz Schmieder in Bensen-Neuland trat im April 1933 in die SA in Deutschland ein. Nun kehrte er nach Bensen zurück und stellte sich der Polizei und Gendarmerie, die ihn auf Grund des SchutzgeseheS verhaftete und dem Kreisgerichte in Leitmeritz einlieferte. Schmieder gab an, daßesihmsehr schlecht gegangen sei und daß er aus Deutschland fort muhte. Ein bemerkenswerter Borfall ereignete sich dieser Tage in Hirschberg am See, wo 170 Rote Falken aus dem Gelände der Arbeiterfürsorge ihr Zeltlager aufgeschlagen haben. Nachdem schon einigemale Provokationen durch Henleinleute erfolgt waren, ertönte in aller Morgenfrühe vor dem Drcchtzaun des Lagers das Lied„<2 H F marschiert, Hitler kommandiert ..." und hysterisches Heil H i t l e r«Geschrei. Die Falken fuhren aus dem Schlaf hoch und die Effendi Selim Ibn Bba ist dagegen... en.) Araber und Süden In Palästina ...... Von unserem Spezialkorrespondenten Julius Braunthal .. tendeutschen Volke s beglückwünsche ich Sie zum heutigen Festtag", tut er deyn doch des Guten etwas zu viel. Herr Henlein mag es zwar stören, daß cs hierzulande die^Führer" mit der Gleichschaltung nicht so leicht haben, wie im Musterreich jenseits der Grenze, aber er wird diese Tatsache eben zur Kenntnis nehmen müssen. Es kann ja sein, daß die Herrn der Heimatfront es bedauern, daß sie in unserer Republik auf das probate Gleichschaltungsmittel der Konzentrationslager, der Galgen und der„Erschießungen auf der Flucht" verzichten müssen— aber sie werden sich damit gefälligst abfinden. Das sudetendeutsche Volk verwahrt sich sehr entschieden gegen die Anmaßung, daß Herr Henlein in seinem Namen spreche. Niedriger hängen, Herr Turnlehrer! Ihre Untergliederungen mögen sich— wenn's ihnen Spaß macht— die autoritäre Regelung des Geschlechtsverkehrs gefallen lasten.' Das sudeten- deutsche Volk aber hat zum großen Teil vom „Kampf gegen die Entartung des Lebens" ganz andere Vorstellungen. Wachen eilten herbei. Man entdeckte vier Frauenzimmer, die das Gebrüll ausstießen und sofort versuchten, gegen die heibeieilen- den Kinder tätlich zu werden. Es bedurfte sanften Druckes, um die Hitleriken von dem Wege, der Privateigentum der Arbeiterfürsorge und als solches gekennzeichnet ist, zu entfernen. Unsere Genosten erstatteten die Anzeige, wobei sich herausstellte, daß schon eine Anzeige'eingelaufen war. Und zwar hatte ein Radfahrer, der den Vorfall nur aus der Ferne beobachtet hatte, gegen unsere Genoffen eine Anzeige erstattet! Dieser Radfahrer ist merkwürdigerweise ein Tscheche. Wie er dazukommt, unsere Genoffen anzuzeigen, wissen wir nicht. Möglicherweise gehört er zu jenen Tschechen, die, dauernd uninfirmiert über die deutschen Zustände, doch in aUes hineinreden und die sich in einem klassischen Exemplar von Analphabeten kürzlich in einem Prager Hetzblatt vorstellten, das die Teilnehmer an unserem Parteitag in Brünn wegen der roten Nelken und der Drei Pfeil-Abzei» chen als-— Henleinleute ansprach I Dieser Urquell wurde— wie man aus dem „Prager Montagsblatt"(das es ja wissen muß) erfährt— bei der Egerer Henleinkundgebung des „Bundes der Deutschen " verzapft. Und als man sich im Lager des Turnlehrers über diese Grundvoraussetzung dessen, was man sich dort unter deutschem Sein vorstellt, geeinigt hatte, wurde das Programm einmütig in einem„Antrag auf Schaffung eines Bundesschatzes und eines Mutter- kchaftsgrundstockes gegen den Geburtenrückgang" zusammengefaßt:. „Der Kampf gegen die EutartuNg des