Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15. Jahrgang

Dementiert

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also wahr Was geht in der Heimwehr vor?

Wien . Freitag vormittags also 24 Stun den, nachdem die Wiener Berichterstatter ihren Blättern die sensationelle Nachricht über den ver­traulichen Erlaß gegeben hatten, durch den die Heimwehr als Bestrafung für ihr.., Politisie­ren" mit der Auflösung bedroht wird entschließt sich die Regierung zu der amt= lichen Feststellung, daß ein solcher Erlaß nicht ausgegeben wurde und die erivähnten Mel­dungen nicht auf Richtigkeit beruhen".- Demen­tis der österreichischen Regierung haben auch sonst den Vorzug, die Wahrheit der dementierten Mel­dung zu bestätigen, in diesem Fall aber ist diese Bestätigung durch besondere Ungeschicklichkeit be­sonders gut gelungen. Die Regierung wußte be= reits Donnerstag vormittags, daß die Nachricht über den Heimwehrerlaß ausgegeben wurde, sie wußte natürlich, daß diese Nachricht schon mittags in ausländischen Blättern stand, sie wußte natürlich auch, daß diese Meldung vom Wiener Berichterstatter des amtlich entsche­hoslowakischen Pre z bureaus weitergegeben wurde, aber sie hat während des ganzen Tages nicht den Mut gefunden, die Nach­richt zu dementieren. Es scheint also recht harte Kämpfe unter den vorschiedenen Regierungs­fliquen darüber gegeben zu haben, ob man demen­fieren solle oder nicht, Kämpfe, die einen gan zen Tag und eine ganze Nacht dauerten, bis man sich endlich auf ein Dementi einigte, das nichts weiter beweist, als wie unange­nehm es der Regierung ist, daß die Nachrichten über ihre Privatintrigen bekannt werden.

Starhemberg , augenblicklich ,, republika­nisch" orientiert, weil er seine Pfründen nicht mit Otto teilen will

Samstag, 3. August 1935

Mussolini ist zum Krieg entschlossen

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 179

Der Aufbruch

Die Verhandlung stockt der Neuheiden

Genf streitet um Worte

Aus allen Genfer Meldungen und aus den Pressekommentaren gewinnt man den erschüttern­den Eindruck, daß die europäische Diplomatie völlig das Maß verloren hat für das, was man den Völkern als ernste Verhandlung noch bieten kann. Unter der Flagge Völkerbundsrat und mit dem angeblichen Zweck einer Friedensvermittlung hat sich da eine Tagung von höheren Kon­zeptsbeamten etabliert, die redigieren, frisieren, adaptieren, recherchieren und am hellichten Tage mit einer Laterne vorsintflutlicher Diplomaten kunst das berühmte ,, Kompromiß" suchen, wäh­rend jedermann weiß, daß es dieses Kompromiß nicht gibt, sondern daß der Völkerbund vor der Entscheidung steht, entweder Abessinien und damit sich selbst, seine Autorität, seine Lebensberechtigung, seine Zukunft zu opfern, oder Mussolini durch Einsatz der gesamten Macht der Mitgliedsstaaten zum Frieden zu zwingen. Wornach man in Genf sucht, ist eine Ausrede. Man gibt sich den Anschein, daß es um Worte gehe, daß man den Fall beilegen könne, wenn man in der Resolution eine Sache nicht klar ausspricht, sondern umschreibt.

Beinahe müßte man Mussolini Dank dafür wissen, daß er durch seine Brutalität wenigstens das feine Spiel einer schönfärberischen und leisetreterischen Diplomatie immer wieder zer­trampelt.

Nachdem man ein Kompromiß gefunden hatte, das nichts weiter bedeutete, als das Verbot für Abessinien, vor der nächsten Rats tagung den Krieg zu beginnen, haben Rom und Addis Abeba diefe Resolution abgelehnt. Es wurde dann eine geheime Sigung zu Litwinow einberufen, die aber wieder nicht zustandekam. Freitag abends stockten also sämtliche Verhandlungen und es war unsicher, ob man noch im Laufe des Freitag zu einer neuen Verhandlung kommen würde.

