HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR: WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, DR. EMIL STRAUSS, PRAG.IENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKEinzelpreis 70 Hell«(•iruchliaSlich 5 Hallar Porto)15 JahrgangDienstag, 5. November 1935Nr. 257Heute Benes-ExposeKabinettsumbildung auch Montag nicht erfolgtDie ArbeitslosigkeitEnde Oktober 1935602.775 Arbeitslose Kegen 599.464 in dergleichen Zeit des VorjahresNach dem Berich» des Ministerium- für soziale Fürsorge betrug die Anzahl der bei denArbeitsvermittlungsanstalten angemeldeten nichtuntergebrachten Stellenbewerbrr Ende Oktober1935 602.775 gegen 573.362 Ende September.Es ist daher im Oktober die Zahl der nicht un»tergrbrachten Stellenbewerbrr um 29.413 Personen, das ist um 5.1 Prozent g e st i e g e n.Diese Steigerung betrug in Böhmen 5.3 Prozent,in Mähren-Schlesien 4.2, in der Slowakei 8.1und in Karpathorußland 14.6 Prozent.Ende Oktober 1934 betrug die Anzahl derArbeitslosen 599.464, das ist um rund 3000weniger als Heuer. Die leichte Besserung im Wirtschaftsleben drückt sich demnach zwar in einemAnsteigen der Beschäftigten aus, wie die Statistikder Zentralsozialversicherungsanstalt zeigt, abernicht in einer Abnahme der nicht untergebrachtenStellenbewerber bei den Arbeitsvermittlungsanstalten, d. h. der Arbeitslosen. Das hat seine Ursache darin, daß die Zahl det Berufstätigen größer ist als im Borjahre, weil eben eine neueAltersklasse die Schule verlassen hat und die Zahldes natürlichen Abganges kleiner ist als die desZuwachses.Die britischen Wahlen42 Kandidaten bereits gewähltLondon. Die formelle Nominierung der Kon-didaten wurde durchgeführt. Nach allein wurden42 Kandidaten bei dieser Gelegenheit bereits gewählt, da keine Gegenkandidaten vorhandenwaren. Das Endergebnis ist noch nicht bekannt.Man nimmt jedoch an, daß sich bereits heute 25Anhänger der nationalen Regierung und 17Kandidaten der Opposition ohne Gegenkandidatenje ein Mandat gesichert haben.Die Schlußperiode und gleichzeitig die lebhafteste Periode der Wahlkampagne hat Montageingesetzt; die Führer oer kandidierenden Parteien haben anstrengende Wahlreisen vor sich.Man rechnet damit, daß sich über 13Q0 Kandidaten um die 615 Mandate bewerben werden.Leder Kandidat muß bei den Wahlbeamten seinesBezirke- die Summe von 150 Pfund Sterlinghinterlegen, die jedem Kandidaten retourniertwerden wird, der über ein Achtel der abgegebenenStimmen erlangt. Diese Einrichtung wurde eingeführt, um leichtsinnigen Kandidaturen zuvorzukommen.Umbildungdes Kabinetts StauningKopenhagen. Nach den Wahlen zum Folketing haben Verhandlungen über eine Umbildungder bestehenden Regierung stattgefunden, die amMontag abgeschlossen wurden. Die neue, bereitsvom König bestätigte Regierung setzt sich folgendzusammen:Minifterpräsidium: S t a u n-i n g,Aeußeres: Dr. Munch,Finanzen: H a ms e n.Inneres: Dahlgaard»Justiz: S t e i n ck e,Landwirtschaft: Bording,Verteidigung: Alsing Andersen,Soziale Angelegenheiten: Christensen,Handel, Industrie und Seefochrt: K j a e r-b o e l,Oeffentliche Arbeiten: F i s k e r.Unterricht: Joergensen,Kirchliche Angelegenheiten: Johanne- Hansen.Sämtliche Kabinettsmitglieder bis auf diedrei Demokraten Dr. M u n ch, Dahlgaard undJoergensen gehören der sozialdemokratisch e n Partei an.Italienische FlottenexpertenIn LondonLondon. Am Dienstag treffen zwei italienische Flottenexperten hier ein, um an den Vorberatungen für die Marinekonferenz teilzunehmen«Prag. Die für Montag