Lebens ist mit aller Kraft aufzunehmen. Die Bundesgliederungen haben die Pflicht, alles zu tun, um de» Willen zum Kinde zu wecken." Und weit entfernt von der Erkenntnis, daß die Bundesgliederungen in dem Streben, die Entartung des Lebens aufzuhalten, nichts Zweckdienlicheres zu tun hätten, als sich schleunigst aufzulösen, standen die Bundesglieder bei Verkündung dieses HenleinprogrammeS im hohen Bewußtsein ihrer Sendung stramm. Die deutschen Frauen hingegen wissen jetzt genau, welcher Platz ihnen in der„Volksbewegung" des Turnlehrers zugewiesen ist; nach dem Platz am Herd ist ihnen nun durch Parteibefehl auch der Platz im Bett zugewiesen, wo sie nach Maßgabe der Kraft, mit der die Henlein- kameraden jeweils den Kampf gegen die Entartung des Lebens aufzunehmen in der Lage sind, zu kuschen und Kinder zu gebären haben. Ob die Kinder dann auch was zu effen kriegen, schert natürlich das bemerkenswerte neue Streichersche Rasteamt, das sich Herr Henlein nun zugelegt hat, nicht. Aber dieses Raffeamt ist äuch ganz abgesehen von der dreisten Frivolität, mit der es sich über die Not, den Hunger, die marternde Sorge um das nackte Leben in tausenden sudetendeutschen Ehen hinwegsetzt, interessant: Hier wird mit einer Offenheit, die auffallend von der sonst üblichen Borsicht absticht, die Gleichschaltung an diePrin. z i p i.r n de s D r i 1 t e n Reich eS vollzogen. Deutlicher als mit den Grundsätzen der Die freien Gewerkschaften für Investitionen und obligatorische Arbeitsvermittlung Die gemeinsame Landeszentrale der freien Gewerkschaften befaßte sich am 11. Juli u. a. mit dem Stand der Arbeitslosigkeit und bestätigte einmütig die Forderungen nach einer Neuorganisierung der Produktion und deS Absatzes auf Grund eines Wirtschaftsplane S, in dem Zwangsorganisatjonen der Produktionszweige als Werkzeug des öffentlichen Jnter- effes vor allem her S i ch e r st e l l u n g und Vermehrung derArbeitsgele- g e n h e i t e n und dadurch der Erhöhung dcS Lebensniveaus der breiten Schichten des arbeitenden Volkes dienen würden. Man muffe daher alle geeigneten Mittel zur Sicherstellung von Arbeit durch Erhöhung des Jnlandskon- sums und des Exportes, vor allem durch Gewinnung neuer Absatzmärkte erschöpfen. ES kommt vor altem darauf an, bie Arbeitsgelegenheit zu vermehren. Daher müssen Staat und Gemeinden durch produktive öffentliche Arbeiten Beschäftigung schaffeir. Entschieden müssen die öffentlichen Arbeiten m Gang gebracht werden. Die gemeinsame Landeszentrale verurteilt es deshalb scharf, wenn öffentliche Arbeiten aufgeschoben oder eingeschränkt werden und daher dort Unterstützungen gezahlt werden müssen, wo man Löhne auszahlen könnte. Besonders sollte den Gemeinden ein Kredit zur Durchführung der vorbereiteten notwendigen Bauten ermöglicht werden. Di« gemeinsame Landeszentrale erachtet ils nächste Aufgabe der Regierung auch die obligatorische ArbeitSvrr- m i t t l u n g, die da» Recht auf Ar beit schafft und jede ungesunde politisch« Einflussnahme wie auch den Terror der Unternehmer vereitelt. In der Debatte wyrde auch die Forderung unterstrichen, daß den Gewerkschaften bei wirtschaftlichen Maßnahmen eine entsprechende Vertretung eingeräümt wird. ES ist n i ch t notwendig, neue Beratungskörperschaften zu schaffen, doch soll der WirtschastSbeirat so ausgestaltet werden, daß sein fachmännisches Gutachten gehört wird, bevor die Regierung oder die gesetzgebenden Körperschaften entscheiden. Die Masseneinwanderung