Seife 6

Sozialdemokrat"

Freitag, 16. August 1935. Nr. 190

Kunsl und Mssen

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llus der Tarter

der Rue St. Martin oder mit einer anstän­digen Frau.

SJ Prag . Wanderung am Sonntag, de« 18. August, Treffpunkt Endstation der 17er und 21er Elektrischen in Branik.

ist, nur daß im Film der heldische Liebhaber männ­lich verzichtet und einen selbstmordähnlichen Helden­tod stirbt. Unter der Regie Jack Eonways sind viele eindrucksvolle Szenen vom Seekrieg und vom Hafentrubel entstanden, während die Liebesgeschichte recht konventionell dargestellt ist, Weder Robert Montgomery noch Magde Evans können Leidenschaft glaubhaft machen, und am sichersten er­scheint noch Walter H u st o n in der Vaterrolle. Sprachlich mißraten sind die deutschen Kommandos auf den feindlichen Schiffen: man ahnt oft nur, daß es deutsche Worte sein sollen.

Erika Mann wieder in Prag . Erika Mann , deren erstes Gastspiel in Prag bis zur letzten Vor­stellung ausverkauft war, ist nach einer dreimona­tigen Hollandtournee und einem Gastspiel in den tschechoslowakischen Bädern, wieder nach Prag zu­rückgekehrt. Ihr Ensemble unter denen Therese Giehse und Lotte Goßlar, allen Besuchern der Pfeffermühle" noch in guter Erinnerung sein dürften, bringt diesmal in der Kleiner. Bühne ein vollständig neues Programm. Premiere heute abends, 8 Uhr. Preise XL 5. bis XL 45.. Vorverkauf: Deut­sches Haus, N. Deutsches Theater , M. Truhlär.

Magda Schneider in dem LustspielDie Katz' im Sack".

Die Metro Die rote Lampe der Untergrundbahn leuch­tet durch die Dämmerung. Wer je den gleichen Weg durch seine finstere Vorstadtstraße gemacht hat, die Glieder noch zerbrochen vom vergangenen Tag der Arbeit, die Augen gerötet vom ungenü­genden Schlaf, der kennt die Gefühle dieses mor­gendlichen Gangs. Der kennt die Angst vor dem erwachenden Tag. Jeden Morgen windest du dich durch den feuchtlauen Schacht, durch die gleichen Gestalten. In den langen Sälen der Fabriken, in muffigen Speisehallen, in dröhnenoen Unter­grundwagen, vor gleichgültigen Einstellungs­beamten, in wanzenverheerten Schlafhotels, wer­den sie einander ähnlich, bekommen Männer und Frauen die gleichen, grauen Gesichter. Einge­klemmt, die Lungen gepreßt von der saueren Aus­dünstung der Menschen, denen der Schweiß des vergangenen Arbeitstages noch in den Poren haftet, ein leeres Gefühl in den Schläfen, erfaß! dich die ganze trostlose Richtigkeit deines Seins. Und doch fieust du dich. Bis du ankommst, wird es Tag sein. Die Sonne wird scheinen, du wirst einen Augenblick unter grünen Bäumen ge­hen, bevor du dich den Reihen anschließt, die zu den Stätten der Arbeit wimmeln. Bevor du dein Ich hinwirfit, für das Brot, das du heute essen wirst.

Marmelade aus geschälten Zwetschge«. 2 Kg. geschälter Zwetschgen, netto gewogen, d. i. von Schalen und Kernen befreit, werden durch die Fleischmaschine getrieben und dann mit 2 Kg. Zucker 10 Minuten brausend durchgekocht, dann wird der Inhalt einer Flasche Opekta und der Saft von 1 bis 2 Zitronen hineingerührt. Man läßt nochmals auf­wallen und gießt die heiße Marmelade sofort in die Gläser. 2028/2

Beitragswesen sowie alles andere in voller Ordnung bleibt. Organisationsarbeit und technische Arbeit fio> aufeinander angewiesen und gemeinsam zu verrich­ten. Jeder helfe mit!

Urania-Kino, Klimentskä 4. Fernsprecher 61623.

