Seite 2 Dienstag, 27. August 1935 Nr. 199 T diel komplizierteren Verhältnisse desübrigenEuropa. Die russi schen Bauern und Kleinbürger, die nie zuvor eine selbständige politische Rolle gespielt haben, konnte nian als Objekte der proletarisch-revolutionären Politik behandeln, die westeuropäischen Bauern- und Kleinbürgermassen sind aber als ernsthaftes Subjekt in die gegebene Kräfte-Kon« stellation eingeschaltet. Bezeichnend ist, daß auch die jüngsten Moskauer Beratungen das für die europäische politische Gestaltung so wichtige Bauern« und Mittelstandsproblem nur nebensächlich und ganz im agitatorischen Sinne behandelt haben. In diesem Punkt steht die kommuni- • stische Politik noch ganz im Banne der sozialdemokratischen Vorkriegsideologie. Das Verhältnis der sozialistischen A^eiterschaft zu den bäuerli-- chen und mittelständischen Massen ist aber längst keine Agitationsfrage mehr, sondern eine sehr konkrete Angelegenheit der Tagespolitik. Eine fruchtbare Auseinandersetzung über eine neue machtpolitische Konzeption der Arbeiterklasse kann daher erst dann in Gang kommen, wenn sich die Kommunisten ernsthaft mit dem westeuropäischen Bauernproblem auseinandersetzen und mit der Frage befassen, ob nicht gerade der unentwegte Ruf nach einer Diktatur de§ Proletariats in den Ländern mit breitgewachsenen und hiswrisch verwurzelten Mittelschichten der fascistischen Reaktion zwangsläufig Zutreiberdienste leisten muh. Keinen sozialdemokratischen Arbeiter braucht Moskau zu überzeugen, daß die Aufrichtung einer proletarisch-sozialistischen Alleinherrschaft einer fascistischen Diktatur vorzuziehen ist. Worum eS geht, dar ist nicht allein die Schaffung oppositioneller Fronten gegen dieses oder jenes Regime, sondern daS ist vielmehr die notwendige Verständigung der sozialistischen Arbeiterschaft mit den anderen antikapitalistischen Volksschichten übet die neue wirtschaftlich-soziale und staatspolitische Gestaltung nach dem Sturz des bekämpften Regimes. Gehen einmal unsere Kommunisten ernsthaft in die Prüfung de- westeuropäischen Bauern- und Mittelstandsproblem ein, dann werden sic erst sehen, wie sehr Dimitroff im Unrecht war, als er alle großen Rückschläge des westeuropäischen Sozialismus auf das Schuldkonto der Sozialdemokratie zu buchen versuchte. Es ist für die Beteiligten nicht ohne Risiko, jedoch für die europäische Arbeiterbewegung ungeheuer werwoll, daß auf dem Boden Frank reichs derzeit der kühne Versuch der Bildung einer antikapitalistischen VolkSftont unter sozialistischer Führung gemacht wird. Voreilig erscheint eS allerdings, von einem noch in vollem Fluß befindlichen Einzelstaatlichen Experiment taktische Regeln von internationaler Gültigkeit ableiten zu wollen. Nicht der einmütige Beifall in Mos kau , sondern Erfolg oder Mißerfolg in Frankreich werden über den Wert der von Dimitroff so geschickt vertretenen neuen'Einheitsfronttaktik entscheiden. Für die weftere Gestaltung in der T s ch e- choslowakei ist zweifellos die in Moskau geprägte Formel außerordentlich bedeutsam, daß auch die kommunistischen Parteien zur Verteidigung des demokratischen Kampfbodens verpflichtet sind und daß sie die Sicherung der demokratischen Bewegungsfreiheit der Arbeiterschaft dem Sieg deS FaseiSmuS vorzuziehen haben. Das verpflichtet die Führung der KPC, in Hinkunft zu der bisherigen Politik der sozialdemokratischen Parteien, die schon seit 1929 die neuen Erkenntnisse Dimitroff » vorweggenommen hat, einen positiven und objektiven Standpunkt einzunehmen. Ob di« bisherige Führergarnitur zu dieser großen Wen« düng befähigt ist, muß sich bald Herausstellen. Die schwer durch die Zersplitterung der Arbeiterschaft gehandicapte sozialdemokratische Delegation in der Regierung wird jede Unterstützung von außen, und sei eS vorläufig nur durch Einstellung des proletarischen