Mittwoch, 24. Juli 1935 15. Jahrgang nmMs79iMir (•htcMMiidi i H«llar r«M Nr. 170 IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME 0« MONTAG TÄGLICH FRÜH. HD Aktion und Verwaltung hao xiu fochova a. telefoh jjotf. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR « WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEURi DR. EMIL STRAUSS, FRAG. England besteht auf der Ratstagung Krinsdies Stadium— Gemeinsame engiisdi-iranzösisdie front? Paris . Die französische und die britische Regierung habe« ihre Zustimmung bekundet, daß der Völkerbundsrat in der nächste« Woche Zusammentritt, wie dies der gegenwärtige Vorsitzende, Volks Kommissar Litwinow , festgesetzt hat. Die beiden Regierungen habe« sich dahin geeinigt, dass bei den Verhandlungen des Völkerbundsrates gemäß Art. 15 des Völkerbundpakies vorgegangen werde« wird. Der Artikel 15, steht zurrst die Prozedur, die E» 4u e t e, den Bericht im Rate und eventuell den Appell an die Völker- lundorrsammlung vor. Trifft der Rat keine Der italienisch-abessinische Konflikt tritt in das kritischeste diplomatische Stadium ein. Das britische Kabinett nahm am Montag, wie die Nachrichten aus London übereinstimmend bestätigen, einen entschiedene» Standpunkt ein, über den der britische Botschafter noch am Abend Laval unterrichtete. Der Völkerbund wird sich über Verlangen Englands nicht nur mit dem ersten Streitpunkt betreffend das Gebiet von Ual-Ual und die Ernennung eines fünften Schiedsrichters, sondern auch Mit dem italienisch-abessinischen Gesamtproblem befassen. Der Generalsekretär des Völkerbundes Ave- Aal sucht in den Unterredungen mit den Staatsmännern und namentlich mit jenen, die an der Bölkerbundtagung teilnehme» werden, die letzten Möglichkeiten einer Arbitragelösung im italienischabessinischen Konflikt. I« französischen informierte« Kreisen wird erklärt, daß Frankreich an seiner Politik festhalte. Es ist selbstverständlich, daß Frankreich im Hinblick aas die Annäherung an Italien bemüht sein werde, die Meinungsverschiedenheiten z« überbrücken, aber ans der anderen Seite nicht zulaffen werde, daß die Grundsätze des Lilkerbundes verletzt«nd im Rate ein gefährlicher Präzedenzfall für die Ankunft geschaffen werde. Insbesondere wird schon jetzt mit afler Entschiedenheit der Ansicht widersprochen, als ob Frankreich eine Lösung unterstützen würde, durch welche in dem Falle, daß der Völkerbund zu keiner einstimmigen Entscheidung käme, wie dies der Artikel 15 vorsieht, nach der dreimonatigen Frist die italienischen militärischen Maßnahmen in Ostafrika legalisiert würden. Der Pariser „st i g a r o* erinnert Musso lini daran, daß während des Weltkriege- die deutschePropagandainAbessinien liege« Italien arbeitete und bemüht war, den Kaiser zu bewegen, die Situation zu benütze», sich Erhthräas zu bemächtigen und so Italien im Rücken anzugreifen. Abessinien habe sich aber zu diesen gegen die Entente gerichteten Intrigen nicht hergegeben. Erinnere sich Italien auch heute noch daran? Italienische Presse scharf gegen England Rom.