erwartete Umbildung der Regierung ist noch nicht erfolgt. Esfanden zwar am Bormittag zunächst Aussprachenzwischen den Führern der Koalitionsparteienstatt, wobei Dr. Hodja einzelne Punkte seinesProgramms erläuterte. Am Nachmittag folgteeine Sitzung der politischen Minister, doch hat sich,wie die„Prager Presse" meldet, dir Aussprachein die Länge gezogen, so daß von der Absicht,dem Präsidenten der Republik die Ernennungshandschreiben noch Montag abendS vorzulegen,Abstand genommen werden mutzte. Die Durchführung sei jedoch im Laufe der nächsten 24Stunden zu erwarten.Unter diesen Umständen wird die dienstägigeParlamentssitzung die Wahl des Präsidiums wohlvon der Tagesordnung absetzen müssen. Feststeht lediglich, daß der Außenminister Dr. BenesRom. General de Dono teilt mit:Sonntag um 6 Uhr früh haben unsereTruppen eine Offensivaktion auf derganzen Front eröffnet. Unsere Kolonnen rücke» in Richtung Dolo undM a k a l e vor. Im Somali-Abschnittentwickeln unsere Kolonnen eine Aktion in Ogaben. Die Aufklärungstätigkeit unserer Flieger ist überall sehrlebhaft.Die Truppenzahl der Italiener übersteigtnach Pariser Meldungen an der Rsrdfront100.000 Mann. Das Terrain soll sehr schwierigsein. Eine Eingeborenen-Abteilung, die den Vorstoß der italienischen Truppen in Richtung aufMalaie vorträgt, hat die Ortschaften Debra-Sion und Emba-MaSkala erreicht. Schwarzhemdenformationen stehen bereits in H a«s i e n.Aus Diredava wird gemeldet, daß dieitalienische Kavallerie entlang der Grenze vonFranzüsisch-Somaliland, südlich des BergesMuffa Ali vorrücke. Wie es scheint, will sie sichmit den motorisierten italienischen Abteilungenvereinigen, die sich von Danakil aus den Sümpfenin der Umgebung von I m m i n i nähern, unddann gemeinsam mit ihnen südwärts vorrücken.In der Gegend von Jmmini haben sich bereitserbitterte Kleinkämpfe entwickel!.Starke abessinische Abteilungen sind vonDessie nach Norden in Richtung auf Makale abgegangen. Die abessinischen Berichte melden jedoch, daß die abessinischen Truppen bisher keinen Widerstand leisten.' An der Südfront rücken die italienischen Truppen in drei Tälern, hauptsächlich aberim Web Schibeli-Tal, vor. In der Provinz Oga-den geht heftiger Regen nieder.Wie det Sonderkorrespondent des Deutschen Nachrichtenbüros mitteilt, wird das Kommando der italienischen Armee in Kenntnis derSchwierigkeiten des Terrains den Vormarschmethodisch und konsequent vornehmen lassen. Mannimmt an, daß Makale nicht vor zehn Tagen beseht werden wird. Das Armeekorps desGenerals Santini rückt längs der früheren Karawanenroute, die Adigrat mit Makale und Kobroverbindet, vor. Die Vorhut der Gruppe Santiniist durch Schwarzhemden bedeutend verstärktworden. Stark vertreten ist reguläre Infanterieund Bersaglieri. Der Vorhut sind Tanks, Flugzeuge und Artillerie beigegeben worden. Zumersten Male seit Kriegsbeginn treten irreguläreDanakiltruppen in Erscheinung, die von Askärisgeleitet werden. Ihre Aufgabe ist es, von derDäNakilwüste her auf Makale vorzurücken. DieDanakilkrieger, die erbitterte Feinde der Abessinier sein sollen, sind allein imstande, das mörderische Klima der. Hochgebirge zu ertragest.