Worum es bei der Resolution ging, zeigt der unten folgende Bericht der Pariser Blätter. Eine Lösung wäre die Annahme nicht gewesen. Die Ablehnung verschärft die Situation, klärt aber vor den Augen der Welt das Problem, wie es wirklich liegt.

Die italienische Preise reagiert wutschäumend auf die Reden im englischen Unterhaus, vor allem auf die Ausführungen Sir Samuel Hoares. Die französischen Blätter dagegen sind durch die Ausführungen der englischen Parlamentarier sichtlich zum Nach­denken gebracht worden, weil ihnen deutlich wurde, daß nicht ein intrigantes englisches Kabinett, sondern die öffentliche Meinung eines 50- Millionenvoltes hinter dem Wunsch steht, Mussolini in die Parade zu fahren, ja daß die schwächliche Haltung des Kabinetts weit hinter den Wünschen der Nation zurückbleibt. Den Franzosen schmeichelte auch die Erwähnung der vorbildlichen Kolonialpolitik des Marschalls Liautey durch Sir Samuel Hoare . Bezeichnend für die Autorität" Genfs ist, daß die gesamte Weltpresse dicht hinter den schönen Phrasen von Kompromis, Frieden und Völkerbund jeweils die Meldungen bringt, aus denen klar hervorgeht, daß man überall mit dem Krieg als größter Wahrscheinlichkeit rechnet. Das überholte Kompromiß

Baris . Die Genfer Korrespondenten der Pas riser Blätter melden, daß es nach den Verhand lungen zwischen den Delegierten Frankreichs , Englands und Italiens gelungen sei, eine prin­zipielle Einigung über den Tert der Resolution, durch welche einstweilen der italienisch­abessinische Conflikt geregelt wird, zu erzielen.

haben.

Eden soll in zwei Punkten nachgegeben

1. Beharrt er nicht darauf, daß die Ver­pflichtung der beiden Parteien, nicht zu den Waffen zu greifen, ausdrücklich in den Text der Resolution aufgenommen werde. Mussolini habe nämlich gestern erklärt, daß dies für die öffent­liche Meinung Italiens unannehmbar wäre. Es wird wahrscheinlich nur ganz allgemein des italie­nisch- abessinischen Vertrages vom Jahre 1928 Er­

Zum Konflikt Danzig- Polen

Polen droht: ,, mit allen Mitteln"

wähnung getan werden, dessen Artikel 2 und 5 diese Angelegenheit betreffen.

2. Eden fordert nicht, daß der Tert der Re­solution direkt die Worte enthalte, daß Abessinien an den fünftigen Verhandlungen betreffend die Geltung des Vertrages vom Jahre 1906 teils nehme. Es werde lediglich ohne nähere Bezeich­nung gesagt werden, daß an den Verhandlungen Die interessierten Staaten" teilnehmen werden Demgegenüber foll aber der britische Delegierte unnachgiebig an zwei anderen Punkten festgehal­

ten haben:

1. fordert er, daß die Verhandungen bezüg­lich der Geltung des Vertrages vom Jahre 1906 unter den Auspizien des Völkerbundes erfolgen.