jüdischer Arbeit und jüdischen Kapitals in Palästina hat eine wirtschaftliche Prosperität hervorgerufen, die keineswegs nur auf die jüdische Wirtschaft beschrankt blieb; sie pflanzte sich natürlich über das ganze Land fort, belebte natürlich auch die arabische Wirtschaft." Ungefähr 58 Millionen Pfund jüdischen Kapitals sind seit Kriegsende nach Palästina geströmt. Ein stattlicher Arm dieses mächtigen Geldstromes floß als Kaufpreis für Grund und Boden, als Abstiftung der Fellachen direkt in arabische Hände. Andere Millionen setzten arabische Arbeiter auf Pflanzungen und Bauten in Bewegung, strömten als Arbeitslohn den Arabern zu. Palästina ist das Land der höchsten Löhne des Orients. Der ägyptischen Fellachen werden in den Pflanzungen 3 Piaster, dem syrischen 6 Piaster Taglohn gezahlt— der Taglohn der palästinischen Fellachen ist in den Pflanzungen 15 Piaster, auf den Bauten 20 bis 25 Piaster. Deöhalh lvandern, von den hohen Löhnen angelockt, aus Syrien und Aegypten , aus dem Li banon und aus Transjordanien arabische Fellachen in Scharen nach Palästina. Aber der Effendi Selim Ibn Aba ist dagegen I Er wünscht weder die Einwanderung jüdischer Arbeiter noch den Einstrom jüdischen Kapitals. Am verdrießlichsten sind ihm aber die hohen Löhne. Wehmütig gedenkt er der idyllischen Zeiten, da auch er nur 6 Piaster Taglohn seinen Fellachen gezahlt hat. Das war der Lohn für 14 bis 16 Stunden Arbeit und die Woche kannte keinen Ruhetag, wie eben nirgends im Orient. Die Juden haben auf Bauten, in den industriellen Betrieben den Achtstundentag, auf den Pflanzungen den Neunstundentag eingeführt und der Sabbat wird als Ruhetag streng gehalten. Werden die Fellachen an den europäi schen Arbeitsbedingungen nicht Geschmack finden? Sie ziehen in die Städte, kommen in die Fabriken, lernen bei den jüdischen Arbeitsgenossen die sozialen Ideen Europas kennen, organisieren sich schon schüchtern in Gewerkschaften, streiken zuweilen, feiern, wenn auch noch spärlich, sogar schon den 1. Mai miter roten Fahnen: Effendi Selim Ibn Aba fühlt ein Unbehagen dabei. Er spürt, da wird eine uralte soziale Ordnung angenagt, unmerklich zersetzt, eine Ordnung, die das Fundament seines Reichtums und seiner Macht in der Gesellschaft ist. Und so fühlen es auch die anderen Efsendis, jene Grundherren nämlich, wie immer sie heißen, die ungefähr ein Drittel des anbaufähigen Bodens besitzen und von Pächtern bearbeiten lassen. Sie waren von altersher gewohnt, als Scheiche aus ihren Gütern über ihre Pächter und Knechte zu herrschen. Die Fellachen, die ihren Boden bearbeiten, lebten bis zu Beginn der wirtschaftlichen und sozialen Umwälzung, die mit dem Maffen- einstram der Juden einsetzte, wie Leibeigene unter der Dynastie der Karolinger — sie leben vielfach noch heute so. Noch heute muß der arabische Pächter dreißig Prozent des Bruttoertrages oder fünfzig Prozent des Nettoertrages seinem Gutsherrn abführen, und für den Kredit, auf den jeder Landwirt angewiesen ist, so lesen wir in einem Untersuchungsbericht,„ein Zinsfuß von 30 Prozent des Jahres der üblichste, aber die Zahlung von fünfzig Prozent für drei Monate keine Seltenheit". So wurde der Grundherr immer reicher, die Fellachen immer ärmer: so war es seit je! Warum, soll es anders werden? So meinen die Effendis. Aber die Neugestaltung der Dinge in Palästina kündigt auS der Entfernung doch irgendwie eine Erschütterung dieser sozialen Ordnung an. Da liegen über das Land verstreut