Nr. 260

Freitag, 8. November 1935

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Steigt die Kriminalität? Wir leben im sechsten Jahre des Wütens der Wirtschaftsküse, wir gehen dem siebenten Krisen­winter entgegen. Die arbeitende Bevölkerung hat Jahre voll zermürbender Existenzsorgen, Jahre der ArbeitslosiAeit, der Not und Entbehrung hin­ter sich. Zehntausende, Hunderttausende. waren jed.es festen Einkommens beraubt und vielfach nur auf die Leistungen der Arbeitslosenfürsorge des Staates angewiesen. Angesichts des ungeheueren Umfanges des Notstandes und angesichts der ge­waltigen Anforderungen, die an den Staat ge­stellt wurden, konnten diese naturgemäß im Ein­zelfalle nur unzureichend sein. Was wäre ange­sichts der fürchterlichen Katastrophe, von der un­gezählte Familien braver Arbeitsmenschen nun schon durch Jahre heimgesucht sind, näherliegend, als daß wir ein starkes Ansteigen der Kriminali­tät zu verzeichnen hätten? Als daß derjenige, der nicht imstande ist, auf legalem Wege wenigstens das nackte Leben zu fristen, auf illegalem Wege nach einer Verdienstquelle greift und mit den Strafgesetzen in Konflikt kommt? Nichts liegt näher, als die Annahme, daß die Strafgerichte es mit einem gewaltigen Anschwellen der Straf­agenda zu tun haben, daß die Zahl der Anklagen, der Strafverhandlungen, der Verurteilungen rapid im Steigen begriffen ist. Sehen wir uns einmal die Statistik an und prüfen wir, ob diese Annahme stimmt I Vor uns liegen die Ergebnisse der Kriminal­statistik für die Jahre 1932 und 1933.(Letztere ist vor kurzem im Druck erschienen.) Die Daten, die sie enthalten, stammen also aus zwei Krisen­jahren mit allen ihren Attributen des Massen­elends und des Hunger-. Im Jahre 1931 standen bei den Kreis« g e r i ch t e n in Böhmen , Mähren und Schlesien auf Tausender abgerundet 69.000 Straf­fälle zur Verhandlung, davon waren 53.000 in diesem Jahre neu angefallen. Die analogen Zah­len betragen für 1932 und 1933 je 77.000 Straffälle» davon 60.000 bis 61.000 auS einem dieser Jahre stammend. Das ist ein unzweifelhaf­ter Anstieg, aber keineswegs ein bedenklicher. Wenn wir jedoch die Statistik etwas zergliedern, kommen wir zu ganz anderen Ergebnissen. Die Zahl der Fälle, die vor den Schwurgerichten zur Verhandlung standen, also die Zahl der Morde, Raubmorde usw., ist sogar von 454 im Jahre 1931 auf 384 im Jahre 1932 und 890 im Jahre 1933 zurückgegangen! Der Jahresdurchschnitt für die Jahre 1929 bis 1933 beträgt 423, ist also höher! Die Zahl der Per­sonen, die vor Strafsenaten und Einzelrichtern bei Kreisgerichten standen, hat sich in den letzten drei Jahren nicht erhöht, sie schwankt zwischen 19.000 und 21.000. Weniger günstig liegen die Verhält­nisse« llerhings-in. der Slowakei , uni.iu. Karpathen, rutzland, wo die Zahl der Straffälle von 25^000 im Jahre 1931 auf 32.000 bis 32.500 ange­wachsen ist, die Zahl der Verurteilungen von 9000 auf 11.000 und 12.800, also auch keineswegs in einem erschreckenden Maße. Im gesamtstaatlichen Maßstabe hat sich die Zahl der Gtraffälle seit 1931 von 100.000 auf 110.000 im Jahre 1933 erhöht, die Zahl der Verurteilungen von 28.000 auf 34.000. Man könnte einwenden, daß die Tätigkeit der Kreisgerichte hier kein entsprechendes Bild zu geben vermag, da die kleinen Diebstähle, Betrü­gereien und Veruntreuungen von den Bezirks­gerichten geahndet werden. Machen wir die Probe aufs Exempel! Die Zahl der Strafsachen, die. vor den B e- zirksgerichten der ganzen Tschechoslowaki­schen Republik zur Verhandlung gelangten, hat sich von 622.000 im Jahre 1931 auf 652.000 im Jahre 1933 erhöht, dieZahlderver- urteilten ist aber in dieser Zeit mit 215.000 bis 216.000 nahezu gleich geblieben. In Bezug auf die Zahl der Straffälle sehen wir also einen Anstieg, der aber nicht allzusehr ins Ge­wicht fällt, wenn man bedenkt, daß einen großen Teil der Agenden der Bezirksgerichte die Ehren« beleidungsklagen einnehmen, deren Zahl in unserer nervösen Zeit natürlich immer im Stei­gen begriffen ist. Es wäre auch der Einwand möglich, daß unsere Schlüsse insofern trügerisch sind, als das Jahr 1931 vielleicht keinen richtigen Vergleichs­stab bietet, da damals die Kriminalität als Folge des sRassenelendS schon eine derartige Höhe er­reicht gehabt haben könnten daß eine weitere be­trächtliche Steigerung nicht mehr möglich erscheint. West gefehlt! Die Justizverwaltung hat uns auch mit dem Jahresdurchschnitt für 1929 bis 1933 bekannt gemacht. Selbstverständlich mußten di« Verhältnisse im Jahre 1933 ungünstiger sein als die. Zahlen des Jahresdurchschnittes über die letzten fünf Jahre, von denen eines noch ein Konjunkturjahr war. Aber die Verschlech­terung ist keineswegs auffallend oder beängstigend und wir sehen sogar, daß die Zahl der Verurtei­lungen in den historischen Ländern bei den Kwis- qerichten den Jahresdurchschnitt zwar um ein geringes, die analoge Zahl bei den Bezirksgerich­ten(im gesamtstaatlichen Maßstabe) den Jahres­durchschnitt aber fast überhaupt nicht übersteigt. Von der infolge der Krise hervorgerufenenmo­ralischen Verlotterung"; von der gewisse bürger­liche Kreise so gerne sprechen, die nicht wissen» wie weh der Hunger tut, ist also kaum etwas zu ver­spüren. Ein weiterer Prüfstein ist die Kontrolle der Tätigkeit, die den Staatsanwaltschaf­ten als Anklagebehörden oblag. Auch hier kann von einem ernstlichen Anwachsen der Straffälle feine Rede sein. Die Zahl der Fälle, mit denen

Aus einemKulturstaat 11 Die braune Schmach des 20. Jahrhunderts

Ein tschechoslowakischer Staatsbürger, der viele Jahre in Deutschland lebte, wurde auf Grund einer Denunziation im März d. I. in das Konzentrationslager in Sachsenburg ge­bracht. Ende Oktober wurde er von dort ent­lassen und au» Deutschland ausgewiesen. Was er im Lager Sachfenburg erlebte, hat er uns geschil­dert. Wir entnehmen seinem Berichte einige be­zeichnende Stellen: ' In Sachensenburg befand sich u. a. auch Ge« nosie Dr. Sachs aus Dresden , ein leitender Funktionär derDresdner Volkszeitung". Dieser Mann wurde viehisch behandelt. Sofort nach sei­ner Einlieferung kam er in denBunker". Tags­über verwendete man ihn mit Vorliebe zum Steineklopfen, wobei er unerhört schikaniert wurde/ Mitte Oktober wurde er wieder einmal bestialisch verprügelt, und zwar von vier Schutz­häftlingen, ehemaligen Kommunisten, die dazu beauftragt waren und sich durch besondere Roheit einerJudensau" gegenüberoben" beliebt machen wollten. Die Burschen schlugen den Ge­nossen Dr. Sachs solange mit Stecken und Bür­sten, bis die Haut teilweise nur noch in Fetzen herunterhing. Am nächsten Tage wurde Sachs gebadet". Dabei starb er. Beim Appell wur­

den alle Lagerinsassen verpflichtet, über den Vor­fall strengstes Stillschweigen zu bewahren. Im Mai d. I. verübte der Kommunist S ch r a p s aus Limbach Selbstmord, indem er sich mit einer Rasierklinge die Kehle durchschnitt. Seine Leiche wurde aus einem Handwagen zum Friedhof Frankenberg gefahren und dort ver­scharrt. Mitte August wurde der Häftling Wert­ heim , ein Jude aus Leipzig , schwer mißhandelt und dann gezwungen, auf einer frisch geschotter­ten und ungewalzten Straße stundenlang her­umzukriechen. Seine Glieder, vor allem die Knie, waren nach dieser Prozedur schrecklich ver­eitert. Man schaffte ihn ins Chemnitzer Kranken­haus, wo er zwei Tage spater verschied. Den Juden Boas aus Crimmitschau ließ man stundenlang Laufschritt machen und nachher auf frisch geschotterter Straße barfuß Steine fahren. Hiebei mußt« er sich bei jedem Posten mit den Worten melden:Dr. Boß aus Crimmitschau ist eine große Judensau." Dies nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Lagerleben" Sachsenburgs. Er genügt aber, um aufzuzeigen, auf welcher Kulturstufe Hitlers Drittes Reich steht.'

sich die Staatsanwaltschaften zu befassen hatten, ist im ganzen Staat in den Jahren von 1931 bis 1933 um 13.000, von 150.000 auf 163.000 ge­stiegen. 1933 wurden um rund 3000 Anklage­schriften mehr überreicht als im Jahre 1931. Wir konstatieren also einen Zuwachs, der sicherlich mit allem Ernst bewachtet werden mutz, aber über­triebene Besorgnisse keineswegs rechtfertigt. Wegen Morde-, Totschlages oder wegen Versuches eines dieser Verbrechen standen 1930 319, 1931 290, 1932 286 und 1933 254 Personen vor den Richtern. Ihre Zahl ist also seit 1930 konstant im Ab­nehmen begriffen. Der Präsident der Republik hat im Jahre 1933 128 Zivilpersonen, davon 19 Frauen, sowie 625 Militärpersonen gegenüber von seinem Begnadigungsrechte Ge­brauch gemacht, darunter wurden 35 zum Tode verurteilte. Personen begnadigt. Das im Vorjahre dank der schöpferischen Initiative der sozialdemo­kratischen Parteien innerhalb der Regierungs- koalitton in Kraft getretene neue Gesetz über die Todesstrafe dürfte einen weiteren starken Rück­gang der Todesurteile auf«in Minimum brin­gen, so daß das Begnadigungsrecht des Präsiden­ten diesbezüglich nahezu ganz in Wegfall kommen wird. Statistische Daten über die Auswirkungen dieses Gesetzes liegen noch nicht vor. Es ist erfteiüich, daß von der Rechtswohl» tat der bedingten Verurteilung, die unsere Justiz erst seit dem Umstürze kennt, in unserem Gerichtswesen ein sehr ausgiebiger Ge­brauch gemacht wird. Die bedingte Verurteilung ist möglich bei erstmaligen Verurteilungen zu einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahre, wenn das Gericht dafür hält, daß der Verurteilte in Zukunft einen ordentlichen Lebenswandel führen wird und daß daher der Vollzug der Strafe nicht notwendig erscheint. Von 34.000 Urteilen der Kreisgerichte wurde im Jahre 19<33 in 14.000 Fällen also fast in der Hälfte der Fälle die Strafe nur bedingt aus­gesprochen, sie soll nur vollzogen werden, wenn sich die Verurteilten eines neuen.Deliktes schuldig machen. Von 216.000 Urteilen der Bezirksgerichte sind 115.000, also mehr als di« Hälfte, nur be­dingt. Daß sich diese Institution voll bewährt hat, ist daraus zu ersehen, daß der nachträgliche Vollzug derStrafe nur bei e tw a s m e h r a lS 2 Pr oz e n t der be­dingt Verurteilten ausgesprochen werden mutz. DaS ist unzweifelhaft ein ganz ausgezeichnetes Ergebnis. Die Kriminalstatisttken für 1932 und 1933, denen ein Teil unserer Daten entnommen ist, ent­hielten zum erstenmal Angaben Mer unsere Jugendgerichtsbarkeit, die auf Grund unseres sehr humanen Jugendstrafgesetzes auS dem Jahre 1931 gleichfalls eine Frucht fo- ftalistischer Mitarbeit in der Regierung auf neue, selbständige und moderne Grundlagen ge­stellt wurde. Hier können wir erfreulicherweise einen nicht wegzuleugnenden Rückgang her Straftaten jugendlicher Rechtsbrecher kon­statieren. Die Kreisgerichte hatten 1932 im gan­zen mit 4200 Strafsachen gegen Jugendliche zu tun, die Bezirksgerichte mit 25.000, 1938 waren es nur mehr 8700 Strafsachen bei den Kreis­gerichten und 20.000 bei den Bezirksgerichten. Verurteilt wurden 1932 insgesamt 9000 Jugend­liche, 1933 nur mehr 7500. Allerdings läßt sich diese an sich sehr begrühenswerte Entwicklung mit dem Geburtenrückgang in den entscheidenden Jah­ren, nämlich in den Krisenjahren, wenigstens zum Teil erklären. Die Anwendungsmöglichkeiten für die bedingte Verurteilung sind im Jugendstraf­recht viel weitgehender. Hier ist die bedingte Ver­urteilung zulässig bei Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren, eine vorhergehende Verurteilung steht ihr ebenso wenig im Wege wie die Tatsache, daß sich der Verurteilte innerhalb einer Bewährungs­frist bereits einmal nicht bewährt hat. 120 Ju­gendliche wurden zwar schuldig gesprochen, doch von der Verhängung einer Strafe wurde abge­sehen, 670 jugendliche Rechtsbrecher wurden der Schutzaufsicht, acht der Familienfürsorgeerziehung und 73 der Anstaltsfürsorgeerziehung übergeben. Die humanen Tendenzen, von denen unser Ju­

gendstrafrecht erfüllt ist, wirken sich also in vollem Maße aus. Wenn wir resümieren, müssen wir feststellen, daß trotz Maffennot und Elend, trotz Hunger und Arbeitslosigkeit kein wesentlicher Anstieg der Kri­minalität zu verzeichnen ist, daß sich also unsere so schwer geprüfte Bevölkerung einen erstaun­lichen Grad von moralischer Widerstandskraft be­wahrt hat und ihr hartes Los mit einer fast nicht mehr glaMlichen Geduld trägt. Aber es wäre verfehlt, auf die moralische Widerstandskraft zu bauen, die den Opfern der Krise innewohnt und nicht lieber Maßnahmen zu ergreifen, die ihr Schicksal erttäglicher gestalten, die ihr Leben wieder lebenswert machen. Eine gute Sozial­politik, eine weitreichende Fürsorge für die Arbeitslosen, inbesondere aber ein großzügiges Arbeitsbeschaffungs­programm, das die Wiedereinreihung zehn­tausender unfreiwillig Feiernder in den Produk­ttonsprozeß im Gefolge hat,- das find die besten Mittel, um nicht nur Hunger und Not zu bekämpfen, sondern in weiterer Folge auch die Kriminalttät unter das heutige Matz herabzu­setzen!g

Volkswirtschaft und Sozialpolitik 40-Stunden-Woche Die Internationale Arbeitskonferenz im Jahre 1936 wird bekanntlich über die Frage der Arbeitszeitverkürzung in verschiedenen Gewerbe­zweigen auf 40 Stunden wöchentlich beraten. Zur Verhandlung steht die 40-Stunden-Woche bei öffentlichen Arbeiten, im Hoch- und Tiefbau, in der Eisen- und Stahlindustrie und in. den Koh« lenbergwerken. In seiner Oktobersitzung hat der VerwaltungSrat des Internationalen Arbeits­amtes beschlossen, auch die Texttlindustrie in die Beratung über die Einführung der 40-Stunden- Woche einzMeziehen.

Sonderbare Sorgen Während die Verbrauchermassen noch immer die Teuerung verspüren, bereiten den Herren des Biehsyndikats angeblich billige Butterpreise grö­ßere Sorgen. In der Vorstandsitzung der zweiten Sektton des Viehsyndikats wurde von einer Preis­unterbietung auf dem Buftermarkte gesprochen, die dadurch ermöglicht werde, daß slowakische Butter als Reisegepäck in die größeren mährischen und böhmischen Städte transporttert werde. An­geblich soll dieses Reisegepäck von Einzelperso­nen ein Gesamtgewicht von 100 bis 200 Kilo­gramm haben und von Leuten befördert werden, die Jahreskarten besitzen. Die Ersparnis der Transportkosten ermögliche die billigere Abgabe der flowakischen Butter. Es soll nun das Han­dels- und das Eisenbahnministerium zum Ein- schreiten veranlaßt werden. Uns scheint es sehr fraglich, daß slowakische Butter in größerem Umfang als Reisegepäck transporttert wird. Wäre es nicht viel richtiger, statt das Eisenbahnministerium zu verschärfter Kontrolle zu mobilisieren, und das Handelsmini­sterium zu einem Einschreiten gegen niedrigere Butterpreise aufzufordern, den Preis auch für böhmische Butter herabzufetzen? Er ist zur Zeit so hoch, daß er eine Ermäßigung um 1.50 bis 2 Kronen pro Kilogramm verträgt, ohne daß da­durch die Erzeuger in ihrer Existenzgrundlage erschüttert werden. Jedenfalls scheinen uns die Sorgen um eine Preisunterbietung, die sich nicht nur auf die Butter beschränken, keineswegs ge­rechtfertigt zu sein. Man möchte wünschen, daß die gleichen Kreise dieselben Besorgnisse an den Tag legen, wenn die Preissteigerungen den Ver­brauchern den Konsum beschränken.

Hochkonjunktur in der englischen Industrie In der englischen Stahlindustrie herrscht zur Zeit Hochkonjunktur. Die Industrie ist nicht in der Lage, alle eingehenden Aufträge auszu­

führen, so daß die Einfuhrquote für Halbzeug um je 10.000 Tonnen während der nächsten sechs Monate erhöht worden ist. Die Produktion der englischen Stahlindustrie wird für 1935 aus 10 Millionen Tonnen, etwa das Doppelte der Erzeugung von 1931, geschätzt. Die Produk­tion der brittschen Kunstseidenindustrie erreichte in den ersten neun Monaten 1985 89.5 Millio­nen£, in der gleichen Zeit des Vorjahres be­trug sie 67.5 Millionen£. Damit hat die Kunst- feidenprodultion in England einen neuen Rekord­stand erreicht. Die Rationalisierung. In der Papierfabrik Spiro wurde eine neue Druckpapiermaschine aufgestellt, die in der Minute 350 Meter Druck­papier erzeugt. Die Maschine wird täglich zehn Waggons oder jährlich mehr als 3000 Waggons liefern. DaS ist so viel, wie der gesamte inländische Bedarf an Druckpapier. Es gibt aber außer dieser einen Maschine nicht nur noch mehr Papiererzeu­gungsmaschinen, sondern auch noch einige weitere Papierfabriken in der Tschechoslowakei .

HenMssaak Die Erbschwindeleien einer 84jährigen Witwe Am Sterbelager des Gatten falsche Zeuge« gegen ihre Stiefkinder gekauft Die Villa ihrem Freund überschrieben! Prag . Der vor dem Strafsenat Beck ver­handelte Prozeß gegen die 84jährige Oberlehrers­witwe Anna Pik aus S t r a s ch n i tz, die des Verbrechens der falschen Zeugenaus­sage und derVerleituungzu diesem Verbre­chen angeklagt war, bildet den Wschlutz einer eben­so häßlichen als ungewöhnlichen Affäre, die vorher allerlei zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit sich brachte. Am 12. März 1930 starb der Gatte der An­geklagten, der pensionierte Oberlehrer Karl Pik, der aus erster Ehe drei Kinder in die Ehe­gemeinschaft mit der Angeklagten mitgebracht hatte. Im Verlassenschastsverzeichnis waren u. a. zwei Sparbücher angeführt, lautend auf 32.718 KL und 9028 K6. Die Angeklagte erklärte, die Erb­schaft anzutreten und die Verlassenschaftsverhand- lung/nahm ihren Verlauf. Am 19. August 1980 machte nun die Ange­klagte eine Eingabe an das Verlassenschaftsgericht, in welcher sie behauptete, die beiden Spar- bücherseiennurirrtümlicherweisein das Verlassenschaftsverzeichnis einbezogen worden. Diese Sparbücher seien vielmehr ihr persön­liches Eigentum und gehörten nicht zur Erb- schaftSmasse. Der verstorbene Gatte habe ihr einige Wochen vor seinem Tod in feierlicher Art die beiden Einlagebücher in Gegenwart des Hausbesorgers Franz Brazdq und seiner Frau Josefine zuur Geschenk gemacht.. Die drei Kinder des toten Oberlehrers prote­stierten gegen diese Behauptung, was begreiflich ist, wenn man bedenkt, daß durch die angebliche Schen­kung ihr gemeinsamer Erbe um Wer 42.000 ge­schmälert wurde. Da ihr Vater niemals von dieser Schenkung gesprochen hatte und die Sparbücher zu­nächst auch ganz regelrecht im Berlassenschaftsver- zeichnis angeführt worden waren, strengten sie gegen ihre Stiefmutter einen Erb­schaft S p: o z e tz an, der sich geraume Zeit hin­zog. Zunächst schien es um die Sache der Ange­klagten aufs beste bestellt zu sein. Das Hausbesor« gerehepaar sagte tatsächlich aus, datz der Verstor­bene drei Wochen vor seinem Tod seiner Frau die Sparbücher Wergeben habe, mit den Worten: Hier hast du die Sparbücher, nimm siedir, siesinddein..." Zu dieser Ueber- gabe seien sie, Franz und Josefine Brazda, eigens als Zeugen geladen worden. Der Prozeß verlief also für die Angeklagte zunächst verheißungsvoll, bis eines Tages das E h e- paar Brazda beim Verlaffenschaftsgericht er­schien und seine ftüheren Aussagen widerrieft Das Ehepaar Brazda erklärte ferner, bereits ein halbes Jahr vor dem Tode des alttn Oberlehrers von dessen Gattin im voraus zu der falschen Zeu­genaussage angesttstet worden zu sein und mehr als das die gewissenlose Greisin hatte ihnen, noch vor dem Tod ihres Mannes, ihre künftige fa­sche Zeugenaussage schriftlich im Detail ausgearbeitet und ihnen diese schriftlichen Weisungen zum gründlichen Einlernen Wergeben l (Diese Dokumente lagen dem Gerichte vor.) Sie wollte die 42.000 für sich zur Seite schaffen und ihre Stieftinder um dieses Erbe bringen. Als Lehn für die Beihilfe versprach sie den Eheleuten Brazda lebenslängliche Wohnung in ihrer Villa. Durch dieses Versprechen verleitet, ließen sie sich tatsächlich zu der falschen Zeugenaussage her­bei. Spätex besannen sie sich indessen(vielleicht hat die habsüchtige Greisin ihr Versprechen gebro­chen) und bekannten sich zu dem wahren Sachver­halt, obwohl sie wutzten, daß auch sie durch ihre falsche Zeugenaussagen straffällig geworden waren. Vor dem Strafgericht leugnet« die alte Frau hartnäckig jede Schuld. Sie wurde nicht nur durch da» Geständnis der gleichfalls wegen falschen Zeug­nisses mitangeklagten Eheleute Brazda überführt, sondern auch durch das Gutachten des Schriftsach­verständigen Redakteur Franz F l a n d e r k a, der die Handschrift der dem Gericht« vorliegenden schrift­lichen Anweisungen zu der falschen Aussage des EbevaareS Brazda zweifellos als die der Anna Pik erklärte. Die 84jährigeehrwürdige Witwe" wurde zu 10 Monaten schweren Kerkers verurteill und nur ihr Alter verhalf ihr' wohl zu der be­dingten Verurteilung. DaS Ehepaar Brazda wurde zu je f ü n f bzw. sechSMonaten bedingt verurteilt. Ein bezeichnenedeS Detail sei zur Charakteri­sierung dieser würdigen Greisin vermerkt: Sie hat, um sich für alle Fälle zu decken, ihre Villa gleich am Anfang deS Prozesses ihremFreund" überschreiben lassen.' rb.