Sozialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

กว้าง หน้า

15. Jahrgang

Dienstag, 22. Oktober 1935

Ha

g

Tit

ul

ht,

46

fa:

A.

i it

nt:

od:

h.:

ba:

in

in

tan

11=

ten,

[ 11.

re:

el"

Its

an

[ o.

ti."

Io.

Die

Die

iges

3

t

t

60 Millionen

für die Notstandsgebiete

Nr. 246

Ein ernstes Wort in ernster Stunde

Vr a g. Die Regierung hat im leg Kundgebung der deutschen sozialdemokratischen Parteikonferenz

ten Ministerrat den endgültigen Be= schluß betreffend die Aktivierung der in der letzten Regierungserklärung an­gekündigten außerordentlichen Hilfsaktion für die von der Krise am schwersten in Mitleidenschaft gezo= genen Gebiete gefaßt.

Die Aktion ist vorläufig für die Monate November bis ein= schließlich Feber gesichert. Sie besteht in der Verabreichung von Na= turalien an die von der Krise be­troffenen Familien der Arbeitslosen. Es sollen Weizenmehl, Fett, Kartoffeln, Zucker and Graupen zur Verteilung gelangen.

Die Richtlinien für diese Aktion werden vom Fürsorgeministerium ge= meinsam mit den mitbeteiligten Mini­sterien entworfen. Die Durchführung obliegt den Bezirksbehörden unter Mitwirkung der sozialen Kom­missionen.

Der Aufwand für diese Aktion wird mit einem Betrag von 60 Millio­nen veranschlagt.

Kinderhilfsaktion geht weiter

reits

Außer dieser Aktion hat der Ministerrat be­die Wiederaktivierung der Ernäh rungsaktion für die Kinder der Arbeitslosen mit einem Aufwand von drei Millionen, sowie die Bekleidungs­aktion im vorläufigen Betrag von ebenfalls drei Millionen beschlossen. Ueberdies wird, wie in den zurückliegenden Jahren auch heuer eine Weihnachtsaktion durchge­führt werden, die einen Aufwand von acht Millionen erheischen dürfte.

Selbstverständlich läuft die staatliche Ernährungsaktion sowie die Milch­und Brotaktion auch in den oben genannten Mo­naten normal weiter.

*

Es muß wohl nicht erst ausdrücklich betont werden, daß die Initiative zu der außerordent­lichen Aktion für die Notstandsgebiete von den fozialistischen Ministern herrührt, die sich um das Zustandekommen der Aktion ganz außerordentlich verdient gemacht haben.

Sozialistische Erfolge

bei den französischen Senatswahlen Paris . Die fonntägigen Ergänzungswah len in den Senat brachten eine nur geringe Aen­derung in der Gesamtkonstellation, nämlich eine leichte Verschiebung nach links, wo die Sozia= listen vier neue Mandate gewin= nen, während die Neosozialisten zwei verlieren. Zum ersten Male wurde in den Senat ein Kom­munist Cachin und ein kommunistisch Andererseits orientierter Sozialist, gewählt.

L

iher

125

ante

Jens

fen­

Den

Ges

ichet

ganz

ift

nfte

talt,

-68

ut

e.

-

brachten die Wahlen eine Verstärkung des rech­ten Zentrums. Der Klub Miller and gewinnt fünf Mandate, die Volksdemokraten zwei Man­date auf Kosten der demokratischen Linken( Na­dikale) und der demokratischen Radikalen Union .

Der Klub der Demokratischen Linken, in welchem die Radikalen den Hauptkern bilden, be­hält die abfolute aber knappe Majorität, nämlich 158 von 314 Senatsmandaten.

Von den 107 gewählten Senatoren find 40 neue, darunter 17 Deputierte. Wie bereits vor drei Jahren ist der größte Teil der unterlegenen Senatoren, welche Advokaten, Aerzte und der­gleichen waren, durch Agrariererfest worden. Daraus läßt sich schließen, daß einen bedeutsamen Faktor bei den Wählern die gegen wärtige landwirtschaftliche Krise bildet. Minister­präsident La val, der in den Departements Seine und Puy de Dome kandidierte, wurde in beiden Departements gewählt.

Die in Aussig versammelten Vertrauensmänner der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei erheben in ernster Stunde ihre Stimme gegen die drohenden Gefahren einer wirtschaftlichen und sozia­len Katastrophenentwicklung.