jüdische Bauernsiedlungen: Kibutze heißen sie. Sie sind die Erfüllung sozialistischer Utopien. In diesen kleinen Bauernrepubliken gibt es kein Privateigentum. Grund und Boden gehört dem Nationalfonds, und alles andere, was hier gemeinsam erarbeitet wird, gehört allen gemeinsam. Die Fellachen kommen aus ihren erbarmungswürdigen Lehmhütten, die sie vielfach mit ihrem Vieh teilen, in die Kibutze häufig zu Besuch. Sie betrachten mit Staunen die großen betonierten Kuhställe voll hochgezüchteten Viehs, die Farmen mit tausenden Raffehühnern, Vie Traktoren und Mähdrescher und die wohlbestellten Gärten und Felder. Und dann erfahren sie, daß die»jüdische Kuh", eine hochwertige Kreuzung zwischen holländischer Kuh und der Bulle aus Da maskus , das sieben- bis neunfache an Milch der armseligen»arabischen Kuh", daß die»jüdische Henne" das dreifache der„arabischen ", der»jüdische Weizenboden" das doppelte und mehr des »arabischen " liefert, ja daß selbst die frei von Blüte zu Blüte flatternde Biene das zehn- bis zwölffache an Honig in„jüdischen Körben" erzeugt. Und sie vergleichen ihren Jammer, die Schutzlosigkeit ihrer dürftigen Existenz vor den Gcundherren und Dorfwucherern mit der Behaglichkeit und Sicherheit des jüdischen Bauern— das erweckt begreiflicherweise auch neidvolle Gedanken, aber darin mischen sich doch auch schon dunkle unausgesprochene Erwägungen, ob die uralte soziale Ordnung und ihre durch Ueberliefe- rung geheiligten Gesetze noch zeitgemäß seien. Die Effendis fühlen sich beunruhigt. Ja, es soll nicht bestritten werden, daß das ganze Land an der jüdischen Einwanderung reichlich gewonnen hat. Palästina wurde im letzten Jahrzehnt von einem großartigen asphaltierten Straßennetz durchzogen, eine 60 Kilometer lanae Wasserleitung nach Jerusalem ist eben im Bau, Schulen und Spitäler für Araber wurden errichtet, kahle Gebirgshänge aufgeforstet— die Staatseinnahmen sind, eben dank der prosperierenden Wirtschaft, trotz Steuernachlässen für die Araber von 878.000 Pfund im Jahre 1921 auf rund fünf Millionen Pfund in diesem Jahre gestiegen, man konnte Einiges leisten. Aber die Effendis sagen: Lieber Armut als Juden! Sechzehntausend Hektar haben die Juden den verpesteten Sümpfen entrissen und eben ist der jüdische Nationalfonds daran, die fünfeinhalbtausend Hektar große Hule-Ebene von Sumpf und Malaria zu befteien. Aber die Effendi sagen: Lieber Sumpf als Juden! Lieber die Malariapest als die Judenpest l Den armen Fellachen würde diese Logik nicht ohne weiteres einleuchten, denn bisher sind sie mit den Juden nicht gar so schlecht gefahren. Wo die Juden bei den arabischen Großgrundbesitzern Boden erworben haben, wurden die arabischen Pächter, die darauf saßen, nicht unbillig abgestiftet, obgleich kein Gesetz zu dieser Abfindung zwingt. Wo die Juden durch Enffumpfung neuen Boden gewonnen, wurde den Arabern freiwillig ein Drittel zur Verfügung gestellt. Und daß die Steigung der Löhne für ihre Arbeit und der Preis für ihre landwirtschaftlichen Produkte eine Wirkung der Judeneinwanderung ist, das haben sie sonnenklar erkannt. Warum also sollten die Juden schlimmer als Armut und Pest fein, die doch so wirksam Armut und Pest bekämpfen? Aber die Effendis, die zwar als Privatleute ihren Boden den Juden gerne zu h«chen Grundpreisen verkaufen, kommen als Politiker der primitiven Logik der Fellachen schnell zur Hilfe; sie sagen: Palästina ist seit zwölf Jahrhunderten arabisches Land. Und nun strömen die