‘Nach Meldungen des italienischen PretzbüroShat sich General de Bono nach Edag begeben, umdie italienischen Truppenbewegungen zu einerneuen Offensive zu leiten, Hinter den von Ega-dahamus und Entiscia aufgebrochenen Korps ziehen Verpflegungskarawanen her. An der Seitesein angekündigtes Exposee halten wird. Ob eineDebatte darüber eröffnet werden soll, solangedie Frage der Kabinettsumbildung nicht endgültig gelöst ist, wird sich erst Dienstag entscheiden.Die offiziöse„Prager Presse" erklärt, dieneuerliche Verzögerung ergebe sich daraus, daßnoch keine volle Einigung innerhalb der Koalitionüber die Aenderungen und auch nicht über diezu wählende Form erzielt worden sei. Die Möglichkeit einer(formalen) Gesamtdemission desKabinetts bleibe infolgedessen weiter offen. Weitergehende Aenderungen als der Wechsel im Vorsitz und im Landwirtschaftsreffort seien zwarnicht ausgeschlossen, aber wenig wahrscheinlich.Die endgültige Lösung der Angelegenheitwird nunmehr zunächst im Rahmen von bilateralen Verhandlungen zwischen den einzelnen Koalitionsparteien gesucht werden.der Italiener gehen Eingeborenen-Truppen vor.Die Stütze des Massenvordringens der Italienersind die Flugzeuge, welche das Terrain erkunden.Der Rrutexkprrrfpondent in Addis Abebaerfährt aus amtlicher Ouelle, daß die abessinischenAbteilungen bereits so stark sind, daß jetzt erst dieeigentlichen Feindseligkeiten beginnen werden unddaß die abessinischen Truppen sich mit den Italienern werden messen können.Asmara.(DNB) Italienische Aufklärungsflugzeuge haben am Sonntag in der Gegend vonAmbä Alatschi, südlich von Makale, abessinische Truppen beobachtet, die nordwärtsmarschieren. Die Stärke wird auf etwa 10.000Mann geschätzt. Man schließt aus diesen Beobachtungen, daß die Messimer beabsichtigen, beiMakala Wider st and zu lei st en.Nom. Die Abendblätter bringen die erstenBerichte über den Vormarsch. Nordöstlich vonMakale hat sich die Vorhut bis A g u l a 35 Kilometer vor Makale herangearbeitet. Der Vormarschvollzieht sich fast ohne jeden Wider-st a n d, abgesehen von einigen Nestern, die ausgehoben werden mußten. Doch scheint die abessinische Nachhut den Rückzug gut zu decken, derdurch die genaue Kenntnis des Geländes erleichtert, wird. Der linke italienische Flügel, der ausDanakil-Mteilungen besteht, soll bereits dieFühlung mit dem linken Flügel des ersten Armeekorps ausgenommen haben. Der rechte Flügelzwischen Akfum und dem Setit-Grenzfluß istgleichfalls im Vormarsch begriffen, scheint aberdurch zahlreiche Einzelgefechte festgehalten zu werden.Sklavenbefreier oder Kindermörder?Italien bringt KulturAddis Abeba.(Tsch. P.-D.) Inder Umgebung von Gorahai haben italienische Flugzeuge Erkundungen überOrten, wo sich Brunnen und Zisternenbefinden, ausgeführt, die heftig bombardiert wurden. Hiebei wurde«, wieder amtliche abesfinische Bericht meldet,30 Frauen und 15 Kinder getötet.An dem Bombardierungsfluge nahmen 25italienische Flugzeuge teil, die einige tausend Bomben abwarfen.Englisches Italien-Geschäftvia Oesterreich?Wien. fTsch. P. B.) Seit Tagenweilt der Chef der größten europäischen Waffenfabrik, Armstrong Douglas Vickers, inWie«.Höchste ZeitUngewöhnlich spät tritt Heuer das Parlament zu seiner ordentlichen Herbsttagung zusammen. Durch die Abhaltung einer Sitzung am 23.Oktober ist den verfassungsrechtlichen Vorschriften, die den Beginn dieser Tagung ausdrücklichauf den Monat Oktober festsetzen, formal Genügegetan worden, aber erst heute nimmt das Parlament seine regelinäßigen Arbeiten auf. Gewißkann niemand für die Verzögerung verantwortlich gemacht werden, die durch den vorzeitigenTod des Kammerpräsidenten verschuldet wurde.Aber war schon die Verschiebung des Sessionsbeginnes auf Ende Oktober angesichts der großenund dringenden Aufgaben, die der Politik desLandes gestellt sind, sehr bedauerlich, so ist