und die Sudetendeutschen

In der Gleichschaltung des Sudetendeutsch­tums mit der Hitlerbewegung ergibt sich zun: erstenmal ein wirklich ernstes Hindernis. Als Henlein das Erbe der Jung und Krebs übernahm und daranging, das Sudetendeutſchtum im Zeichen Hitlers zu totalisieren, fand er, von einer fleinen Gruppe des liberalen Bürgertums abgesehen, eigentlich nur beim Marrismus Wider­stand. Die bürgerlichen Rechtsparteien gehörten ihm ohnehin. Die sogenannte Mitte bemühte sich um den Beweis, daß sie mindestens ebensoweit rechts steht wie die Deutschnationalen. So haben Bund der Landwirte und Gewerbe= partei, Roschegruppe und Christ lich soziale selbst die Legitimation zu der Attacke gegen ihren Weiterbestand geliefert, ihren Anhängern täglich Beweise dafür geliefert, daß ihre politische Sonderegistenz im Grunde überhol: sei. Der B. d. 2. hat sich zu spät, um noch Wesentliches reften zu fönnen schließlich eines Besseren besonnen. Die Christlichsozialen blieben bis zur Wahl und nach der Wahl dabei, daß sie durch völlige Gleichschaltung der Vernichtung am ehestens entgehen könnten. Nimmt man dazu. daß der überwiegende Teil der bürgerlichen Presse sich von allem Anfang bedingungslos für Hitler, nur ein winziger Bruchteil sich fla: gegen ihn erklärt hat, so haben wir das Gesamt­bild eines glatten Weges, den Henlein ohne Schwierigkeit bewältigen konnte.

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Das erste ernsthafte ideologis sche Hindernis, das er zu nehmen hat, ist die Katholitenverfolgung im Dritten Reich . Die Setendeutschen sind dem Taufschein nach in überwältigender Mehrheit katholisch. Dem politischen Satholizismus hingen auch n der Zeit seiner größten Entfaltung also 1925 freilich nur schwache 20 Prozent der Wahl­berechtigten an. Andererseits liegt die Grenze die zwischen den bewußt katholischen Deutschen allerdings nicht mit den unbedingt und streng fir­chengläubigen identisch sind wieder höher als 20 Prozent, aber natürlich auch viel tiefer als die Konfessionsgren.ze. Be wußte- wir sagen nicht: völlig überzeugte und gläubige, sondern bewußte. Katholiken gibt es unter den Bauern, den Gewerbetreibenden, auch unter den nationalen Kleinbürgern. Insgesamt mögen sie, die politi=

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schen Lager quer schneidend, 50 bis 60 Prozent der Nation umfassen. Aber sicher ist nur die Hälfte davon so gläubig, daß sie einem Einfluß von der Kanzel aus und im Beichtstuhl unmittel= 2. fordert er, daß bereits jetzt das Datum bar zugänglich ist. Andererseits muß man mit der fünftigen Tagung des Völkerbundrates den bewußt und gefühlsmäßig vorhandener wahrscheinlich der 4. September- festgesetzt fatholischen Sympathien der genannten 50 bis werde, welche sich eingehend besonders mit der 60 Prozent rechnen. Insgesamt ist es eine abessinischen Angelegenheit befassen wird, ob nun schwierige psychologische Rechnung und das er­die Schiedskommission ihre Arbeiten beendet has flärt ja auch die unsicher: Haltung, die das Su ben wird oder nicht. detendeutschtum zu Hitlers Kirchensturm ein­nimmt. In Ländern, wo der religiöse sich mit Italien für die Resolution... dem politischen Katholizismus annähernd deckt in weiten Kreisen Deutschlands and in Dester­Genf. Wie der Reuter- Korrespondent er- reich war leicht zu übersehen, wen man für fährt, ist eine vollständige Einigung über den Resolutionsentwurf erzielt worden, der dem Völkerbundrat vorgelegt werden soll. Italien hat dieſe Reſolution in ihrer endgültigen Form an­genommen.

... aber es rüstet weiter

Rom.( Reuter.) Es verlautet, daß ein morgen zur Veröffentlichung gelangendes offi­zielles Kommuniqué zwei weitere Divisionen un­ter die Waffen berufen und das Verbleiben des Jahrganges 1912 unter den Waffen anordnen vollständige Jahrgänge, d. f. ungefähr 900.000 Mann gleichzeitig unter den Waffen stehen.