Sie wenden sich vor allem an die deutsche werktätige Bevölkerung der Republik . Sie appellieren aber auch an alle demokratischen Kräfte im Staate, an alle Faktoren, denen die Fortsetzung der nationalen Zusam­menarbeit am Herzen liegt.

Die fünfjährige Dauer der Weltfrise des Kapitalismus und die wirtschaftlichen sowie die politischen Erschütterungen Europas haben die Daseinsgrundlagen der deutschen werktätigen Bevölkerung zutiefst erschüt­tert. Das sudetendeutsche Industrievolk vermag nur zu leben und zu schaf­fen in einem friedlichen Europa . Jede kriegerische Berwicklung auf dem Kontinent bedroht es mit dem Hungertode. Nur die Erhaltung des Völkerfriedens und der Sieg einer sozialen Krisenbekämpfungspolitik in nationalen wie in zwi­schenstaatlichen Maßstäben und die Wiederherstellung der weltwirtschaft­lichen Zusammenarbeit der Völker vermag es vor der drohenden weiteren Verelendung zu retten. Darum hat die deutsche Sozialdemokratie ihre äußerste Kraft aufgeboten für die Erhaltung der Demokratie als der ein­zig möglichen Basis der nationalen Zusammenarbeit und des wirtschaft­lichen Wiederaufbaues in der Republik . Darum hält sie fest an dem Bünd­nis mit den sozialistischen, freiheitlichen und demokratischen Kräften des Staates. Darum hat sie sich mit ihren Kaders eingereiht in die große europäische Friedensfront.

Die jüngsten Ereignisse auf dem Gebiete der internationalen Boli­tik stellen die werktätige Mehrheit des sudetendeutschen Volkes erneut vor die ernste Entscheidung, ob sie den Weg einer fascistischen Katastrophenpolitik gehen oder aktiven Anteil nehmen willander Rettung des Friedens, an dem wirt. schaftlichen und sozialen Wiederaufbau in unserem Staate. Die Partei­konferenz der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei hält allen arbeitenden Volksschichten die historische Tragweite dieser Ent­scheidung eindringlich vor Augen. Sie ruft die deutschen Arbeiter und Ar­beiterinnen, die Angestellten, Kleinbauern und Gewerbetreibenden auf, der nationalistisch- fascistischen Hafardpolitik der Sudetendeutschen Partei ihre Gefolgschaft zu versagen, alle Kräfte zu konzentrieren auf die Bekämpfung d: Massennot in den Krifengebieten, zur Erneuerung unserer sozialen und wirtschaftlichen Lebensgrundlagen.

Die Parteikonferenz ist einig in der Ueberzeugung, daß die deutsche fozialdemokratische Bewegung dieses Landes auch nach dem verhängnis­vollen Wahlentscheid vom 19. Mai in der vordersten Kampf­linie gegen Hunger und Krisen not ausharren muß. Die Sorge um die darbenden Opfer des Kapitalismus gebietet ihr, den stei­nigen Weg der Pflicht und der sittlichen Verantwortung für das Schick­sal der deutschen arbeitenden Menschen nicht zu verlassen. Nach wie vor erblickt die Parteikonferenz die ruhmvolle und opferreiche Miffion der deutschen sozialistischen Bewegung darin, in engster Gemeinschaft mit der tschechischen Bruderpartei aktivsten Anteil an der Mobilisierung aller demokratischen und sozialistischen Kräfte gegen Massenelend und Wirtschaftsverfall zu nehmen.