esumso weniger zu rechtfertigen, daß die Pausenach der Trauersitzung dadurch verlängert wurde,daß die Agrarier die Besetzung des freigewordenen Präsidentenpostens mit Veränderungen inder Regierung in Verbindung brachten. VomStandpunkte der Arbeitsfähigkeit und zweckmäßigen Arbeitseinteilung des Parlamentes mußfestgestellt werden, daß die Agrarier mit demEinwerfen dieser Fragen, die doch zumindest nichtgerade jetzt gelöst werden müßten, eine Situationverschärft haben, die an sich der Schaffung undWeiterbildung einer gesunden parlamentarischenTradition und damit dem Ansehen des Parlamentarismus durchaus nicht förderlich ist.Denn die Dinge liegen nun so, daß die beiden Kammern der Nationalversammlung Mühehaben werden, auch nur das allerdringlichste bi-Weihnachten unbedingt zu bewältigende Arbeitsprogramm zeitgerecht zu erledigen. Die großeaußenpolitische Aussprache, eine Gelegenheit, diesich dem tschechoslowakischen Parlament in diesenweltpolitisch so bewegten Zeiten ohnedies seltenerbietet, als es wünschenswert wäre, und derenAktualität, deren Notwendigkeit gerade jetzt offenzutage liegt, wird eine weitere Woche in Anspruchnehmest. So stehen wir vor der Tatsache, daß dierechtzeitige Verabschiedung des Staatsvoranschlages in Frage gestellt ist und wenn auch ein Bud-getprovisorum nicht gerade der liebel größtes ist,so sollte doch zu diesem Ausweg nicht ohne Notgegriffen werden. Der Rest der Tagung wirddann mit der Durchberatung terminierter Vorlagen ausgefüllt sein, deren unter dem Druckvon Fristen erzwungene Verhandlung einer schöpferischen Tätigkeit des Parlamentes den Raumnimmt.Gewiß,' unabweisliche wirtschasts- und sozialpolitische Maßnahmen können auf Grund desErmächtigungsgesetzes durch Regierungsverordnung verwirklicht werden. Aber abgesehen davon,daß auf diese Weise auch die Regierung in einehöchst unerwünschte Zeitnot komint, war dies keineswegs der Sinn des Ermächtigungsgesetzes, zumindest nicht die Absicht, welche die Sozialistenmit ihrer Zustimmüstg zum Ermächtigungsgesetzverbanden. Das Ermächtigungsgesetz sollte dieRegierung instand setzen, rasch zu handeln, wosachliche Gründe eine rasche Entscheidung erfordern. Der Zeitmangel, der dadurchhervorgerufen wurde, daß manvorher Wochen zwecklos ver st reichenließ, istkeineRechtferti-gungfürdieAnwrndung des Ermächtigungsgesetzes. Es war derausdrücklich erklärte Wille der Regierung, daßdem Parlamente nicht nur die politische Gesetzgebung, die Justizgesetzgebung, die kulturpolitischeGesetzgebung Vorbehalten bleiben müsse, sonderndaß auch seine Initiative und seine Mitarbeit inwirtschaftlichen Angelegenheiten nicht ausgeschaltet werde, wofern nicht zwingende Notwendigkeit den Verordnungsweg erheischt.Das tschechoslowakische Parlament hat imJahre 1933 seine Geschäftsordnung reformiert.Diese Reform war von dem Willen getragen, dieparlamentarischen Auseinandersetzungen fruchtbarer und lebendiger zu gestalten. Es war dieAbführung von ersten Lesungen vor der Ausschußberatung vorgesehen, um an Stelle der formalen Erfüllung der verfassungsmäßigen Vorschriften die grustdsätzliche Aussprache, die wirklich parlamentarische Debatte zu setzen, die vonder politisch interessierten Oeffentlichkeit verfolgt,miterlebt wird, die den Staatsbürger mit demBewußtsein von der Lebendigkeit der Demokratieerfüllt. Wer was helfen die neueröffneten Möglichkeiten unserer Geschäftsordnung, wenn dasParlament einfach keine Zeit hat, von ihnen Geqbrauch zu machen!Neue Oiicnsivc an allen Fronten