Chinesenviertel Bestürzt über die graue Trostlosigkeit des europäischen Vorfrühlings, banden die Kinder

Bett. Aber ich nehme mir vor, den letzten freien Tag zu genießen. Nach der Oper Als ich aus der Oper trat, empfing mich ein Meer von Lärm und Licht. Türsteher in seidenen Strümpfen, schwarzen Kniehosen, befrackt, flan­kierten die Ausgänge. Die dumpfe Hitze, die mir aus dem Schacht der Untergrundbahn entgegen­schlug, bewog mich, weiter durch die Straßen zu streifen. Ich wählte keine Richtung. Ganz jenem Gefühl der Zeitlosigkeit und Unpersönlichkeit hin­gegeben, in das wir uns versenken können, wenn wir im Strom der Masse treiben. Umwogt von den Atem- und Herzstötzen tausender Genoffen unserer Art, die scheinbar gleichgültig und doch durch unüberbrückbare Gesetze verbunden, an­einander vorübergehen. Die rollenden, kletternden, jäh verlöschenden und wieder aufflammenden kalten Lichter der Reklamen sprangen mir schmerzend in die Augen. Die Geräusche der Straße lagen mir als Brau­sen in den Ohren, das wie von innen kam. Denn trotz seines Donners hat der Lärm in Paris etwas Gedämpftes. Es ist, als ob Schall an Schall stür­be, Geräusche in sich selbst ertränken. Das Dröh­nen der Omnibusse, die Musik ungarischer Zigeu­ner, die Gespräche der Leute auf den Kaffeehaus­terrassen, alles klingt nur halb, verrinnt, ver- flaut, in diesem Meer von Atem, Gedanken. Lauten.... Elegante Freudenmädchen umwirbeln die Paffanten. Ich erwehre mich ihrer mit Wehmut. In meiner Lage muß man mit den billigen Mäd-

Mitteilungen aus dem Publikum. Sind Sie geistig oder körperlich ermüdet? Maffieren Sie Ihren Körper! Dies geschieht am erfolgreichsten mit unverdünntem Franzbranntwein Alpa. Eine solche Maffage Verbeffert den Blutkreis­lauf, stärkt die Muskeln und erfiischt die Nerven. Beraten Sie sich mit Ihrem Arzte über die Art der Maffage.

Unterseeboot A L 14 Wenn Muffolini sich seinen abeffinischen Feld« zug nicht im letzten Augenblick noch abhandeln läßt, werden wir die nächsten Kriegsfilme bald in der Wochenschau zu sehen bekommen. Und sie werden leider echter sein als die Filme, die im Weltkrieg spielen und die Schrecken des Bölkermordens als Hintergrund für schwermütig-fiebrige Liebesgeschich­ten und heldische Aiännerschtcksalt verwenden. Der amerikanische Film vom U-Boot A L 14 ist unter diesen Weltkriegsfilmen nicht der schlechteste. Es gibt Szenen in ihm, die seinen ursprünglichen TitelDie Hölle da unten" rechtfertigen: wenn wir torpedierte Kreuzer hoffnungslos versinken sehen, wenn ein Flugzeuggeschwader eine Bootsmannschaft erbarmungslos abschlachtet, wenn das im Minen­hagel auf Grund gelaufene U-Boot nicht mehr flott zu werden und die Besatzung langsam zu ersticken droht. Daß die Matrosen nicht nur. wenn sie zwi­lchen zwei Todesfahrten an Land sind, sondern auch m der Hölle unten noch derbe Witze machen, sieht nach absichtlicher Stimmungsbelebung aus aber ganz unglaubhaft ist auch das nicht. Störend ist nur die Liebesgeschichte des U-Boot-Leutnants und der Kapitänstochter, die ein Luftangriff zusammenführt und die nicht mehr auseinander wollen, obwohl die Geliebte einen Ehemann lim Lazarett) und einen sehr strengen Vater hat, der mit seinem Leutnant ungefähr so umgeht, wie der große Kurfürst lnach Kleist) mit dem Prinzen von Homburg umgcgangen