Das leidenschaftliche Ringen der sozialistischen Parteien um er= höhte Fürsorge für die Krisenopfer, um Arbeitsbeschaffung, Wirtschafts­belebung und Exportförderung kann nur in dem Maße erfolgreich sein, als es die zielbewußte Unterstützung der werktätigen Massen findet. Die Herbst beschlüsse der sozialpolitischen Ausschüffe des Parlamentes haben der Regierung den Weg des Handelns gezeigt. Indem die Parteikonferenz diese aus sozialistischer Initiative hervor. gegangenen Beschlüsse begrüßt und bekräftigt, erklärt fie mit allem Nach­druck, daß deren eheste Ausführung im höchsten Interesse des Staates und seiner inneren Stabilität liegt. Sie gibt der Ueberzeu­gung Ausdruck, daß die Demokratie nur aufrecht erhalten werden kann, wenn dem fortschreitenden Verelendungsprozeß, der in der Weltkrise des Kapitalismus mit Ausnahme einer dünnen Oberschicht alle Volksklassen erfaßt hat, mit energischen Maßnahmen Einhalt geboten wird. Das gilt insbesondere für die industriellen Randgebiete und Exportzen­tren dieses Staates. Ein halbes Jahrzehnt Krise hat unter den Arbeits­losen einen Zustand der physischen Erschöpfung und seelischen Zermür­bung geschaffen, der zu schwersten Besorgnissen Anlaß gibt. Die Not der arbeitslosen Jugend, der fortschreitende Gesundheitsverfall der Kinder der Arbeitslosen erfordern um fassende Hilfs. maßnahmen. Die Auswirkungen einer neuerlichen Mißernte haben die Not der betroffenen Gebiete ins unermeßliche gesteigert. Die Teuerungserscheinungen der letzten Monate stellen die notdürftigste Lebensmittelversorgung nicht nur der Arbeitslosen, sondern auch der zu Hungerlöhnen beschäftigten Industrie- und Heimarbeiter in Frage. Wir billigen die bisherigen Maßnahmen der Regierung zur Siche­rung des dringendsten Bedarfes an Brot, Kartoffeln und Fett zu erträg­lichen Preisen für die minderbemittelte Bevölkerung und erwarten deren energische und rasche Durchführung.

Besonderes Gewicht legt die Parteikonferenz auf die chefte Inan­griffnahme der von der Regierung bereits beschlossenen außerordent­lichen Hilfsaktion für die Notstandsgebiete. Sie gibt aber auch der Erwartung Ausdruck, daß die Regierung auch in Hinkunft alle not­wendigen Notmaßnahmen treffen wird, die das Ausmaß des außerordent. lichen und bis zur Unerträglichkeit angewachsenen Elends in den Krisen­bezirken erheischt. Sie quittiert mit dankbarer Anerkennung die auf­opfernden Bemühungen der sozialistischen Minister um dieses Hilfswerk,

Die Demokratie darf dem fascistischen Seelenka 1 f, wie er unter dem Deckmantel der sogenannten, Volkshilfe" in den Notstands­gebieten betrieben wird, nicht freies Spiel lassen. Daher ist neben den staatlichen Hilfsaktionen den besonderen Notmaßnahmen der Gemeinden und Bezirke, sowie der öffentlichen Jugendfürsorge intensivster moralischer und finanzieller Beistand zu gewähren. Die soziale Leistung innerhalb des demokratischen Staates muß von demokratisch- republikanischem Geiste erfüllt sein, soll die Not der Krisenopfer nicht von einem politischen Frei< beutertum für dunkle Zwecke mißbraucht werden.

Unter den notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiete der S04 zialpolitik hebt die Konferenz vor allem die endliche Verwirklichung der obligatorischen Arbeitsvermittlung und die Verkür zung der Arbeitszeit bei Sicherung des Lohneinkommens her vor. Der aufrechte Arbeiter darf nicht länger dem Gesinnungsterror eines reaktionären Unternehmertums ausgeliefert bleiben. Es ist auch uner­träglich, daß ohne Rücksicht auf die herrschende Massenarbeitslosigkeit ein Teil des Unternehmertums nicht einmal die bisherige gesetzliche Rege= lung der Arbeitszeit beachtet und die Arbeiter durch Ausnüßung ihres Hungers und ihrer Angst um den Arbeitsplatz zu Ueberstunden= leistungen zwingt. Die öffentliche Regelung des Arbeitsmarktes ist daher ein Gebot dringendster und höchster Staatsnotwendig­feit. Der bevorstehende Ablauf der Notverordnung über das Genter System erfordert eine baldige, für die Arbeitslosen befriedigende Lösung dieser Frage. Das Erlöschen des Mieterschutzgesetzes zum Jahresende macht weitere Vorkehrungen zum Schutze der minder­bemittelten Mieter unbedingt erforderlich. Bei der Sanierung der Bruderladen muß den berechtigten Interessen der Bergarbeiter und den sozialen Ansprüchen der Bruderladenrentner weitestgehend Rech­nung getragen werden. Die Parteikonferenz verlangt, daß bei der defini­tiven Entscheidung über dieses Problem die Stellungnahme der frei«< gewerkschaftlichen Bergarbeiterverbände von der Regierung die gebüh rende ernste Beachtung finde. Die besondere Notlage der Jugend erfordert das rascheste Eingreifen der Regierung; die Parteifonferenz tritt den sozialpolitischen Forderungen der sozialistischen Jugendver= bände bei.