(Stefans.) Die Meldung der englischen Presse, daß die britische Regierung das Waf- stnauSfuhrverbot nach Abessinien aufgehoben habe, wurde in Italien mit großer Erbit- Irrung ausgenommen. In ihren Kommentaren in dieser Meldung hält die Presse mit Angriffe« gegen England nicht znrück. „Feindliche Handlung „Giornale d'Jtalia" schreibt: England wird weiterhin Waffen nach Abessinien liefern, während bi, andere« europäischen Staaten diese Waffen- nusfnhr nach Abessinien eingestellt haben. Das Verhalten Englands ist rin klarer Beweis dafür, daß zwischen England«nd Abessinien ein« a k. einmötige Eutscheilmng, so steht beiden Partei«, «achAbla»fdrrierM»uateHa«d- lungSfreiheit zur„Verteidigung des Rechtes und der Freiheit" zu. tive Solidarität besteht. Italien , hciftt es weiter, wird diese englische Entschließung alS eine„feindselige Handlnng Englands gegen Italien " erachten. Ita lien wird diese englische Handlung sür heute»nd in Zukunft im Ange behalten. Niemand in Ita lien glaubt der Fabel, daß Großbritannien unparteiisch ist. * An zuständigen Londoner Stelle« wird jedoch erklärt, daß die britische Regierung bisher keine Entscheidung in der Frage der MunitiowS- ansfnhr nach Abessinien getroffen.hat. „England wirbt um die Sympathien der Araber** Laut der Mailänder„St ampa" beschäftigen sich alle arabischen Blätter ausführlich mit dem angeblich von England mit größter Eile in Angriff genommenen Versuche, die ganze arabische Welt im abessinischen Streitfälle auf seine Seite zu ziehen."Es wird gemeldet, daß die Engländer in Jemen und Hed- schas , in Palästina, in Transjordanien, im Irak und natürlich auch in Aegypten in dieser Richtung eifrig tätig seien. Der britische Botschafter in Rom , Drummond, wirkte auf die italienische Regierung ein» da st es anerkenne, daß eine Darlegung des italienischen Standpunktes in dem Konflikt mit Abessinien unbedingt notwendig sei, es scheint aber, daß sich Italien dem widersetzt. 1300 von 25.000 Riesige Sterblichkeit unter den Italienischen Arbeitern Rom . Rach der amtliche« Statistik find in Ostafrika von einem Gesamtstande von 25.000 Arbeitern 1300 Ar- beitsunfällen und Krankheiten erlegen. Die Regierung beschloß, den Hinter- bliebenen Entschädigungen bis zu 30.000 Lire auszuzahlen. Kaisergeburtstag-Feier bei Absenz des Italienischen Gesandten Addis Abeba . Die Feierlichkeiten aus Anlaß des Geburtstages des Kaisers von Abessinien wurden am Dienstag durch Abgabe von 21 Salutschüssen eröffnet. Am Vormittag empfing der Kaiser im Thronsaal des alten Schlosses die Prinzen, die Minister und das diplomatische Korps. Der Doyen, der belgische Gesandte Janssens, brachte dem Kaiser die Glückwünsche dar,. Der italienische Gesandte und das italienische Gesandtschafts- und Konsulatspersonal waren zy dem Empfang nicht erschienen. Der italienische Gesandte begründete seine Abwesenheit mit dem italienfeindlichen Tone in der kürzlich vom Kaiser gehaltenen Rede. Ovationen kür den amerikanischen Geschäftsträger Als der amerikanische Geschäftsträger vom Empfang beim Kaiser zurückkehrte, wurden ihm stürmischeOvationen von der Bevölkerung dargebracht. Man schwenkte Fahnen und rief:„Es lebe Amerika !" Die Ovationen erfolgten, weil die amerikanische Regierung ame rikanischen Offizieren die Erlaubnis erttzttt hat, in der abessinischen Armee zu dienen und weil daamerikanische Rote Kreuz Abessinien seine Hilfe zugesagt hat. Tokio . Der japanische Kaiser hat dem Kaiser von Abessinien zum 44. Geburtstage ein Glückwunschtelegramm geschickt. Rückgang der Lira auf den Weltbörsen Rom . Als Grund für die Suspendierung der 40prozrntigen Golddeckung der Lira wird amtlich angegeben, daß