Bruderkampfes, sehr gut brauchen können. Die Kommunisten sollen aber nicht glauben, daß wir jene Unterstützung brauchen, die der Kutscher dem Pferd gewährt, nämlich daß der eine Teil denWagen der Verantwortung zieht und der andere mit der Peitsche der Agitation dazuknallt. Nachdem derzeit kein geschulter sozialistischer Arbeiter im ganzen Land ein« Besserung der Situation von einem Austrift der sozialisti schen Parteien aus der Regierung erwartet, kann es nur die einzige praküsche Konsequenz der Moskauer Schwenkung für die Tschechoslowakei sein, daß sich unsere Kommunisten auf den Boden praktischer Staatspolitik stellen und in dieser einzig möglichen Form den Einfluß der gesamten sozialistischen Arbeiterschaft mit uns zur Geltung bringen. Wir können die Arbefter nicht mit gemeinsamen Manifestationen betrügen, solange wir in den poliftschen Grundsatzfragen uneinig sind. Eine Ein! g u ng über die grundlegenden Fragen Proleta- r i s ch-s ozialistischer M a ch t p olitik in dieser Epoche bedeutet zugleich die Wiederherstellung der organisatorischen Einheit der Arbeiterbewegung. Niemand wünscht beides sehnlicher als wir. Ein neuer Fememord Leichenfund an der tirolisch-bayrischen Grenze Innsbruck . Die Tiroler Behörden befassen sich mit einem geheimnisvollen Mordfall. Sonntag nachmittag wurde unweit der Gemeinde Pflach im Bezirk Reutte in der Nähe der bayrischen Grenze der Leichnam eines etwa 22jährigen Mannes gefunden, der, wie die Untersuchung ergab, nach der Betäubung mit Chloroform erwürgt worden war. Unweit der Stelle, wo de» Leichnam lag, war kurz vorher ein Tatra-Auto gesehen worden» in welchem außer einem etwa 35jährigen Chauffeur noch zwei Männer mittleren Alters saßen. Das Auto fuhr in der Richtung der bayrischen Grenze davon. Die Innsbrucker Bundespolizei meldet u. a., daß der Ermordete ein Reichsdeutscher namens Eugen L e i t e r m o s e r ist, der vor etwa drei Monaten nach Oesterreich einreiste. Er fuhr seit- her wiederholt durch Salzburg und Kärnten und suchte österreichische Nationalsozialisten auf, wodurch er sich den österreichischen Behörden verdäch tig machte. Er wurde deshalb vor einiger Zeit verhaftet, jedoch alsbald wieder auf freien Fuß gesetzt. Am Sonntag wurde Leitermoser an der bayrischen Grenze von einer Art Rollkommando überfallen, in das Auto verschleppt, dort chloroformier und ermordet. Man kennt auch schon die Namen der Täter. Es find dies der Tep- pichhändler Erwin Reindl aus Langenzers darf bei Wim und der Tapezierer Engelbert Tusch aus Innsbruck . Beide sind nach Deutschland entflohen. Die Gendarmerie verhaftete inzlvischen den Lenker jene» Tatra-AutoS, in dem die Mörder di« Flucht bewerkstelligt haben, einm gewissen Johann Röhrer, der angcht, daß er von dem geplanten Ueberstrll nichts gewußt habe. Außerdem wurden drei weitere österreichische Nationalsozialisten unter dem Verdachte der Mitwisserschaft verhaftet und dem Gerichte eingeliefert. Auch die Manöver am Brenner ein Bluff? Leute, die in den letzten Tagm durch Süd tirol reisten und die Bahn oder die Straße Triem —Bozen—Brenner benützten, berichten übereinstimmend, daß von den grohangekündigten Manöver» wenig, stellenweise gar nichts zu sehen sei. Man spreche in Italien auch davon, daß die Zahl von 5 0 0.000 Teilnehmern weit übertrieben sei. So auffällig diese Meldungen sind, so glaubwürdig erscheinen sie jedem Kenner der geriebenen, auf Bluffs und Erpressungen aufgebauten Politik Mussolinis. Hätte er wirklich 500.000 Mann in dem engen Raum südlich des Brmner zusammengepfercht, so müßte nicht nur da» ganze Deutsch-Südtirol den Eindruck eines Heerlager» machen, sondern man mühte vor allem zwischen Trient und Bozen , wo eS nur einen nennenswerten Verkehrsweg gibt, auf Schrift und Trift Truppen und Trains begegnen. Die norditalieni« schon Bahnen hätten in dm vevwichenen acht Tagm nach Kriegsfahrplan verkehren müsien. Hat doch Italien im Mai 1915 nicht wesentlich mehr Mann zwischen Sftlfferjoch und Äsonzomündung aufmarschieren lasten, als heute angeblich bei Bo zen allein versammelt sind. Entweder ist der ita lienische Generalstab, der in der Geschichte bisher nur durch Niederlagen bekannt war, unter Mus solini eine so meisterhaft arbeitende Institution geworden, daß er nicht nur Hunderttausend« verschieben kann, ohne daß man es mertt, sondern daß er auch im engen Gelände diese Hunderftausende verschwinden lasten kann— oder Mus solini blufft wieder. Dagewiss«Europäer ihm schlechthin alles glauben, kann er sich den Riesenblufs, 100.000 Mann für 500.000 auSzugebm, auch leistm. In Berlin und rn London , wird man allerdings über die Unterlagen orientiert sein. Im Augenblick kommt e» Muffolini aber nur darauf an, daß seine Geldgeber und polftischen Adjutanten in Paris glauben, waS er ihnen zu glauben befiehlt. Und die werden ihm wie auf alles so auch di« 500.000 Mann hereinfallen. Eines Tages wird Europa aus dem Traum von MustoliniS„kultureller Sendung" erwachen und bis zum HalS in dem Dreck der Pontinischm Sümpfe stecken, von denen die Schmücke erst dann merken werden, daß sie gar nicht trockengelegt sind... VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BORGER Roman von lupene Dablt Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot Nein, sie waren von Fleisch und Blut. Sie verdankt« ihnen das Glück» das sie jetzt erfüllte, und die schönen Kleider, die man ihr morgen liefern würde. Bon den Geistern hatten sie nur die Gabe empfangen, Wunder zu vollbringen. III. Ein Monat war vergangen. Der Zauber aber, der Helene am ersten Tage in seine Arme genommen hatte, war nicht von ihr gewichen. Jeden Morgen kam Onkel mit einer Schale dampfenden Kaffees und einem Milchbrötchen zu ihr ans Bett. Dann stand sie auf und machte sich langsam fertig. Sie hatte nichts BestereS zu tun, als sich um ihre eigene Person zu kümmern. Denn eine Aufwarefrau besorgte die Wirtschaft, und Julien half ihr. Das war sein Spleen. Sie saß vor dem Spiegel, ftisierte und schminkte sich, ahmte die Bewegungen ihrer Mutter nach und bemühte sich, auch ihre Haltung zu kopieren. Es war wie ein Spiel, das ihr zur zweiten Natur geworden. Sie starrte auf die himmelblaue Wand, bis ihr war, als werde sie eingehüllt von einem Schleier. Bor sich hinträllernd, öffnete sie die Schranktüre. In den Fächern lagen Berge weißer Wäsche. Sie streichelte ihre Kleider. Es waren manche von ihrer Mutter darunter, die geschickt für sie geändert worden waren. Ihren alten Mantel trug sie nur noch an Regentagen.„Es ist zu schön, so kann es nicht bleiben", dachte sie. Aber das Glück ging nicht zu Ende. In der ersten Woche hatte es eine Verstimmung zwischen ihren Eltern und ihr gegeben. Die Mutter hatte zuwellen die Geduld verloren, Julien hatte sie gelegentlich angefahren. Wenn sie die Beweise ihrer Dankbarkeit allzu freigebig auSteilte, hörte sie, sie solle ruhig sein. Auch tadelte man ihre Ungeschicklichkeit, ihre Unordnung, ihr lärmende- Wesen. Julien sagte einmal: „Du bist nicht mehr auf dem Lande und auch in keiner Nähstube." „Ich kriege Kopfschmerzen, wenn du immerzu hinter mir her bist." Ja, sie saßen fest in ihrem Glück und waren daran gewöhnt. Sie nicht. Für sie erschloß jeder Tag ein herrlicheres Wunder. Entdeckungsreisen durch die Wohnung waren ihre Pastion. Im Salon stand sie wie angewurzelt vor dem GlaSschrank und starrte auf Binbonnieren, Fächer und Figürchen, von denen eine Amor hieß. Gewiß ein Engel. Eine andere war eine nackte Frau, die auf roten Kisten lag. Ein Pfeifenständer von Elfenbein erregte ihre Aufmerksamkeit: sieben Mönchsköpfe, einer neben dem anderen. Nach JrmaS Erklärung eine Verkörperung der sieben Todsünden. Wie gern hätte sie diese Seltenheiten berührt. Aber unglücklicherweise hatte Onkel den Schlüssel zum GlaSschrank in Verwahrung. In der Bibliothek standen Reihen von Büchern. Sie las die Titel. Gelegentlich holte sie auch ein großes Album hervor, einen Kriegsband der„Illustration". Sie legte ihn auf den Schreibtisch, blätterte langsam Seite für Seite um und stelle dabei Fragen an Julien. „Ich war nicht Soldat", gab er zur Antwort.