Organisation und Techniker Was kümmert mich die Organisationsarbeit, sagt der berühmte linke Flügelstürmer unserer Fuß­ballmannschaft,das geht mich nichts an, ich habe zu spielen und Tore zu schießen, Punktum!" Los! Schuß! So ähnlich wie der Fußballer, redet auch der Turner, der Schwimmer, die Sportler aller Spar­ten. Sie leisten, rein technisch gesehen, vielleicht ganz gute Arbeit, kommen pünktlich zu den Uebungstzun- den, machen die Feste und die Wettkämpfe mit, übersehen aber dabei, daß ihre ganze Tätigkeit ver- einsmäßig nicht möglich wäre, wenn nicht die Orga­nisationsarbeit des Vereines die Grundlagen hiezu schaffen würde. Denn alle Sportausübung, unser technischer Betrieb, ist erst dann möglich, wenn die organisatorischen Grundlagen hiezu geschaffen sind. Würden wir in den Vereinen nur die technische Ar­beit leisten und uns um nichts anderes kümmern, so wäre auch der technische Betrieb'in kurzer Zeit am Ende angelangt. Es ist daher Pflicht aller Aktiven und Techni­ker. sich auch darüber Sorgen und Nachdenklichkeiten zu machen, wie das ganze Getriebe des Vereines ftisch und gesund erhalten werden kann. Die Be- schaffung der Plätze und Hallen, die technische Wei­terbildung, die Schulungsarbeit, die Sportpreffe, alles das sind wichtige Dinge, an die die Techniker und ausübenden Turner und Sportler einen Teil Mitarbeit schuldig sind. Insbesondere das Beitrags« wesen, also die Hcrbeischaffung der finanziellen Mit­tel zur Vereinsarbeit, macht mitunter unseren Spie­lern nicht geringste Sorge, ja, im Gegenteil, es gibt Sparten, die in der Erfindung von Fineffen,, um möglichst wenige Beiträge zu zahlen und doch spie- berechtigt zu sein, es direkt zu einer Meisterschaft gebracht haben. Trotz Schiedsrichter und Kontrolle werden die Büchel in raffinierter Art und Weste ,,in Ordnung" gehalten, ohne daß die vollständige Bei­tragszahlung vor sich geht, lieber die Wintermonat« werden ganz besondere Kunststückeln geübt und die verschiedenenla" und1b" freuen sich wie die Schneekönige, wenn sie den Vereinskassier irgendwie betakeln könne«. In Wirklichkeit schaden sie sich je­doch selbst. Es ist nicht nur unrichtig, alle Sorgen der Ver­einsgebarung dem Lchmann. Kassier, den Subkas­sieren usw. zu überlassen, und zu denken,die wer­den es schon schäften, was kümmert das mich". Nein, dieser Standpunkt schädigt den Verein, ruiniert nach und nach auch die Mannschaften in ihrer Leistungs­fähigkeit und schafft Aerger und Verdruß, den wir ja im Vereinsleben keineswegs brauchen können. Es ist eine berechtigte Forderung und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, daß jedes unserer Mit­glieder und insbesondere unsere Ausübenden uno Techniker, die sich in unserem Uebungsbetrieb Freude, Kraft und Gesundheit holen, auch an den Sorgen der VereinSerhaltung teilhaben und mithel­fen, daß die administrative Vereinsgebarung, die Herbeischaftung finanzieller Mittel, Melde- und

D. Kowa: HWWWDW A. Lucorna:Tarzan , der Söhn der A. Metro:U-Boot A. L. 14." Die Katz' im Sack." D. Praha :

Bezugsbedingungen: Bei Zustellung tn» Haus oder be: Bezug durch die Bost monatlich XL 16.. vierteljährig XL 48.. halbjährig XL 96.. ganzjährig XL 192.. Inserate werden laut Tarik billigst berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß. Rückstellung von Manuskripten erfolgt nur bei Einsendung der Retourmarken. Die Zeitungsfrankatur wurde von der Post- und Tele« »gllmbendirektion mit Erlaß Nr. 13.800/VI1/1930 bewilligt. Druckerei:Orbis". Druck-, Verlags- und ZeitungS-A.-G.. Prag .

einer wärmeren Sonne Rosen in die kahle" Zweige ihres Gärtchens. Duftlose Rosen auS Papier, rote, grüne, blaue, violette. Nun hocke« sie fröstelnd unter ihren Bäumen, traurige, gelbe Menschlein, farbenhungrige Sommersehnsucht ii" Herzen. Aber auch die Pariser Sonne tut ihr Mög' lichstes. Winzige, grüne Blättchen, echte, herzige Kinder des Frühlings gesellen sich allmählich 4" ihren saftlosen Ersatzgeschwistern. Wenn dc§ Abends die Sonne durch die Zweige leuchtet« glänzt es in andächtigen Schlitzaugen wie ei" fröhlich gerührtes Heimatfinden. Die sinkende« Strahlen aber sammeln sich glühend in den pa« pierenen Kelchen und glänzen dort purpurn und flüssig, wie edles Blut in köstlichen Schalen. Gang von der Arbeit Der Tag verdämmerte, als ich von Renault durch Billancourt aus der Arbeit ging. Die Lust wahr kühl, beinahe duftig, trotz der gewaltige" Schornsteine. Aber der Abendwind hatte RavÜ und Dunst verweht. Das nächtliche Paris wat verborgen hinter vielen Häuserreihen, die i<6 heute nicht durchschreiten wollte. Das Märchen der nächtlich pulsenden Großstadt war mir Alltag geworden und ich erzitterte vor dem Wunder der Natur, das hier, dicht an den Flanken des Mauerkoloffes, seine Zelte auffchlägt. Hier gehe ich als Mensch, wie er vor Jabs« tausenden ging. Im Schauer der sinkenden Nacht« in Scheu vor den Sternen.... Adolf Bolkmann.

Wiedereröffnung des Urnnin-KinnS! DaS entzückende Lustspiel "Jugend voran** Mit der groben Starbesetzung Liktor de K»««, Uriolo Grable«, Iunkrrmann, Weftermeder, Rer usw.! Lorilellungen bald 6, halb 0 Uhr. DaS Kino ist gut gekühlt.. Sommerpreisel

Filme in Prager Lichtspielhäusern Adria:Legong." Liebesroman von der 3"* fei Bali. Alfa:Die Karnevalsnacht." Gustav Fröhlich . D. Avion:Ein junges Mädel ein junger Mann. D. Beranek:Den Himmel auf Erden." Fenix:Tarzan , der Sohn der Wild« nis." Flora:Zirkus Barnum." A. Gau­mont:Die Katz' im Sack." D. Hollywood : Der Kosak und die Nachtigall." D. Hvezda: Das Recht auf Glück." Jnlii:Endstation/ Paul Hörbiger . Rur bei uns. D. Kornmr:Die Spur des Todes." D. Kotva:Die gefährliche Blonde."~ Wildnis. Paffage:... Kitty stiehlt sich ins Glück." D. Radio:Abends um 8." Skaut:Charlie Chans Mut." A. Alma:Der Palast auf Rädern." Belvedere : Ihr größter Erfolg." D.Beseda :Brennendes Geheimnis." D. Carlton:Abends um 8." kl- - Illusion:Die törichte Jungfrau. D. Louvre: Abends um 8." A. NLaceöka:Die törichte Jungfrau." D. Roxy:Den Himmel auf Erden/ D. Sport, Smichov :Der heldenhafte Kapitän Korkoran." U Bejvodü:Ich geh'-aus und d" blechst da." D. Baldrk:Abends um 8;" A.-* Urania-Kino:Jugend voran!"

Ausländer in Paris Dor der Fabrik Müder Gänsemarsch durch morgendliches Dun ­kel. Stolpern über glitschige, durch Bohrmaschinen aufgewühlte Erde. Vorbei an den schmalen Schienensträngen der Abfuhrbahn, die mit ihrer Miniaturlokomotive tot in der Remise stand. Denn es war noch Nacht für die Welt, die nicht nach Ar ­beit suchte. Vor dem Einstellungsbureau ergossen sich immer neu an rückende Gruppen in einen wirren,' wartenden Menschenknäuel. Dumpfer Geruch I dampfte aus schmutzigen, vom Morgentau durch-> tränkten Kleidern. Neben mir stand einer, der i splitternackt nur in einem Havelock stak, ohne> Kopfbedeckung, die bloßen Füße in Filzpantoffeln vergraben. Ein alter Arbeiter, mit dem glatt- 1 rasierten Clowngesicht gackerte auf einen ver- drückten Menschen ein, in zerschlissener russischer! Oberstenuniform. Der stierte ihn wortlos an,! aus matten, blutunterlaufenen Hundeaugen. Er! verstand die argotgespickte Sprache nicht. Mit einem Male bildete sich ein Halbkreis. Ein Mann in grauem Kittel war durch die Tür getreten und deutete mit dem Finger eine aus ­greifende Bewegung. Nur der Bruchteil einer - Sekunde blieb jedem zunz Versuch, sich in die vor-, dcrste Reihe zu schieben. Dann stand man schon, eingekeilt, resigniert, ganz stumpf vor Erwartung. Der Beamte trat rasch vor. Sein Gesicht war feist, und rosig, aber seine Bewegungen hatten etwas Stoßartiges, wie die eines Raubvogels. Mit. einem halben Lächeln in den Augen griff er den Mann im Havelock heraus. Eine kurze Frage, ein paar halblaute Worte. Aber er winkt schon ab. Der Mann verschwindet lautlos auf seinen Pan ­toffeln. Keines der vielen Blicke folgt ihm. Dann geht es weiter, in fliegender, sonder ­barer Reihe. Der eine wird eingestellt, der andere weggeschickt, scheinbar nur nach der blitzschnellen, willkürlichen Eingebung des Beamten. Man sieht kein System. Hat aber auch keine Zeit, darauf zu achten. Jeder horcht nur auf den Augenblick, der sofort kommen mutz und der die Entscheidung bringt. Der russische Oberst wird eingestellt. Er bankt, salutiert, verneigt sich steif vor dem ihn nicht mehr beachtenden Beamten. Die anderen grinsen Wer diese Förmlichkeit. Da fühle auch ich plötzlich den tippenden Finger am Rockkragen. Mit leichtem Druck werde ich hinübergeschoben zu den Bevorzugten. Statt Freude empfinde ich je ­doch sofort eine hämmernde Besorgnis. Nur nicht gleich dableiben müssen. Ich fühle mich auf ein ­mal nicht vorbereitet genug zur ungewohnten Arbeit, abgleich ich seit zehn Tagen allmorgend« sich vor die Fabrik kvmme. Aber meiste Angst ist grundlos. Ich werde an einem Schalter vorbei ­geschoben, weise meine Identitätskarte vor, werde registriert, unterschreibe, erhalte meinen Kon ­trakt. Und den Auftrag, morgen anzutreten. Be ­friedigt gehe ich nachhause. Hotel Beauregard Als ich in meine Gaffe kam, war es fast völlig Tag. Trotzdem leuchteten noch die Birnen unter den roten Glasnummern der Nachtlokale, die rechts und links dem Hotel gegenüber liegen. Ich stieg die enge Ziegeltreppe hinauf und warf mich auf das noch ungemachte Bett. Ich wollte schlafen. Aber meine Gedanken liehen mich nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder liefen sie zurück zur Fabrik, tasteten sich vor nach morgigem Ge ­schehen. Das Hotel ist eine öde, schwarze Kiste. Eines jenes jahrhundertealten Pariser Häuser, mit tausend Riffen und Sprüngen. Jetzt ist es leer und nüchtern. Aber des Nachts wird es unheim ­lich. Wenn sich sein Bauch mit ermüdeten Gestal ­ten füllt, wenn sich die durch den Tag gepeitschten Schicksale hier fieiwillig zur Ruhe kerkern. Wie ein geducktes Raubtier hockt es dann da, lautlos, sprungbereit. Es hält seine Inwohner aufgesogen wie gewichtslose Schatten. Kein Schall schwingt in der Luft, aber es geht ein Zittern durch sie wie von tonlosen Schreien. Es ist eine falsche, trüge ­rische Stille, brodelnd von heimlichem, nächtlichem ^Geschehen. Meistens wohnen hier Pärchen, die des Nachts das breite Bett und das schmale Kiffen teilen und von denen morgens jedes nach seiner Seite geht. Aber auch einsame, scheue Männer. Weiber, hart und karg geworden in Not und Ar ­beit. Manchmal sucht auch eine solche ein Stück ­chen Lust in fremden Betten, schleicht des Nachts durch benachbarte Türen. Oft glaubte ich durch die Mauern den Schwall der Geräusche aus frem ­den Zimmern zu vernehmen. Das Schnarchen der Ermüdeten, das Kosen der Liebenden.... In meiner Unruhe stehe ich auf und trete ans Fenster. Frühe im Faubourg. Stratzen- kehrer. Gemüsehändler mit ihren Karren, Crain- , quebilles seit Anatole France. Lumpensammler mit'triefenden Augen. Und alte, verhutzelte Ge ­schöpfe, die längst nicht mehr Mann oder Weib sind, verbogeste Fleisch- und Knochenreste, ausge ­werkte Mechanismen, noch geladen mit ein wenig Leben. Mit rotgeäderten Backen: unförmigen Nasen, schleifen sie ihre mürben Körper durch den Morgen, auf dem Gang nach irgendeinem rätsel ­haften Verdienst. Diese graue, matte Trostlosig ­keit, zu deren schweigenden Schatten ich selbst ge ­höre, umfatzt mich mit einem Male wie eine kör-, perliche Müdigkeit. Ich gehe zurück zu meinem' chen von der Place Pigalle vorliebnehmen, auS