dringend einige Zahlungsverpflichtungen an das Ausland in der Höhe von 300 Millionen Lira geleistet werden mußte«, »nd zwar„für Material, das Italien im Ausland gekauft hat", als» offenbar für K r i« g S- material. Die Regierung verspricht zwar, die Goldreserve bald wieder auf die alte Höh« zu bringen und erklärt, daß sie mit diesen Maßnahmen ihren Verpflichtungen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft(?) nachkomme. Falls dir Lira irgendwie angegriffen werden sollte» habe die Regierung die Möglichkeit, sofortige Stützungsmaßnahmen einzuleiten. In London hatte dje Lira auf der Geldbörse bei der Eröffnung am Dienstag einen scharfen Rückgang erlitten. In Londoner Finanzkreisen kam die Suspendierung der Golddeckung nicht überraschend. In P a r i s wird diese Währungsmatznahme als erster Schritt zur Devalvierung der Lira angesehen und als logische Folge der militärischen Operationen in Abessinien betrachtet. Der Lira- kurs ist von 133,40 auf 124 zurückgegangen, privat erhält man 100 Lira bereits für 110 bis 118 Francs. Baltikumkämpfer aufgelöst Ebenso der„Reichsbund katholischer Frontkämpfer“ Berlin . Der Reichsminister des Innern hat di« Auflösung des Reichsverbandes der B a l- tikumkämpfer(Bereinigung ehemaliger Grenzschutz- und Freikorpskämpfer) und aller sonstigen Verbände rheinaligrr FrrikorpSkämpfer verfügt.«Da im nationalsozialistischen Staat neben der Partei und ihren Gliederungen anderen Verbänden politischer Art ein Sonderlrben nicht mehr zugebilligt werden kann",— so kommentiert das DRV das Verbot» sei daS Verbot der- jenigen Verbände notwendig geworden, die sich nicht bereits selbst aufgelöst hätten. Gleichzeitig hat der preußische Ministerpräsident den„Reichsiund katholischer Frontkämpfer" einschließlich sein-d Untergliederungen aufgelöst. In der Begründung heißt eS» daß die Bildung konfessioneller Frontkämpferbünde nur geeignet sei, zur Spaltung der Volksgemeinschaft zu führen und in dir Frontkämpfer konfessionelle Gegensätze hineinzuttagen. Großbritannien wird, wie Renter meldet, bei der Tagung des Völker- bundrates eine volle Aussprache über alle Seite« des italienisch-abessinischen Konfliktes verlangen. Es gllt als wahrscheinlich, daß Minister Eden sich z« Ende dieser Woche«ach Genf begeben wird, nm als Vertreter Englands an der Sitz««« des Dölkerbundrates teilzunehmen. Das genaue Datum der Einberufung setzt der amtierende Vorsitzende des Völkerbundrates Lit winow fest, der gegenwärtig zur Kur in Karlsbad wellt. Trauerkunde, die auch unsere Arbeiter schmerzlich trifft, ist aus Wien gekommen: Genosse OttoGlöckelift Dienstag früh e in e m Herzschlag erlegen. Trauerkunde, die auch unsere Acheiter-ungemein schmerzlich trifft, nicht nur, weil jeder Genosse, jede Genossin von Glöckels gewaltigen Leistungen als Schulreformer weiß und ihn als Freund der Kinder verehrte, sondern auch deshalb, weil Otto Glöckel genau so uns gehörte, wie er den österreichischen Arbeitern gehörte. Er war unserl Er war von 1907 bis zum Ende des alten Oesterreich als Abgeordneter des Wahlkreises Joachimsthal-Graslitz-Neudek Vertreter der erz- gebirgischen Arbeiter im Wiener Parlamente, war also viele Jahre lang einer der ersten Vertrauensmänner der westböhmischen Arbeiterschaft, und einer ihrer geliebtesten. Wie sehr haben die Arbeiter seines Wahlkreises diesen