Juden aus aller Welt herbei, um es uns zu entreißen, um eipe Judenherrschaft über uns Araber aufzurichten. Und der Mufti kommt, das religiöse Oberhaupt der palästinensischen Araber. Nach hohen Zielen strebt sein ehrgeiziger Sinn. Er träumte einmal, hier in Jerusalem das Kalifat neu aufzurichten, aber mindestens Jerusalem zum Zentrum einer pan-islamischen oder doch einer panarabischen Bewegung zu erhöhen. Sollen sich aber die acht Millionen Araber Syriens , Transjorda- nienS, Arabiens und des Irak um ihn scharen, dann muß er ihnen als Vorkämpfer des bedrohten Islams, als Schützer seiner gefährdeten heiligen Stätten erscheinen. So werden aus dunklen Motivn nationalistische und religiöse Urtriebe aufgewühlt. Abgründe des Hasses zwischen blutverwandten Völkern aufgerissen. Kein vernünftiger Jude glaubt, daß Palästina je zu einem Judenstaat werden könnte. Die Juden wünschen in Palästina eine Heimstätte zu finden. Aber nur eine Heimstätte! In friedvoller Nachbarschaft mit den Arabern. Datum kann/Palästina niemals anders als ein binationaleS Gemeinwesen sein, in dem keine der beiden Nationen über die andere herrscht. 1929, als die Juden in Palästina noch gering an Zahl, da glaubten die arabischen Nationalisten, die Juden einfach ins Meer Iverfen zu können, um die Palästinafrage resolut zu lösen. Damals gab es dort nur 160,000 Juden, ungefähr 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. Heute ist die Zahl der Juden in Palästina doppelt so groß, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ungefähr ein Drittel. Die Araber erkennen, daß mit den Juden als geschichtliche, unabänderliche Tatsache des Landes zu rechnen sei— man spricht nicht mehr von Gewalt, vernünftige arabische Führer denken schon insgeheim an einen Modus vivendi. Der moderne Kapitalismus, der mit dem jüdischen Kapital einbricht, die modernen' sozialen Ideen Europas , die mit den jüdischen Arbeitern iys Land fluten, zernagen unmerklich die frühmittelalterliche soziale Ordnung der arabischen Welt. Dagegen wehren sich begreiflicherweise die Nutznießer der Ordnung: Grundherrenklasse und Klerus, Effendis und Muftis . So klafft in dein Gegensatz zwischen Arabern und Juden der Gegensatz in Arbeit, Wirtschaft. Lebensform, Denkweise von zwei Jahrtausenden: sinnfällig auf Aeckern, im Nebeneinander des hölzernen, von abgemagerten Kühen gezogenen arabischen Pflu-, ges und des von Traktoren gezogenen sechsfachen schweren jüdischen StahlpflugeS. Oder noch drastischer im Nebeneinander der tief verschleierten Araberfrau, von der nicht das Nasenspitzchen zu sehen ist, und dem jüdischen Mädchen, das in kurz anliegenden Höschen und nakten Beinen pon der Arbeit heimkehrt. Aber dieser Gegensatz der gesellschaftlichen Kräfte wirkt im Untergrund, vielleicht, ja wahrscheinlich ihren Trägern unbewußt. Er schließt keineswegs von Fall zu Fall eine Verständigung aus, die mit Feingefühl und Toleranz die nationalen und religiösen Ressentiments der Araber mit den Lebensinteressen der eingewanderten Juden in Einklang bring. Die Prosperität des Landes hat die Leidenschaften gedämpft: Die Ernte will eingebracht werden. Mer das Problem besteht in seiner bollen ernsten Bedeutung. Es ist das innere Kardinalproblem Palästinas. Rat und Belehrung finden unsere Gemetndevertreter in reichem Matze in der »Freien Gemeinde“ Redaktion und B-r»> attuna. Drao XII.. Mchova 62/V.
Ausgabe
15 (16.7.1935) 163
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten