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Sonntag, 13. Oktober 1935
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antinazistisch ist und weltanschaulich katholisch sein will, Anschluß nach links und darum außenpolitisch an die LinieLondon— Pari s—P rag, ja Prag -Moskau sucht. In dem zitierten Aufsatz heißt es: Mussolini und der FasciSmus, die einen Pre- stigeberlust auf alle Fälle erlitten haben, müßte« nicht von heute auf morgen, aber doch wohl nach und nach die Vorzugsstellung in Mitteleuropa räumen und mit England und Frankreich teilen. Für den Abschluß des DonaupakteS jedenfalls ist der Einsatz, den Italien machen kann, zu g u n st e n d e s Einsatzes, dendie Kleine Entente im Namen der Westmächte machen wird, entschieden entwertet. Auf lange Sicht kann darin auch für die österreichische Innenpolitik die Ersetzung des italienisch-fascisti- schen Vorzeichens durch ein westeuropäisch-demokratisches liegen. Richtig— nur möchten wir betonen, daß es doch von heute auf morgen, nämlich soschnellwie entschieden geschehen müßte. Denn schon taucht eine— auch in dem Artikel als drohende Gefahr erkannte— andere Möglichkeit auf: die llebernahme des Protektorates der österreichischen »Unabhängigkeit" durch Hitler . Ging Hitler zunächst auf eine ganze Lösung aus, so scheint er jetzt zu befürchten, daß Musso lini vor der Zeit zusammenbricht, nämlich ehe die Frucht Oesterreich für Berlin ausgereift ist- Darum ist Hitler jetzt bereit, sich mit einer ersten Etappe, mit dem Eintritt der Nazi in die österreichische Regierung abzufinden. Es ist ungefähr die Lösung, die ja Hitlers Mitropa - Kommissär Winkler seit Monaten propagiert und der Kleinen Entente schmackhaft zu machen sucht:„Demokratisierung" Oesterreichs durch die NaziI Diese Lösung nach Danziger Art kann der Völkerbund kaum mehr verhindern, wenn sie erst vollendete Tatsache ist. Dabei weiß jeder, daß Oesterreich damit via facti den Anschluß an den Nazismus durchgeführt und daß dieser seinen größten und folgenschwersten Erfolg eingebracht hätte. Also gilt es vorzubeugen. In der Zeitschrift Winters heißt es, daß die nazistische Lo,ung drohe, wenn nicht,«he dies geschieht, die verbleibende Völkerbundfront auch ohne Italien sich fester schließt und an Stelle der politischen, ökonomischen und militärischen Garantie Ita liens die politische Garantie Englands, dieökonomis cheGaran- tie Frankreichs und die militarische Garantie derKleinen Entente, hinter der Rußland steht, tritt. Zur selben Stunde, da Herr Pflügl in Genf dem Völkerbund den Respekt aufkündigte und sich keck auf die Seite der Friedensbrecher stellt, erhebt sich in Oesterreich— Beweis für die sämmerliche Isolierung des Regimes von allen noch lebendigen Kräften des Volkes— eine katholische Stimme und fordert eindeutige Entscheidung„für den Völkerbund ", für die Sanktionen und„gegen das Bündnis mitJta« lien und Deutschland ". Es heißt ganz richtig in diesem Zusammenhang, daß auch nur der Frieden und nicht ein neuer Weltkrieg die „Redemokratisierung Mitteleuropas"(lies: Oesterreich und Ungarns ) bringen könne. Jeder Verzug einer Lösung, die, wie man sieht, in Oesterreich von weitesten Kreisen und nur von den Regierenden nicht herbeigesehnt wird, einer Lösung, die für den europäischen Frieden
von einer ungeheuren Tragweite wäre, stellt uns vor die Gefahr eines neuen Weltkrieges. Rasches Zugreifen könnte den Frieden und die ruhige Entwicklung Europas sichern. Oesterreich hat durch sein Auftreten in Genf das Einschreiten des Völkerbundes geradezu herausgefordert. Die im Augenblick fällige, die aktuellste Sanktion wäre die Einsetzung eines B öl-- kerbundkommissärs fürOester.- r e i ch, der dort in kurzer Frist ein demokratisches
Wenn die europäischen Mächte auf den Rat der internationalen Fruende des Fafcismus und gewisser„paneuropäischer" und„streng pazifistischer" Abstinenz-Politiker hören würden, dann ließen sie Mussolini bei seinem Einfall in Abessinien freie Hand, obwohl der„siegreiche" Duce die freundliche Illusion, daß es ihm nur um die Einnahme Aduas zu tun gewesen sei, inzwischen selbst verhöhnt hat. Daß eine Nichteinmischung der BölkerbundSmächte mit dem(von Hitler sehnsüchtig erhofften) Selbstmord des Völkerbundes gleichbedeutend wäre, scheint die Gegner wirksamer Sanktionen ebenfalls gleichgültig zu lassen. Aber haben sie sich wenigstens schon einmal die Frage vorgelegt, wie sich der abessinische Krieg entwickeln würde, wenn er ungehindert durch Gegenaktionen der europäischen Mächte seinen Lauf nähme? Man kann sich, um diese Frage zu beantworten, an die Voraussagen halten, die englische General stäbler(also Fachleute des Kolonialkrieges) schon vor Beginn der abessinischen Feindseligkeiten in der englischen Presse gemacht haben. Ihre übereinstimmende Prognose, daß sich der Kampf an drei Fronten entwickeln werde: im Norden bei Adua, im Westen im Da- nakil-Gebiet und im Süden in der Wüste Oga « den, hat sich als richtig erwiesen. Auch daß für die Abessinier diesmal keine Chance bestand, die Italiener bei Adua zu schlagen, dürfte sich bestätigt haben. Und auch die dritte Voraussage, daß der italienische Angriff von Norden her der entscheidende sein wird, erweist sich als richtig, denn im Norden hat sich auf italienischer wie auf abessinischer Seite die Hauptstreitmacht versammelt. Die englischen Strategen haben erklärt, daß die Italiener, um rasch und ohne schwere Rückschläge ihr Ziel zu erreichen, von Norden her übers Gebirge bis zum Beginn der neuen Regenzeit im nächsten Frühjahr auf die Hochfläche von Addis Abeba gelangen müßten, von wo sie das ganze Land strategisch beherrschen und den letzten Widerstand der Abessinier brechen könnten. Die Voraussetzung dafür wäre aber, daß sie ihre technische Ueberlegenheit im Hochgebirge"zur Geltung-'bringen könnten.> Und als Maßstab dafür hatte angeblich auch der italienische Generalstab die Besetzung AduaS innerhalb der ersten 24 Stunden angesetzt. Nun hat die Besetzung Aduas nicht 24 Stunden, sondern vier Tage gedauert, nach einer Woche sind die Italiener trotz getingenWiderstandes der Abessinier noch immer nicht weiter gekommen und haben erst 59 km zurückgelegt. Es scheint sich also zu zeigen, daß man die abessinischen Berge auch nut Tanks und motorisierten Geschützen nicht überfahren kann, und es dürfte bis Mitte oder Ende November dauern, ehe die Italiener auf die bei Makale und Dessie konzentrierten gegnerischen Haupt-Armeen stoßen ünd die erste große Schlacht zu bestehen haben
Regime herpellen müßte— für das es eine innerpolitische Basis nach Beseitigung des fascisti - schen Terrors wohl gibt— und die Außenpolitik Oesterreichs in die Linie Genfs zu steuern hätte. Wie die Aufrechterhaltung dieser Ordnung innen» und außenpolitisch weiter zu sichern wäre, ist eine Frage zweiter Ordnung. Im Augenblick aber müßte der Völkerbund zugreifen und lang Versäumtes in endgültig zwölfter Stunde nachholen l
werden. Sie haben also wenig Aussicht, bis zum nächsten Frühjahr auf diesem Wege nach Addis Abeba zu gelangen. So wird also nur der Marsch von Osten und Süden her durch die Ebene bleiben. Aber dieser Marsch kann nach der Voraussage der englischen Strategen mit einer Katastrophe enden. Im Süden gilt es, die Wüste Ogaden zu durchqueren, die sich durch völligen Wassermangel auszeichnet, so daß die Trinkwasserversorgung der Truppen durch Flugzeuge geschehen müßte, wenn der Marsch nicht im Schneckentempo vor sich gehen soll. Außerdem ist die Wüste Ogaden ein Malariaherd(auch der amerikanische Kriegsberichterstatter Wilfred Barber, der sie ausgesucht hatte, ist der Krankheit nach wenigen Tagen zum Opfer gefallen), so daß die Verwendung europäischer Soldaten hier ebensowenig in Frage käme, wie in Danakil, wo tropische Hitze herrscht. Die italienischenEingeborenentruppen ober sympathisieren größtenteils mit den Abessiniern, und die Hoffnung der italienischen Heeresleitung, mit Hilfe der Eisenbahn Djibouti—Addis Abeba den Wüstenmarsch abzukürzen, kann daran scheitern- daß die Abessinier die Strecke zerstören, so gewinnt die Voraussage große Wahrscheinlichkeit, daß der anstrengende und verlustreiche Marsch durch Ogaden und Danakil am Fuße des abessinischen Hochgebirges mit einer schweren Niederlage enden wird. Natürlich erscheint ein Endsieg der Abessinier völlig ausgeschlossen, da sie technisch weit unterlegen sind. Die Italiener können alle ihre Siedlungen und Festungen bombardieren, können Stück für Stück ihres Landes besetzen, können sich mit kostspieligen Straßenbauten Wege durchs Gebirge bahnen, allerdings immer wieder von Gegenangriffen bedroht und von sechs Monate dauernden Regen aufgehalten. Was ein hoher englischer Offizier vor Wochen schon im Londo ner „Daily Herald" schrieb, dürfte der Wahrheit nahekommen:„Der Negus hat keine militärische Chance, aber Mussolini wird fünf Jahre brauchen, um Abessinien zu erobern". .. Es handelt sich also in Abessinien-um-keinen 'Spaziergang,' auch wenn' der Vökkervimd dem blutigen Abenteuer ruhig zusehen sollte. Es kann ein jahrelanger Krieg werden, der— was England mehr noch als die Sperrung des Blauen Nils fürchtet— ganz Afrika in hellen Aufruhr versetzen könnte und der Mussplini und seine europäischen Vasallen zu WahnsinStaaten veranlassen könnte, die sich nicht mehr„lokalisieren" ließen. Je schneller dieser Krieg beendet wird, um so besser. Und er ließe sich durch energi- s ch e Maßnahmen des Völkerbundes in wenigen Wochen beenden, am schnellsten wohl durch die Sperrung des Suez-Kanals.
Fürsorgeminister Genosse Netas im nordmährlrch-schletbchen Gebiet Donnerstag hielt sich der Minister für soziale Fürsorge Genosse ReLas in Jägerndorf auf, wo ihm die Vertreter der nordn^hrischen und schlesischen Gemeinden und Bezirke eine Schilderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in ihrem Gebiet gaben und die Unterstützung des Fürsorgeministeriums anriefen. Für die Stadt Jägerndorf sprach der Bürgermeister Genosse Richter, im Namen der übrigen Gemeinden, die zum großen Teil durch Abordnungen sozialdemokratischer Selbstverwaltungs- Funktionäre vertreten waren, übergab dem Fürsorgeminister Genosse Abg. H e e g e r ein Memorandum. In seiner Antwort erklärte Minister Genosse Ne Las, daß ein großer Teil der Wünsche von den einzelnen Ministerien werde erfüllt werden müssen. Das Fürsorgeministerium gehe bei der Organisierung der Hilfsaktionen nach der Größe der Arbeitslosigkeit vor, ohne Rücksicht auf die nationale Zusammensetzung der Bezirke. Die Hilfsaktionen aller Art werden fortgesetzt und es ist Hoffnung vorhanden, daß sic gesteigert werden können. Genosse N e c a S verwies in diesem Zu» sammenhang darauf, daß die mechanische Vergleichung der Arbeitslosenziffern kein richtiges Bild von dem"Notstand ergebe, sondern daß auch die Dauer der Arbeitslosigkeit und der Grad der Erschöpfung der Arbeitslosen berücksichtigt werden müssen. Richtigstellung. In unserem Bericht über den versuchten Menschenraub bei Katharinaberg wurden infolge eines Hörfehlers zwei Namen unrichtig wiedergegeben. Anstatt„Pflug" und„Schwammbcr- ger" heißt eS richtig„Klug" bzw.»Lamperts- b e r g e r".
eines, der schon genug hat... Der Begründer der Nationalen Front in der Schweiz Dr. von W i l veröffentlicht eine Kundgebung über seine zweijährigen Wahrnehmungen und Erfahrungen betreffend die praktischen Aus- ! Wirkungen des Nationalsozialismus in Deutsch land . Dr. Wil, der seinerzeit Mitarbeiter an der nationalsozialistischen Kampfzeitung„Der Alemanne" in Freiburg war, gelangt zu einer vollständigen Absage an den Nationalsozialismus und an das Totalitätsprinzip und warnt die Schweizer Fron- tisten vor Versuchen zur Nachahmung solcher politischer Methoden in der Schweiz .
Berlin. (AP.) Eine Anzahl von Berliner | Siedlungs- und Heimstättengesellschaften hat den I jüdischen Bewohnern alle Kleinwohnungen zum nächsten Termin gekündigt. Berlin. (AP.) Die von Berlin erteilten Eilaufträge auf Butterlieferungen sind von den holländischen Exporteuren abgelehnt worden, da wegen der Clearing«V Errechnung mit Deutschland di« Lieferungen frühestens in sechs Monaten, und auch dann nur zu einem Teil, bezahlt würden. Neapel. (AP.) Hier wurden zehn Soldaten, die sich weigerten, nach Ostafrika zu fahren, ohne Verfahren erschossen.
Fünf Jahre Krieg?
48 VILLA OASE oder: DIE FALSCHEN BÜRGER
Roman von Eugene Debit Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Bejot
Während ihre Freundinnen sich amüsierten, mühte sie sich ab. Und der Lichtblicke waren wenige gewesen. Viele Abenteuer hatte sie nicht gehabt. Dazu mißtraute sie den Männern zu sehr. Viele Zerstreuungen auch nicht. Theater oder Ballbesuche hatte sie immer auf später vertagt. Jetzt war sie reich, und plötzlich erschien ihr Leben ihr leer, ihr Vermögen zwecklos. Sie hatte ihre Jugend vergeudet, die mehr wert war als alle Schätze der Welt... Eines Nachmittags meldete ihr Solange einen Besucher. Sie drehte sich um: Alfred. Er ging auf sie zu und küßte sie. „Bist du allein?" „Ja. Julien ist in Melun , um den Wagen zu verkaufen. Ach, du weißt ja noch gar nichts. Als- wir das letztemal nach Hause fuhren,, hatten wir einen schweren Unfall." Seitdem konnte sie nicht richtig gehen. Ein großer Arzt in Fontainebleau sollte sie demnächst durchleuchten. „Er wird nichts finden", sagte Alfred.„Du siehst glänzend aus. Ich würde gern mit dir tauschen." Er plauderte von ihrer Tour durch die Bre tagne . Als Schmuck für ihr Eßzimmer hatte er ihr Teller mitgebracht, die er aus Quimper hatte kommen lassen. „Ja", seufzte er,„man hat schöne Stunden verlebt. Wenn Julien seinen Wagen verkauft, muß man künftig-verzichten. Ich könnte mir heute lein Auto anschasfen,"
„Julien behauptet, alles in allem wäre es ein sehr teurer Spaß." „Man könnte meinen, er nage schon am Hungertuch. Weißt du übrigens, daß er mich bei der Beendigung des Alten um sein Geld gemahnt hat? Bist du unterrichtet?" „Mir erzählt er nichts mehr. Ich weiß nur, »aß wir vom Kapital loben, und daß er Ängst hat, wir könnten eines Tages auf dem Trockenen sitzen."„Und wenn ich ihm nun sagte, daß ich erst in Jahren zuriickzahlen kann?" „Du hast ihm doch ein Papier unterschrieben, Alfred." „Du könntest eS mir eigentlich zurückgeben. Zwischen uns bedarf es solcher Zettel nicht. Sobald ich wieder flüssiger bin, kriegt er seinen Kies zurück, das kannst du dir denken." Jedesmal, wenn er Julien begegnete, kam die Sache aufs Tapet. Aber sein Hotel, seine Wohnung, seine Villa, seine Vergnügungen: alles das kostetete natürlich einen Haufen GeK>. Und er war viel mehr geneigt, zu pumpen, als zurückzuzahlen. Er fuhr fort: „Ich traue Julien zu, daß er mir eines Tages Unannehmlichkeiten macht." „Das würde ich verhindern. Vermutlich lebe ich doch länger als er. Daß er nicht mehr der alte ist, nicht nur dir gegenüber, weiß ich längst. Mich behandelt er manchmal wie ein hergelaufenes Frauenzimmer. Er kann eben seinen Ursprung nicht verleugnen. Man merkt, woher er stammt, davor bewahrt ihn sein ganzer Reichtum nicht." Alfred ließ den Kopf hängen und lief sorgenvoll auf und ab. Sie flüsterte: „Komm her zu mir. Großer." „Dieses Papier macht mir Sc-rgen," fuhr er fort.„Ich erinnere mich nicht genau, was ich eigentlich unterschrieben habe. Könntest du es mir nicht einmal zeigen?" Sie öffnete den Schrank und holte hinter einem Stapel Handtücher eine Stahlkassctte hervor.
„Hier hebt er seine Dokumente auf. Ich verstehe nichts davon. Sieh selber nach." Er wühlte nervös darin herum. Dann faltete er ein Blatt auf, und seine Augen leuchteten zufrieden. „Aha, wir haben keinen Termin für die Rückzahlung vereinbart. Das beruhigt mich schon." Plötzlich warf er sich über die Kassette. „Achtung, eS kommt jemand. Sieh doch mal nach." In aller Eile stopfte er das Papier in die Tasche und schlug den Deckel zu. „Das kann nur Solange gewesen sein", sagte Irma, wieder ins Zimmer tretend. „Mach Ordnung. Und sag vor allem dem Dicken nichts." Es wurde schon dunkel, als Julien zurückkam. Alfred erklärte ihm, er sei angesaust gekommen, weil er von ihrem Unfall gehört habe. „Das passiert mir nicht wieder", sagte Julien.„Ich habe die Karre schon verkaufen können." Sie tranken heiter den Aperitif. Dann machte Alfred sich auf den Weg. Die Arbeit warte auf ihn, meinte er. Irma versprach er, bald wir- derzukommen. Er hatte ihr von Rose und von der Miß erzählt, vor allem aber vom Caft des Courses, wo er jetzt den Platz Papa Adams innehatte, und sie hatte ihm geantwortet:„Für mich hast du keine Viertelstunde mehr übrig." Worauf er ihr, mit einem Kuß, geschtckoren hatte, sie nicht zu vergessen. Eine Woche verging. Statt des erwarteten Besuches kam eine Karte aus Rouen . Alfred war mit einem Kollegen hingefahren, der dort ein Hotel kaufte. Sie wartete noch vierzehn Tage. Vergebens. Sie grollte ihm, denn sie hatte so auf ihn gerechnet in der schlechten Jahreszeit. Es war schon wieder Herbst. Welke Blätter schwammen auf dem Teich und bedeckten die Wege. Der Wind trug die
Schreie der' Schlepper und den Donner der Züge zu ihr hin, Geräusche, die im Sommer freudig, jetzt aber traurig klangen. Von nun an blieb sie in ihren vier Wänden. Die Sonne war fort und es gab nur noch Kälte, graue Tage und endlose Nächte, in denen sie an Helene denken mußte. Julien erzählte ihr, wie schön der Wald sei. Im Auto konnten sie ihn nicht durchfahren, und laufen konnte sie erst recht nicht. Der Doktor hatte sie geröntget. Wenn sie aus dem Bade stieg, drückte sie die Hand auf den Leib und fühlte deutlich eine harte Stelle. Vielleicht irrte sich der Arzt? Vielleicht litt sie an einer unheilbaren Krankheit, am Ende gar an Krebs? Zuweilen ließ ein Schmerz in der Nierengegend oder ein Stich am Herzen sie auffchreien. Die Krankheit sckien die Stelle zu suchen, an der sie am furchtbarsten wirken konnte. Als sie ihm vorklagte, gab ihr Julien barsch zur Antwort:„Statt zu pimpeln, solltest du lieber meine Socken stopfen." Und er warf ihr ihre- Nachlässigkeit vor. Im Hause ginge eS drunter und drüber. Solange drückte sich von der Aeweit, rannte davon, um mit ihren Geschwistern zu spielen, und erzählte nichts als Lügen.. Dabei konnte man sie nicht fortschicken. Es gab keine Mädchen, und für den Lohn, den sie Solange zahlten, fanden sie nie Ersatz. Ihre Mutter wusch ihnen die Wäsche, aber sie gab sich nicht die geringste Mühe, es richtig zu tun. Julien trug ausgefranste Manschetten und zerrissene Strümpfe. Er machte Krach, und Irma gab ihm den Rat, eine Flickfrau tageweise ins Haus zu nehmen. Eines Abends, als sie sich wieder in die Haare geraten waren, erklärte Julien: „Ich habe eine Idee. Ich werde meine Schwester bitten, hierher zu ziehen. Sie könnte sich, an Solanges Stelle, um die Wirtschaft kümmern, und du hättest zugleich Gesellschaft. Da sie keine Renten haben, können sie sich auf die Weise zur Ruhe setzen." (Fortsetzung folgt.)'