liebenswürdigen, allzeit hilfsbereiten Mann geliebt, diesen arbeitsfrohen Kameraden, der zu seinen Wählern kam, so oft sie ihn riefen, der offenes Ohr und offene» Herz hatte für ihre Klagen, zu dem sie mit ihren großen und kleinen Sorgen kamen und der in jedem Falle Rat und Hilfe zu schaffen suchte! In den Jahren, da Otto Glöckel deutschböhmischer Parlamentarier war, knüpften sich zwischen ihn: und vielen Vertrauensmännern der Partei freundschaftliche Beziehungen, die keine Staaten- trennung zu zerreißen vermochte. Unvergessen ist im Erzgebirge , wo noch in gar vielen Arbeiterwohnungen Glöckels Bild zu sehen ist, unvergessen bleiben wird dort der Freund, der Genosse, der Kamerad, der Helfer und Führer. Und unvergessen lebt in den Herzen jener Vertrauensleute, die an unserem Teplitzer Landesparteitag im Jahre 1913 teilnahmen, Glöckel als Vorsitzender, Glöckel als Ankläger wider die nationalistische Bourgeoisie beider Nationen. Zum Kampf um die nationale Selbstverwaltung söllre jener Parteitag aufrufen— es war, als raffte sich das Proletariat in letzter Stunde zu letztem Rettungsversuch auf. Schon senkten sich die Schatten des Absolutismus, in deren Dunkel dreiviertel Jahre später spielerisch-verbrecherisch der Krieg angezettelt wurde, auf Oesterreich nieder. Die wuchtige Anflagerede Glöckels, das Schlußwort des Parteitages, war eine der letzten öffentlichen Anklagereden wider das altösterreichische System... So h<cken wir Otto Glöckel gekannt: als flu- gen und dabei mitreißenden Redner, als fleißigen Parlamentarier, als hilfsbereiten Genossen. Und wir haben ihn geliebt auch seiner Tapferkeit wegen, seiner Gesinnungstreue, die ihn Verfolgungen und Drangsalierungen als Selbstverständlichkeiten ertragen ließ. Denn als er 1907 zu den westböhmischen Arbeitern kam, war er längst schon bekannt als auftechter Kämpfer gegen die klerikal« Schulreaktion. Glöckel / der im Jahre 1874 all Sohn eines Lehrers in Pottendorf in Niederöster reich geboren worden war, hatte als junger Lehrer gemeinsam mit Seitz, mit noch ein paar frischen, mutigen Lehrern die Bewegung der»Jungen" ins Leben gerufen, jene freiheitliche Lehrerbewegung, die gegen die Verklerikalisierung der Schule und gegen den Luegerschen Gewissenszwang anstürmte. Glöckel wurde, wie mancher andere sozialistische Lehrer» seiner Gesinnung wegen gemaßregelt.— Jene jungen Lehrer, die für di« Freiheit der Schule, gegen den Gewissenszwang kämpften, erkannten, daß dieser Kampf nur in Gemeinschaft mit den Arbeitern geführt werden konnte, sie kamen— nicht alle, aber die meisten — zur Sozialdemokratie. Seit jener fernen Zett ist Glöckel in Reih und Glied mitmarschicrt. Nach der Gründung der Republik Oesterreich wurde Glöckel als Unterstaatssekretär in die Regierung gerufen, zuerst ins Innenministerium, dann ins Unterrichtsministerium, und hier legte er die Grundsteine zur Schulreform, hie freilich wirklich durchgeführt wurde nur in Wien , wo Glöckel nach dem Ausscheiden der Sozialdemokraten aus der Regierung Präsident des Stadtschulrates wurde. An der Spitze dieses Amtes hat er Große-, Unvergängliches geleistet. Unvergängliches! Denn wenn auch die»christlich"-autoritäre Regierung wie alle anderen fortschrittlichen Ein«
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15 (24.7.1935) 170
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