Die Parteifonferenz knüpft an ihre fozialpolitischen Forderungen auch das Verlangen nach einer erhöhten Aktivität der staatlichen Wirtschafts- und Handelspolitif. Die begrüßenswerte Aktion zur Senkung des Zinsfuses kann nur ein Anfang zu systematischer und großzügiger öffentlicher Krisenbekämpfung sein. Bom Standpunkte der deutschen arbeitenden Bevölkerung legt die Parteikon­ferenz auf eine durchgreifende Reorganisierung und zielbewußte Bele= bung des industriellen Exports entscheidendes Gewicht. Sie unterstreicht auch die Forderung der sozialpolitischen Ausschüsse nach Be­schaffung ausreichender Mittel für öffentliche Investitionen. Die Parteikonferenz fordert ferner eine soziale Orientierung un= ferer Agrarpolitik, welche den begründeten Forderungen der fleinbäuerlichen Bevölkerung mehr als bisher Rechnung trägt. Sie bekun­det auch die Bereitschaft der Organisationsstellen der deutschen Arbeiter= bewegung, an der Ausarbeitung und Durchführung eines gesamt­staatlichen Wirtschaftsplanes, den sie für eine zwingende Notwendigkeit hält, mitzuarbeiten.

Die kritische Lage der arbeitenden Bevölkerung, insbeson­dere das Elendschicksal der arbeitslosen Massen erfordern die höchst e foziale Bereitschaft des demokratischen Staates und aller seiner Träger. Sie erfordern aber auch die klare und nüchterne Erkenntnis der werktätigen Schichten, daß nur durch positive Arbeit und durch disziplinierte Selbsthilfe in der politischen, gewerkschaft­lichen und genossenschaftlichen Arbeiterbewegung die sozialen Nöte und wirtschaftlichen Bedrängnisse der Gegenwart siegreich überwunden wer­den können. Solange die kommunistische Partei die agitatorische Ausbeutung der Einheitsfrontparole höherstellt als die Mitverantwortung für das Schicksal der Demokratie und der Arbeiterklasse, kann sie für die deutsche sozialdemokratische Arbeiter­schaft kein ernsthafter Verhandlungspartner sein. Die Parteikonferenz macht sich daher die Beschlüsse des Brünner Parteitages und des Partei­vorstandes in der Einheitsfrontfrage zu eigen. Sie erklärt, daß ein Zu sammenschluß der proletarisch- sozialistischen Kräfte nur auf dem Bo den des demokratischen Kampfes um die Verteidi­gung der sozialen und politischen Rechte der Ar­beiter möglich ist. Die Parteikonferenz lehnt daher jede äußere Vor­täuschung einer weder ideell, noch taktisch bestehenden Einheitsfront ab. Unsere Partei wird ihre Bemühungen nach Wiederherstellung der geisti­gen und organisatorischen Einheit der Arbeiterklasse auch in Zukunft fort­setzen und sie mit dem Ringen um die Sicherung des Friedens, der demo­kratischen Einrichtungen und der Organisationsfreiheit für die werk­tätige Bevölkerung dieses Staates verbinden. Die Parteifonfe renz appelliert an die kommunistischen Arbeiter, sich nicht für neue Agitations- und Spaltungs­manövermißbrauchen zu laffen und ihre Kräfte zur Stärkung des sozialistischen Einflussesin­nerhalb der Staatsgewalt in die Waagschale der kommenden Entscheidung zu werfen. Die deutsche sozialdemokratische Arbeiterbewegung wird auch weiterhin ihre Sendung als stärksten Schutz und Hort der deutschen arbeitenden Massen erfüllen; die Parteikonferenz ruft die Arbeiterklasse zu neuer organisatorischer Zu­sammenfassung ihrer Kräfte im Geiste des Sozialismus und zu kraftvoll­ster Unterstützung der in dieser Rundgebung enthaltenen Existenzfor­derungen auf.