„Sieh dich vor, daß du die Platte nicht zerkratzt." Der Schreibtisch war ein prächtiges Möbelstück mit viel Vergoldung. Eine Schreibunterlage von gepreßtem Leder und ein von zwei Granaten flankiertes Tintenfaß aus Bronze bildeten die Ausstattung. Onk-I fette siw aefeaentlich daran. um Rechnungen oder Briefe zu schreiben, besonders aber, wie Irma meinte, um zu schlafen. Wenn sie sich satt gestaunt hatte, ging sie in ihr Zimmer. Hörte sie, daß die Mutter sich räusperte, öffnete sie leise die Tür « und fragte: „Darf ich, Mama?" Manchmal war es ein Ja, öfter ein Nein. Denn Irma fühlte sich zuweilen nicht wohl, und dann duldete sie nur Julien an ihrem Bett. Helene war jedesmal verzweifelt, und wenn sie schließlich die Erlaubnis bekam, stürzte sie ins Zimmer. Wenn Irma erwachte, mußten die Vorhänge leise aufgezogen werden. Sie liebte es, Zeitung und Zigaretten auf dem Nachttisch zu finden. Ein Kuß belohnte Helene für ihre Aufmerksamkeit. Sie verhielt sich ganz still, bis ihre Mutter das Wort an sie richtete: „Liebling, wie spät?" Bald war es elf, bald zwölf. Irma brauchte sich mit dem Aufftehen nicht zu beeilen, denn Julien kam ni« vor eins nach Hause. Helene brachte ihr das Frühstück ans Bett. Das war für sie ein wonniger Augenblick. Während sie den Kaffee trank, machte Irma ihr Geständnisse und sprach von der Vergangenheit. Einmal erzählte sie, daß auch sie in Amerika gewesen sei. Nicht in Kanada , aber in Argentinien . Wenn sie gesättigt war, begann Irma mit der Tollette. Im Zimmer duftete es nach Veil chen , Irmas Lieblingsparfüm. Es war angenehm warm und still, so recht die Atmosphäre für Ver- traulichkeiten, die das Band zwischen ihnen fester knüpften. Irma sprach zu ihr wie zu einer Freundin. Heber Kleider oder ihren geheimen Wunsch, Eingang zu finden in die gute Pariser Gesellschaft, eine Welt, von der Helene nicht viel wußte, für die sie sich aber auch intereffierte. Sie bauten Luftschlösser, Machten Pläne. Den Jnva« lidendom wollten sie besichtigen, den Eiffelturm besteigen, den Tag in einem Boulevardkino beschließen. Oder ruhig zu Hause bleiben und des Prof. Schüclclns gestorben Haag. Professor Dr. Walter Schücking, Mitglied des Internationalen Gerichtshofes und des Ständigen Schiedsgerichtshofes im Haag, starb hier im Alter von 60 Jahren. Prof. Dr. Walter Schücking wurde am 6. Jänner 1875 in Münster geboren. Im Jahre 1900 wurde er als außerordentlicher Professor fiir öffentliches Recht nach Berlin berufen und wurde im Jahre 1903 ordentlicher Professor für öffentliches Recht in Marburg , wo er bis zum Jahre 1921 wirkte, worauf er mit Rücksicht auf seine aktive Teilnahme an der Politik das Lehramt für öffentliches Recht an der Handelshochschule in Berlin übernahm. Seit dem Jahre 1926 war er ordentlicher Professor für Völkerrecht und Direktor desJnstitutes für internationales Recht an der Universität Kiel . Professor Schücking erfteute sich internattonalen Rufes und Ansehens als P a z i f i st. Er war Mitglied der Demokratischen Partei, die er bei der Schaffung der Weimarer Verfassung von 1920— 1928 im Reichstag vertrat. Wetters wurde er als Delegierter Deuffchlands zur Friedenskonferenz nach Versail les entsandt. Er verttat Deutschland bei allen pazi« fifttschen Kongressen und wurde zweimal als Vertreter Deuffchlands in den Internationalen Gerichtshof delegiert. Im September 1930 wurde er zum ständigen Mitglied des Internationalen Gerichtshöfe» ernannt. Er schrieb zahlreiche wissenschaftliche Werk« auf dem Gebiete des Völkerrechtes u. a. auch einen Kommentar zu dem Bölkerbundstatut. Im Jahre 1933 mußte er seine Funktton al» Direktor des Kieler Institute» für internationales Recht aufgeben, obwohl er durch seine wissenschaftlichen Leistungen und seine weltbekannte Objektivität nach 1918 viel dazu beigetragen hat, Deutschlands Ansehen in der Welt wiederherzustellen. Minister Najman optimistisch Preßburg . Auf übliche feierliche Art wurde hier heute um 10 Uhr vormittags die 15. Jnrer- nationale Donaumesse eröffnet. Die Regierung der Republik , unter derem Protektorate die Messe stattfindet, war durch Handelsminifter I. V. Najman vertreten, der über die wirtschaftlichen Aussichten sprach. Er sagte, die Entwicklung unserer wirtschaftlichen Verhällnisse zeige, daß unsere Republik den seit einer Reihe von Jahren anhaltenden Niedergang überwunden habe und daß wir nicht am Tiefpunkt stehen geblieben seien, sondern daß bereits eine allmähliche Belebung der Witt« schaftstätigkeit beginne. Im weiteren kam Minister Najman auf die große Zahl der Handelsvertragsverhandlungen zu sprechen, die noch der Durchführung harren und hob als eine der bedeutenden Ereignisse auf handelspolitischem Gebiete das neu abgeschlossene Rahmenabkommen mit Ungarn hervor, das auf dem Prinzip der Meistbegünstigung beruhe und dessen Bedeutung nicht zum mindesten darin liege, daß der fünfjährige Vertrags lose Zustand ein Ende gefunden habe. Zu den nach den Ferien beginnenden Han« delsvertragsverhandlungen mit Oesterreich be- merfte der Handelsminister, er hoffe, daß es seinem Reffort gelingen werde, die hier im Weae stehenden Schwierigketten zu überwinden. Russische Militärdelegation abgereist Prag . Die Delegation der sowjetrussische» Armee, die mit dem Kommandanten der Moskauer Kriegsschule, General Schaposchnikow an der Spitze, an den Schlußmanövern teilgenommen hatte, reiste Sonntag vormittags von Prag ab. Abends Julien im Cafe des CourseS treffen. Je nachdem. Alle die Pläne waren im Laufe der Zett Wirklichkeit geworden. Von der Höhe des Eiffelturms hatte Helene Paris in einem Nebelmeer gesehen. Hinter dem Onkel war sie durch die Säle der Museen geschlendert. Sobald Julien kam, setzte man sich zu Tisch» Er erzählt« lustige Ding« von seinen Freunden, auf deren Bekannffchaft Helene sehr begierig war- Bisher kannte sie nur zwei: Papa Adam und Alfred ChazeS. »Laß uns zufrieden mit den Kerlen," sagte Irma.»Mir scheint, du hast nur noch für st« Interesse." Dann lachte Julien und beugte sich zu ihr. Mitunter gab er auch Helene einen Kuß. Wenn sit aufgegessen hatten, war er gleich wieder auf den Beinen. »Ich werfe noch einen Blick ins Hotel," erklärte er. Irma wiedersprach nicht. Sie sagte mir seufzend zu ihrer Tochter:»Da siehst du. Auch in der freien Zeit muß man sich umS Geschäft kümmern." Helene räumte ab. Dann setzte sie sich z» ihrer Mutter, die wohlig vor sich hindöste. So vergingen die Tage, einer so schön wie der andere. Und bald waren Irma und ihr Man» an der Reihe, da» Hotel zu führen. Helene würde allein sein. Doch sie gewöhnte sich an den Gedanken. Sie würde stricken und lesen. Und—' ausgehen, wie sie insgeheim hinzusetzte. Das hatte sie schon zweimal getan. Sie war durch Straßen gegangen, deren Namen sie sich gemerkt hatte. Wagenreihen, endlos wie ei» Strom, der sie fottzuspülen drohte,'wenn sie de» Fahrdamm überquerte, waren an ihr vorübergesaust. Sie hatte die Menschen beobachtet. Die einen konnten nicht schnell genug von der Stelle kommen, die anderen blieben vor allen Schaufenstern stehen. .(Fortsetzung folgt.).
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15 (27.8.1935) 199
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