Warschau . Zu der Demarche des diplomati -| Stadt bereit sei, Beratungen über den gesamten schen Vertreters Polens in Danzig Minister Pa- Kompler der aktuellen polnisch- Danziger Wirt­pée beim Senatspräsidenten Greiser betreffend die schaftsangelegenheiten anzuknüpfen. Minister Pa­Anordnung des Senates über die Oeffnung der pée erwiderte darauf, daß Polen nicht früher ir­Bollgrenzen wird mitgeteilt: Minister Papée for- gendwelche Verhandlungen aufnehmen werde, be= derte im Namen der polnischen Regierung die vor Danzig seine Anordnung nicht zurückziehen flare Präzisierung der Motive, welche den Senat werde. Er fügte hinzu, daß die polnische Regie­der freien Stadt Danzig zu diesem Schritt be- runga II e Mittel anwenden wogen. Er erklärte insbesondere, daß die Angele- werde, um dieses Ziel zu erreichen und dies­genheit gegenwärtig für Polen nicht nur wirt- bezüglich über entsprechende Mittel verfüge. Diese schaftlichen, sondern politischen Charakter ange- mündliche Intervention des Generalfommisärs wird. Auf diese Weise werden in Italien vier nommen habe und daß Danzig den gefährlichen der polnischen Regierung in Danzig soll dem Weg der einseitigen Entscheidung betreten habe, Vernehmen nach durch eine schriftliche Note der welche die polnisch- Danziger Abmachungen ver- polnischen Regierung unterstübt worden sein, die lebte. Senatspräsident Greiser erwiderte, daß dem Senate der Freien Stadt Danzig übermittelt die Anordnung des Senates ausschließlich wirt wurde. Wie ferner aus Danzig gemeldet wird, hat schaftlichen und vorübergehenden Charakter besize und durch den Notstand der Lage der Freien Stadt der Völkerbundskommissar für Danzig, Lester, berursacht wurde. Minister Papée lehnte die An- der sich gegenwärtig auf Urlaub in Jrland befin erkennung eines Notstandes ab und erklärte die det, auf dem Luftwege die Rüdtehr nach Danzig Bereitschaft Polens zur Lieferung von Lebensmit- angetreten. Die beschleunigte Rückkehr steht n teln für die Freie Stadt gegen langfristige Kres Verbindung mit der scharfen Zuspitzung des Kon­dite. Der Senatspräsident Greiser dankte für das fliktes zwischen Polen und der Freien Stadt Angebot und erklärte, daß der Senat der Freien Danzig .

Die Antikirchenpropaganda

Braunsberg ( Ostpreußen )( DNB) Tas Schöffengericht verurteilte heute den Erzpriester Siegfried Hoppe aus Mehljac zu 6 Monaten Gefängnis, den Erzpriester Alois Schulz aus Braunsberg zu 8 Monaten Gefängnis und den Kaplan Josef Sauermann aus Braunsberg zu 4 Monaten Gefängnis wegen öffentlicher Ver­leumdung eines Polizeihauptwachtmeisters..

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und gegen sich hatte, wenn man den Katholizis­ein Rätselraten. Darum wagt weder die Hen­mus angriff. Bei den Sudetendeutschen ist das feinpreſſe offen für die Neuheiben, noch die christ­

lichsoziale, energisch gegen Hitler vorzugehen. Die Schriftleiterpresse windet sich mit einerseits. andererseits" und für und wider" durch das un­übersichtliche, an Fallen reiche ideologische Ge­

lände.

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Das sudetendeutsche Bürgertum hatte ein: starke liberale Tradition. Aber das würde heute nur bedeuten, daß es den Hitlerismus weitgehend ablehnen müßte, denn der Rest- Liberalismus

sympathisiert eher mit dem Vatikan als mit Strei cher. Aber die liberale Tradition der sudeten deutschen Bürger und Kleinbürger ist nicht erit durch den Hitlerismus verschüttet worden, sie war längst verdorben durch die Los von Rom- Bete­gung Schönerers, die zivar zahlenmäßig ein be­fannt flägliches Ergebnis, aber ideologisch tief­gehende Folgen hatte. Sie korrumpierte die an­ständige und gerade, geistig flare liberale Hal­tung der gebildeten Schichten. Sie setzte an die Stelle einer freiheitlichen, dogmenfreien Welt­anschauung berschwommene nationalistische, ras­